Urteil des AG Kleve vom 03.11.2000

AG Kleve: minderung, mängelrüge, unterlassen, hotel, mangel, subjektiv, aufenthalt, pauschal, vertragsschluss, anwendungsbereich

Amtsgericht Kleve, 3 C 346/00
Datum:
03.11.2000
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 346/00
Schlagworte:
Anmeldefrist für reisevertraglicher Ansprüche; Taschenkontrollen am
Hoteleingang
Normen:
BGB §§ 651 g, 651 d, 651 c
Leitsätze:
1. Die Anmeldefrist des § 651 g BGB gilt nicht für
Bereicherungsansprüche.
2. Tägliche Taschenkontrollen durch das Personal eines Hotels der
gehobenen Mittelklasse stellen einen Reisemangel dar.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.068,75 DM nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz
seit dem 17.08.2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 35 % und die
Beklagte 65 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO
abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch wegen der vom 27.06. bis
11.07.2000 in die Türkei in das Zielgebiet in die Anlage der gehobenen Mittelklasse
durchgeführten Urlaubsreise in Höhe von 1.068,75 DM zu, §§ 812 Abs. 1 S. 1, 651 d,
651 c, 472 BGB.
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1.
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Die Beklagte ist mit einem Betrag in Höhe von 136,00 DM ungerechtfertigt bereichert (§
812 Abs. 1 S. 1 BGB).
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Der von ihr nach Vertragsschluss erhobene Kerosinzuschlag war zurückzuerstatten, da
eine rechtliche Grundlage für diese Forderung fehlt. Soweit Ziffer 4. a) der von der
Beklagten verwendeten Reisebedingungen Pauschal-Reisen die Erhebung eines
derartigen Betrages vorsieht, verstößt diese Klausel gegen §§ 651 a Abs. 3 BGB, 11 Nr.
1, 9 AGBG. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Amtsgerichts (vgl. zur
näheren Begründung: Reiserecht aktuell 2000, S. 166), die auch von der Beklagten hier
nicht angegriffen wird. Ihr Einwand, die Klägerin habe den Kerosinzuschlag in ihrem
Anmeldeschreiben nicht erwähnt, so dass ein entsprechender Anspruch gemäß § 651 g
Abs. 1 BGB scheitert, geht fehl. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar.
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Die Anmeldefrist von einem Monat gilt nach dem Wortlaut des § 651 g Abs. 1 BGB für
vertragliche Gewährleistungsansprüche des Reisenden nach §§ 651 c bis f BGB.
Darüberhinaus ist der Anwendungsbereich auf Ansprüche, die sich im Rahmen des
Reisevertragsverhältnisses aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht ergeben,
aufgrund der weiten Auslegung des Fehlerbegriffs im Reiserecht ausgedehnt
(MünchKomm-Tonner, BGB, 3. Aufl., § 651 g, RdNr. 2; Führich, Reiserecht, RdNr. 359;
BGH NJW 1986, S. 1748). Nicht erfasst sind dagegen Bereicherungsansprüche.
Letztere setzen tatbestandlich eine fehlende (wirksame) Leistungsvereinbarung voraus.
Für diese Fallkonstellationen ist die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB weder nach
dem Wortlaut noch nach dem Regelungszweck der Vorschrift vorgesehen.
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2.
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Der weitergehende Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 932,75 DM ergibt sich
aus dem Gesichtspunkt der berechtigten Minderung des Reisepreises (§§ 651 d, 651 c
BGB).
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Gemäß § 651 d Abs. 1 BGB ist der Reisende berechtigt, eine Minderung des
Reisepreises zu verlangen, wenn die Reise mit Fehlern (§ 651 c Abs. 1 BGB) behaftet
war. Vorliegend wich die Reiseleistung der Beklagten insoweit von den vertraglichen
Vereinbarungen ab, als der Aufenthalt der Klägerin am Urlaubsort durch ein fehlendes
Zustellbett, durch Taschenkontrollen am Hoteleingang und durch wiederholtes Auftreten
von Ameisen gestört wurde.
