Urteil des AG Köln vom 16.11.2006
AG Köln: treu und glauben, allgemeine versicherungsbedingungen, versicherungsnehmer, kündigung, rückkaufswert, transparenzgebot, prämie, sicherheit, vollstreckung, verfügung
Amtsgericht Köln, 121 C 364/06
Datum:
16.11.2006
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 121
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
121 C 364/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin schloss bei der Beklagten mit Antrag vom 05.08.2004 (Anlage B 1, Bl. 77 ff.
d.A.) mit Wirkung zum 01.09.2004 unter der Versicherungsnummer 0000 eine
fondsgebundene Lebensversicherung ab. Wegen des Versicherungsscheins und der
zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen wird auf Anlage K 1, Bl. 6 ff. d.A. (=
Anlage B 2, Bl. 83 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Die Prämien betrugen in der Zeit vom 01.09.2004 bis 31.08.2005 140,00 Euro im Monat,
in der Zeit ab dem 01.09.2005 152,00 Euro im Monat.
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Die Klägerin zahlte von September 2004 bis jedenfalls November 2005 die vertraglich
vereinbarten Prämien bei der Beklagten ein.
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In der Folgezeit kündigte die Klägerin die Versicherung. Mit Schreiben vom 20.02.2006
(Anlage K 2, Bl. 36 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass noch kein
Rückvergütungswert vorhanden sei und die Versicherung zum 01.02.2006 erlöschen
würde. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich ein Rückkaufswert in Höhe von 64,32 Euro, von
dem die Beklagte offene Prämien für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 in
Höhe von 304,00 Euro zuzüglich 2,20 Euro Verzugszinsen in Abzug brachte.
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Mit anwaltlichen Schreiben vom 21.03.2006 (Anlage K 3, Bl. 37 ff. d.A.) und 27.04.2006
(Anlage K 4, Bl. 40 ff. d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte wie folgt zur Zahlung auf:
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Prämien September 2004 bis Dezember 2005: 2.288,00 Euro
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abzüglich 4% gemäß § 4 DeckRV: 91,52 Euro
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2.196,48 Euro
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davon 50%: 1.098,24 Euro
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Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit Schreiben vom 24.03.2006 (Anlage K 5, Bl. 42 f.
d.A.) und 12.05.2006 (Anlage K 6, Bl. 44 f. d.A.) ab.
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Mit der Klage begehrt die Klägerin neben dem vorbezeichneten Betrag vorgerichtliche
Anwaltskosten in Höhe von 76,91 Euro gemäß Berechnung in der Klageschrift vom
24.07.2006 (Bl. 5 d.A.) erstattet.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Versicherungsbedingungen der Beklagten zur
Berechnung des Rückkaufswerts seien wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot
unwirksam. Dies ergebe sich aus der fehlenden Tabelle sowie daraus, dass den
Versicherungsnehmern nicht deutlich gemacht würde, dass definitiv in den ersten 1 ½
Vertragsjahren bei regelmäßiger Prämienzahlung kein Rückkaufswert aufgebaut werde.
Die Formulierungen der Beklagten ("sein können", "ist es möglich", "zunächst") seien
zur Wahrung des Transparenzgebots nicht deutlich genug. Ihr stünde im Wege der
Lückenschließung durch die Rechtsprechung ein Anspruch auf mindestens die Hälfte
des ungezillmerten Deckungskapitals zu.
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Die Klägerin behauptet, auch die Prämie für Dezember 2005 eingezahlt zu haben.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.098,24 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe
von 5 Prozentpunkten seit 13.05.2006 sowie 76,91 Euro an vorgerichtlichen
Kosten zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Entscheidungen des BGH vom 12.10.2005 seien
nicht auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag übertragbar, weil die
streitgegenständliche Versicherung nicht kapitalbildend, sondern fondsgebunden sei,
sodass kein Deckungskapital aufgebaut werde, sich der Wert der Versicherung vielmehr
aus den Fondsanteilen bestimme. Die Regelungen seien auch hinreichend transparent.
Eine Darstellung der Folgen einer Kündigung anhand einer Tabelle sei nicht
erforderlich, weil für fondsgebundene Versicherungen nicht möglich. Zudem lägen dem
streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis andere vertragliche Regelungen
zugrunde, die nicht durch Treuhänderverfahren ersetzt worden seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung eines
Rückkaufswerts in Höhe von 1.098,24 Euro zu gemäß § 176 Abs. 1 VVG in Verbindung
mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag.
