Urteil des AG Lemgo vom 09.09.2009

AG Lemgo (kläger, abrechnung, anschrift, höhe, zugang, vollstreckung, nebenkosten, vermieter, mieter, ausgleich)

Amtsgericht Lemgo, 20 C 144/09
Datum:
09.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Lemgo
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 C 144/09
Schlagworte:
Versäumung der Ausschlussfrist für die Abrechnung der Betriebskosten
Normen:
BGB § 556 Abs. 3
Leitsätze:
Es ist Sache des Vermieter, sich nach Auszug des Mieters über die neue
Anschrift des Mieters zu informieren, um einen fristgerechten Zugang der
Betriebskostenabrechnung bewirken zu können; die einstweilige
Unkenntnis der neuen Anschrift ist seinem alleinigen
Verantwortungsbereich ohne Exkulpationsmögtlichkeit zuzuordnen.
Tenor:
Die weitere Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 36 % und die
Beklagte zu 64 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckenden
Betrages abzuwen-den, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dem Kläger wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 1.985,45 € festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Beklagte war Mieterin einer Wohnung des Klägers im Haus ...; dem Mietverhältnis
lag der schriftliche Mietvertrag vom 27.04.2005 zugrunde. Das Mietverhältnis endete am
31.08.2007.
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Am 06.07.2007 übersandte der Kläger der Beklagten die Nebenkostenabrechnung für
das Jahr 2006. Hiernach ergab sich eine Nachzahlung der Beklagten in Höhe von
1.263,48 Euro. Ein Ausgleich dieser Nebenkostenabrechnung erfolgte nicht.
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Mit Schreiben vom 27.08.2008 und 29.10.2008 versuchte der Kläger erfolglos, der
zwischenzeitlich in die Niederlande verzogenen Beklagten die
Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2007, die mit einem Nachzahlungsbetrag von
721,97 Euro endete, zuzustellen. Dies gelang erst Mitte Januar 2009. Auch diese
Nebenkostenabrechnung blieb unbezahlt.
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Der Kläger trägt vor, er habe sich in der 2. Jahreshälfte 2008 intensiv um die Erlangung
der aktuellen zustellungsfähigen Anschrift der Beklagten gekümmert.
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Nachdem die Beklagte nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens keine
Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat, hat das Amtsgericht Lemgo die mit dem
inzwischen rechtskräftigen Teilversäumnisurteil vom 08.07.2009 verurteilt, die offenen
Nebenkosten für 2007 in Höhe von 1.263,48 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 02.09.2007 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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die Beklagte zu verurteilen, über den durch Teilversäumnisurteil vom 08.07.2009
titulierten Betrag hinaus weitere 721,97 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 13.02.2009 an ihn zu zahlen.
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Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
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Entscheidungsgründe:
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Die weitere Klage ist unbegründet.
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Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Bezahlung weiterer Nebenkosten für das
Jahr 2007 beanspruchen. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 535 BGB.
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Zwar ist die Beklagte aufgrund einer mietvertraglichen Vereinbarung grundsätzlich zur
Tragung der seitens des Klägers für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.08.2007
abgerechneten Nebenkosten verpflichtet.
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Ein Anspruch auf Ausgleich dieser Kosten ist aber gemäß § 556 Abs. 3 S. 2 BGB
ausgeschlossen. Nach § 556 Abs. 3 S. 2 BGB ist die Abrechnung über Betriebskosten
dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des
Abrechnungszeitraums mitzuteilen, wobei es zur Fristwahrung auf den Zugang der
Abrechnung beim Mieter ankommt. Gemäß § 556 Abs. 3 S. 3 BGB ist nach Ablauf dieser
Frist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen,
es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
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Unstreitig hat die Abrechnung für 2007 die Beklagte erst Anfang 2009 und damit nach
Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB erreicht. Dass der Kläger diese
Verspätung nicht zu vertreten hat, lässt sich im Ergebnis nicht feststellen. Ein
Nichtvertreten wird in der Rechtsprechung für die Fälle angenommen, in denen das
Hindernis zum fristgerechten Zugang der Abrechnung außerhalb des Einflussbereichs
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des Vermieters bei einem Dritten (wie etwa dem Abrechnungsunternehmen bei der
Abrechnungserstellung oder der Post bei der Postzustellung) liegt. Im vorliegenden Fall
liegt das Hindernis zum fristgerechten Zugang der Abrechnung indes nach Auffassung
des erkennenden Gerichts beim Kläger, der als Gläubiger dafür verantwortlich ist, die
zustellfähige Anschrift des Schuldners kennen zu müssen, um einen fristgerechten
Zugang bewirken zu können. Dieses Risiko ist dem alleinigen Verantwortungsbereich
des Vermieters zuzuordnen; für Hindernisse aus dem eigenen Verantwortungsbereich
gilt die Exkulpationsmöglichkeit des § 556 Abs. 3 S. 3 aE BGB gerade nicht.
Gegen die Annahme, dass der Kläger die Verspätung nicht zu vertreten hat, spricht auch
der Umstand, dass der Kläger letztlich im Rahmen einer Recherche in den eigenen
Unterlagen zum Mietverhältnis auf die E-Mail-Anschrift gestoßen ist und die darauf
eingeleitete E-Mail-Anfrage bei der Beklagten zur Erlangung der zustellfähigen
aktuellen Anschrift geführt hat. Hätte der Kläger dieses Procedere früher eingeleitet,
wäre eine Zustellung der Abrechnung innerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3
S. 2 BGB möglich gewesen.
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Die über das rechtskräftige Teilversäumnisurteil hinausgehende Klage ist daher
abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs.
1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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