Urteil des AG Köln vom 16.02.2010

AG Köln (wahrung der frist, tätigkeit, schuldner, sohn, datum, treuhänder, erwerbstätigkeit, erziehung, zpo, glaubhaftmachung)

Amtsgericht Köln, 71 IN 98/03
Datum:
16.02.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abt. 71
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
71 IN 98/03
Tenor:
Der Schuldnerin wird die Restschuldbefreiung versagt.
Die durch den Versagungsantrag verursachten Kosten des Verfahrens
trägt die Schuldnerin; für die Gerichtskosten haften jedoch im Verhältnis
zur Staatskasse vorrangig die Versagungsantragstellerinnen zu 1-3).
Gegenstandswert (§§ 28 , 23 Abs. 3 S. 2 RVG): 3.000,00 EUR.
Gründe:
1
I.
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Der Schuldnerin ist durch Beschluss des Gerichts vom 26.07.2006 die
Restschuldbefreiung angekündigt worden. Die Laufzeit ihrer Abtretungserklärung (§ 287
Abs. 2 InsO) hat mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 07.05.2003 begonnen.
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Sie ist am 07.05.2009 abgelaufen.
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Mit Schreiben vom 12.06.2009, 3.7.2009 und mit einem Schreiben - ohne Datum -, bei
Gericht eingegangen am 7.7.2009, haben die Versagungsantragstellerinnen zu 1-3)
beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung wegen Verletzung einer
Obliegenheit zu versagen.
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Sie behaupten, die Schuldnerin habe gegen ihre Obliegenheiten gemäß § 295 Abs. 1
Nr. 1 InsO verstoßen. Sie sei während der gesamten Wohlverhaltensperiode
freiberuflich als Zahnärztin bei der zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. S./B.
beschäftigt gewesen. Sie habe sich nicht nachweisbar um eine angemessene
Erwerbstätigkeit bemüht. Sie habe auch kein Attest vorgelegt, aus dem hervorgehe,
dass sie aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht in der Lage sei, eine
Vollzeitbeschäftigung auszuüben. Auf die tatschlich erzielten Einnahmen der
Schuldnerin komme es nicht an. Die Schuldnerin hätte, da sie mit der von ihr
ausgeübten Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet habe, sich um eine angemessene
Erwerbstätigkeit bemühen müssen.Unter Berücksichtigung einer Vergütung nach BAT
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IIa würde sich ein monatlich pfändbarer Betrag von 362,05 Euro ergeben. Hierbei sei
bereits zu Gunsten der Schuldnerin, die ausgebildete Zahnärztin sei, ihr 16jährige Sohn
als Unterhaltsberechtigter berücksichtigt, obwohl der Kindesvater zu
Unterhaltszahlungen verpflichtet sei. Die Schuldnerin habe auch dadurch gegen ihre
Obliegenheiten verstoßen, dass sie nicht darüber informiert habe, in welcher Höhe sie
Unterhaltszahlungen für ihren Sohn zu erbringen habe. Insgesamt sei die Schuldnerin
verpflichtet gewesen, vom Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bis zum
Ablauf der Wohlverhaltensperiode 12.309,97 Euro an den Treuhänder zur Verteilung an
die Insolvenzgläubiger abzuführen.
Demgegenüber hat die Schuldnerin eingewendet, die Antragstellerin habe nicht
glaubhaft gemacht, dass sie, die Schuldnerin, ein höheres Einkommen habe erzielen
können. Es reiche insoweit nicht aus, auf statistische Vergleichsmaterialien sowie
Auszüge aus dem BAT-Gehaltsrechner und der Pfändungstabelle des § 850c ZPO zu
verweisen. Ihr sei es aus familiären und gesundheitlichen Gründen nicht möglich
gewesen, eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben. Sie habe sich vergeblich um eine
angemessene Beschäftigung bemüht. Aus diesem Grunde sei es nicht zulässig, in ihrer
konkreten Situation den Bruttoverdienst vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer zugrunde zu
legen. Sie habe sich um die geordnete Erziehung ihres Sohnes kümmern müssen, weil
der Kindesvater sich aus der Erziehung des Sohnes zurückgezogen habe. Dies gelte
umso mehr, als ihr Sohn besondere Schwierigkeiten in der Schule gehabt habe.
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II.
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Der Versagungsantrag ist in zulässiger Weise gestellt.
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Er ist auch begründet. Die Restschuldbefreiung ist der Schuldnerin zu versagen, weil
ein gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt (§ 296 Abs. 1 InsO).
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Die Schuldnerin hat während der Laufzeit ihrer Abtretungserklärung (der sog.
Wohlverhaltenszeit, § 287 Abs. 2 InsO) eine ihrer Obliegenheiten verletzt.
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Sie hat entgegen § 295 Abs. 2 InsO in Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit die
Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder nicht so gestellt, wie wenn sie
ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Versagungsantragstellerin
zu 1) hat einen konkreten Versagungsgrund schlüssig vorgetragen und glaubhaft
gemacht. Nach gefestigter höchstrichter Rechtsprechung genügt ein Gläubiger, der
einen Antrag stellt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, im Falle der
vorgenannten Bestimmung seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der
Obliegenheitsverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der
Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der
Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung
einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit - etwa nach BAT - hätte abführen müssen.
