Urteil des AG Köln vom 14.02.2006

AG Köln: nummer, körperliche untersuchung, dokumentation, behandlung, injektion, vollstreckung, einspruch, gespräch, anerkennung, diagnose

Amtsgericht Köln, 134 C 602/03
Datum:
14.02.2006
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 134
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
134 C 602/03
Tenor:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 27.11.2003 –
03-3468052-0-8 – wird in Höhe von 7,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2002
aufrechterhalten; im übrigen wird der Vollstreckungsbescheid
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die durch das Unterlassen rechtzeiti-gen
Widerspruchs entstandenen Kosten, die übrigen Kosten trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwen-den, wenn nicht die jeweils andere
Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist Arzt für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie in Taufkirchen bei
München. Er behandelte den Beklagten in der Zeit vom 14.10.2001 bis 27.10.2001 mit
der sogenannten minimal invasiven epiduralen Wirbelsäulenkathetertechnik nach Prof.
Racz.
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Für die Behandlung stellte der Beklagte gemäß Rechnung vom 08.11.2001 einen
Betrag von 5.312,64 Euro in Rechnung. Hierauf bezahlte der Beklagte 1.717,53 Euro.
3
Der Kläger verlangt nun von dem Beklagten Zahlung des restlichen Betrages von
3.595,11 Euro und behauptet, die berechneten Leistungen seien allesamt erbracht und
dokumentiert worden; sie seien medizinisch notwendig gewesen. Der Kläger ist der
Ansicht, wegen der Besonderheiten der Behandlungsmethode sei der Ansatz der
entsprechenden GOÄ-Nummern – wie in der Rechnung vom 08.11.2001 vorgenommen
– berechtigt.
4
Mit Mahnbescheid vom 30.10.2003 ist dem Beklagten aufgegeben worden, an den
Kläger 3.595,11 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 26.09.2002 zu zahlen. Auf der Grundlage dieses
Mahnbescheids ist am 27.11.2003 ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden, gegen
den der Beklagte am 10.12.2003 Einspruch eingelegt hat.
5
Der Kläger beantragt,
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den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.
7
Der Beklagte beantragt,
8
unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids die Klage
abzuweisen.
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Der Beklagte hält den Ansatz derjenigen Positionen, die sich aus der Tabelle der
Stellungnahme Dr N. vom 10.02.2004, Anlage zum Schriftsatz vom 04.03.2004,
ergeben, nicht für gerechtfertigt und beruft sich unter anderem darauf, die Leistungen
seien teilweise nicht erbracht worden, zum Teil aber auch falsch abgerechnet worden.
10
Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluß vom 26.03.2004 und
23.06.2005; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten und
Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. verwiesen.
11
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien sowie auf die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
12
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13
Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom 27.11.2003 ist
rechtzeitig und auch im übrigen zulässig gemäß §§ 700, 339 f. ZPO.
14
Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
15
Der Kläger hat gegen den Beklagten aus §§ 611, 612 BGB einen Anspruch auf Zahlung
weiterer 7,27 Euro über den bereits gezahlten Betrag von 1.717,53 Euro hinaus.
16
Zu den einzelnen in der Rechnung vom 08.11.2001 enthaltenen Positionen, die gemäß
Aufstellung Dr. N. bestritten sind, gilt folgendes:
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14.10.2001 GOÄ Nummer 7 und Nummer 800
18
Nummer 7 und Nummer 800 sind zwar in der Aufstellung als strittige Positionen
aufgeführt, nach dem Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 09.02.2004
sind diese Kosten jedoch für den Aufnahmetag bereits zugunsten des Klägers
bei der Abrechnung berücksichtigt und auch gezahlt worden, die Kosten sind
damit anerkannt.
19
15.10.2001 GOÄ Nummer 7
20
Ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten ist nicht gegeben, denn nach den
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. in seinem Gutachten und
Ergänzungsgutachten können die Kosten Nummer 7 nur einmal im
Behandlungsfall angerechnet werden, zum anderen ergibt sich nach den
Feststellungen des Sachverständigen aus den Krankenunterlagen nicht, daß
die für Nummer 7 erforderliche vollständige körperliche Untersuchung
mindestens eines Organsystems ... erbracht worden ist.
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16.10.2001 GOÄ Nummer 494 (viermal) und Nummer 255 (fünfmal)
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. in seinem
Gutachten kann für diesen Teil der Behandlung nur Ziffer 493 angesetzt
werden, nicht aber Ziffer 494 und Ziffer 255. Der Sachverständige führt aus, daß
die Leistung nach Ziffer 255 im Zusammenhang mit einer perineuralen Injektion
mit Arzneimittel außer Lokalanästhetika abrechnungsfähig ist und bei
perineuraler Injektion zur Verabreichung von Lokalanästhetika zur
Leitungsanästhesie statt der Leistung nach 255 die Leistung nach 493 zu
berechnen ist. Die Leistungen nach 493 und 494 unterscheiden sich durch die
unterschiedliche Zielgenauigkeit der Lokalanästhesieapplikation; die
Perineuralanästhesie umfaßt die Einbringung des Anästetikums ins das den
Nerven umgebende Gewebe, während endoneural die direkte Injektion in die
Bindegewebshöhle des Nerven dringt. Der Sachverständige hat seine
Ausführungen unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers und der
Stellungnahme Dr. T. in seinem Ergänzungsgutachten bestätigt.
