Urteil des AG Krefeld vom 11.07.2008

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Amtsgericht Krefeld, 6 C 49/08
Datum:
11.07.2008
Gericht:
Amtsgericht Krefeld
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 C 49/08
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen eines Vorfalls geltend, der sich am
00.00.0000 gegen 12:00 Uhr in Krefeld auf der Autobahn 57, in der Nähe der Ausfahrt
Krefeld-Zentrum ereignet hat.
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Mit dem VW Golf, amtliches Kennzeichen: 00 – 00 000, dessen Eigentümer der Kläger
ist, befuhr die Zeugin N am 00.00.0000 gegen 12:00 Uhr die BAB 57 in Fahrtrichtung
Norden auf der linken Spur (Überholspur). Vor ihr befand sich – ebenfalls auf der linken
Spur – der Beklagte zu 2) mit dem PKW VW Passat, amtliches Kennzeichen: O – OO
OOOO. Der Zeuge L befand sich als Beifahrer in diesem Fahrzeug.
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Der Kläger behauptet, kurz vor der Ausfahrt Krefeld-Zentrum habe der Beklagte zu 2)
eine ca. 30 cm lange, runde Eisenstange mit einem Durchmesser von ca. 3,5 cm, an
deren Enden noch 2 Flacheisen von 15 cm Länge fast rechtwinklig angeschweißt sind,
überfahren und die Stange hierdurch hochgeschleudert, so dass sie sich in die Front
seines nachfolgenden Fahrzeuges gebohrt habe. Dadurch sei sein Fahrzeug im
Frontbereich beschädigt worden; die Reparaturkosten betragen gemäß
Kostenvoranschlag € 779,49 (netto). Zuzüglich € 25,-- Kostenpauschale ergibt sich die
Klagesumme von € 804,49.
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Der Kläger ist der Ansicht, das Überfahren eines so großen Gegenstands sei grob
fahrlässig.
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Er beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 804,49 nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 06.11.2007 sowie € 120,67 vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2007 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreiten, dass der Beklagte zu 2) mit dem von ihm geführten VW Passat die
Eisenstange überfahren und hochgeschleudert und hierdurch das Fahrzeug des
Klägers beschädigt zu haben. Ein Überfahren der Eisenstange wäre für die Insassen
des VW Passat in jedem Fall wahrnehmbar gewesen; tatsächlich aber hätten weder der
Beklagte zu 2) noch sein Beifahrer etwas derartiges wahrgenommen.
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Das Gericht hat den Beklagten zu 2) informatorisch angehört und im übrigen gemäß
Beweisbeschluss vom 20.06.2008 (Bl. 33 d.A.) durch Inaugenscheinnahme der
Eisenstange und Vernehmung der Zeugin N und des Zeugen L Beweis erhoben.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom
20.06.2008 (Bl. 32 ff. d.A.) verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch
auf Zahlung von Schadensersatz aus dem Vorfall vom 10.10.2007 auf der Autobahn 57,
in Höhe der Ausfahrt Krefeld-Zentrum.
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Denn der Kläger hat bereits nicht nachzuweisen vermocht, dass sein Fahrzeug beim
Betrieb des vom Beklagten zu 2) geführten VW-Passat beschädigt worden ist. Nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme bleiben an der Behauptung des Klägers, der
Beklagte zu 2) habe mit dem von ihm geführten PKW die Eisenstange überfahren und
hochgeschleudert, Zweifel.
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Allerdings hat die Zeugin N ausgesagt, sie habe zur Vorfallzeit mit dem Fahrzeug des
Klägers die linke Spur der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h
befahren. Vor ihr habe sich in einem Abstand von ca. 60 bis 65 Metern das Fahrzeug
des Beklagten zu 2) befunden, das ebenfalls die linke Spur mit einer etwa gleich hohen
Geschwindigkeit befahren habe. Es habe trockenes Wetter geherrscht, die
Lichtverhältnisse seien gut gewesen. Sowohl auf der rechten als auch auf der linken
Spur habe Verkehr geherrscht. Dieser sei aber nicht zähflüssig gewesen. Auch vor dem
Fahrzeug des Beklagten hätten sich auf der linken Spur noch andere Fahrzeuge
befunden. Kurz vor der Ausfahrt Krefeld-Zentrum sei plötzlich im rechten hinteren
Bereich unter dem PKW des Beklagten die später sichergestellte Eisenstange
hervorgekommen, die noch auf den Asphalt aufgeschlagen und dann hochgeschleudert
sei. Sie habe sich sodann in den Kühlergrill des klägerischen Fahrzeuges gebohrt.
