Urteil des AG Lemgo vom 29.12.2010

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Amtsgericht Lemgo, 19 C 293/10
Datum:
29.12.2010
Gericht:
Amtsgericht Lemgo
Spruchkörper:
Amtsrichter
Entscheidungsart:
Schlussurteil
Aktenzeichen:
19 C 293/10
Schlagworte:
Verzicht auf Zeugen; Reparaturfreigabe durch Versicherungsmitarbeiter
Normen:
ZPO § 399; AKB 2008 Buchst. A.2.2.7
Leitsätze:
Wendet eine Partei gegen das Ergebnis eines
Sachverständigengutachtens nicht ein, ein von ihr vorher benannter
Zeuge könne das Ergebnis des Gutachtens widerlegen, verzichtet sie
damit konkludent auf den Zeugen (§ 399 ZPO).
Gibt ein Mitarbeiter einer Versicherung eine Reparaturfreigabe, so ist
Grundlage dieser Freigabe nur der dem Mitarbeiter mitgeteilte
Sachverhalt. Kann dieser im Ergebnis nicht bewiesen werden, können
aus der Reparaturfreigabe keine Ansprüche abgeleitet werden.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher
Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer des Fahrzeugs Renault Twingo mit dem amtlichen
Kennzeichen pp., welches zumindest im August 2009 bei der Beklagten mit einer
Selbstbeteiligung von 300,00 EUR vollkaskoversichert war einschließlich einer
Teilkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung. Umfasst waren von der Versicherung
auch Schäden bis 2.000,00 EUR aufgrund Tierbisses. Der Umfang der Versicherung
ergibt sich aus dem Versicherungsschein (Bl. 92 ff. d.A.). Grundlage des Vertrages
waren die AKB 2008.
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Im August 2009 stellte der Kläger fest, dass der Motor seines Wagens nicht "rund lief".
Der Wagen wurde sodann in die Werkstatt des Renault-Vertragshändlers Autohaus pp.
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gebracht. Die Schadensursache war zu diesem Zeitpunkt weder dem Kläger noch dem
Vertragshändler bekannt. Ein Mitarbeiter des Autohauses pp. teilte dem Kläger mit, die
Zylinderkopfdichtung sei wegen eines Marderbisses beschädigt. Der Kläger
unterrichtete nach Schadensfeststellung seinen Versicherungsvertreter von dem
Sachverhalt. Dieser wiederum rief bei der Beklagten an und schilderte Sachverhalt,
Schadensursache und Schadensumfang. Die Mitarbeiterin der Beklagten erteilte die
Zustimmung zur Fortsetzung der Reparatur. Für die Arbeiten berechnete das Autohaus
pp. 1.100,01 EUR. Der Kläger unterschrieb eine Abtretungserklärung. Da die Firma pp.
dem Kläger mitteilte, dass die Rechnung noch nicht bezahlt sei, beglich der Kläger die
Rechnung am 21.12.2009. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom
11.12.2009 (Bl. 16 d.A.) mit, es würden nur 63,50 EUR für Kabel und Lohnkosten
übernommen, da im Übrigen der Schaden an der Zylinderkopfdichtung nicht mit den
beschädigten Zündkabeln im Zusammenhang stünden. Die 63,50 EUR zahlte die
Beklagte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2010 forderte der Kläger von der
Beklagten erfolglos weitere 1.036,51 EUR. Die Zahlung dieses Betrages verfolgt der
Kläger mit der Klage weiter.
Der Kläger behauptet, dass aufgrund eines Marderbisses an seinem Fahrzeug ein
Zylinderkopfdichtungsschaden entstanden sei. Durch das zerbissene Zündkabel seien
Fehlzündungen entstanden, die zur Folge gehabt hätten, dass der Zylinderkopf
überhitzte und Dichtungen durchbrannten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.036,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2010 sowie
vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben über die Ursache des Schadens aufgrund des
Beweisbeschlusses vom 26.08.2010 (Bl. 33 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
das Gutachten des Sachverständigen pp. vom 11.10.2010 (Bl. 102 ff. d.A.) verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Lemgo ist gem. § 215 VVG örtlich zuständig.
