Urteil des AG Köln vom 22.03.2007

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Amtsgericht Köln, 304 F 146/06
Datum:
22.03.2007
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 304
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
304 F 146/06
Tenor:
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Töchter K., geb. .1996 und M.,
geb. 1999, wird auf die Kindesmutter übertragen.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn S., geb. am 1997,
wird auf den Kindesvater übertragen.
Im übrigen werden die Anträge der Kindeseltern zurückgewiesen.
Die einstweilige Anordnung vom 24.01.2007 bleibt bis zur Rechtskraft
dieser Entschei-dung aufrechterhalten.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
G r ü n d e:
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I.
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Die Parteien sind geschiedene Eheleute.
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Sie hatten 1995 miteinander die Ehe geschlossen, aus der die im Rubrum genannten
drei ehelichen Kinder hervorgegangen sind. Im September 2002 haben die Parteien
sich getrennt. Die Antragstellerin ist mit allen drei Kindern aus Bayern nach Köln
verzogen. Im März 2001 sind die beiden älteren Kinder K. und S. zum Kindesvater, der
zu jener Zeit arbeitslos war, zurückgekehrt. Die älteste Tochter
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K. hat dann in Bayern die Grundschule absolviert. 2002 wurde die Ehe der Eltern
geschieden. Die jüngste Tochter M. hat durchgängig bei der Kindesmutter gelebt.
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Im Sommer 2006 hat die Kindesmutter die älteste Tochter K. im Haushalt des
Kindesvaters abgeholt, nachdem diese sich weinend am Telefon bei ihr beklagt hatte,
der Kindesvater kümmere sich nicht um sie und sie sei ständig alleine.
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Der Kindesvater ist Fernfahrer und werktags auf großer Tour. Er lebt in fester Beziehung
mit einer Lebensgefährtin, die ganztags als Sekretärin tätig ist und in ihrer Freizeit die
Kinder werktags betreut.
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Der Kindesvater, der ursprünglich nicht wusste, daß die Kindesmutter K. abholte, hat
nachträglich seine Zustimmung zum Aufenthaltswechsel und der Anmeldung der
Tochter auf der Gesamtschule Rodenkirchen erteilt. Die Gesamtschule hat K. bis
Weihnachten 2006 ordnungsgemäß besucht.
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In den Weihnachtsferien waren alle drei Kinder beim Vater in Bayern.
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Dort hat K. den Kindesvater unter Vortäuschung, von der Mutter geschlagen worden zu
sein, veranlasst, sie bei sich zu behalten und lediglich M. zur Kindesmutter nach Köln
zurückzubringen. Nachdem das Kind in Bayern noch eine Skifreizeit verlebte, hat der
Kindesvater K. aufgrund der einstweiligen Anordnung des Gerichts vom 24.01.2007
Anfang Februar zur Kindesmutter nach Köln zurückgebracht, wo sie nunmehr lebt.
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Die Kindeseltern streiten nunmehr um den Aufenthalt für K., während sie sich darüber
einig sind, das M. bei der Kindesmutter in Köln und S. bei dem Kindesvater in
Oberfichtach leben soll.
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Die Kindesmutter trägt vor, der Kindesvater kümmere sich nicht ausreichend um K., die
eine festere Hand brauche als z.B. S.. Er könne sich auch nicht ausreichend um sie
kümmern, da er als Fernfahrer wochentags unterwegs sei.
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Die Kindesmutter beantragt,
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ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für K. und M.
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zu übertragen und erhebt keine Einwände gegen die Übertragung
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des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für S. auf den Antrags-
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gegner.
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Der Antragsgegner beantragt,
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das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S, und K. auf
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ihn zu übertagen und erhebt keine Einwendungen gegen die
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Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für
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M. auf die Kindesmutter.
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Er trägt vor, K. habe seit Jahren bei ihm gelebt und erst nach dem Abschluß der
Grundschule und dem damit zusammenhängenden Umzug von Bamberg nach
Oberfichtach zur Kindesmutter gewollt. Diese habe das Kind im Sommer 2006 einfach
mitgenommen. Seine Lebensgefährtin kümmere sich um die Kinder, wenn er auf Tour
sei. Er wisse heute, dass K. ihn hereingelegt habe, als sie ihm in den Weihnachtsferien
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erklärt habe, die Kindesmutter schlage sie. Er habe dies zwar von Anfang an für
unwahrscheinlich gehalten, K. aber dann doch bei sich behalten. Nachher habe sie
eingeräumt, daß diese Aussage nicht der Wahrheit entspräche.
Er sei nur dann damit einverstanden, daß K. in Köln lebe, wenn sie dies auch selbst
wolle. Ansonsten erteile er seine Zustimmung zur Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Kindesmutter nicht.
