Urteil des AG Köln vom 26.09.2008

AG Köln: wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, einverständnis, versicherer, vergleich, vermieter, ersatzfahrzeug, mitverschulden, daten, mensch, zugänglichkeit

Amtsgericht Köln, 123 C 76/08
Datum:
26.09.2008
Gericht:
Amtsgericht Köln
Spruchkörper:
Abteilung 123
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
123 C 76/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.941,99 nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR
386,19 seit dem 13.06.2006, aus EUR 162,60 seit dem 13.06.2006, aus
EUR 222,46 seit dem 03.12.2006, aus EUR 463,82 seit dem 14.01.2007,
aus EUR 302,64 seit dem 14.01.2007, aus EUR 119,52 seit dem
15.01.2007, aus EUR 101,60 seit dem 05.01.2006, aus EUR 215,32 seit
dem 25.01.2007, aus EUR 751,00 seit dem 02.08.2007, aus EUR
300,76 seit dem 14.95.2006, aus EUR 122,88 seit dem 06.03.2006, aus
EUR 234,20 seit dem 26.10.2006, aus EUR 481,20 seit dem 21.08.2005
und aus EUR 1.077,80 seit dem 21.06.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht restliche Mietzinsansprüche aus 14 Fahrzeug-
Mietverträgen geltend.
2
Anlass der einzelnen Vermietungen war jeweils ein Verkehrsunfall. Zur Überbrückung der
unfallbedingten Ausfallzeit des beschädigten Fahrzeugs mieteten die Kunden der Klägerin
ein Ersatzfahrzeug an. Die Fahrzeuge der Unfallgegner der Klägerin waren zum Zeitpunkt
der Unfälle allesamt bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Versicherungsnehmer der
Beklagten traf jeweils eine 100 %-ige Haftung.
3
Die Mieter der streitgegenständlichen Verträge traten ihre Ansprüche auf Erstattung der
Mietwagenkosten gegen das leistungsverpflichtete Versicherungsunternehmen an die
Klägerin als Vermieterin ab.
4
Die Klägerin stellte folgende Rechnungen, auf welche die Beklagte nur Teilleistungen
5
erbrachte:
Mieter
Unfallzeit
Mietzeit
Rechnung
Zahlung
Rest
A.
11.04.2006
12.04.-20.04.
932,90 netto
364,50
568,40
B.
08.04.2006
24.04.-27.04.
945,17
357,80
587,37
C.
13.10.2006
16.10.-20.10.
999,17
390,34
608,83
D.
09.11.2006
20.11.-24.11.
1.067,20
621,18
446,02
E.
07.06.2006
23.10.-26.10.
602,64
300,00
302,64
F.
15.09.2006
15.11.-18.11.
744,00 netto
476,00
268,00
G.
23.11.2005
23.11.-24.11.
418,17
200,00
218,17
H.
23.11.2006
12.12.-14.12.
478,08
194,88
283,20
I.
04.06.2006
06.06.-19.06.
1.751,00 netto
1.000,00
751,00
J.
22.03.2006
28.03.-31.03.
638,16
190,24
447,92
K.
09.01.2006
09.01.-19.01.
1.912,16
1.231,92
680,24
L.
07.09.2006
11.09.-14.09.
1.052,17
522,00
530,17
M.
04.07.2005
04.07.-07.07.
945,17
200,00
745,17
N.
15.04.2005
15.04.-02.05.
2.547,17
1.450,00
1.097,17
6
Von der verbleibenden Restforderung in Höhe von EUR 7.534,30 verlangt die Klägerin
unter Berücksichtigung der auf Seite 13 ff. der Klageschrift aufgezeigten
Berechnungsmethode einen Betrag von EUR 4.941,99.
7
Im Einzelnen:
8
Mieter
Geltend gemachte Forderung
A.
386,10 netto
B.
162,60 brutto
C.
222,46 netto
D.
463,82 brutto
E.
302,64 brutto
F.
119,52 netto
G.
101,60 brutto
H.
215,32 brutto
I.
751,00 netto
J.
300,76 brutto
K.
122,88 brutto
9
L.
234,20 brutto
M.
481,20 brutto
N.
1.077,80 brutto
Die Klägerin ist der Ansicht, Anknüpfungspunkt zur Ermittlung der Höhe der durch die
Beklagten zu ersetzenden "erforderlichen" Mietwagenkosten sei die Schwacke-Liste und
zwar auf Basis der dortigen Normaltarife. Maßgeblich sei der Grundpreis nach Woche, 3-
Tagen und Tag. Hinzuzurechnen sei ein pauschaler Aufschlag von 20 % sowie etwaige in
der Schwacke-Liste aufgeführte Nebenkosten.