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Ein auszuzahlender Rückkaufswert, den die Beklagte mit 64,32 Euro unbestritten
zutreffend berechnet hat, lag - unter Berücksichtigung der Verrechnung mit
rückständigen Prämien - zugunsten der Klägerin nicht vor. Dass die Klägerin auch die
verrechneten Prämien für Dezember 2005 und Januar 2006 gezahlt hätte, hat sie nicht
hinreichend substantiiert vorgetragen. Es fehlt jeder Vortrag dazu, wann und auf welche
Art und Weise diese Prämien gezahlt worden sein sollen. Dem entsprechenden
Sachvortrag der Beklagten, die Prämien seien nicht gezahlt worden, ist die Klägerin
nicht mehr entgegengetreten.
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Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03 die Hälfte der
eingezahlten Gebühren unter Abzug von 4% Abzugskosten als Rechtsfortbildung zur
Lückenschließung erstattet verlangen gemäß §§ 133, 157 BGB.
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Im vorliegenden Fall ist bereits keine Regelungslücke entstanden, die eine ergänzende
Vertragsauslegung zur Lückenschließung gebieten würde.
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Die durch die Beklagte verwendeten Versicherungsbedingungen zur Berechnung des
Rückkaufswerts sind nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner
Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben
gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und
durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klauseln in
ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist.
Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen
Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen
gefordert werden kann (vgl. BGH Z 141, 137, 143). Entsprechend sind dem
Versicherungsnehmer auch die im Falle einer vorzeitigen Kündigung eines
Versicherungsvertrags sich ergebenden Rechtsfolgen und Nachteile, insbesondere die
Errechnung des Rückkaufswerts einschließlich vorzunehmender Abzüge aufgrund
Abschlusskosten etc., vor Augen zu führen.
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Diesen Anforderungen werden die Versicherungsbedingungen der Beklagten, auch
wenn sie aufgrund der Vielzahl von Verweisungen nicht gerade übersichtlich gestaltet
sind, insgesamt noch gerecht. Sie führen dem Versicherungsnehmer hinreichend
deutlich vor Augen, dass eine vorzeitige Vertragskündigung mit erheblichen Nachteilen
verbunden ist.
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Dies ergibt sich bereits aus den Hinweisen, die der Klägerin als Versicherungsnehmerin
schon bei Antragstellung auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung
ausgehändigt wurden. Danach hat die Beklagte versichert, dass ihr bekannt ist, dass die
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Prämien nicht nur zur Deckung der vorzeitigen Versicherungsfälle und der Kosten für
die Verwaltung des Versicherungsvertrages benötigt, sondern insbesondere in den
ersten Versicherungsjahren für die bei Abschluss des Vertrages entstehenden Kosten
verbraucht werden, wodurch in der Anfangszeit kein oder nur ein geringer Teil der
Prämie zur Bildung des Vertragsguthabens zur Verfügung stehe. Bei fondsgebundenen
Versicherungen hänge die Höhe des Vertragsguthabens zusätzlich von der
tatsächlichen Wertentwicklung der zu Grunde liegenden Fonds ab.
Die vorbezeichneten Hinweise beziehen sich zwar nicht ausdrücklich auf die Folgen
einer vorzeitigen Vertragskündigung. Sie machen aber deutlich, dass die ersten
gezahlten Prämien nicht zur Bildung eines auszahlbaren Guthabens zugunsten des
Versicherungsnehmers dienen können, sondern zunächst zur Deckung vorzeitiger
Versicherungsfälle und der Abschlusskosten, sodass in der Anfangszeit kein oder nur
ein geringer Teil der Prämie zur Bildung eines Vertragsguthabens zur Verfügung steht.
Entsprechend kann der Versicherungsnehmer bei einer Vertragskündigung in den
ersten Jahren der Versicherung bereits aufgrund des vorbezeichneten Hinweises nicht
davon ausgehen, dass ihm überhaupt ein Rückkaufswert ausgezahlt werden kann.
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Darauf wird in dem Versicherungsvertrag selbst zusätzlich aber auch noch ausdrücklich
und hinreichend deutlich hingewiesen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte
unter Ziffer IV. § 15 der Bedingungen Gerling Variable Fondspolice Fondsgebundene
Lebensversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen zahlreiche Konjunktive
verwendet und darauf hinweist, dass es "möglich" sei, dass zunächst keine Beträge zur
Bildung der Rückkaufswerte vorhanden oder diese Beträge geringer als die
eingezahlten Prämien sind, sowie, dass die einmaligen Abschlusskosten höher als die
ersten Prämien sein können und es möglich sei, dass zunächst keine Beträge zur
Bildung der Rückkaufswerte vorhanden oder diese Beträge auch in den Folgejahren
geringer als die eingezahlten Prämien seien.
