Urteil des AG Krefeld vom 06.06.2007

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Amtsgericht Krefeld, 4 C 37/07
Datum:
06.06.2007
Gericht:
Amtsgericht Krefeld
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 37/07
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 805,14 sowie
vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 60,33 jeweils nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
20.02.2007 zu zahlen.
2. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird
nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages vorläufig
abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Am 8.11.06 kam es in L auf dem G zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des
Klägers, ein N-C D 000 mit dem Kennzeichen 00-00-000 durch das bei der Beklagten
haftpflichtversicherte Fahrzeug mit dem Kennzeichen 00 – ####1 im Rahmen eines
Fahrstreifenwechsels beschädigt wurde. Die Parteien sind darüber einig, dass die
Beklagte den Schaden des Klägers zu 100 Prozent zu tragen hat.
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Die Beklagte beauftragte in Abstimmung mit dem Kläger das G KG mit der Erstellung
eines Gutachtens über die zur Reparatur des Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Das
Büro ermittelte mit Gutachten vom 15.11.06 die erforderlichen Reparaturkosten mit €
999,20 netto.
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Nach Rücksprache mit der N - Niederlassung beauftragte der Kläger das Ingenieurbüro
U2, E und U mit der Erstellung eines Gutachtens über die Reparaturkosten. Unter dem
27.11.06 errechnete dieses Büro die Kosten mit netto € 1.488,18. Die Differenz ergibt
sich im Wesentlichen durch einen Ansatz höheren Arbeitslohns für die Reparatur und
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Lackierung.
Das Sachverständigenbüro U2 liquidierte € 291,16. Die Beklagte zahlte auf den
Schaden des Klägers € 999,20. Der Kläger macht die weiteren Reparaturkosten in Höhe
von € 488,98, die Kosten des Sachverständigengutachtens vom 27.11.06 sowie
pauschale Unkosten mit € 25,- geltend.
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Er ist der Auffassung, in dem von der Beklagten veranlassten Gutachten seien die
Kosten zu niedrig kalkuliert worden, weil auch bei Geltendmachung der fiktiven
Reparaturkosten die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen
Fachwerkstatt zu Grunde zu legen sein.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen an ihn € 805,14 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn Anwaltskosten in Höhe von € 69,62 nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte leugnet die Erforderlichkeit und Angemessenheit weiterer fiktiver
Reparaturkosten, sie trägt vor, das Gutachten der G KG vom 9.11.06 berücksichtige zu
Recht die mittleren Stundenverrechnungssätze, wie sie von Fachwerkstätten liquidiert
würden. Zu diesen Beträgen könne der Kläger auch tatsächlich, etwa bei der Fa. K. U2
GmbH in ####2 E, einem renommierten und modern ausgestatteten Fachbetrieb, sein
Fahrzeug reparieren lassen.
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Das Gutachten U2 vom 27.11.06 lege dagegen die Verrechnungssätze der
markengebundenen ortsansässigen Fachwerkstätten zu Grunde, welche
überdurchschnittlich hoch seien. Dies beruhe nicht auf einer höheren Qualität der Arbeit,
sondern lediglich auf einer anderen Struktur der Gesamtkosten. Im Rahmen einer
fiktiven Abrechnung des Schadens sei der Geschädigte nach der Rechtsprechung auf
eine günstigere, aber gleichwertige Reparaturmöglichkeit zu verweisen, da er sich
ansonsten durch den Schadensfall bereichere. Erst bei konkreter Durchführung der
Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt habe der Geschädigte einen Anspruch
auf Erstattung weiterer Kosten.
