Urteil des AG Lemgo vom 14.02.2007

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Amtsgericht Lemgo, 19 C 349/06
Datum:
14.02.2007
Gericht:
Amtsgericht Lemgo
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 C 349/06
Schlagworte:
Fristlose Kündigung wegen zahlungsverzugs; Voraussetzungen,
Mietrückstände aus nicht periodisch wiederkehrenden
Zahlungspflichtungen
Normen:
§ 543 IIIa, § 573 II Nr. 1, § 546 BGB; § 259 ZPO
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm bewohnte Wohnung Nr. 28 in
dem Objekt W2, #### C gelegen im ersten Obergeschoss links
bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad, einem Keller
und Balkon zum 31. März 2007 zu räumen und an die Klägerin
herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 4.000,00 € abwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Vermieterin der Wohnung Nummer 28 in dem Objekt W2 in C. Sie hat
diese Wohnung mit schriftlichem Mietvertrag an den Beklagten vermietet. Als
Mietbeginn wurde zwischen den Parteien im schriftlichen Mietvertrag der 01.09.2000
vereinbart. Vereinbart ist zwischen den Parteien eine Kaltmiete in Höhe von 550,00 DM,
entsprechend 281,21 €, sowie eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 100,00
DM, entsprechend 51,13 € monatlich. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie zur
Akte gereichten Vertrag, Anlage K 1 zur Klageschrift vom 22.08.2006, Bezug
genommen.
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Zwischen den Parteien wurden in der Vergangenheit bereits zwei Rechtsstreite vor dem
Amtsgericht M geführt, in welchen die Klägerin gegen den Beklagten
Zahlungsansprüche geltend gemacht hat. In dem Rechtsstreit 19 C 784/04, in welchem
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die Klägerin von dem Beklagten eine Nebenkostennachzahlung begehrte, schlossen
die Parteien am 01.07.2005 einen gerichtlichen Vergleich, durch welchen sich der
Beklagte verpflichtete, einen Betrag in Höhe von 836,00 € in monatlichen Raten von
jeweils 40,00 € zu zahlen. Der Beklagte erfüllte seine Verpflichtung aus diesem
Vergleich nicht. Nach der Aufstellung des Forderungskontos der Klägervertreter vom
22.08.2006, Anlage K 4 zur Klageschrift vom 22.08.2006, zahlte der Beklagte auf den
gerichtlichen Vergleich insgesamt einen Betrag in Höhe von 230,00 € und leistete die
letzte Zahlung auf den Vergleich am 19.12.2005. Die von der Klägerin daraufhin
betriebene Zwangsvollstreckung blieb erfolglos, weil der Beklagte die eidesstattliche
Versicherung abgegeben hatte und vermögenslos ist. Weiterhin wurde gegen den
Beklagten in dem Rechtsstreit 19 C 232/06, in dem die Klägerin gegen den Beklagten
Zahlung von Mietrückständen und wiederum eine Nebenkostennachzahlung begehrte,
am 14.07.2006 ein Versäumnisurteil erlassen, gegen welches der Beklagte kein
Rechtsmittel einlegte. Der Beklagte schuldet der Klägerin danach neben dem
Restbetrag aus dem gerichtlichen Vergleich vom 01.07.2005 den Mietzins
einschließlich Nebenkostenvorausszahlung für den Monat Januar 2006 in Höhe von
332,34 € (rechtskräftig festgestellt) sowie für den Monat April 2006 in Höhe von 132,34 €
(rechtskräftig festgestellt, vgl. Versäumnisurteil vom 14.07.2006, Anlage K 5 zur
Klageschrift vom 22.08.2006, sowie Kündigungsschreiben vom 27.07.2006, Anlage K 2
zur Klageschrift vom 22.08.2006; soweit die Klägerin in der Klageschrift einen Betrag
iHv 200,00 € angibt, dürfte es sich hierbei angesichts der eingereichten Anlagen um
einen Fehler handeln). Weiterhin wurde mit dem Versäumnisurteil vom 14.07.2006 eine
Nebenkostennachzahlung aufgrund der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004 in
Höhe von 772,82 € gegen den Beklagten tituliert.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten durch Schreiben ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2006 den Mietvertrag wegen Zahlungsverzuges
fristlos zum 02.08.2006 gekündigt und der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §
545 BGB widersprochen. Zur Begründung hat sie sich auf offene Mieten für die Monate
Oktober und November 2005 sowie Januar, April und Juli 2006 berufen. Mietrückstände
bestanden zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich für die Monate Januar 2006 in voller
Höhe und April 2006 in Höhe von 132,34 €. Die weitergehenden Mieten hatte der
Beklagte gezahlt.
