Urteil des AG Köln vom 22.12.2009
AG Köln (kläger, höhe, amtliches kennzeichen, fahrzeug, gutachten, vollstreckung, ersatzbeschaffung, erlös, ergebnis, wirtschaftlichkeit)
Amtsgericht Köln, 264 C 122/09
Datum:
22.12.2009
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 264
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
264 C 122/09
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 910,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2008
sowie weitere 155,30 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
II. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 2 und die Beklagte jeweils
zu 50%. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 trägt die
Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 trägt diese
selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt 75% die
Beklagte selbst und 25% die Klägerin zu 2.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zu 1 vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin zu 2 darf
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich
am 7.8.2008 gegen 7:50 Uhr in O. ereignete und an dem die Klägerin zu 2 als Fahrerin
mit dem Fahrzeug des Klägers zu 1, amtliches Kennzeichen XX 000, sowie der Fahrer
des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Die volle Haftung der
Beklagten für den Unfall ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten allein um
die Höhe des bei der Schadensberechnung zu berücksichtigenden Restwertes des
klägerischen Fahrzeugs.
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Der Kläger zu 1 holte nach dem Unfall noch am 7.8.2008 ein Schadensgutachten der
Sachverständigen I./S. ein. Diese ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 21.129,97 €
brutto, einen Wiederbeschaffungswert von 14.500 € und einen Restwert von 3.850 €.
Am 14.8.2008 veräußerte der Kläger zu 1 das unfallbeschädigte Fahrzeug zu dem vom
Sachverständigen ermittelten Restwert von 3.850 €. Am 18.8.2008 wurde das Gutachten
an die Beklagte zu 2 übersandt, die dem Kläger zu 1 wiederum am 21.8.2008 ein
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verbindliches Restwertangebot für das Fahrzeug in Höhe von 4.760 € vorlegte, in dem
außerdem Abholung beim Kläger und Barzahlung garantiert wurden. Da das
klägerische Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits veräußert war, konnte dies nicht
realisiert werden. Den von der Beklagten nicht regulierten Differenzbetrag zwischen
dem Restwertangebot der Beklagten (4.769 €) und dem tatsächlich vom Kläger erzielten
Erlös (3.850 €) machen die Kläger mit der Klage geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, er sei ohnehin nicht verpflichtet gewesen, auf das
Restwertangebot der Beklagten einzugehen; zumal der Händler seine Niederlassung in
Berlin und damit 600 km vom Wohnort des Klägers entfernt habe. Im Übrigen habe er
durch die zügige Veräußerung des Fahrzeugs der Beklagten die Kosten eines
Leihwagens erspart.
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Die Klägerin zu 2 hat die Klage vor der Antragstellung im Termin vom 30.11.2009
zurückgenommen.
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Der Kläger zu 1 beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910,00 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2008 sowie 155,30 €
Verzugskosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht
verstoßen, da er das Unfallfahrzeug veräußert habe noch bevor der Beklagten das
Gutachten des Sachverständigen zugänglich gemacht worden sei. Die Beklagte habe
dadurch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, ihrerseits noch vor der Veräußerung nach
Restwertanbietern zu suchen. Der Kläger müsse sich daher so behandeln lassen, als
habe er sein Fahrzeug für einen Restwert von 4.760 € veräußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
restlichen Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ( § 115
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Höhe der Differenz zwischen dem Restwertangebot der
Beklagten (4.769 €) und dem tatsächlich vom Kläger durch die Veräußerung am
14.8.2008 erzielten Erlös (3.850 €).
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Zwar muss sich ein Unfallgeschädigter bei Vorliegen besonderer Umstände unter dem
Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine ihm ohne weiteres zugängliche
günstigere Verwertungsmöglichkeit verweisen lassen, wenn ihm der
Haftpflichtversicherer des Schädigers eine solche nachweist. Derartige Ausnahmen
sind jedoch nur in engen Grenzen zuzulassen, um die Ersetzungsbefugnis, die dem
Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 ZP zukommt, nicht zu unterlaufen.
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Im vorliegenden Fall ist eine solche Ausnahmesituation nicht gegeben. Der Kläger zu 1
hatte nämlich das Fahrzeug bereits veräußert noch bevor die Beklagte das Gutachten
erhalten hat und dem Kläger zu 1 das hier in Rede stehende Restwertangebot von
4.760 € unterbreiten konnte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Kläger in
der hier zu entscheidenden Konstellation ein Verstoß gegen die ihm obliegende
Schadensminderungspflicht nicht vorzuwerfen. Das Interesse der Beklagten an einer
bestmöglichen Verwertung des Unfallfahrzeugs musste vorliegend vielmehr hinter das
Interesse des Klägers an einer beschleunigten Restwertrealisierung zurücktreten.