Der Kläger wohnt im Bezirk des Amtsgerichts Lemgo, nämlich in Bad Salzuflen.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch
auf Zahlung weiterer – über die bereits gezahlten 63,50 EUR hinausgehende – 1.036,51
EUR aus dem zwischen den Parteien im August 2009 bestehenden
Versicherungsvertrag i.V.m. Nr. A.2.2.7 AKB 2008. Eine Ersatzpflicht der Beklagten
nach dieser Regelung setzt einen unmittelbar auf Tierbiss zurückzuführenden Schaden
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oder eine Folgeschaden dieses Tierbisses voraus. Ein unmittelbar auf Tierbiss
beruhender Schaden an der Zylinderkopfdichtung liegt selbst nach dem Klägervortrag
nicht vor. Nach seinem Vortrag ist der Schaden vielmehr wegen der zerbissenen Kabel
durch Fehlzündungen entstanden. Der Kläger konnte aber auch keinen entsprechenden
Folgeschaden eines Marderbisses beweisen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar
erläutert, dass Folge von Fehlzündungen aufgrund zerbissener Zündkabel beschädigte
Katalysatoren wären und nicht überhitzte Motoren, die eine Beschädigung der
Zylinderkopfdichtung zur Folge hätten. Der Sachverständige erklärt genau, warum ein
defektes Kabel zu einem Kraftstoffüberschuss führt, der den Katalysator beschädigen
könne. Eine Schädigung einer Zylinderkopfdichtung durch zerbissene Kabel schließt er
aus.
Zwar hat der Kläger ursprünglich den Mechaniker des Autohauses pp. als Zeugen
angeboten. Dieser musste aber nicht mehr angehört werden. Auf diesen hat er nämlich
gem. § 399 ZPO konkludent verzichtet, indem er nach Vorliegen des Gutachtens gegen
dieses nichts vorgebracht hat, insbesondere nicht, der Zeuge pp. könne das Gegenteil
des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens beweisen. Auch die schriftliche
Bestätigung des Autohauses pp. in Bezug auf die Schadensursache kann den
Marderbiss als Ursache nicht belegen. Sie ist zum Einen nicht weiter erläutert und steht
zum Anderen im Widerspruch zu den nachvollziehbaren Erläuterungen des
Sachverständigen pp.. Der Kläger ist diesem nicht entgegengetreten, auch nicht im
Hinblick auf die schriftliche Bestätigung, indem er z.B. erläutert hätte, wie das Autohaus
pp. im Gegensatz zum Gutachten sein Ergebnis begründet hat.
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Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht darauf stützen, die Mitarbeiterin der
Beklagten habe die Reparatur freigegeben, da diese noch von einem Sachverhalt
ausging, bei dessen Vorliegen die Beklagte zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre.
Selbst nach dem Vortrag des Klägers wurde sie von einem – letztlich nicht
nachweisbaren – Sachverhalt informiert, nämlich dass der Schaden auf einem
Marderbiss beruhte. Wäre dies tatsächlich so gewesen, wäre die Beklagte
eintrittspflichtig gewesen. Mitarbeiter können aber immer nur die Freigabe erteilen, die
den mitgeteilten Sachverhalt als Grundlage hat. Wenn diese sich nicht bestätigt, besteht
auch keine Leistungspflicht der Versicherung. Das Risiko trägt der
Versicherungsnehmer.
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Da der Anspruch nicht besteht, kommt es auf die in den Schriftsätzen aufgeworfene
Frage, ob der Kläger zum Aufsuchen einer Partnerwerkstatt der Beklagten verpflichtet
war, nicht an.
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Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO auch hinsichtlich der
Nebenforderungen abzuweisen.
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Die prozessuale Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708
Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.
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Streitwert: 1.036,51 EUR
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