10
Die Klägerin beantragt,
11
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.941,99 nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 386,19 seit dem
13.06.2006, aus EUR 162,60 seit dem 13.06.2006, aus EUR 222,46 seit dem
03.12.2006, aus EUR 463,82 seit dem 14.01.2007, aus EUR 302,64 seit dem
14.01.2007, aus EUR 119,52 seit dem 15.01.2007, aus EUR 101,60 seit dem
05.01.2006, aus EUR 215,32 seit dem 25.01.2007, aus EUR 751,00 seit dem
02.08.2007, aus EUR 300,76 seit dem 14.95.2006, aus EUR 122,88 seit dem
06.03.2006, aus EUR 234,20 seit dem 26.10.2006, aus EUR 481,20 seit dem
21.08.2005 und aus EUR 1.077,80 seit dem 21.06.2005 zu zahlen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Sie ist der Ansicht die Schwacke-Liste könne nicht als Schätzungsgrundlage herangezogen
werden, da die dort verzeichneten Preise nicht den tatsächlichen Marktpreisen entsprächen.
15
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 30.06. und 18.08.2008 ihr Einverständnis mit
einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten
Urkunden Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Im Einverständnis der Parteien konnte eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren
ergehen, § 128 Abs. 2 ZPO.
19
Die zulässige Klage ist begründet.
20
Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der noch nicht gezahlten Mietwagenkosten ergibt
sich aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB, §§ 7,17 StVG in Verbindung mit § 398 S. 1 BGB.
21
Die Klägerin ist infolge der Abtretungserklärungen ihrer jeweiligen Kunden aktivlegitimiert.
Die Abtretungen sind nicht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG in Verbindung
22
mit § 134 BGB nichtig. Da es der Klägerin vorrangig darum geht, die durch die Abtretung
eingeräumten Sicherheiten zu verwirklichen, besorgt sie keine Rechtsangelegenheit des
geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Dass dies der Fall ist, folgt aus
der Formulierung der Abtretungserklärungen (vgl. bspw. Blatt 22 der Akten). Der Zedent hat
sich im Rahmen der Sicherungsabtretung u.a. verpflichtet, den nicht durch den Versicherer
gezahlten Betrag gegenüber der Klägerin zu begleichen. Vor Inanspruchnahme der
Beklagten hat die Klägerin sämtliche Kunden, deren Mietwagenkosten streitgegenständlich
sind, erfolglos zur Zahlung aufgefordert.
Zudem ist das Tätigwerden der Klägerin aufgrund der Abtretung auf die Geltendmachung
der Erstattungsansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt. Die weitere
Schadensabwicklung obliegt den Zedenten.
23
Der Anspruch ist in der tenorierten Höhe gerechtfertigt.
24
Mietwagenkosten gehören zum Herstellungsaufwand, den ein Schädiger oder dessen
Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB dem Geschädigten nach einem Unfall zu
ersetzen hat. Danach kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustandes erforderlichen Geldbetrag verlangen. Zu ersetzen sind insoweit die objektiv
"erforderlichen" Aufwendungen. Als "erforderlich" in diesem Sinne sind diejenigen
Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der
Lage des Geschädigten machen darf.
25
Die Höhe der durch die Klägerin berechneten Beträge hält sich nach richterlicher
Schätzung gemäß § 287 ZPO im Rahmen des betriebswirtschaftlich Gerechtfertigten.
26
Insoweit bestehen nach Auffassung des Gerichts gegen die Ermittlung des "Normaltarifes"
anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 für den jeweiligen Postleitzahlenbereich
keine Bedenken (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 18.03.2008, Az.: 15 U 145/07). Die
beklagtenseits vorgebrachten Einwendungen bezüglich der fehlenden Eignung der
Schacke-Liste 2006 als Schätzungsgrundlage werden nicht geteilt. Die durchgeführte Art
und Weise der Erhebungen der Daten ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht erkennbar, dass
die im Vergleich zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 eingetretenen Preissteigerungen
nicht auf tatsächliche Marktveränderungen zurückzuführen sind.
27
Auch unter Berücksichtigung des beklagtenseits vorgebrachten Vergleichs zwischen der
Schwacke-Liste und der Berechnung von Mietwagenkosten unter Anwendung der
Fraunhofer-Erhebung ist keine abweichende Beurteilung gerechtfertigt. Die Erhebung
betrifft den Mietpreisspiegel 2008, so dass sich infolge der zeitlichen Differenz keine
Rückschlüsse auf das Verhältnis zur hier maßgeblichen Schwackeliste 2006 ziehen lassen.
28
Aufgrund der bestehenden objektiven Rechtfertigung der Tarife, kommt es auf die Frage der
Zugänglichkeit günstigerer Tarife für die Frage der Erforderlichkeit nicht an.
29
Das Gericht erachtet einen pauschalen Aufschlag von 20 % für gerechtfertigt (§ 287 ZPO).