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Mit der Klageschrift vom 22.08.2006, dem Beklagten zugestellt am 14.09.2006, haben
die Prozessbevollmächtigten der Klägerin für diese nochmals die fristlose Kündigung
hilfsweise die fristgerechte Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden
Mietvertrages ausgesprochen und der Forstsetzung des Mietverhältnisses gem. § 545
BGB widersprochen. Die fristlose Kündigung haben sie auf § 543 Abs. 3 a) 2. Alt. BGB
sowie § 543 Abs. 1 BGB und die fristgemäße Kündigung auf § 573 Abs. 2 Ziffer 1) BGB
gestützt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass der volle Mietrückstand für Januar 2006 und der
teilweise Mietrückstand für April 2006 den Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 3 a)
2. Alt. BGB begründe. Weiterhin lägen wegen der offenen Mieten und der weiterhin
bestehenden offenen Nebenkostennachzahlungsforderungen die Voraussetzungen des
§ 543 Abs. 1 BGB vor. Zumindest sei jedoch eine fristgemäße Kündigung nach § 573
Abs. 2 Ziffer 1) BGB begründet.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, die von ihm bewohnte Wohnung Nr. 26 in dem Objekt
Wasserfuhr 32, #### C gelegen im ersten Obergeschoss links bestehend aus zwei
Zimmern, einer Küche, einem Bad, einem Keller und Balkon zu räumen und an die
Klägerin herauszugeben.
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Hilfsweise beantragt sie,
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die im Hauptantrag bezeichnete Wohnung durch den Beklagten zum 31.03.2007 zu
räumen und herauszugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, dass die Klägerin ihre fristlose Kündigung nicht auf § 543 Abs. 2 Satz
3 a) 2. Alt. BGB stützen könne, weil er nicht mit der Mietzahlung an zwei
aufeinanderfolgenden Terminen in Verzug ist. Sie könne sich weiter auf das
Versäumnisurteil vom 14.07.2006 nicht berufen, weil sie dort rückständige Mieten für die
Monate Oktober und November 2005 eingeklagt habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei,
dass diese Mieten gezahlt waren. Die Klägerin könne sich schließlich nicht auf die
Nebenkostenforderung in Höhe von 772,82 € berufen, weil die Rechtsanwälte T u.a. die
Nebenkostenabrechnung 2004 für ihn als nicht prüfbar zurückgewiesen hätten, weil der
Berechnungsschlüssel nicht nachvollziehbar sei.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Räumungsklage ist im Hauptantrag unbegründet. Im Hilfsantrag ist sie
zulässig und begründet.
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Der Beklagte ist nicht gem. § 546 Abs. 1 BGB zur sofortigen geräumten Herausgabe der
streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet, da die Klägerin weder durch die fristlose
Kündigung vom 27.07.2006 noch die fristlose Kündigung vom 22.08.2006 das
Mietverhältnis zum jetzigen Zeitpunkt rechtswirksam beendet hat. Die fristlosen
Kündigungen der Klägerin sind unwirksam, weil die Voraussetzungen für eine
außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nicht vorlagen. Die Klägerin
beruft sich auf einen Zahlungsverzug des Beklagten. Soweit die Klägerin die
außerordentliche Kündigung damit begründet, dass der Beklagte auf titulierten
Nebenkostennachzahlungsansprüche nicht zahlt, berechtigt sie dies nicht zur
außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Denn der
Nachzahlungsbetrag aus der Nebenkostenabrechnung gehört nicht zur Miete im Sinne
des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB. Auch die ausstehenden Mietzahlungen nebst
Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar 2006 in voller Höhe und April
2006 in Höhe von 132,34 € stellen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 2
Nr. 3 a) BGB dar, denn der Beklagte befand sich gerade nicht für zwei aufeinander
folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der
Miete in Verzug, sondern es lagen zwischen den einzelnen Terminen, in denen er sich
mit der Mietzahlung bzw. einem Teil davon in Verzug befand, zwei Monate.