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Diese Formulierung weist die Versicherungsnehmer bereits mit hinreichender
Deutlichkeit darauf hin, dass insbesondere zu Anfang der Versicherung die Möglichkeit
besteht, dass kein Guthaben zugunsten des Versicherungsnehmers vorhanden ist und
zunächst die Vertragsabschlusskosten verrechnet werden. Eine darüber hinausgehende
Warnung des Versicherungsnehmers, insbesondere unter konkreter Angabe von
Zeiträumen, ist nach der Eigenart fondsgebundener Lebensversicherungen nicht
geboten.
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Eine transparente Darstellung kann nur gefordert werden, soweit dies nach den
Umständen auch möglich ist. Die hypothetische Formulierung trägt der Tatsache
Rechnung, dass der Punkt, an dem der fondsgebundene Lebensversicherungsvertrag
Rückkaufswerte hervorbringt, aufgrund der Besonderheiten diesen Vertragstyps nicht
ermittelt werden kann. Denn zum einen wird bei einer fondsgebundenen
Lebensversicherung ein Kapitalstock nicht gebildet. Zum anderen verändert sich der
Wert der Fondsanteile laufend. Insofern ist auch eine tabellarische Darstellung der
Rückkaufswerte bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ausgeschlossen (vgl.
OLG Nürnberg, Urteil vom 22.09.2003, 8 U 632/03, VersR 2004, S. 182 f.; OLG Hamm,
Beschluss vom 31.08.2005, 20 U 105/05, OLG Report 2006, S. 8 f.). Hierauf wird der
Versicherungsnehmer durch die Beklagte unter Ziffer III § 14 (3) der vorbezeichneten
Bedingungen auch ausdrücklich hingewiesen. Nach dieser Vorschrift werden die
fondsgebundenen Versicherungen von einer Darstellung der wirtschaftlichen
Auswirkungen einer vorzeitigen Kündigung in Tabellenform ausdrücklich
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ausgenommen.
Darüber hinaus ist die hypothetische Formulierung der Beklagten auch zutreffend, weil
es durchaus möglich sein kann, dass die fondsgebundene Lebensversicherung bereits
in einer relativ frühen Vertragsphase bei günstiger Entwicklung Rückkaufswerte abwirft,
wie dies vorliegend auch der Fall war.
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Ferner wird dem jeweiligen Versicherungsnehmer die Gefahr einer vorzeitigen
Kündigung des Versicherungsvertrags noch in einer weiteren Regelung, die in
unmittelbarem Zusammenhang mit Ziffer IV § 15 der vorbezeichneten
Versicherungsbedingungen steht, deutlich vor Augen geführt. So weist die Beklagte
bereits unter Ziffer III § 14 (3) der vorbezeichneten Versicherungsbedingungen mit aller
Deutlichkeit darauf hin, dass die Kündigung der Versicherung mit Nachteilen verbunden
ist und in der Anfangszeit auf Grund des Zillmerverfahrens nur in Ausnahmefällen ein
Rückkaufswert gezahlt werden kann, sowie dass die Höhe des Rückkaufswertes im
Wesentlichen von der allgemeinen Kapitalmarktsituation und der besonderen Risiko-
und Kostensituation der Beklagten abhänge, sodass die Höhe des Rückkaufswerts nicht
garantiert werden könne. Diese Angaben genügen bei fondsgebundenen
Lebensversicherungen dem Transparenzgebot (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg,
a.a.O., S. 183).
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Soweit die Beklagte darüber hinaus in weiteren Bestimmungen - etwa Ziffer III. § 7 der
Bedingungen Gerling Variable Fondspolice Fondsgebundene Lebensversicherung,
Tarifbestimmungen für die variable fondsgebundene Lebensvesicherung - zu den
Rechtsfolgen einer Vertragskündigung ausführt, trägt dies zwar nicht zur
Übersichtlichkeit ihrer Bedingungen bei. Da die Angaben in diesen Bestimmungen den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen aber nicht widersprechen und die Gefahren
und wirtschaftlichen Folgen einer vorzeitigen Vertragskündigung nicht beschönigen,
führen sie nicht zu einer Verstoß gegen das Transparezgebot.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert: 1.098,24 Euro
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