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Dass das Fahrzeug des Beklagten die Stange überrollt habe, habe sie nicht gesehen.
Demgegenüber hat der Beklagte zu 2) in seiner informatorischen Anhörung erklärt, es
habe auf der Fahrt keinen besonderen Vorfall gegeben, weshalb er die Fahrt nicht in
besonderer Erinnerung gehabt habe. Er sei mit dem Zeugen L von einem
Kundenbesuch zurückgekommen. Er könne sich nicht erinnern, ein solches Eisenteil
überfahren zu haben. Jedenfalls habe er hiervon nichts bemerkt. Das Überfahren eines
solchen Eisenteils hätte ihm aber auffallen müssen. Auch an dem VW Passat seien
keinerlei Schäden gewesen.
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Die Angaben des Beklagten zu 2) werden durch die Aussage des Zeugen L in vollem
Umfang bestätigt. Der Zeuge hat bekundet, es habe auf der Fahrt keinerlei besondere
Vorkommnisse gegeben. Ein Überfahren einer Eisenstange habe er nicht
wahrgenommen. Weder habe es einen Knall, noch eine Erschütterung oder dergleichen
gegeben.
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Aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin N ist das Gericht zwar der Überzeugung,
dass das Fahrzeug des Klägers zur Vorfallzeit durch eine auf der Autobahn liegende
und hochgeschleuderte Eisenstange beschädigt worden ist. Das Gericht ist aber nicht
davon überzeugt, dass diese Eisenstange vom Fahrzeug des Beklagten überrollt und
hochgeschleudert worden ist. Zwar hat die Zeugin N ausgesagt, der Gegenstand sei
unter dem Fahrzeug des Beklagten im rechten hinteren Bereich zum Vorschein
gekommen. Die Zeugin hat aber auch bekundet, sie habe nicht gesehen, dass der
Vordermann diesen Gegenstand tatsächlich überrollt habe. Auch hat die Zeugin
ausgesagt, der Gegenstand sei so plötzlich aufgetaucht, dass sie nicht mehr habe
bremsen oder ausweichen können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass durch das
unvermittelte Auftauchen des Gegenstands im Bodenbereich der Autobahn die
Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugin beeinträchtigt war. Jedenfalls konnte und musste
sie mit dem plötzlichen Auftauchen eines solchen Gegenstands auf der linken Spur der
Autobahn nicht rechnen, so dass auch die Wahrnehmungsbereitschaft der Zeugin
zunächst geringer gewesen sein kann.
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Ungeachtet dessen haben die Insassen des vorausfahrenden VW Passat nach der
ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen L und den mit dieser Aussage in Einklang
stehenden Angaben des Beklagen zu 2) die Eisenstange nicht wahrgenommen, ein
Überfahren der Stange auch nicht bemerkt. Sowohl der Zeuge als auch der Beklagte zu
2) haben übereinstimmend erklärt, keinen Aufprall oder Knall und auch keine
Erschütterung oder dergleichen wahrgenommen zu haben.
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Nach der Auffassung des Gerichts ist es aber nicht möglich, dass das Überfahren eines
solchen Gegenstands wie der sichergestellten Eisenstange bei einer Geschwindigkeit
von etwa 120 km/h von den Insassen des Fahrzeuges unbemerkt bleibt. Sowohl
akustisch als auch taktil wäre ein Überrollen der Eisenstange für den Zeugen und den
Beklagten zu 2) deutlich wahrnehmbar gewesen. Der Zeuge L und der Beklagte zu 2)
haben aber übereinstimmend angegeben, ein derartiges Überrollen eines
Gegenstandes auf der Autobahn nicht wahrgenommen zu haben.
