Urteil des AG Köln vom 21.07.2010

AG Köln (private krankenversicherung, vergütung, treu und glauben, leistung, zahnärztliche behandlung, behandlung, liste, tarif, erstattung, höhe)

Amtsgericht Köln, 118 C 118/10
Datum:
21.07.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 118
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
118 C 118/10
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3.Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin, die Beklagte ist ihre private
Krankenversicherung. Die Klägerin ist bei ihr gemäß der Tarife Z100 und Z80 für die
zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz versichert. Vorliegend kommt die 80 %-ige
Tarifbeschränkung zum Tragen. Im Zuge einer zahnärztlichen Behandlung,
vorgenommen bis zum 12.11.2009, waren der Klägerin von den zur Erstattung
vorgelegten Fremdlaborkosten (Rechnung Fa. T. GmbH vom 05.11.2009) zu insgesamt
2.258,53 € seitens der Beklagten ein Betrag von insgesamt 928,08 € von der Erstattung
ausgenommen worden, weil die dortigen Kosten nicht dem Bundeseinheitlichen
Leistungsverzeichnis zahntechnischer Leistungen (BEL) entsprächen. Die Beklagte
hatte der Klägerin vor der Behandlung mit Schreiben vom 25.09.2009 eine Kostenliste
vorgelegt; erstattet hat sie indes nicht allein nach der BEL, sondern unstreitig über den
Sätzen der BEL. Wendet man den versicherten Tarif zu 80 % auf den unerledigten
Betrag von insgesamt 928,08 € an, so verbleiben für die Klage noch 742,46 €.
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Die Klägerin erachtet die in Rechnung gestellten Kosten für üblich. Das BEL sei
vorliegend nicht anwendbar, weil die Qualitätserwartung privat Versicherter auf eine
höherwertige Leistung gehe. Im übrigen unterschieden sich die gesetzliche und die
private Krankenversicherung dahin, dass Beiträge und Leistungen nach jeweils
unterschiedlichen Gesichtspunkten errechnet und erbracht würden. Zudem bilde das
BEL die Besonderheiten örtlicher Abweichungen nicht hinreichend ab.
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Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
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an sie 742,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 nebst vorgerichtlichen
Anwaltskosten zu 120,67 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien nicht nur vor der
Rechtsprechung hiesiger Berufungskammer – insbesondere deren Entscheidung vom
29.09.2004 – 23 S 42/04 –, sondern zu der gesamten von der Beklagten reichlich
angezogenen Judikatur erörtert.
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Einer vergleichsweisen Einigung auf einen Betrag von immerhin 120 % der BEL-Tarife,
wie von dem Abteilungsrichter vorgeschlagenen und im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 09.06.2010 unter Widerruf zunächst vorgenommen, hat sich die
Klägerin im Zuge erklärten Vergleichswiderrufs nicht zu öffnen vermocht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem privaten Krankenversicherungsvertrag
in Verbindung mit dem vereinbarten Tarif Z80 zu 80 %-iger Erstattung der Kosten für
Zahnersatz in Hinblick auf §§ 9 GOZ, 612 Abs. 2 BGB kein Anspruch auf weiteren
anteiligen Ausgleich der Zahntechnikerkosten zu weiteren 742,46 € zur Seite.
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Die Beklagte hat in dem Umfange liquidiert, zu dem sie zur Erstattung aus dem Vertrage
verpflichtet war.
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Dabei musste sich die Klägerin zunächst nicht auf ein Leistungsverzeichnis der
Beklagten verweisen lassen. Dazu könnte sie allenfalls gehalten sein, wenn ein solches
(Sachkostenliste) in den AVB oder im Tarif geregelt wäre (vgl. BGH, Urteil vom
18.01.2006 – IV ZR 244/04 - ). Diesbezügliche Regelungen finden sich indes weder in
den vorliegend maßgeblichen AVB noch in dem abgeschlossenen Tarif.
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Gleichwohl unterliegt die Klage der Abweisung.
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Entsprechend der Rechtsnatur eines privaten Krankenversicherungsvertrages als
Passivenversicherung ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur
zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die ihm in Bezug auf das versicherte
Risiko zur Ablösung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen z.B. des
Krankenhauses, des Arztes wie des Apotheker sowie des Heilmittelverkäufers
erwachsen sind. Folglich hatte die Beklagte der Klägerin die Sachkosten nur in solchem
Umfange zu erstatten, die ihr Zahnarzt von der Klägerin berechtigterweise fordern durfte.
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Dies sind nur solche Kosten, die entsprechend § 9 GOZ angemessen waren.
In Ermangelung besonderer Umstände und Vereinbarungen ist als angemessen das
anzusehen, was gemäß § 612 Abs. 2 BGB als üblich gelten darf.