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Auch die Kosten für das Gutachten U2 seien nicht ersatzfähig, weil der Kläger durch die
Einholung eines weiteren Gutachtens gegen seine Schadensminderungspflicht
verstoßen habe. Ferner habe er gegen die Absprache mit der Beklagten, die
vereinbarungsgemäß zunächst auf ihre Kosten ein Gutachten eingeholt habe,
verstoßen. Pauschale Unkosten seien wegen der inzwischen gesunkenen
Telefonkosten nur mit € 20,- anzusetzen. Die vorprozessual angefallenen
Rechtsanwaltskosten seien ersatzfähig nur mit 1/2 der 1,3 fachen Gebühr, weil die
Sache nicht umfangreich oder schwierig sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderung begründet. Der Kläger
kann von der Beklagten die Zahlung von € 805,14 gemäß den §§ 7,17 StVG, 823, 249
BGB, 3 Pflichtversicherungsgesetz verlangen.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den Schaden des Klägers
aus dem Unfallereignis vom 8.11.06 in vollem Umfang haftet. Soweit das Fahrzeug des
Klägers beschädigt wurde, wird von den Parteien mit der ständigen Rechtsprechung
auch unproblematisch anerkannt, dass der Kläger auch vor oder ohne Durchführung
einer Reparatur die abstrakten/fiktiven Kosten der Schadensbeseitigung verlangen kann
(BGHZ 61,568).
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Hierbei steht dem Kläger nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch ein
Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die nach dem Gutachten U2 bei einer Reparatur
in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen werden. Die Frage, ob bei fiktiver
Schadensberechnung die höheren Kosten der markengebundenen Werkstatt verlangt
werden können oder lediglich die Kosten, die durchschnittlich bei freien
Fachwerkstätten anfallen, ist umstritten. Hierzu ist sowohl die (untergerichtliche)
Rechtsprechung im Anschluss an das Q - Urteil des BGH (BGH in NJW 03,2085)
uneinheitlich als auch die Praxis der Sachverständigen. Nach langjähriger Kenntnis des
Gerichts legen die im Rahmen von Gerichtsverfahren beauftragten Sachverständigen
regelmäßig die Kosten der jeweiligen Markenwerkstätten zu Grunde (z.B. W-Werkstatt
bei W Fahrzeug etc.), während die von den Haftpflichtversicherungen beauftragten
Gutachter häufig die Kosten der in der Arbeit durchaus gleichwertigen, freien
Fachwerkstätten ansetzen.
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Nach Ansicht des Gerichts ist die Entscheidung des BGH (NJW 2003, 2085,2087)
dahingehend zu verstehen, dass die Kosten von markengebundenen Fachbetrieben
auch im Rahmen einer fiktiven Kostenabrechnungen verlangt werden können. Der BGH
macht zwar allgemeine Ausführungen zum Grundsatz der Schadensminderungspflicht
des Geschädigten, er führt sodann aber - konkret - aus: " Nach den tatsächlichen
Feststellungen im Berufungsurteil haben die Beklagten weder bestritten, dass die vom
Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in einer
Q -Werkstatt tatsächlich anfielen, noch haben sie gravierende Mängel des
Sachverständigengutachtens gerügt. Unter diesen Umständen muss sich der Kläger auf
die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner
kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen. "
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Im Anschluss an die Entscheidung ist - soweit ersichtlich - die Mehrheit der
Berufungsgerichte zu einer Anerkennung der höheren Kosten einer markengebundenen
Werkstatt gekommen. Beispielhaft sei hier verwiesen auf die Entscheidungen des
Landgerichts N vom 31.5.06 ( 3 S 15/06), des Landgerichts L2 vom 31.5.06 ( 13 S 4/06),
des Landgerichts C3 (10 S 29/05 und 5 S 79/05), des Landgerichts U vom 20. 9. 0 5 ( 1
S 112/05), des Landgerichts C vom 31.8.05 ( 21 S 110/05) und des Landgerichts G vom
27.5.05 (13 S 115/05). Abweichender Ansicht sind dagegen das Landgericht C2 vom
21.6.06 (58 S 75/06) und das Landgericht I vom 25.4.06 (2 S 55/05).