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Die Klägerin hat sich wegen des fehlenden Zustellbettes unstreitig an die örtliche
Reiseleitung der Beklagten gewandt, ohne dass diesem Missstand in der Folgezeit
abgeholfen wurde. Der bloße Hinweis des Reiseleiters gegenüber der Hotelrezeption
genügte als Abhilfemaßnahme nicht, da dies den Mangel nicht endgültig beseitigte. Der
Klägerin war auch nicht vorzuwerfen, pflichtwidrig eine weitere (rechtzeitige)
Mängelanzeige hierüber unterlassen zu haben (§ 651 d Abs. 2 BGB). Durch ihre
erstmalige Rüge hat sie der Beklagten bereits eine ausreichende Möglichkeit zur
Behebung des Mangels gegeben. Es war nunmehr Sache der Beklagten, für eine
erfolgreiche Abhilfe zu sorgen und sich über Erfolg bzw. Misserfolg der unternommenen
Maßnahmen zu erkundigen.
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Ferner stellte die Durchführung von täglichen Taschenkontrollen bzw. die hierzu
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unternommenen Versuche des Hotelpersonals kein ordnungsgemäßes Verhalten der
Angestellten dar. Soweit mit diesem Vorgehen die Mitnahme von Speisen und
Getränken auf die Hotelzimmer unterbunden werden sollte, kann dies das Auftreten des
Hotelpersonals gegenüber der Klägerin nicht rechtfertigen. Bei einem Hotel der
gehobenen Mittelklasse waren derartige Maßnahmen zur Maßregelung der Reisegäste
nicht angemessen und auch nicht zu erwarten. Ohne Erfolg weist die Beklagte in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie bereits im Preisteil ihres Katalogs über die
Möglichkeit von Taschenkontrollen in Hotels in der Türkei informiert hat. Denn die bloße
allgemeine Mitteilung über mögliche Beeinträchtigungen am Urlaubsort ändert
grundsätzlich nichts an der Einstufung als Reisemangel. Es bedurfte wegen der
Taschenkontrollen auch keiner Mängelrüge der Klägerin, da die Beklagte bereits
hinreichende Kenntnis hierüber besaß.
Ein weiterer Reisemangel bestand in dem Auftreten von Ameisen, das auch nach
dreimaligem Einsatz von Insektengift nur zeitweise verhindert werden konnte. Da die
Beklagte eine wirkungsvollere Abhilfemaßnahme nicht darlegte, kam es auf die Frage
einer rechtzeitigen Mängelrüge durch die Klägerin nicht an.
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Wegen der o.g. Beeinträchtigungen war der Reisepreis (3731,00 DM) um 25 %, mithin
932,75 DM zu mindern, §§ 472 BGB, 287 Abs. 2 ZPO.
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Eine weitergehende Minderung kommt dagegen nicht in Betracht, §§ 651 d, 651 c BGB.
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Einen Fehler der Reiseleistung der Beklagten wegen Geräuschen eines elektrischen
Generators hat die Klägerin nicht hinreichend konkret begründet. Gemäß § 651 c Abs. 1
letzter Halbsatz BGB müssen Reisefehler wert- oder tauglichkeitsmindernd sein. Daher
ist nicht jede negative Abweichung als Reisemangel aufzufassen. Geringe
Unzulänglichkeiten und Unannehmlichkeiten hat der Reisende entschädigungslos
hinzunehmen. Zur Annahme eines Reisefehlers bedarf es daher konkreter
Beschreibungen des Reisenden, die es dem Gericht ermöglichen festzustellen, ob die
dargelegte Störung bereits einen Fehler der Reiseleistung darstellt oder nur als
hinzunehmende Unannehmlichkeit anzusehen ist. Bei subjektiv empfundenen
Störungen, wie Geräuschen, ist eine objektive Beurteilung, ob das zumutbare Maß
überschritten wurde, sehr schwierig. Dem Reisenden obliegt deshalb die Darlegung
möglichst vieler objektiver Umstände, die die Art und die Intensität der Beeinträchtigung
nachvollziehen lassen. Hieran fehlt es am Vorbringen der Klägerin. Ihre Darstellung des
Geräuschs mit "erheblich" stellt eine eigene unzureichende Wertung dar. Die geschätzte
Entfernung von ca. 12 m Luftlinie zwischen Generator und Zimmer besagt ebenfalls
wenig über die vorhandene Geräuschkulisse. Die insoweit verbleibenden Zweifel, ob
nicht lediglich geringfügige Auswirkungen von dem Betrieb des Generators ausgingen,
gehen jedoch zu Lasten der darlegungspflichtigen Klägerin.
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Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711,
713 ZPO.
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