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Als Maßstab hierfür darf wiederum mit der Entscheidung hiesiger Berufungskammer
vom 29.09.2004 – 23 S 42/04 – herangezogen werden, dass die Üblichkeit einer
Vergütung auf die jeweilige Leistung und auf Qualität des Produktes bezogen ist. Es
mag mit der dortigen Auffassung auch noch angehen, dass der Privatversicherte eine
höhere Qualität der Leistungen erwarten dürfe. Die hieraus gezogenen Schlüsse seiner
Kammer vermag der Abteilungsrichter indes vor den Umständen des vorliegenden
Falles nicht zu teilen.
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Zunächst also darf aber im Einklang mit hiesiger Berufungsrechtsprechung gelten, dass
für Leistungen, die bei privaten und gesetzlich Versicherten identisch sind, die hierfür
übliche Vergütung zu zahlen ist, § 612 Abs. 2 BGB. Darunter ist die gewöhnlich
gewährte Vergütung, die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen der betreffenden Art
geleistet wird, zu verstehen.
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Nun werden unstreitig immerhin 90 % aller zahntechnischen Leistungen im Bereich der
Laborarbeiten nach dem BEL abgerechnet. Dann aber richtet sich die üblicherweise
gewährte Vergütung grundsätzlich nach den Preisen eben dieser so genannten BEL-
Liste, da es nämlich zur Ermittlung der Üblichkeit auf den Kreis aller Versicherter, also
auch auf den der gesetzlich Krankenversicherten ankommt.
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Die auf hiesige Berufungsrechtsprechung gestützte Ansicht der Klägerin, ein
Privatpatient müsse sich nicht auf den Standard einer lediglich ausreichenden und
zweckmäßigen Mindestversorgung, wie sie die Leistungen der so genannten BEL-Liste
vorsehen, verweisen lassen, und die unterschiedliche Berechnungshöhe bei
gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei auf Grund unterschiedlicher Tarif-
und Leistungsstrukturen nur konsequent, ist zwar von ihrem generellen Ansatz her nicht
zu beanstanden. Sie überzeugt jedoch vor den einzelnen Umständen des hier
vorliegenden Falles letztlich nicht.
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Mit der – auch von dem Abteilungsrichter für zutreffend erachteten – Prämisse hiesiger
Berufungsrechtsprechung, dass für unterschiedliche Leistungen eine unterschiedlich
hohe Vergütung gezahlt werden soll, korreliert nämlich zugleich deren Umkehrung:
gleiche Leistungen dürfen nicht unterschiedlich vergütet werden. Unterschiedlich hohe
Vergütungen für Sachleistungen sind vor den Rechtsgrundsätzen der §§ 9 GOZ, 612
Abs. 2 BGB nämlich allein bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu rechtfertigen. Das
Recht auf eine höhere Vergütung allein auf bloßen Zuruf hin, stellt demgegenüber nichts
Angemessenes und Übliches, sondern nicht mehr als bloße Willkür dar.
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Die Differenzierung der Vergütung allein nach dem Versichertenstatus des Patienten –
unabhängig von der Betrachtung der für diesen konkret erbrachten Leistung - ist damit
bereits kein sachlicher Grund für eine höhere Vergütung für eine einem
Privatversicherten erbrachte Leistung. Insbesondere ist die mögliche bloße
Erwartungshaltung eines Privatversicherten, er erhielte eine bessere Leistung als ein
Kassenpatient, unerheblich, wenn diese Erwartung in der jeweiligen Leistung keinen
tatsächlichen Widerhall fände. Ein solcher rein affektiver Wert, der in der tatsächlichen
Leistung, deren Vergütung zu beurteilen ist, objektiv durch nichts zu belegen ist, ändert
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an der Üblichkeit einer Vergütung nichts. Diesen Umstand kann man nicht sehen, man
kann ihn nicht fühlen, nicht messen und nicht wiegen; er fände seine Grundlage allein
im Kopf des Versicherten. Im Mund bzw. im Zahnersatz des Versicherten findet er
demgegenüber keinen Niederschlag.
Ein solch objektiver Mehrwert wäre aber etwa dann zu bejahen und konsequent höher
zu vergüten, wenn die Heilbehandlung dieses Versichertenkreises weit umfangreicher
ausfiele als bei den Versicherten öffentlicher Kassen. Ein objektiver Ansatz für eine
höhere Vergütung läge also vor, wenn gerade kein identischer Leistungsumfang bei
privaten und gesetzlich Versicherten bestünde. Medizinisch notwendige Leistungen, die
nicht identisch mit denjenigen der so genannten BEL-Liste wären, insbesondere weil sie
qualitätsverbessernden Charakter haben oder hinsichtlich der angewandten Mittel, in
zeitlicher Hinsicht oder vom Arbeitsergebnis her einen höheren Leistungsstandard nach
Präzision, Passgenauigkeit, Funktionalität usw. usf. darstellen könnten, wären dann
allerdings nach den für diese üblichen, die BEL-Liste dann übersteigenden Preisen
erstattungsfähig.