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Die vorgenannten Positionen sind wie folgt abzurechnen:
24
4 x Nummer 494 - 64,88 Euro
25
5 x Nummer 255 - 63,70 Euro
26
128,58 Euro
27
abzüglich 5 x Nummer 493 Faktor 2,3 - 40,95 Euro
28
Differenzbetrag - 87,63 Euro
29
GOÄ Nummer 268
30
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Kosten gemäß Nummer 268
GOÄ, da nach Ausführungen des Sachverständigen die Infiltrationsbehandlung
mehrerer Körperregionen je Sitzung einmal nach Ziffer 268 berechnet werden
kann.
31
17.10.2001 GOÄ Nummer 800
32
Die insoweit berechneten Kosten kann der Kläger vom Beklagten nicht
verlangen, denn nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F.
kann der vorgelegten Dokumentation nicht entnommen werden, daß eine
eingehende neurologische Untersuchung, die über den Umfang der
neurologischen Untersuchung im Rahmen der Erhebung des Ganzkörperstatuts
33
neurologischen Untersuchung im Rahmen der Erhebung des Ganzkörperstatuts
hinausgeht, erbracht worden ist.
GOÄ Nummer 256
34
Der Kläger kann auch diese Koste nicht verlangen, denn die Ziffer 256 kann
nicht neben Ziffer 474 und 475 berechnet werden, wie der Sachverständige
ausgeführt hat.
35
GOÄ Nummer 5280 analog
36
Auch ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten besteht nicht. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen sind bestimmte Qualitätskriterien zur
Anerkennung dieser Ziffer notwendig. Daß diese Qualitätsanforderung und
aufnahmetechnischen Leitlinien berücksichtigt worden sind, hat der
Sachverständige der vorgelegten Dokumentation nicht entnehmen können. Der
Sachverständige hat in dem Ergänzungsgutachten dazu ausgeführt, daß die
vorliegende Bilddokumentation nicht die Erfordernisse einer
Kontrastmitteluntersuchung des Wirbelkanals erfüllt, daß keine
Funktionsuntersuchung erkennbar ist, und daß es sich nur um eine
Katheterlagekontrolle handelt, für die Ziffer 5280 analog nicht angesetzt werden
kann.
37
GOÄ Nummer 60
38
Die Kosten für ein Konzilium gemäß Nummer 60 GOÄ kann der Kläger bereits
deswegen nicht verlangen, weil es sich bei dem Gespräch zwischen dem
Kläger und dem Anästhesisten während der OP nicht um eine Erörterung zum
Zwecke der gemeinsamen Stellung einer Diagnose oder der gemeinsamen
Festlegung der Therapie nach vorausgehender Untersuchung des Kranken
handelt, wie der Sachverständige ausgeführt hat.
39
GOÄ Nummer 2577 (zweimal)
40
Auch diese Kosten kann der Kläger nicht
41
verlangen. Ziffer 2577 setzt nach der Definition die Entfernung eines
raumbeengenden intra- oder extraspinalen Prozesses voraus. Nach den
Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. wird im Rahmen einer
Katheteruntersuchung nach der Methode von Racz jedoch kein Instrument
eingeführt, mit dem Verklebungen oder raumbeengende Prozesse extrahiert
und operativ entfernt werden können. Der Sachverständige führt in seinem
Ergänzungsgutachten zusätzlich aus, daß bisher kein wissenschaftlicher
Beweis dafür vorliegt, daß im Rahmen der Racz-Katheter-Behandlung
Verklebungen oder raumbeengende Prozesse extrahiert und operativ entfernt
werden können. Es handelt sich folglich nicht um einen operativen
mechanischen Eingriff, so daß Ziffer 2577 nicht angesetzt werden kann.
42
18.10.2001
Ausführungen Bezug genommen.
43
19.10.2001
256 auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
44
GOÄ Nummer 34
45
Die Kosten für Nummer 34 kann der Kläger nur mit Faktor 2,3 und nicht mit
Faktor 3,5 berechnen.
46
Der Steigerungsfaktor 3,5 kann nicht angesetzt werden, da ein erhöhter
Zeitaufwand gerade Bedingung für den Ansatz von Nummer 34 ist, wie der
Sachverständige ausgeführt hat. Der Kläger behauptet zwar im Schriftsatz vom
20.12.2005, die Zeitdauer der medizinischen Erörterung habe nicht nur zwanzig
Minuten, sondern dreißig Minuten betragen, er hat aber nicht angegeben, wo
die Dauer dieser Besprechung dokumentiert sein soll. Ein Beweis ist auch nicht
angetreten.
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22.10.2001
wie oben bereits ausgeführt.
