Urteil des AG Köln vom 07.06.2010

AG Köln (schuldner, wahrung der frist, eröffnung, antrag, antragsteller, freigabe, betrieb, interesse, höhe, rechtsschutzinteresse)

Amtsgericht Köln, 71 IN 509/09
Datum:
07.06.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abt. 71
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
71 IN 509/09
Tenor:
Der am 12.12.2009 eingegangene Antrag des Gläubigers auf Eröffnung
des Insol-venzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wird
mangels Masse abgewie-sen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner.
G r ü n d e
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I.
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Mit einem am 19.7.2007 bei Gericht eingegangen Schreiben stellte der Schuldner
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Gleichzeitig
beantragte er die Erteilung der Restschuldbefreiung. Nachdem das Gericht durch
Beschluss vom 12.12.2007 dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet hatte,
eröffnete es durch Beschluss vom 23.1.2008 das Insolvenzverfahren über dessen
Vermögen. Mit Schreiben vom 26.2.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber
dem Schuldner, dass Vermögen aus der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit
nicht zur Insolvenzmasse gehöre und keine Ansprüche aus dieser Tätigkeit in diesem
Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnten.
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Mit Schreiben vom 9.12.2009 stellte das Finanzamt Bergheim, dass in dem eröffneten
Insolvenzverfahren – 71 IN 360/07 – bereits am 23.8.2007 einen
Insolvenzeröffnungsantrag gestellt hatte, erneut Insolvenzantrag gegen den Schuldner
wegen Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 5.060,00 Euro. Hierbei handelt es sich um
Umsatzsteuerforderungen für die Zeit von Februar 2008 bis Mai 2009. Der Antragsteller
vertritt die Auffassung, dass ein weiteres Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Schuldners zulässig sei,
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In seinem Bericht vom 7.4.2010 in dem Verfahren 71 IN 360/07 -, welches das Gericht
zu Beweiszwecken beigezogen hat, wies der Insolvenzverwalter darauf hin, dass der
Schuldner weiterhin eine Trinkhalle in gemieteten Räumlichkeiten betreibe. Der
Schuldner habe ihm, dem Insolvenzverwalter, gegenüber angekündigt, dass er zur
Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 295 Abs. 2 InsO Zahlungen in Höhe von 50,00
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Euro monatlich an die Insolvenzmasse zu leisten beabsichtige. In der Zeit von Mai 2008
bis Januar 2009 habe der Schuldner insgesamt 450,00 Euro in 9 Monatsraten von 50,00
Euro aus seinen Einkünften an die Insolvenzmasse gezahlt. Seit diesem Zeitpunkt habe
der Schuldner keine Zahlungen mehr geleistet. Eine kostendeckende Verwertung von
Vermögensgegenständen sei nicht möglich.
II.
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Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist zulässig.
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1.
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Die Voraussetzungen des § 14 InsO liegen vor. Bei dem Insolvenzantrag des
Finanzamtes handelt es sich um den Antrag eines Neugläubigers. Denn die geltend
gemachten Verbindlichkeiten sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem
Aktenzeichen 71 IN 360/07 begründet worden. Der Antragsteller hat seine Forderung
durch Überreichung der Rückstandsaufstellungen und der entsprechenden
Steuerbescheide glaubhaft gemacht.
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Darüber hinaus hat er auch der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit durch
Überreichung der Niederschrift des Vollziehungsbeamten vom 10.3.2009 glaubhaft
gemacht.
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Schließlich ist auch das Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ist zu bejahen. Die Frage, ob nach Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens Gläubiger ein rechtliches Interesse daran haben, bei noch nicht
abgeschlossenem Verfahren einen weiteren Insolvenzantrag zu stellen, ist in
Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das AG Dresden (ZVI 2009, 289) vertritt die
Auffassung, auch erneute Anträge von Neugläubigern seien wegen fehlenden
Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es stehe von Anfang fest, dass für ein weiteres
Verfahren keine Masse vorhanden sein werde. Nichts anderes gelte für den Fall der
Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO. Aus einer Fortführung des Geschäftsbetriebs durch den
Schuldner könne nicht geschlossen werden, dass der Schuldner nunmehr Gewinne
erziele, die für ein weiteres Insolvenzverfahren zur Verfügung stünden. Auch Pape (NZI
2007, 481, 482) hält die Eröffnung eines Zweitinsolvenzverfahrens für unzulässig.
Demgegenüber vertreten das AG Trier (BeckRS 2009, 27666), das AG Göttingen (NZI
2008, 313, 314) sowie das AG Hamburg (ZInsO 2008, 680, 681), Holzer ZVI 2007, 289,
292 ff., Zipperer ZVI 2007, 541, 542 und Schmerbach ZInsO 2009, 2078, 2086; ders.
Verbraucherinsolvenz aktuell 2010, 27, 28 die Auffassung, nach Freigabe des Betriebs
gemäß § 35 Abs. 2 InsO sei der Antrag eines Neugläubigers zulässig. Denn
Neugläubiger hätten Zugriff auf ein freigegebenes und deshalb insolvenzfreies
Vermögen. Der Antrag des Neugläubigers setze nicht voraus, dass dieser freies
Vermögen etwa in Folge der Freigabe des Geschäftsbetriebs darlege.
