Urteil des AG Köln vom 05.07.2006
AG Köln: quotenvorrecht, rechtsschutzversicherung, versicherungsnehmer, versicherer, ersatzleistung, vollstreckung, versicherungsschutz, meinung, verzug, gebühr
Amtsgericht Köln, 137 C 157/06
Datum:
05.07.2006
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 137
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
137 C 157/06
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 150 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz seit dem 2.6.2005 freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von 23,39 €
Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz seit dem 26.04.2006 freizustel-len.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert, wobei eine Selbstbeteiligung
in Höhe von 150 € vereinbart ist. Durch einen Wasserrohrbruch bei ihrem Nachbarn erlitt
die Klägerin in ihrer Wohnung einen Überschwemmungsschaden. Die Klägerin
beauftragte ihren Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung des ihr
entstandenen Schadens in Höhe von 4.105,95 € bei dem Schadensverursacher. Die
Beklagte erteilte Deckungszusage für das außergerichtliche Verfahren.
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Diese Angelegenheit wurde durch einen Vergleich abgeschlossen. Die
Haftpflichtversicherung des Schadenverursachers zahlte auf den geltend gemachten
Schaden insgesamt 2000 € und übernahm die Anwaltskosten (1,3 Geschäftsgebühr, 1,5
Einigungsgebühr, Auslagen und Umsatzsteuer) ausgehend von diesem Betrag in Höhe
von 2000 € als Gegenstandswert und zahlte 455,18 €.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin rechnete ausgehend von einem nunmehr
zwischen den Parteien unstreitigen Gegenstandswert in Höhe von 3.875,76 € seine
Tätigkeit mit 818,96 € ab, wobei er den von dem Schadensverursacher erstatteten
Betrag in Höhe von 455,18 € abzog. Die Beklagte zog darüber hinaus die zwischen den
Parteien vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 150 € ab und erstattete der Klägerin
den Restbetrag in Höhe von 213,78 €.
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Die Klägerin begehrt nunmehr Freistellung auch in Höhe der vereinbarten
Selbstbeteiligung. Sie ist der Auffassung aufgrund des sog. Quotenvorrechts des
Versicherungsnehmers gemäß § 67 VVG sei sie berechtigt gewesen, den Betrag der
Selbstbeteiligung aus der Kostenerstattung durch den Schadensverursacher für sich zu
entnehmen und sich daran schadlos zu halten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von
150 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
2.6.2005 freizustellen,
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von 23,39 € Rechtsanwaltskosten nebst
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2006 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei berechtigt in jedem Fall die vertraglich
vereinbarte Selbstbeteiligung von den von ihr zu tragenden Kosten abzuziehen. Die
vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung dürfe erst dann von der Berechnung
einbezogen werden, wenn der von der Rechtsschutzversicherung auszugleichende
Betrag feststehe.
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Da die Klägerin durch die vereinbarte Selbstbeteiligung, die eine Prämienvergünstigung
zur Folge habe, für einen Teil des auszugleichenden Schadens auf
Versicherungsschutz verzichtet habe, könne sie sich für diesen Teil nicht auf das
Quotenvorrecht berufen. Andernfalls wären im Falle einer Erstattung von Kosten in
Höhe von mindestens der Selbstbeteiligung durch den die Gegenseite die Leistungen
der Rechtsschutzversicherung für Versicherungsnehmer mit und ohne Selbstbeteiligung
identisch. Aber auch wenn das Quotenvorrecht gemäß § 67 VVG einschlägig wäre, sei
auf jeden Fall eine Quote dahingehend zu bilden, wonach die Erstattung im Verhältnis
des versicherten und des nicht versicherten Anteils aufzuteilen sei.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
14
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von
Rechtsanwaltskosten in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 € aus dem
zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag.
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Aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages ist die Beklagte gemäß § 5 Abs. 1 a
ARB 94/2000 zur Erstattung der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts der
Klägerin verpflichtet. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie die
vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung nicht schulde, da die Klägerin berechtigt war,
die von dem Schadensverursacher gezahlte Kostenerstattung zunächst auf die
Selbstbeteiligung zu verrechnen und sich so hinsichtlich dieser Position schadlos zu
halten. § 67 Abs. 1 VVG regelt, dass der Schadensersatzanspruch eines
Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer übergeht, soweit dieser
den Schaden dem Versicherungsnehmer ersetzt. Gemäß § 67 Abs. 1 S. 2 VVG kann der
Übergang nicht zum Nachteil eines Versicherungsnehmers geltend gemacht werden
(sog. Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers). Dies besagt, dass bei nur teilweiser
Regulierung eines Schadens durch den Versicherer der Versicherungsnehmer bei
gleichfalls teilweiser Ersatzleistung des Schädigers diese Ersatzleistung zunächst
komplett auf seinen restlichen Schaden verrechnen darf, bevor ein Anspruchsübergang
auf den Versicherer in Betracht kommt. Nach allgemein herrschender Meinung gilt das
Quotenvorrecht auch für die Rechtsschutzversicherung, denn auch sie ist eine von § 67
VVG vorausgesetzte Schadenversicherung (vgl. Harbauer, ARB § 20 ARB 75 Rn 16;
Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 37 Rn. 474; OLG
Köln NJW 1973, 905)
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Die Klägerin kann das Quotenvorrecht auch für die Selbstbeteiligung geltend machen,
da es sich um einen sog. kongruenten Schaden handelt, d.h. um einen Schaden, der
seiner Art nach unter den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fällt. Der
Rechtsschutzversicherer trägt die für die Interessenwahrnehmung des
Versicherungsnehmers erforderlichen Kosten. Nach Auffassung des Gerichts fallen
darunter alle die in dem betreffenden Versicherungsfall entstandenen Kosten, also auch
die vereinbarte Selbstbeteiligung.
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Ein Recht der Beklagten, die Selbstbeteiligung von den von ihr zu erstattenden Kosten
abzuziehen, ergibt sich auch nicht aus der zwischen den Parteien vertraglich
vereinbarten Selbstbeteiligung oder aus den dem Rechtsschutzversicherungsvertrag
zugrunde liegenden ARB. Auf solche Vereinbarungen kann die Beklagte sich wegen §
68 a VVG nicht berufen, da durch solche Vereinbarungen zum Nachteil des
Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung des § 67 VVG abgewichen
würde.
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Nach Auffassung des Gerichts ist auch keine Quote dahingehend zu bilden, wonach die
Erstattung im Verhältnis des versicherten und des nicht versicherten Anteils aufzuteilen
ist. Durch die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung wird der Versicherungsschutz nicht
für einen bestimmten Teil, also z.B. Interessenwahrnehmung auf einem bestimmten
Rechtsgebiet, ausgeschlossen, sondern es wird durch die Selbstbeteiligung vereinbart,
dass bei Durchsetzung eines versicherten Anspruchs der Versicherungsnehmer die
Kosten in Höhe der Selbstbeteiligung – sofern die Rechtsschutzversicherung
vollumfänglich eintrittspflichtig ist – nicht ersetzt verlangen kann. Dies ändert jedoch
nichts an dem Umstand, dass der geltend gemachte Anspruch mitversichert war.
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Der Zinsanspruch und Anspruch auf Freistellung der nicht anrechenbaren RVG-Gebühr
ergibt sich aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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Die Berufung wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
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Streitwert: 150,00 €
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