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Es ist allerdings vorliegend nichts dafür ersichtlich und auch von der Klägerin nichts
dafür vorgetragen, die Klägerin hätte bei ihrer zahnärztlichen Behandlung im Zuge der
Arbeiten des Fremdlabors gerade solche Leistungen erhalten, die sich auch nur in
irgendeiner Weise qualitativ von entsprechenden Leistungen für Kassenpatienten
abhöben. Dann ist es selbst jenseits eines hier nicht einmal konkret, sondern nur im
Kontext hiesiger Berufungsrechtsprechung eingewandten - nicht zu honorierenden -
Affektivinteresses nicht nachvollziehbar, warum das Labor berechtigt sein dürfte, bei
gleicher Leistung anders, d.h. erheblich höher als bei 90 % der Versicherten
abzurechnen.
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Nichts Anderes kann vom Ergebnis her gelten, wenn man mit der Auffassung hiesiger
Kammer von einer sekundären Darlegungslast der Versicherung arbeiten wollte (Urteil
der Kammer vom 17.06.2009 – 23 O 380/08). Die Kammer will verschiedentlich den
Versicherungen eine aus dem "Kürzungsrecht" der Versicherungen abgeleitete
sekundäre Darlegungslast aufbürden, wie dies ebenso unbestreitbar wie vereinzelt
auch andere Gerichte tun. Die Kammer ist der Auffassung, dass sich ein Versicherer,
der sich auf § 612 Abs. 2 BGB stützen will, hinreichend darzulegen hätte, in welcher
Höhe eine Vergütung üblich und angemessen wäre. Ob deshalb sogar – wie in dem
genannten Rechtsstreit (LG Köln - 23 O 380/08 - ) von der dortigen
Versicherungsnehmerin vertreten - eine Darlegungs- und Beweislastumkehr
anzunehmen sein könnte, muss hier nicht geklärt werden. Denn nach hiesiger Ansicht
bedarf es bereits der Konstruktion einer solchen sekundären Darlegungslast nicht. Erst
recht erscheint dann eine Beweislastumkehr nicht angezeigt. Einem Kläger muss es
nämlich gestattet sein, unter Beweiserbieten die Ortsüblichkeit der ihm berechneten
Preise zu behaupten. Die behauptete Üblichkeit der berechneten Kosten mag dann von
der Versicherung einfach – oder aber kraft überlegenen Wissens in Hinblick auf die bei
dieser vor zahlreich eingereichten Abrechnungen bestehenden Kenntnissen der
Abrechnungssätze örtlicher Zahntechniker – substantiiert bestritten werden. Allein aber
der Umstand, dass eine Versicherung nur einfach anstatt substantiiert bestreitet, kann
vor den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungslast zu § 612 Abs. 2 BGB nicht zur
schärfsten Rechtsfolge, das heißt vor allem nicht zum Prozessverlust führen.
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Dieser Einwand ist vorliegend aber auch deshalb nicht gegen die Beklagte fruchtbar zu
machen, weil diese der Klägerin vor der zahnärztlichen Behandlung mit Schreiben vom
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25.09.2009 ihre Kostenliste übersandt gehabt hatte. Damit hat sie unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht, was sie für Üblich hält. Selbst also dann, wenn man der
Kammer zur Frage der sekundären Darlegungslast folgen wollte, hätte die Beklagte
diese bereits vorab erfüllt gehabt.
Ein Anderes gilt deshalb auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, §
242 BGB. Die Beklagte hatte der Klägerin vor der Behandlung ihre Kostenliste
vorgelegt. Damit war der Klägerin einerseits der Umfang späterer Leistung hinreichend
deutlich gemacht. Andererseits war die Klägerin damit in die Lage versetzt, diese Liste
dem behandelnden Zahnarzt vorzulegen und diesen anzuhalten, sich auf dem lokalen,
mag sein regionalen Markt der Zahntechniker einen zu diesen Preisen tätig werdenden
Zahntechniker zu suchen bzw. mit ihm bekannten und sonst von beauftragten
Zahntechnikern vor der Liste entsprechende Preise zu vereinbaren.
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Ist also nichts dafür ersichtlich, insbesondere auch nichts dafür vorgetragen, die
Klägerin hätte bessere Leistungen als nach der BEL erhalten, dann ist sie auch nicht
verpflichtet gewesen, dem Zahnlabor höhere Preise als nach BEL zu zahlen. War sie
hierzu bereits nicht verpflichtet, dann ist aber auch die Beklagte als ihre Versicherung
nicht im Urteilswege anzuhalten, die Klägerin bezüglich solcher unberechtigten
Forderungen schadlos zu stellen. Unerheblich ist dann schließlich auch, dass die
Beklagte der Klägerin bereits mehr leistete als nach der BEL geschuldet.
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Folglich muss die Klage der Abweisung unterfallen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
33
742,46 €
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