Dies resultiert aus der erhöhten Kosten- und Risikostruktur des Unfallersatzgeschäftes
gegenüber dem sonstigen Vermietungsgeschäft (vgl. dazu Neithart/Kremer, NZV 2005, 171
ff.). Vermieter, die Fahrzeuge für Kunden anbieten, die aufgrund eines Verkehrsunfalls auf
ein Ersatzfahrzeug angewiesen sind, haben im Vergleich zu sonstigen Anbietern erhöhte
Grundkosten. Diese sind darauf zurückzuführen, dass ein größerer Fuhrpark angeschafft
werden muss, um sämtliche Fahrzeugklassen in hinreichendem Umfang abzudecken.
30
Damit verbunden sind zwangsläufig höhere Service- und Verwaltungskosten. Diese werden
auch durch die Anmietung nach Verkehrsunfällen an sich erhöht, da die Anmietung in der
Regel kurzfristig erfolgt und die Dauer oftmals aufgrund des nicht vorhersehbaren
Reparaturaufwandes etc. nicht abschätzbar ist. Auch die anfallenden Kosten lassen sich im
Hinblick darauf nicht verlässlich abschätzen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die
Auslastungsquote in der Regel geringer ist und erheblichen Schwankungen unterliegt. Die
Voraussehbarkeit der Auslastung ist im Unfallersatzgeschäft weitaus geringer als im
üblichen Vermietungsgeschäft. Im letztgenannten Bereich ist es dem Vermieter eher
möglich saisonbedingte Schwankungen abzuschätzen und durch sein Verhalten (z.B.
Werbemaßnahmen) zu beeinflussen bzw. der geringen Auslastung vorzubeugen.
Demgegenüber hängt es rein vom Zufall ab, aus welchen Fahrzeugklassen infolge von
Verkehrsunfällen Ersatzfahrzeuge angemietet werden.
Ein weiterer kostenerhöhender Faktor liegt darin, sich zum Zeitpunkt der Anmietung des
Ersatzfahrzeuges oftmals nicht mit Sicherheit feststellen lässt, wie die jeweiligen
Haftungsquoten ausfallen. Dies birgt das Risiko des Mietwagenunternehmens, gegenüber
dem Versicherer mit einem Teil der Forderung auszufallen.
31
Unter Berücksichtigung der aufgezeigten durch das Unfallersatzgeschäft veranlassten
erhöhten Kosten und Risiken sowie der in § 287 ZPO vorgesehenen
Schätzungsmöglichkeit erscheinen konkrete Darlegungen zu der jeweiligen internen Preis-
/Kostenstruktur des Mietwagenunternehmens entbehrlich.
32
Die Höhe der Kosten berechnet sich nicht durch Multiplikation der Mietdauer mit
Tageswerten, sondern durch eine Kombination von Wochen-, Dreitages- und Tageswerten
(so auch OLG Köln, Beschluss vom 04.04.2008, Az.: 4 U 1/08).
33
Daraus resultieren unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlungen folgende
Ansprüche der Klägerin:
34
Mieter PLZ KFZ-
Kl.
Tage Grund-
preis
20 % -
Auf-
schlag
Vers./
Neben-
kosten
Gesamt
brutto
Gesamt
netto
Zahlung Rest
A.
525 2
9
539,00 107,80 224,00
750,69
364,50
386,19
B.
524 4
4
322,00 64,40 134,00 520,40
357,80
162,60
C.
418 3
5
389,00 77,80 146,00 612,80
390,34
222,46
D.
522 6
5
725,00 145,00 215,00 1.085,00
621,18
463,82
E.
525 3
4
356,00 71,20 187,00 614,20
300,00
302,64
F.
415 6
4
374,00 74,80 242,00
595,20
476,00
119,52
G.
521 3
2
178,00 35,60 88,00
301,60
200,00
101,60
H.
418 3
3
231,00 46,20 133,00 410,20
194,88
215,32
I.
411 3
14
1.378,- 275,60 532,00
1.884,14 1.000,00 751,00
J.
522 1
4
260,00 52,00 179,00 491,00
190,24
300,76
K.
418 4
11
799,00 159,80 396,00 1.354,80
1.231,92 122,88
L.
411 5
4
516,00 103,20 137,00 756,20
522,00
234,20
35
M.
411 4
4
456,00 91,20 134,00 681,20
200,00
481,20
N.
411 3
18
1.774,- 354,80 399,00 2.527,80
1.450,00 1.077,80
Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 254 BGB wegen Verstoßes der Zedenten gegen die
ihnen obliegende Schadensminderungspflicht gemindert bzw. ausgeschlossen. Umstände,
die geeignet wären, ein Mitverschulden zu begründen, sind nicht ersichtlich.
36
Die Zinsforderung resultiert aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 3 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
38
Streitwert: EUR 4.941,99
39