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Es ist daher nicht zur Überzeugung des Gerichts der Nachweis geführt, dass das
Eisenteil, das sich später in das Fahrzeug des Klägers gebohrt hat, tatsächlich vom
Fahrzeug des Beklagten überfahren und hochgeschleudert worden ist. Im Hinblick auf
den auf beiden Spuren der Autobahn herrschenden Verkehr, die von den Parteien
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gefahrene Geschwindigkeit von ca. 120 km/h und die Tatsache, dass die Eisenstange
für die Zeugin N plötzlich und unvermittelt auftauchte, bleibt die nicht völlig fernliegende
Möglichkeit, dass die Stange von einem anderen Fahrzeug überrollt und hochgewirbelt
wurde.
Ungeachtet dessen wäre nach Auffassung des Gerichts selbst dann, wenn der
Nachweis geführt worden wäre, dass das Fahrzeug des Beklagten die auf der Autobahn
liegende Stange überrollt und hochgeschleudert hätte, eine Haftung der Beklagten
ausgeschlossen, weil es sich insoweit für den Beklagten zu 2) um ein unabwendbares
Ereignis gehandelt hätte.
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Denn das Nichterkennen und Hochschleudern schwer erkennbarer Hindernisse und
Gegenstände, für deren Vorhandensein auf der Fahrbahn keinerlei Anhaltspunkte
vorliegen, ist – zumindest unter den hier gegebenen Umständen – nicht vorwerfbar. Wird
ein Unfallschaden an einem Kraftfahrzeug dadurch verursacht, dass auf der Autobahn
von dem vorausfahrenden Wagen bei hoher Geschwindigkeit ein auf der Fahrbahn
liegender Gegenstand hochgeschleudert wird, handelt es sich regelmäßig um ein für
den Halter des vorausfahrenden Wagens unabwendbares Ereignis (OLG Hamm, Urt. v.
14.12.1989, 27 U 170/89 = NZV 1990, 231 f.); LG Köln, Urt. v. 28.03.1991, 19 S 384/90 =
MDR 1991, 1042; LG Heilbronn, Urt. v. 18.07.1988, 5 S 178/88 = ZfSch 1989, 226 f.; LG
Berlin, Urt. v. 11.03.1981, 2 S 349/80 = ZfSch 1981, 325; AG Stuttgart-Bad Cannstatt,
Urt. v. 17.09.1985, 1 C 1758/85 = ZfSch 1981, 325).
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Vorliegend handelt es sich um ein graues Eisenteil, das auf der Fahrbahn der Autobahn
lag. Wegen des nur geringen Kontrastes zur Fahrbahn und seiner geringen Größe ist es
für einen Autofahrer, der wie der Beklagte zu 2) mit einer Geschwindigkeit von etwa 120
km/h die linke Spur einer Autobahn befährt, auf der sich vor ihm und auf der rechten
Spur weitere Fahrzeuge befinden, nur sehr schwer erkennbar. Der Beklagte zu 2)
musste auch auf der linken Spur der Autobahn nicht mit derartigen auf dem Asphalt
liegenden Gegenständen rechnen. Weder ist vom Kläger vorgetragen, noch aus den
sonstigen Umständen ersichtlich, dass für den Beklagten zu 2) irgendwelche
Anhaltspunkte vorlagen (wie z.B. Baustellenarbeiten), aufgrund derer er mit dem
Vorhandensein von Hindernissen auf der Fahrbahn hätte rechnen müssen.
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Zudem haben der Beklagte zu 2) und der Zeuge L übereinstimmend ausgesagt, die
Eisenstange auf der Autobahn überhaupt nicht wahrgenommen zu haben. Dass dies
unzutreffend ist, ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin N.
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Insoweit wäre ein Überfahren des Eisenteils durch den VW Passat, selbst wenn dies
vom Kläger hätte bewiesen werden können, für den Beklagten zu 2) im Hinblick auf die
konkreten Umstände (Autobahn, ca. 120 km/h, Art und Größe des Gegenstands,
fehlende Anhaltspunkt für Hindernisse auf der Fahrbahn, mangelnde optische
Wahrnehmbarkeit) ein unabwendbares Ereignis gewesen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert
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