Der Schuldner muss sich dann von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheitspflichten
schuldhaft verletzt zu haben (§ 296Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz InsO). Erkennt der
Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten
selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als
übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige
Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber - ebenso wie ein
beschäftigungsloser Schuldner gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO- nachweisbar um eine
angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften
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(BGH v. 24.9.2009 - IX ZB 288/08; BGH v. 7.5.2009 - IX ZB 133/07). Angemessen ist nur
eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH v. 5.4.2006 - IX ZB 50/05). Das
Vorbringen der Schuldnerin reicht nicht aus, um den Vorschuldensvorwurf zu entkräften.
Sie hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, sich um eine solche
Tätigkeit bemüht zu haben. Sie hat in ihrem dem anwaltlichen Schriftsatz vom 9.7.2009
beigefügten Schreiben vom 2.7.2009 lediglich vorgetragen, sich, nachdem sie die von
Frau Dr. Q. übernommene Praxis aufgegeben hatte, sehr intensiv um ein neues
Arbeitsverhältnis bemüht zu haben. In den Jahren 2004 bis 2007 habe sie sowohl durch
schriftliche und persönliche als auch telefonische Bewerbungen in verschiedenen
Praxen versucht, ein besseres Arbeitsverhältnis eingehen zu können als dasjenige, das
sie nach Praxisaufgabe durch Gründung der Praxisgemeinschaft Dr. T. und B.
eingegangen sei. Auch der darüber hinaus gehende Sachvortrag der Schuldnerin zu
ihren Bemühungen um eine angemessene Tätigkeit ist nicht geeignet, den Vorwurf des
Verschuldens zu entkräften. Allein die Angabe der Adressen von 6 Zähnärzten und
Kliniken, mit denen die Schuldnerin Kontakt aufgenommen haben will, reicht
ebensowenig aus wie die Behauptung, in der zahnmedizinischen Zeitschrift ZM eine
Bewerbungsanzeige geschaltet zu haben. Die Schuldnerin hätte vielmehr zu jedem
einzelnen Bewerbungsgespräch konkret nach Zeit, Ort und Inhalt vortragen und das
Ergebnis etwaiger Verhandlungen darlegen müssen. Insbesondere hätte sie vortragen
müssen, aus welchen konkreten Gründen die jeweilige Bewerbung im Hinblick auf ein
zu erzielendes pfändbares Einkommen nicht erfolgreich war. Soweit sie behauptet, sich
auch schriftlich beworben zu haben, hätte es hierzu näheren Sachvortrags und zur
Glaubhaftmachung dieses Sachvortrags der Vorlage des entsprechenden
Schriftverkehrs bedurft. Die Schuldnerin hat zwar mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 17.9.2009 ein Schreiben der Ärztegemeinschaft N.
vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie dort am 15.8.2006 zu einem
Vorstellungsgespräch geladen war. Ob sie diesen Termin wahrgenommen hat und aus
welchen Gründen die Bewerbung nicht erfolgreich war, trägt die Schuldnerin nicht vor.
Ebensowenig fehlt es an einem hinreichenden Sachvortrag zum Inhalt und Ergebnis
des Bewerbungsgesprächs mit der Zahnklinik I. . Aus diesem Grunde war dem
Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen Dr. J. im Schriftsatz der
Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin vom 17.9.2009 nicht nachzugehen, weil es
sich um einen unzulässigen Beweisantritt handelt. Das Beweisangebot dient der
Ausforschung von Tatsachen, die es vielleicht erst ermöglichen, bestimmte Tatsachen
zu behaupten und sodann unter Beweis zu stellen. Soweit die Schuldnerin auf die im
Schreiben vom 2.7.2009 (Bl. 64) abgegebene eidesstattliche Versicherung Bezug
nimmt, vermag diese einen substantiierten Sachvortrag nicht zu ersetzen und genügt
insbesondere bezüglich der Behauptung, sich auch schriftlich beworben zu haben, nicht
den Anforderungen, die an eine Entlastung von dem Vorwurf, ihre
Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben, zu stellen sind.
Soweit die Versagungsantragstellerin zu 2) in ihrem Schriftsatz - ohne Datum -, bei
Gericht eingegangen am 9.7.2009, und die Versagungsantragstellerin zu 3) im
Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 3.7.2009 voll inhaltlich auf den zu
diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand der Gerichtsakten gewordenen Versagungsantrag
der Versagungsantragstellerin zu 1) vom 12.6.2009 Bezug nehmen, genügt diese
Bezugnahme vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshof vom
24.9.2009 - IX ZB 288/08 und vom 7.5.2009 - IX ZB 133/07 - den Anforderungen an
einen zulässigen Versagungsantrag.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO sowie § 23 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss kann von der Schuldnerin innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung
beim Insolvenzgericht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 296 Abs. 3
InsO). Zur Wahrung der Frist genügt die Einlegung der Beschwerde beim hiesigen
Landgericht.
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Köln, 16.02.2010
16
Amtsgericht
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