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Die Klage auf künftige Räumung des Wohnraums ist gem. § 259 ZPO zulässig, weil die
nicht rechtzeitige künftige Räumung der Wohnung durch den Beklagten zu besorgen ist.
Der Beklagte hat den Räumungsanspruch der Klägerin ernstlich bestritten. Er vertritt die
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Ansicht, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Weiterhin hat der Beklagte in der
mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2007 erklärt, dass er einen Vergleich über
eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 01.04.2007 ablehne, weil er innerhalb
dieser Frist keine Ersatzwohnung finden würde. Aufgrund dessen ist zu besorgen, dass
der Beklagte die Wohnung nicht zum 31.03.2007 räumen wird.
Der Beklagte ist jedoch gem. § 546 Abs. 1 BGB zur geräumten Herausgabe der
streitgegenständlichen Wohnung zum 31.03.2007 verpflichtet. Denn die Klägerin hat
das bestehende Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt durch ihre hilfsweise
ausgesprochene fristgemäße Kündigung vom 22.08.2006 rechtswirksam beendet. Die
ordentliche fristgemäße Kündigung ist wirksam. Die Klägerin hat ein berechtigtes
Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1
BGB. Denn der Beklagte hat seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich
verletzt. Er ist mit der Zahlung titulierter Ansprüche der Klägerin auf Nachzahlung von
Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1378,82 € (836,00 € abzüglich am 10.08.05
gezahlter 80,00 €, am 14.10.05 gezahlter 100,00 € und am 19.12.05 gezahlter 50,00 €
aus dem gerichtlichen Vergleich vom 01.07.05 sowie 772,82 € aus dem
Versäumnisurteil vom 14.07.06) sowie mit einer vollständigen Mietzahlung sowie einer
weiteren teilweisen Mietzahlung im Rückstand. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB umfasst –
anders als § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB – auch Mietrückstände, die aus nicht periodisch
wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen herrühren. Das Erheblichkeitskriterium ist
dabei bei der Kündigung wegen einer rückständigen Betriebskostennachzahlung
bereits dann erfüllt sein, wenn der Zahlungsverzug der Höhe nach einer Monatsmiete
entspricht und die Forderung länger als einen Monat fällig ist. Vorliegend besteht ein
Zahlungsverzug des Beklagten mit einem Gesamtbetrag, der insgesamt deutlich mehr
als zwei Monatsmieten beträgt und bereits seit mehr als einem halben Jahr besteht.
Dieser Betrag ist jedenfalls so erheblich, dass ein berechtigtes Interesse der Klägerin an
der Beendigung des Mietverhältnisses zu bejahen ist. Unerheblich ist dabei, dass der
Beklagte gegen die Nebenkostenforderung aus 2004 einwendet, dass er diese als nicht
nachprüfbar zurückgewiesen habe, da der Berechnungsschlüssel nicht nachvollziehbar
sei. Denn der Beklagte ist insoweit rechtskräftig zur Zahlung der Nebenkostenforderung
durch das Versäumnisurteil vom 14.07.2006 verurteilt worden. Der Beklagte ist daher
mit seinen Einwendungen gegen die Richtigkeit der dem Titel zugrunde liegenden
Nebenkostenabrechnung ausgeschlossen. Den Beklagten trifft schließlich ein
Verschulden an dem Zahlungsrückstand. Er hat nicht dargelegt, dass er die
Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten wie
etwa Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht zu vertreten hat.
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Das Mietverhältnis endet zum 31.03.3006. Gem. § 573 c Abs. 1 BGB ist die Kündigung
spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten
Monats zulässig und verlängert sich für den Vermieter nach 5 Jahren seit der
Überlassung des Wohnraums um drei Monate. Das Mietverhältnis zwischen den
Parteien besteht bereits seit sechs Jahren. Die Kündigungserklärung der Klägerin vom
22.08.2006 ist dem Beklagten am 14.09.2006 zugestellt worden, sodass die
sechsmonatige Kündigungsfrist zum 31.03.2007 abläuft.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Haupt- und Hilfsantrag betreffen
denselben Gegenstand. Eine Wertaddition im Rahmen der Streitwertfestsetzung findet
nicht statt. Im Hinblick auf den festgesetzten Gebührenstreitwert unterliegt der Beklagte
vollumfänglich.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7, 711 S.
1 ZPO.
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Streitwert: 3.374,52 €
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