Urteil des AG Köpenick vom 16.08.2005

AG Köpenick: stationäre behandlung, aufenthalt, komplikationen, entlassung, wiederaufnahme, drg, begriff, gries, operation, vollstreckbarkeit

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Gericht:
AG Köpenick
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 C 61/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 8 Abs 5 KHEntgG vom
17.07.2003
Krankenhausvertrag: Abgrenzung einer Komplikation im
Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung von einer
erneuten Erkrankung
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,82 Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2005 nebst
10,00 Euro Mahngebühren zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten die Kosten seiner stationären Behandlung in
den DRK Kliniken Berlin-Köpenick vom 06. bis 11. November 2003 geltend.
Der Beklagte stellte sich dort am 6. November 2003 wegen einer akuten Pankreatitis
infolge Abgangs eines Gallenblasensteins vor. Nach konservativer Behandlung wurde der
Beklagte am 11. November 2003 beschwerdefrei, aber mit noch erhöhten Lipasewerten
(1221 U/I, Norm < 57 U/I) entlassen, nachdem keine medizinische Notwendigkeit für
eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung mehr gegeben war. Ihm wurde jedoch
dringend angeraten, die Gallenblase operieren zu lassen, weil aus dem darin befindlichen
Gries jederzeit weitere Gallensteine entstehen konnten. Bei deren Abgang konnte es
erneut zu einer Blockierung des gemeinsamen Ausgangs von Pankreas und Gallenblase
und damit zu erneuten Entzündungen der Bauchspeicheldrüse kommen. Die angeratene
Operation lehnte der Beklagte indes zum damaligen Zeitpunkt aufgrund seiner
beruflichen Selbständigkeit ab.
Die Klägerin rechnete die Behandlung vom 6. bis 11. November 2003 mit der DRG H62B
nach der KFPV 2003 ab.
Am 15. November 2003 stellte sich der Beklagte erneut aufgrund eines zunehmenden
Aufstaus der Gallenwege mit erneuter Zunahme der Pankreatitiszeichen in der Ersten
Hilfe der Klägerin vor. In der nachfolgenden stationären Behandlung bis zum 22.
November 2003 wurde ihm die Gallenblase entfernt. Diese Behandlung rechnete die
Klägerin mit der DRG H03A nach der KFPV 2003 ab. Den entsprechenden Betrag beglich
der Beklagte. Hingegen verweigerte er trotz Mahnungen vom 22.08.2005 und
23.09.2005 die Zahlung des mit Rechnung vom 14.07.2005 geforderten und bis
30.07.2005 zu zahlenden Betrages in Höhe von 3.000,82 Euro für den ersten stationären
Aufenthalt bei der Klägerin.
Die Klägerin behauptet, es habe sich bei der zweiten Behandlung um ein
Wiederauftreten der Bauchspeicheldrüsenentzündung nach Abheilung (Rezidiv)
gehandelt. Die erhöhten Lipasewerte deuteten nicht auf eine fortbestehende
Entzündung hin. Vielmehr sei dieses Enzym trotz abgeklungener Entzündung bei der
Entlassung noch feststellbar gewesen, weil es aufgrund des durch den Gallenstein
verstopften Gallenganges über die Leber und nicht über den Darm abgebaut worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.000,82 Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2005 nebst 10,00 Euro
Mahngebühren zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, es handele sich bei beiden Krankenhausaufenthalten um einen
Behandlungsfall und behauptet hierzu, die Entzündung sei bei seiner Entlassung am 11.
November 2003 noch nicht vollständig abgeklungen. Er ist weiterhin der Ansicht, als
Komplikation im Sinne von § 8 Abs. 5 KHEntgG sei eine Komplikation der Erkrankung,
nicht etwa eine Komplikation des bei der Erstbehandlung durchgeführten Eingriffs zu
verstehen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für
seine stationäre Behandlung vom 6. bis 11. November 2003 bei der Klägerin zusätzlich
zu den durch den weiteren stationären Aufenthalt vom 15. bis 22. November 2003
veranlassten Kosten.
Gemäß § 8 KHEntgG gilt der Grundsatz, dass jeder Krankenhausaufenthalt mit einer
gesonderten Fallpauschale abgerechnet wird. Die zum Zeitpunkt der Behandlungen im
Jahre 2003 geltenden Ausnahmen von diesem Grundsatz greifen im vorliegenden Fall
nicht ein.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten findet der in § 8 Abs. 5 KHEntgG geregelte
Ausnahmetatbestand bei Wiederaufnahme eines Patienten innerhalb der
Grenzverweildauer wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der
durchgeführten Leistung vorliegend keine Anwendung.
Als Komplikation im Sinne dieser Norm kommt lediglich der Umstand in Frage, dass der
Beklagte infolge der Nichtbeseitigung der chologenen Ursache der erstbehandelten
Pankreatitis, nämlich der mit Gries gefüllten Gallenblase des Beklagten, eine erneute
Bauchspeicheldrüsenentzündung erlitt, mithin eine Komplikation der Grunderkrankung,
nicht einer zuvor durchgeführten Behandlung durch die Klägerin. Der Begriff
"Komplikation" sowie die Frage des Zusammenhangs zwischen der Komplikation und der
bisher bzw. zuvor durchgeführten Leistung sind gesetzlich nicht näher definiert und auch
nicht Gegenstand einer amtlichen Begründung. Über die Frage, ob unter den Begriff der
"Komplikation" im Sinne von § 8 Abs. 5 KHEntgG lediglich Komplikationen des bei der
Erstbehandlung durchgeführten Eingriffs bzw. in konservativen Fächern um
Komplikationen der durchgeführten Behandlung oder auch Komplikationen der
Erkrankung selbst zu fassen sind, besteht Uneinigkeit (vgl. nur Krokotsch und Rau in
Dtsch Med Wochenschrift 2004; 129: 2434-2436). Zwar sprechen aus Sicht des Gerichts
zweierlei Aspekte gegen eine Einbeziehung von Komplikationen der Erkrankung selbst.