48
Statt der Kostennummer 494 und Nummer 255 sind Kosten gemäß Nummer
493 anzusetzen – auf die Ausführungen zum 16.10.2001 wird Bezug
genommen. Es ergibt sich folgende Berechnung:
49
6 x Nummer 255 - 76,44 Euro
50
6 x Nummer 494 - 97,32 Euro
51
173,76 Euro
52
abzüglich 6 x Nummer 493 Faktor 2,3 - 49,14 Euro
53
Differenzbetrag - 124,62 Euro
54
Die Kostennummer 268 GOÄ aber sind nach den Ausführungen des
Sachverständigen je einmal pro Sitzung gerechtfertigt.
55
GOÄ Nummer 373
56
Keinen Anspruch hat der Kläger aber auf Zahlung der Kosten, die mit sechsmal
Nummer 373 berechnet sind. Diese Kosten können zum einen deswegen nicht
angesetzt werden, weil es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen
bei der Kontrastmittelgabe nicht um eine selbständige Leistung handelt,
sondern um eine methodische Teilleistung der Zielleistung. Zudem fehlt nach
den Angaben des Sachverständigen die entsprechende Dokumentation der
Leistung.
57
24.10.2001
268 und zehnmal 373 gelten ebenfalls die obigen Ausführungen. Für die zehnmal mit
Nummer 255 und achtmal mit Nummer 494 berechneten Leistungen muß, wie oben
bereits ausgeführt, eine Berechnung nach Nummer 493 erfolgen:
58
8 x Nummer 494 - 127,40 Euro
59
10 x Nummer 255 - 129,76 Euro
60
257,16 Euro
61
abzüglich 10 x Nummer 493 Faktor 2,3 - 81,90 Euro
62
Differenzbetrag - 175,26 Euro
63
Bezüglich Nummer 800 sind die Kosten zwar in der Aufstellung Dr. N. als strittig
dargestellt, für diesen Tag aber sind diese Kosten bereits anerkannt und
gezahlt.
64
Statt der für diesen Tag mit achtmal Nummer 2583 und zweimal Nummer 2120
berechneten Kosten kann der Kläger nur die Kosten gemäß einmal 2598 GOÄ
verlangen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sowohl in seinem
Gutachten als auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers in
dem Ergänzungsgutachten ist die Anrechnung der Ziffern 2583 und 2120 nicht
gerechtfertigt. Es kann statt dessen nur die Ziffer 2598 angesetzt werden, denn
die in Ziffer 2583 beschriebene operative Neurolyse hat nicht stattgefunden.
65
Es ergibt sich folgende Berechnung:
66
8 x Nummer 2583 - 1.314,11 Euro
67
2 x Nummer 2120 - 265,20 Euro
68
1.579,31 Euro
69
abzüglich 1 x Nummer 2598 Faktor 3,5 - 285,60 Euro
70
Differenzbetrag - 1.293,71 Euro
71
Das Gericht schließt sich insgesamt den Ausführungen des Sachverständigen in
seinem Gutachten und Ergänzungsgutachten an. Der Sachverständige hat sowohl die
eingereichten Unterlagen, als auch die Einwendungen der Parteien sowie die bei den
Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen und andere Unterlagen berücksichtigt.
Bedenken gegen die Ausführungen des Sachverständigen bestehen nicht. Die vom
Kläger geäußerten Bedenken gegen den Sachverständigen Prof. Dr. F. sind nicht
überzeugend. Es ist unerheblich, ob der Sachverständige praktische Erfahrungen mit
der vom Kläger vorgenommenen Behandlungsmethode hat, entscheiden ist allein, ob
der Sachverständige Kenntnisse über die Behandlungsmethode hat und sich mit den
Einzelheiten der Behandlungsmethode auseinandersetzen kann. Daß dem
Sachverständigen die Behandlungsmethode ausreichend bekannt ist, ergibt sich aus
dem Gutachten.
72
Insgesamt sind folgende bestrittene Positionen aus der Rechnung vom 08.11.2001
abzuziehen:
73
74
Behandlungstag GOÄ-Nummer
Betrag
14.10.2001
7 800
Euro 0,00 Euro 0,00
15.10.2001
7
Euro 21,45
16.10.2001
4 x 494 5 x 255 268
17.10.2001
800 256 A 5280 60 2 x 2577 Euro 26,14 Euro 37,74 Euro 153,02
Euro 16,09 Euro 536,24 Euro 816,02
18.10.2001
800 2 x 256
Euro 26,14 Euro 37,74 Euro 37,74
19.10.2001
7 800 2 x 256 34
Euro 21,45 Euro 26,14 Euro 37,74
Euro 37,74 Euro 20,97
22.10.2001
7 800 6 x 494 6 x 255 268 6 x
373
Euro 21,45 Euro 26,14 Euro 0,00 Euro
201,12
24.10.2001
60 268 8 x 494 10 x 255 10 x
373 800 8 x 2583 2 x 2120
Euro 16,09 Euro 0,00 Euro 255,00
Euro 167,60 Euro 0,00
Summe abzgl. 15 % § 6 GOÄ Euro 4.220,98 Euro 633,15
Euro 3.587,84
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
75
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 700, 344, 91, 92 Absatz 2, 708
Ziffer 11, 711 ZPO.
76
Streitwert: 3.595,11 Euro.
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