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Das Gericht hat die Berichte des Jugendamtes Köln vom 15.12.06, 29.01.07 und
09.02.07 eingeholt sowie den Bericht des Jugendamtes Schwandorf vom 25.01.07 und
ferner sämtliche drei Kinder in Abwesenheit der Beteiligten alleine und getrennt
angehört sowie die Kindeseltern angehört. Auf das Protokoll vom 22.02.2007 wird
Bezug genommen.
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Bezüglich noch weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie den
übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
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Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei Kinder der Parteien war gem. den §§
1672 i.V.m.1671 BGB wie geschehen zu regeln. Denn es steht zu erwarten, daß die
Verlagerung des Lebensmittelpunktes von K. in den mütterlichen Haushalt in der
derzeitigen Lebenssituation dem Wohl dieses Kindes am besten entspricht.
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Hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für M. auf die Kindesmutter und S. auf
den Kindesvater hat der jeweils andere Elternteil keine Einwendungen erhoben.
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Bezüglich K. gilt folgendes:
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Das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört zum Kernbereich der elterlichen Sorge.
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Leben die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur
vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, das ihm das
Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge alleine
überträgt (§ 1671 Abs.1 BGB). Einem solchen Antrag ist gemäß § 1671 Abs.2 Nr. 2 BGB
stattzugeben, soweit zu erwarten ist, daß die – teilweise – Aufhebung der gemeinsamen
elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht und dass auch die
Übertragung – hier des Aufenthaltsbestimmungsrechtes – auf einem Elternteil dem Wohl
des Kindes am besten entspricht.
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Das Wohl von Kindern, deren Eltern sich getrennt haben, hängt ganz wesentlich davon
ab, daß die Eltern miteinander kooperieren und die Kinder nicht in Loyalitätskonflikte
bringen. Dies ist hier bei den beiden Elternteilen nicht der Fall. Beide Elternteile
beharren darauf, daß es für K. am besten sei, in ihrem Haushalt aufzuwachsen.
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Aus objektiver Sicht bleibt festzustellen, daß beide Elternteile in etwa in gleichem Maße
erziehungsfähig sind. Beide Elternteile leben zudem in geordneten äußeren
Umständen.
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Auf der Seite des Kindesvaters ist bei dieser Konstellation ins Gewicht fallend, daß er
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seine Erziehungsaufgaben nur am Wochenende persönlich ausüben kann, da er in
besonders starkem Maße als Fernfahrer beruflich eingespannt ist. Die Kindesmutter
kann sich aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung in stärkerem Maße der Betreuung des
heranwachsenden Mädchens widmen und ist zudem eher als der Kindesvater in der
Lage, diesem Kind auch Grenzen zu setzen. Das Gericht verkennt nicht, daß für den
Kindesvater hier gewisse Aspekte des Kontinuitätsprinzips sprechen, da das Kind die
Grundschule in Bayern, wenn auch nicht in Oberfichtach, sondern in Bamberg,
durchlaufen hat. Doch ist hier dem Förderprinzip, das für den Verbleib des Mädchens im
Haushalt der Kindesmutter spricht, der Vorrang zu geben.
Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kindesvater bei der Erziehung von S.
Unzulänglichkeiten gezeigt hat. Der Kindesvater beruft sich darauf, S. verweigere den
Umgang mit seiner Mutter. Daß dies nur vordergründig von dem Jungen geäußert wird,
hat die Anhörung durch das Gericht gezeigt. Hier hat der Junge durchaus eingeräumt,
daß es ihm möglich ist, auch Mutter und Schwester hier in Köln zu besuchen.
Letztendlich hat das Verhalten des Kindesvaters in der heutigen mündlichen
Verhandlung seine Erziehungsschwäche auch deutlich zu Tage treten lassen.
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Er wusste den aus weit aufgerissenen Augen herabrollenden Kindertränen nichts
entgegenzusetzen, als zu sagen: Wenn das Kind nicht in Köln bleiben will, dann soll es
mit zu mir kommen. Die Äußerung von K. in der persönlichen Anhörung durch das
Gericht hat deutlich gezeigt, daß dieses Kind mit der Entscheidung, wo es leben will,
völlig überfordert ist. Es lässt sich noch von augenblicklichen Stimmungen und
gegenwärtigen Ereignissen leiten, ohne in der Lage zu sein, Argumente für die Zukunft
gegeneinander abzuwägen. Wenn K. heute als 10jährige erklärt, sie habe "eine feste
Beziehung" mit D., dann hat allen beteiligten Entscheidungsträgern klar zu sein, daß es
sich dabei nicht um ein nachhaltiges Ereignis handelt, auf das grundlegende
Entscheidungen über die Lebensumstände des Kindes gestützt werden können und
dürfen. Daß das Kind nicht einsehen will, daß diese Beziehung bereits in einigen
Wochen ihr Ende finden kann, ist nachzuvollziehen, nicht jedoch, daß der Kindesvater
von dieser Augenblicks-Entscheidung des Kindes seine elterliche
Erziehungsentscheidung abhängig machen will.
