Urteil des AG Köln vom 22.06.2010

AG Köln (geschäftsführung ohne auftrag, internetseite, eigentümer, verbreitung, veranstaltung, höhe, www, sache, persönlichkeit, zpo)

Amtsgericht Köln, 111 C 33/10
Datum:
22.06.2010
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abt. 111
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
111 C 33/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist Bäuerin und bewirtschaftet in Lindlar einen Bauernhof, auf dem sie u. a.
auch Kälber hält.
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Die Beklagte ist Event-Veranstalterin.
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Die Beklagte betrieb die Internetseite www.rettet-anita-de, die sich mit der Bewerbung
(Promotion) einer "Kuh-Charity-Party", die am 12.12.09 in den Opernterrassen in Köln
stattfand, beschäftigt. Auf dieser Internetseite befanden sich drei Bilder des Rinderkalbs
"Anita" der Klägerin mit der Ohrenmarkennummer DE 05 361 00451. Diese Bilder waren
von den Zeuginnen L. und M. bei einem Besuch auf dem Bauernhof der Klägerin
gefertigt worden. Die Bilder des Rinderkalbs wurden ferner im Rahmen der Bewerbung
der oben genannten Veranstaltung auch in anderen Medien wie etwa in der Zeitung
"Express" veröffentlicht. Nachdem die Veranstaltung stattgefunden hatte, stellte die
Beklagte unter dem 16.12.2009 ein als Reportage aufgemachtes Internet-Video unter
der Rubrik "Presse" auf ihrer Internetseite ein, wobei wiederum Fotos von dem oben
genannten Rinderkalb "Anita" der Klägerin eingeblendet wurden.
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Zwischenzeitlich ist die Internetseite www.rettet-anita-de nicht mehr geschaltet.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagten sei zu keinem Zeitpunkt die Erlaubnis erteilt
worden, Fotos von dem Rinderkalb der Klägerin zu fertigen und diese gewerblich zu
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nutzen oder Promotion damit zu betreiben. Die Veranstaltung vom 12.12.2009 sei allein
auf Gewinnerzielung gerichtet gewesen. Es habe sich insbesondere nicht um ein
Charity-Event gehandelt.
Ferner behauptet die Klägerin, mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten
vom 11.12.2009 habe sie die Beklagte zur Entfernung der Bilder ihres Rinderkalbs
sowie zur Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungs-/Unterlassungserklärung unter
Fristsetzung bis zum 14.12.2009 erfolglos aufgefordert. Darüber hinaus habe sie die
Beklagte in diesem Schreiben zur Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes
erfolglos unter Fristsetzung bis zum 12.12.2009 aufgefordert. Für das
Rechtsanwaltsschreiben vom 11.12.2009 hätten ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten
ihr, der Klägerin, 316,18 € in Rechnung gestellt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die gewerbliche Nutzung von Fotos ihres Kalbes stelle eine
Verletzung ihrer Eigentumsrechte dar, die einen pauschalen Schadensersatz in Höhe
von 2.000,00 € rechtfertigen. Insofern behauptet die Klägerin, dies seien Kosten, die sie
dafür hätte verlangen können, wenn ein Dritter gewerbliche Fotos vom Rinderkalb hätte
machen wollen, um damit Werbung zu betreiben.
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Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die Beklagte sei auch ungerechtfertigt bereichert, da
die Beklagte Kosten für die Anmietung oder die Fotorechte entsprechender Fotos von
Rinderkälbern erspart habe.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2009 zu zahlen.
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Ferner beantragt die Klägerin,
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die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, die Zeuginnen L., eine ihrer Mitarbeiterinnen, und M. hätten die
Fotos von dem Kalb bei einem Besuch auf dem Hof der Klägerin mit Erlaubnis des
Vaters der Klägerin, der sich als Eigentümer des Hofes geriert habe, gefertigt. Die
Beklagte ist der Ansicht, dass der Vater der Klägerin tatsächlich nicht Eigentümer des
Kalbes gewesen sei, spiele keine Rolle, da dies aufgrund des Umstandes, dass sich der
Vater der Klägerin als Eigentümer geriert habe, nicht erkennbar gewesen sei.
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Die Beklagte behauptet, bei der Veranstaltung vom 12.12.2009 habe es sich um eine
Charity-Veranstaltung gehandelt, die dazu gedient habe, Gelder zu sammeln, um dem
Kalb, das sich den rechten Vorderlauf gebrochen hatte, den Schlachthof zu ersparen.
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Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin für gewerbliche Fotos von ihrem Rinderkalb
2.000,00 € pro Shooting hätte erhalten können.