Zum einen würden im Falle des Vorhandenseins einer unheilbaren, chronischen
Grunderkrankung alle stationären Behandlungen der damit zusammenhängenden
Folgeerkrankungen nur eine Fallpauschale auslösen, obwohl die Grunderkrankung nicht
beseitigt werden kann. Zum anderen würden die Leistungen eines zweiten Aufenthalts
zwar vergütet, wenn sie in einem anderen Krankenhaus erfolgen, nicht aber im
erstbehandelnden Krankenhaus mit der Folge, dass Letzteres im Zweifel die
Zweitbehandlung ablehnen müsste.
Letztendlich bedarf die Frage jedoch insoweit keiner abschließenden Beurteilung, als die
Nichtbeseitigung der chologenen Ursache der Pankreatitis bei dem ersten stationären
Aufenthalt des Beklagten nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fällt.
Bei der Auslegung des Komplikationsbegriffs ist nämlich die gesetzgeberische
Zielsetzung des § 8 Abs. 5 KHEntgG, in Hinblick auf Komplikationen zu frühe
Entlassungen zu vermeiden bzw. zumindest keinen finanziellen Anreiz in diese Richtung
zu geben, zu beachten. Daraus ergibt sich, dass Komplikationen, die nicht in den
Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen, sondern durch das Verhalten des
Patienten oder sonstige äußere Umstände verursacht wurden, jedenfalls nicht vom
Komplikationsbegriff erfasst sind (Bussmann in Berliner Kommentar zur Finanzierung
zugelassener Krankenhäuser, 2. Aufl., Erl. Ziff. 6 zu § 8 KHEntgG). Dieser Auslegung des
Komplikationsbegriffs stehen auch nicht die von Beklagtenseite vorgebrachten
Abrechnungsregeln der Krankenhausgesellschaften und der Landesverbände der
Krankenkassen aus dem Jahre 2003 entgegen, die auch in diesem Fall die Anwendung
von § 8 Abs. 5 KHEntgG vorsehen. Denn bei diesen Abrechnungsregeln handelt es sich
um einzelvertragliche Vereinbarungen, die außerhalb des Vertragsverhältnisses keine
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um einzelvertragliche Vereinbarungen, die außerhalb des Vertragsverhältnisses keine
Wirkung entfalten. Vorliegend lag der Umstand, dass der Beklagte nicht bereits bei
seinem ersten Klinikaufenthalt an der Gallenblase operiert wurde, unstreitig nicht in dem
Verantwortungsbereich der Klägerseite, sondern ist dem Beklagten zuzurechnen, der
sich aus beruflichen Gründen gegen eine unmittelbare Operation entschied.
Dass darüber hinaus eine Komplikation der beim ersten Aufenthalt behandelten akuten
Pankreatitis zum zweiten stationären Aufenthalt des Beklagten führte, ist nicht
ersichtlich. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die akute Pankreatitis des Beklagten bei
seiner Entlassung am 11. November ausgeheilt war und er keine Beschwerden mehr
aufwies. Soweit die Beklagtenseite diesem Vorbringen unter Hinweis auf die erhöhten
Lipasewerte bei Entlassung entgegentritt, ergibt sich daraus noch kein Fortbestehen des
entzündlichen Zustandes bei Entlassung. Denn die Klägerin hat in substantiierter Weise
dargelegt, dass sich aus den erhöhten Werten dieses Enzyms wegen seines
langsameren Abbaus kein Rückschluss auf eine fortbestehende Entzündung ziehen
lässt.
b) Soweit der Beklagte weiterhin die zum Behandlungszeitpunkt geltende Regelung für
Rückverlegungen in § 2 Abs. 3 KFPV-2003 analog auf den Fall der der bloßen
Wiederaufnahme (ohne Komplikation) anwenden will, kann dem nicht gefolgt werden.
Eine planwidrige Regelungslücke war insoweit nicht gegeben. Der Fall der
Wiederaufnahme wurde von dem deutschen Gesetzgeber bewusst erst im Jahre 2004
durch § 2 Abs. 2 KFPV-2004 ausdrücklich geregelt. Auch ist der Fall der Rückverlegungen,
bei der lediglich eine Unterbrechung des stationären Aufenthalts eintritt, mit dem Fall
der Wiederaufnahme, die ihre Ursache in ganz anderen Erkrankungen haben kann als
der vorangegangene Aufenthalt, nicht vergleichbar.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der geltend gemachten Mahnkosten in Höhe von
10,00 Euro für die Mahnungen vom 22.08.2005 und 23.09.2005 ergibt sich aus §§ 280
Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit Ablauf der Zahlungsfrist am 30.07.2005 geriet der
Beklagte mit der Zahlung in Verzug.
3. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.
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