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Bei der gerichtlichen Anhörung ist aufgefallen, daß K. zwar äußert, sie wolle zum Papa
nach Bayern, aber keine Argumente bringt, die unmittelbar mit dem Kindesvater zu tun
haben. Vielmehr geht es ihr um ihren "Verliebten" sowie – gegenüber dem Jugendamt –
um den Hund, den der Kindesvater anzuschaffen versprochen hat. Zudem ist K. in ihren
jungen Jahren bereits in der Lage, zu manipulieren. Dies hat nicht nur der Kindesvater
während der Weihnachtsferien feststellen müssen, sondern auch das Gericht als K. auf
den Vorhalt, es könne aber sein, daß sie in Köln bleiben müsse, wie aus der Pistole
geschossen antwortete, ihre Mutter würde sie schlagen. Das dies nicht zutrifft, ist
unstreitig und von K. auch nachträglich eingeräumt,
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auch in der gerichtlichen Anhörung.
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Unter Berücksichtigung sämtlicher Für und Gegen die Bestimmung des
Aufenthaltsrechtes bei dem einen oder anderen Elternteil sprechenden Umstände war
letztendlich dem Aufenthalt des Kindes bei der Kindesmutter der Vorzug zu geben.
Diese wird in der bald beginnenden Pubertät des Mädchens klare Regeln zu setzen
haben und auch dem Tagesablauf des Kindes Struktur und Halt geben müssen. Zudem
hält das Gericht die Kindesmutter eher für geeignet, die Beziehung der beiden Töchter
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zum Kindesvater aufrechterhalten und zu stärken und auch länger dauernde
Ferienbesuche bei dem Kindesvater zuzulassen.
Der Anregung der Prozessbevollmächtigten des Kindesvaters, ein psychologisches
Gutachten einzuholen, war nicht nachzukommen. Dies bedeutet lediglich, eigene
Entscheidungsschwäche durch Dritte beheben zu lassen, denn weitere Erkenntnisse –
über die durch die Jugendämter und die heutige mündliche Verhandlung gewonnenen
hinaus- stehen nicht zu erwarten. Die Beauftragung eines Gutachters würde bedeuten,
diesen "therapeutisch" einzusetzen, um dadurch zu erreichen, daß Vater, Mutter und
Kind zu einer einvernehmlichen Entscheidung kommen und damit der
Entscheidungsdruck von den Beteiligten genommen wird. Eine
Sachverständigenintervention im Sinne einer Familientherapie aber kann nicht
angeordnet werden. Da die gerichtliche Entscheidung, den Aufenthalt von K. der
Kindesmutter zuzuweisen, im wesentlichen darauf beruht, daß das heranwachsende
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Mädchen klare Regeln und Strukturen braucht, die der Kindesvater aufgrund seiner
erheblichen Berufstätigkeit nicht leisten kann, können durch ein kinderpsychologisches
Gutachten nur noch nicht entscheidungsrelevante Tatsachen aufgedeckt werden. Ein
solcher Erkenntnisgewinn für Parteien und Gericht aber würde an der Tatsache, daß der
Kindesvater von montags bis freitags einschließlich der Nächte nicht greifbar ist, nichts
ändern.
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Damit war insgesamt wie geschehen zu erkennen.
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Für dieses Verfahren war auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 50b
Abs.1 Abs.2 Nr. 1 FGG nicht geboten, denn das Interesse von K. steht nicht
grundsätzlich zu den Interessen ihrer Eltern in erheblichem Gegensatz.
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Denn beide Elternteile haben grundsätzlich das Wohl ihrer Tochter im Sinn, wie die
mündliche Anhörung deutlich gezeigt hat. Der Kindesvater ist aber nur bereit, seine
Zustimmung zum Aufenthalt von K. bei der Kindesmutter zu geben, wenn sie dieses
auch selbst möchte. Dies ist keine Fallkonstellation, die die Bestellung eines
Verfahrenspflegers rechtfertigt oder notwendig macht.
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Die einstweilige Anordnung war pro forma aufrechtzuerhalten, da derzeit nicht
abzusehen ist, wann die endgültige Sorgerechtsregelung bestandskräftig wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 93o, 13a FGG.
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Der Gegenstandswert wird für das Verfahren auf 3.000,00 Euro und für die EA auf
500,00 Euro festgesetzt.
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