Urteil des AG Köln vom 24.02.2003

AG Köln (Anbieter, Aufschiebende Wirkung, Gutgläubiger Erwerb, Auskunft, Gerät, Straftat, Geheimnis, Eingriff, Beendigung, Unternehmen)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Köln, 506 Gs 222-229/03
24.02.2003
Amtsgericht Köln
Abt. 506
Beschluss
506 Gs 222-229/03
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln vom 19.02.2003 auf Erlass eines
Beschlusses gem. §§ 100g, 100h StPO wird a b g e l e h n t .
Gründe:
I.
Am ... wurden in ... Geschäften in Köln ... Mobiltelefone gekauft, ohne dass gleichzeitig ein
Telekommunikationsvertrag abgeschlossen wurde. Alle vier Telefone wurden mit
gefälschten ...-Euro-Scheinen bezahlt. Erkenntnisse über den oder die Täter liegen derzeit
nicht vor. Bekannt sind lediglich die IMEI-Nummern (International Mobile Equipment
Identifikation) sämtlicher Geräte.
Nunmehr beantragt die Staatsanwaltschaft Köln, gegen vier Anbieter von
Telekommunikationsleistungen (TK-Anbieter), nämlich T-Mobile, Vodaphone, E-Plus und
O2, einen für den Zeitraum von drei Monaten rückwirkenden Beschluss nach §§ 100g,
100h StPO zu erlassen, um a) zu ermitteln, ob mit diesen Geräten
Telekommunikationsleistungen dieser Anbieter in Anspruch genommen wurden und b) ggf.
die entsprechenden Telefonnummern einschließlich der dazu gespeicherten Namen und
Anschriften der Anschlussinhaber zu erhalten. Dazu habe auf Anfrage ein TK-Anbieter
mitgeteilt, die entsprechenden Daten würden "in bestimmten Fällen" zumindest kurzfristig
gespeichert.
II.
Der Antrag ist abzulehnen, weil die Anordnungsvoraussetzungen der §§ 100g, 100h StPO
nicht vorliegen. In Betracht kommt hierbei lediglich eine Anordnung gem. §§ 100g I 1
Variante 1, 100a.1 Nr.2 StPO, 146 I Nr.3 StGB, denn es liegen zureichende Anhaltspunkte
dafür vor, dass der oder die Täter vorsätzlich falsches Geld als echt in Verkehr gebracht
haben.
a) Der beantragte Beschluss würde jedoch gegen die abschließende Regelung in § 100g I
2, II, 100a.2 StPO verstoßen, indem er den Kreis der Betroffenen unzulässig erweitern und
den Auskunftsanspruch über Telekommunikationsverbindungen zu einen
Auskunftsanspruch über Geräteverbindungen unzulässig umwandeln würde. Nach dem
Wortlaut des Gesetzes darf Auskunft über die in § 100g III StPO abschließend aufgezählten
Verbindungsdaten nur betreffend den Beschuldigten oder denjenigen Personen erteilt
werden, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den
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werden, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den
Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegen nehmen oder
weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt. In jedem Fall bedarf es
also als Anknüpfungspunkt eines bereits bekannten Beschuldigten oder anderer bekannter
Personen oder zumindest einer bekannten Telekommunikationsverbindung oder, im Fall
des § 100g II StPO, eines bestimmten bekannten Anschlusses. Über die hiermit in
Zusammenhang stehenden Verbindungsdaten muss der TK-Anbieter Auskunft erteilten.
Wenn aber, wie vorliegend, weder Personen noch Verbindungen noch Anschlüsse bekannt
sind, sondern allein Gerätenummern von Mobiltelefonen (von denen außerdem weder der
derzeitige Besitzer bekannt noch ihre räumlichen Koordinaten feststellbar sind), fehlt es an
einem Tatbestandsmerkmal. Es fehlt letztlich an jeglichen Hinweisen darauf, dass der oder
einer der Täter der Straftat der Geldfälschung eines dieser Geräte verwendete. Vielmehr
spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Täter die betrügerisch erlangten
Mobiltelefone weiter veräußert haben, eben weil die IMEI-Nummer bekannt ist. Mit der
beantragten Maßnahme soll somit erst der notwendige Anknüpfungspunkt geschaffen
werden, indem alle Verbindungen dieser vier TK-Anbieter für einen bestimmten zurück
liegenden Zeitraum untersucht werden sollen. Eine solche quasi anbieterinterne
Rasterfahndung ist von § 100g StPO nicht gedeckt. Die TK-Anbieter müssten ermitteln, ob
von einem bestimmten einzelnen Gerät Verbindungsdaten gespeichert sind, und diese
Verbindungsdaten gegebenenfalls den Strafverfolgungsbehörden mitteilen. Dieser Eingriff
in das Fernmelde-geheimnis würde ohne Rücksicht darauf erfolgen, ob diejenigen, welche
diese Geräte verwendet haben, einer Straftat oder der in § 100a.2 StPO abschließend
aufgezählten Kontakte zu dem Beschuldigten verdächtig wären, zumal an diesen Geräten
ein gutgläubiger Erwerb möglich ist. Im Ergebnis würde der beantragte Beschluss also zu
einer im Gesetz nicht vorgesehenen Geräteüberwachung führen (so bereits - zu § 12 FAG -
LG Hamburg, Beschluss vom 17.02.1998, in: MMR 1998, 419/420). Das sieht im übrigen
auch die insbesondere zu §§ 100a, b StPO ergangene
Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) vom 22.01.2002 nicht vor, die
ebenfalls von einer Kennung (Rufnummer, IP-Adresse) als einem auf eine Person und nicht
auf ein Gerät bezogenes technischen Merkmal ausgeht (§ 4 Nr.6).
b) Hinzu kommt, dass es an jeglichem tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass zumindest
mit einem der betreffenden Mobiltelefone bei einem dieser vier TK-Anbieter
Telekommunikations-dienstleistungen in Anspruch genommen wurden. Diese Anbieter
wurden vielmehr letztlich willkürlich, nämlich allein nach Marktanteilen ausgewählt.
c) Ferner sind die Anbieter von Telekommunikationsleitungen gem. § 6 II 2
Telekommunikations-datenschutzverordnung (TDSV) verpflichtet, Verbindungsdaten
spätestens am Tag nach Beendigung der Verbindung zu löschen, soweit sie nicht
beispielsweise zur Störungsbeseitigung oder Missbrauchsbekämpfung erforderlich sind.
Hierzu gehören auch die IMEI-Nummern, die ebenfalls zu löschen sind, weil sie zur
Entgeltabrechnung nicht erforderlich sind (Th. Reimann, Datenschutz und Datensicherheit
2001, 605). Davon ausgehend, dass die Unternehmen ihre gesetzliche Pflicht erfüllen,
wäre eine solche Anordnung für die Vergangenheit somit nur dann erfolgversprechend und
damit erforderlich i.S.d. § 100g I 1 a.E. StPO, wenn und soweit eine entsprechende - auf §§
161, 163 StPO gestützte - Ermittlungsanordnung der Staatsanwaltschaft den TK-Anbieter
verpflichtet hat, diese Daten bis zu einem richterlichen Auskunftsbeschluss nicht zu
löschen. Denn eine solche Anordnung ginge den Löschungspflichten der TDSV vor. Hierzu
hat die Staatsanwaltschaft nichts vorgetragen. Nach dem Akteninhalt ist vielmehr
erkennbar, dass eine solche Anordnung nicht erfolgte.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Es hat keine
aufschiebende Wirkung und ist beim Amtsgericht Köln schriftlich oder zu Protokoll der
Geschäftsstelle einzulegen.