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Die Klägerin hat mit der am 12.01.10 bei Gericht eingegangenen und am 01.03.10
zugestellten Klage neben den oben dargelegten Anträgen ferner beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Anlage zu der Klage
ergebenden Fotos vom Rinderkalb mit der Ohrenmarkennummer: DE 05
361 00451 von der Internetseite www.rettet-anita.de unter Rubrik Bilder zu
entfernen.
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Nachdem die Internetseite www.Rettet-Anita.de nicht mehr geschaltet ist, haben die
Parteien diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2010
übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu
den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen
Anspruch auf Zahlung von 2.000,00 € bezüglich der Fertigung und Verbreitung von
Fotos ihres Rinderkalbs "Anita" durch die Beklagte.
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Die Klägerin hat insofern gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus
§ 823 Abs. 1 BGB.
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Denn ein eine Rechtsgutverletzung begründender Eingriff hinsichtlich des Rechts am
Bild des Kalbs der Klägerin "Anita" durch die Beklagte ist nicht gegeben.
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Eine Eigentumsverletzung der Klägerin durch die Beklagte ist nicht gegeben. Dabei
kann dahinstehen, ob sich die Beklagte die Fertigung der Fotos, die unstreitig durch die
Zeuginnen L. und M. bei einem Besuch auf dem Hof der Klägerin erfolgte, zurechnen
lassen muss. Denn Eigentum der Klägerin ist weder durch die Fertigung der Fotos noch
durch deren Verbreitung verletzt worden. Das Rinderkalb "Anita" der Klägerin ist weder
durch die Fertigung der Fotos noch durch deren Verbreitung durch die Beklagte verletzt
bzw. beschädigt worden. Weder das Fotografieren selbst noch die gewerbliche
Verwertung von Fotografien ist als Einwirkung auf das Eigentum anzusehen (BGH NJW
89, 2251). Der Fotografiervorgang lässt als Realakt die Verfügungsbefugnis des
Eigentümers unberührt. Es fehlt auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das
Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine
Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche
Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen. Es
handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung
seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird.
Darum geht es beim Fotografieren hingegen nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei
Auswirkung auf die Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache
nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz (BGH a. a. O.).
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Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ist auch nicht unter
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dem Gesichtspunkt einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der
Klägerin gegeben.
Zwar kann in der unzulässigen Fertigung und Verbreitung von Fotos grundsätzlich eine
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen. Erforderlich ist insofern
jedoch stets ein Bezug zur menschlichen Persönlichkeit, z. B. dadurch, dass sich durch
die auf dem Foto abgebildeten Sachen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des
Rechtsgutsinhabers, hier der Klägerin, schließen lassen. Dies ist etwa angenommen
worden, bei dem ungenehmigten Fotografieren eines fremden Hauses und der
ungenehmigten Verbreitung dieser Fotos. Vorliegend ist der Fall jedoch anders, da
durch die Fotos des Rinderkalbs "Anita" keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der
Klägerin erfolgen können. Denn anders als bei Häusern bzw. Wohnungen, wo deren
Eigentümer bzw. Besitzer gestaltend tätig wird und sich daraus Rückschlüsse auf
dessen Persönlichkeit und dessen Lebensstil schließen lassen, ist dies bei der
Fertigung von Fotos eines Rinderkalbs nicht der Fall.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Bereicherungsanspruch aus § 812
Abs. 1 BGB.
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Die insofern allein in Betracht kommende Eingriffskondiktion setzt voraus, dass ein in
der Klägerin zugeordnetes Recht eingegriffen wurde. Dies ist jedoch - wie bereits
dargelegt - nicht der Fall.
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Auch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne
Auftrag gem. §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB.
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Denn da - wie bereits dargelegt - weder das Fotografieren noch die Verwertung der
Abbildungen dem Rechtskreis der Klägerin zuzuordnen ist, hat die Beklagte schon kein
fremdes Geschäft geführt.
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Mangels Bestehens der Hauptforderung war die Klage auch hinsichtlich der geltend
gemachten Nebenforderungen, dem Freistellungsanspruch bezüglich der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und dem Zinsanspruch, abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO. Auch soweit die Parteien den
Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglich ferner angekündigten Antrags, die Fotos des
Rinderkalbs "Anita" aus dem Internet zu entfernen, nachdem die Internetseite nicht mehr
geschaltet ist, in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2010 übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, waren der Klägerin die Kosten gem. § 91 a ZPO aufzuerlegen.
Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstands. Die Klägerin wäre nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch
insofern unterlegen. Ihr stand kein Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung der
Fotos aus dem Internet aus §§ 903, 1004 BGB zu. Denn insofern mangelt es wiederum -
wie bereits dargelegt - an einer Eigentumsverletzung.
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Die Ausführungen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.06.10
gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da sie rechtlich
zu keiner anderen Beurteilung führen. Im Übrigen sind sie verspätet, § 296 a ZPO.
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Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert:
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