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Der Geschädigte ist auch in den Fällen, in welchen er wie hier von seiner
Ersetzungsbefugnis gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und zur
Schadensbehebung ein Ersatzfahrzeug anschafft, grundsätzlich Herr des
Restitutionsgeschehens. Dennoch muss er bei seiner Ersatzbeschaffung das Gebot der
Wirtschaftlichkeit beachten. Die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten bei einer
Ersatzbeschaffung unter einer ihm möglichen und zumutbaren Verwertung seines
Unfallfahrzeugs ein Schaden entstanden ist, ist deshalb – wie auch bei der Abrechnung
auf Reparaturkostenbasis – subjektbezogen, d.h. nach der besonderen Lage des
Geschädigten in der konkreten Situation zu beurteilen (BGH, Urteil v. 6.4.1993 – VI ZR
181/92, NJW 1993, 1849). Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein
Sachverständigengutachten eingeholt, um den Wiederbschaffungs- und Restwert
seines Fahrzeugs zu ermitteln. Auf die Sachkunde der von ihm beauftragten
Sachverständigen und die zutreffende Ermittlung des Restwerts durfte der Kläger
folglich vertrauen. Anhaltspunkte, die den Kläger hätten veranlassen müssen, dem
Ergebnis des Gutachtens oder der Sachkunde der Sachverständigen zu misstrauen,
waren nicht ersichtlich. Der Kläger hat sodann sein Fahrzeug zu dem von den
Sachverständigen ermittelten Restwert veräußert. Mehr kann von einem Geschädigten,
der seinen Schaden im Wege der Ersatzbeschaffung behebt, auch unter
Berücksichtigung des für ihn geltenden Gebots der Wirtschaftlichkeit nicht erwartet
werden. Andernfalls würde die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen (vgl. LG
Köln, Urteil vom 15.1.2003 – 19 S 166/02, ZfSch 2003, 184 f).
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Dem Kläger war insbesondere auch nicht vorzuwerfen, dass er das von ihm eingeholte
Gutachten nicht vor, sondern erst nach der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs
der Beklagten zugänglich gemacht hat. Die vorherige Übermittlung des Gutachtens an
die Beklagten hätte nur den Zweck haben können, ihr die Möglichkeit zu geben, eine für
sie günstigere Schadensberechnung auf der Grundlage eines höheren
Restwertangebots zu ermöglichen. Hierzu war der Kläger, nachdem er bereits selbst ein
Gutachten eingeholt hat, indes nicht verpflichtet (hierzu BGH, Urteil v. 6.4.1993 – VI ZR
181/92, NJW 1993, 1849 ff., ebenso LG Köln, Urteil vom 15.1.2003 – 19 S 166/02, ZfSch
2003, 184 f.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.1998 – 3 U 56/98, zit. nach juris). Der
Kläger hat daher auch insofern nicht gegen seine Schadensminderungspflicht
verstoßen. Die Auffassung der Beklagten würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass
den Geschädigten stets die Pflicht trifft, der Haftpflichtversicherung des Schädigers vor
der Veräußerung seines Fahrzeugs zu dem durch einen Sachverständigen bereits
ermittelten Restwert Gelegenheit zu geben, um ein höheres Restwertangebot – zur
Schadensgeringhaltung – zu ermitteln. Dem kann nicht gefolgt werden, denn hierdurch
würde die Stellung des Geschädigten als Herr des Restitutionsgeschehens nach
Auffassung des Gerichts ausgehöhlt. Der Kläger durfte deshalb bei der
Schadensberechnung den von seinem Sachverständigen ermittelten und bei der
Veräußerung am 14.8.2008 erzielten (geringeren) Restwert von 3.850 € zugrunde legen.
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Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet. Der Kläger kann ferner
Zahlung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem
Gegenstandswert bis 1200 € aufgrund einer 1,3-fachen Gebühr zuzüglich Pauschale
(RVG VV Nr. 2300, 7002) und Mehrwertsteuer, d.h. in Höhe von 155,30 €, verlangen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 269
Abs. 3 S. 2 ZPO. Hinsichtlich der durch die Klägerin zu 2 erfolgten Klagerücknahme
waren die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten anteilig der
Klägerin zu 2 aufzuerlegen, da ihre Klage mangels Aktivlegitimation von Anfang an
keine Aussicht auf Erfolg hatte. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf
den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
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