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Das erkennende Gericht schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Eröffnung
des Zweitinsolvenzverfahrens ist eine der Konsequenzen, die sich aus der in § 35 Abs.
2, 3 InsO geregelten Freigabemöglichkeit ergeben. Sie stellt die insolvenzgerichtliche
Praxis nicht vor unlösbare Aufgaben. Gegenstand des Zweitinsolvenzverfahrens kann
nur das nicht vom Insolvenzbeschlag des ersten Insolvenzverfahrens erfasste
Vermögen sein. Hierzu zählt insbesondere der vom Schuldner während der
Betriebsfortführung erzielte Gewinn abzüglich des an den Insolvenzverwalter des
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Erstverfahrens abzuführenden Betrag nach § 295 Abs. 2 InsO. Soweit das AG Dresden
hierzu die Auffassung vertritt, die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter den
Geschäftsbetrieb freigegeben hat, stelle bereits ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass der
Betrieb nicht wirtschaftlich fortgeführt werden könne und Gewinne nicht zu erzielen
seien, kann dem nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass der Insolvenzverwalter den
Betrieb im Interesse der Gläubigerschaft nicht freigeben würde, wenn mit Gewinnen aus
der Fortführung des Betriebes zu rechnen ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass gerade
nach der Freigabe Schuldner ein besonderes Interesse daran haben, den Betrieb
erfolgreich fortzuführen, weil sie wissen, dass ihnen die Gewinne aus dieser
Betriebstätigkeit vollumfänglich zustehen. Aus diesem Grunde ist nicht auszuschließen,
dass auch nach Eröffnung eines Zweitinsolvenzverfahrens Vermögenswerte vorhanden
sind, die zu einer - zumindest teilweisen- Befriedigung von Neugläubigern führen
können. Darüber hinaus können Anfechtungsansprüche gegen Neugläubiger in
Betracht kommen, zu deren Realisierung der Insolvenzverwalter des Erstverfahrens
nicht befugt ist. Denn die Vorschrift des § 129 InsO stellt auf Rechtshandlungen ab, die
vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die
Insolvenzgläubiger benachteiligen. Neugläubiger partizipieren demnach nicht an dem
Ergebnis erfolgreich durchgeführter Anfechtungen des Erstinsolvenzverfahrens.
Das Rechtsschutzinteresse ist auch nicht deshalb zu verneinen, dass der Antragsteller
nicht dargelegt hat, der Schuldner verfüge über Vermögenswerte, die weder gemäß § 35
InsO zur Insolvenzmasse gehören würden noch gemäß § 36 InsO unpfändbar seien.
Damit würden an die Darlegungslast der Gläubiger unerfüllbare Anforderungen gestellt.
Es ist vielmehr Aufgabe des Insolvenzgerichts, im Rahmen seiner Amtermittlungspflicht
gemäß § 5 InsO festzustellen, ob eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse
vorhanden ist.
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Da der Antragsteller als Neugläubiger seine Rechte weder in dem Verfahren 71 IN
360/07 geltend machen kann, noch er Sicherheiten oder sonstige Möglichkeiten besitzt,
seine Forderung zu realisieren, kann auch nicht aus diesem Grunde das
Rechtsschutzinteresse verneint werden (AG Hamburg a.a.O. 681).
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III.
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Die Entscheidung, den Insolvenzantrag mangels Masse zurückzuweisen, beruht auf §
Eröffnungsgrund vor, doch wird das schuldnerische Vermögen voraussichtlich nicht
ausreichen, um nach der Eröffnung die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu
decken.
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Dies ergibt sich insbesondere aus den Feststellungen des Insolvenzverwalters
Rechtsbeistand N in seinem vierten Bericht vom 5.10.2009 in dem Verfahren 71 IN
360/07. Danach zahlt der Schuldner seit Januar 2009 nicht mehr die vereinbarten
monatlichen Raten von 50,00 Euro. Verwertbares Vermögen ist nach den weiteren
Feststellungen des Insolvenzverwalters nicht vorhanden. Im Übrigen ist auf Grund der
Tatsache, dass der Schuldner auch die seit dem 1.12.2008 fällig gewordenen
Umsatzsteuerbeträge in Höhe 5.060,00 Euro nicht zahlt, von einer Zahlungsunfähigkeit
und einer finanziellen Situation auszugehen, die eine Kostendeckung nicht erlaubt.
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Ein ausreichender Kostenvorschuss ist nicht gezahlt worden.
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO sowie auf § 58 Abs. 2, §§ 50, 54
GKG.
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V.
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Gegenstandswert (§ 58 GKG): bis 300,00 Euro.
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Dieser Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung beim
Insolvenzgericht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 34 InsO). Zur
Wahrung der Frist genügt die Einlegung der Beschwerde beim hiesigen Landgericht.
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Köln, 07.06.2010
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Amtsgericht
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