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Die Befürworter der Erstattungspflicht für fiktive markengebundene Reparaturkosten
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verweisen dabei zu Recht darauf, dass es sowohl dem Anspruch des Geschädigten auf
freie Wahl bei der Schadensbehebung als auch der Findung klarer
Abgrenzungskriterien für die Abwicklung von Schadensfällen im Straßenverkehr als
Massenphänomen nur gerecht wird, wenn der Geschädigte die Kosten der Reparatur in
einer Werkstatt der entsprechenden N2 seines Fahrzeugs verlangen kann. Hier habe er
dann in jedem Fall die Sicherheit und das Vertrauen auf eine fachgerechte Reparatur
mit Originalteilen und entsprechend den Anweisungen der Fahrzeughersteller sowie
durch entsprechend geschultes Personal. Bei Verweisung auf eine nicht
markengebundene Werkstatt werde von dem Geschädigten verlangt, u.U. Zeit und
Kosten für eine weitere Anfahrt aber auch für die Prüfung und Kontrolle, ob die ihm
unbekannte Werkstatt den gestellten Anforderungen entspreche, abverlangt. Zu diesem
Mehraufwand ist der Geschädigte aber unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit
der Reparatur nicht verpflichtet.
Der Kläger kann deshalb weiteren Reparaturkostenersatz in Höhe von € 488,98
verlangen, die Differenz der nach den beiden Gutachten angesetzten Kosten besteht
weitgehend wegen der unterschiedlichen Stundenverrechnungssätze. Soweit in dem
Gutachten U2 weiter eine Lackierung der unteren linken Scheinwerferblende
berücksichtigt wurde, hatte die Beklagte die Erforderlichkeit dieser Arbeit nicht konkret
bestritten.
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Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das
Sachverständigengutachten in Höhe von € 291,16 als durch den Schaden adäquat
kausal verursachter Kosten. Unproblematisch kann der Geschädigte im Rahmen des
Schadenersatzes auch die Kosten für ein Gutachten zur Schadensfeststellung
verlangen. Die von dem Geschädigten eingeholten Gutachten werden häufig vom
Schädiger oder der Versicherung überprüft, wobei die Kosten der Überprüfung oder
Neuerstellung des Gutachtens insoweit regelmäßig von den Auftraggebern zu tragen
sind. Im Ergebnis entspricht dies der vorliegenden Sachlage, wenn auch die Einholung
des Gutachtens durch den Kläger erst nachträglich erfolgte.
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Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass dieser sich zunächst mit der
Einholung eines Gutachtens durch die Beklagte einverstanden erklärt hat. Ein Verzicht
auf Maßnahmen zur Schadensfeststellung war hiermit nicht verbunden und wird auch
nicht ausdrücklich behauptet. Eine Überprüfung des Gutachtens der G KG war dem
Kläger nicht verwehrt, nachdem er eine Differenz zwischen dem Ergebnis dieses
Gutachtens und den Angaben der N-C Niederlassung über voraussichtlich erforderliche
Kosten festgestellt hatte. Zur Bezifferung der weiter erforderlichen Kosten war auch die
Einholung eines Gutachtens erforderlich. Dass der Kläger die weiteren Kosten anders
oder günstiger hätte ermitteln können, ist nicht ersichtlich. Ein Kostenvoranschlag der N
- Niederlassung wäre zwar kostengünstiger, in der Aussagekraft aber dem von der
Beklagten eingeholten Gutachten unterlegen gewesen.
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Die Kostenpauschale ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung im
Amtsgerichtsbezirk mit € 25,- zu erstatten. Einer Reduzierung der Telefonkosten steht
ein Anstieg der Benzinkosten in der Vergangenheit gegenüber.
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Der Zinsanspruch ist gemäß § 286, 288 Absatz 1 BGB begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten gemäß § 286, 280
BGB in Höhe von € 60,33. Der Ansatz einer höheren als der 1,3 fachen Gebühr gemäß
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Nr. 2300 VV RVG ist nicht gerecht fertigt. Die Sache ist weder überdurchschnittlich
umfangreich noch schwierig.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht gemäß § 92 Absatz 2 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11,711
ZPO.
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