Urteil des AG Kleve vom 15.08.2000

AG Kleve: pauschal, reiseveranstalter, vertragsschluss, mehrbelastung, leistungsklage, klageänderung, konkretisierung, berechtigung, preiskontrolle, vertragsabschluss

Amtsgericht Kleve, 36 C 150/00
Datum:
15.08.2000
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
36 C 150/00
Schlagworte:
Vorbehalt der Preiserhöhung in allgemeinen Geschäftsbedingungen des
Reiseveranstalters
Normen:
BGB §§ 651 a Abs. 3, AGBG §§ 11 Nr. 1 a, 9
Leitsätze:
Eine Bestimmung in den „Reisebedingungen“ des Veranstalters, nach
der der Reisepreis im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder
sonstiger Abgaben geändert werden kann, ist unwirksam, wenn dem
Reisenden in der Bestimmung nicht wenigstens der Berechnungsweg
für die Erhöhung der betroffenen Kostenposition aufgezeigt wird.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 104,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 01.08.2000 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 495 a Abs. 2 S. 1 ZPO
abgesehen.
1
Entscheidungsgründe:
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I.
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Der Zahlungsantrag ist zulässig.
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Die Umstellung des Feststellungsantrags vom 15.05.2000 in den Leistungsantrag vom
26.07.2000 stellt eine zulässige Klageänderung dar, § 263 ZPO. Entgegen der Ansicht
des Klägers ist der von ihm vorgenommene Übergang der Klagearten allerdings keine
bloße Abwandlung des Klageantrags im Sinne des § 264 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ZPO. Der
Anwendbarkeit von § 264 Nr. 2 ZPO steht entgegen, dass es an einem
gleichbleibendem Sachverhalt für die Feststellungs- und die Leistungsklage fehlt.
Hinsichtlich § 264 Nr. 3 ZPO ist ein Surrogat, das an die Stelle des ursprünglichen
Feststellungsbegehrens treten müßte, nicht vorhanden. Es bleibt daher nur Raum für die
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Bestimmung einer Klageänderung nach § 263 ZPO. Unter den gegebenen Umständen
sieht das Gericht den Übergang des Klägers von seiner Feststellungsklage in die
Leistungsklage aber als sachdienlich an. Denn die aufgeworfene Streitfrage kann im
anhängigen Verfahren unter Verwertung des gesamten Prozessstoffes geklärt und somit
ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden.
II.
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Die Klage ist auch begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen der für die Zeit vom 06.08. bis 20.08.2000
nach F auf die J gebuchten Urlaubsreise ein Zahlungsanspruch in Höhe von 104,00 DM
zu, § 812 Abs 1 Satz 1 BGB.
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Die Beklagte hat abweichend von der vertraglichen Vereinbarung unberechtigt einen
Treibstoffzuschlag in Höhe von 104,00 DM von dem Kläger vereinnahmt.
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Die als Grundlage für ihre Nachforderung herangezogene Klausel der Beklagten in
ihren "Reisebedingungen Pauschal-Reisen" ist unwirksam. Soweit es dort unter Ziffer 4.
a) heißt:
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"...G GmbH behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten
Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte
Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der für die
betreffende Reise geltenden Wechselkurse, in dem Umfang zu ändern, wie sich deren
Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, sofern zwischen
Vertragsschluß und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen..."
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verstößt diese Regelung sowohl gegen §§ 651 a Abs. 3 BGB, 11 Nr. 1 AGBG (a) als
auch gegen § 9 AGBG (b).
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a)
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Der von der Beklagten verwendeten Klausel fehlt es an der gemäß § 651 a Abs. 3 S. 1
BGB erforderlichen genauen Angabe zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag.
Hierfür bedarf es zwar nicht der Offenlegung sämtlicher Kalkulationsgrößen, die die
Beklagte zu Recht als ihr Betriebsgeheimnis ansieht. Ausreichend und notwendig ist
aber die - wenn auch allgemeine - Beschreibung des Berechnungsweges für die
Erhöhung der betroffenen Kostenposition, hier also der Beförderungskosten. Diesen
Anforderungen wird Ziffer 4. a) der "Reisebedingungen Pauschal-Reisen" nicht gerecht.
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Soweit die Beklagte in ihrer Klausel auf die Auswirkung der Erhöhung der
Beförderungskosten abstellt, setzt dies den behaupteten Mehrbelastungsbetrag voraus,
ohne ihn in der ursprünglichen Höhe zu nennen. Hiermit wird lediglich die Möglichkeit
dargestellt, die entstandenen Mehrkosten zu verteilen. Angaben zur Berechnung der
Umlage der Mehrbelastung stehen Angaben zur Berechnung des neuen Preises, wie
sie von § 651 a Abs. 3 BGB gefordert werden, aber nicht gleich (vgl. dazu Führich, RRa,
2000, S. 43 [45]; Kappus, Reise- und Hotelaufnahmebedingungen, Rdnr. 3, in: Graf von
Westphalen, AGB-Klauselwerke ). Der Reisende kann in diesem Fall den im
Erhöhungsschreiben angegebenen Mehrbetrag lediglich hinnehmen und darauf
vertrauen, dass er Resultat einer ordnungsgemäßen Berechnung war. Die Klausel
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gestattet es ihm hingegen nicht einmal ansatzweise die Erhöhung dem Umfang nach zu
überprüfen (im Ergebnis auch Führich, a.a.O., S. 46; Müchener Kommentar - Tonner,
BGB, 3. Aufl., § 651 a, Rdnr. 70; Soergel-Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651 a, Rd. 61; bei
Wechselkursänderungen LG Berlin, RRa, 2000, 27f.; a.A. Schmid, NJW 2000, S. 1301
[1304]).
Ferner verletzt auch die in Ziffer 4. a) der "Reisebedingungen Pauschal-Reisen"
fehlende Angabe des Vergleichszeitpunktes für die Erhöhung den bei
Preisanpassungsklauseln geltenden Grundsatz der Bestimmtheit und Klarheit. Der
Reisende muß hiernach bei Vertragsschluss zu erkennen vermögen, in welchem
Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können, und er muß die Berechtigung der
Erhöhung auch dem Umfang nach in etwa überprüfen können (vgl. dazu BGHZ 94, S.
335 [340]; NJW 1985, S. 855 [856]; 1990, S. 115). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die Beklagte läßt in ihren Reisebedingungen völlig offen, welche Zeitpunkte sie bei der
Berechnung der Mehrbelastung zugrunde legen will. Die zeitliche Komponente ist für
das Erhöhungsverlangen unbegrenzt. Der Kläger konnte hiernach nicht ersehen, ob und
in welchem Umfang Umstände vor Beginn oder während des Vertragsverhältnisses mit
der Beklagten bei einer evt. Reisepreiserhöhung eine Rolle spielen würden. Da die
Beförderungskosten aber bekanntermaßen aufgrund der schwankenden
Weltmarktpreise für Rohöl nicht stetig stabil sind und dies grundsätzlich auch eine
nachträgliche Preiserhöhung gemäß § 651 a Abs. 3 BGB rechtfertigt, war die
bestehende Unsicherheit aufgrund der fehlenden Information der Beklagten und das
damit einhergehende unkalkulierbare finanzielle Risiko für den Kläger nicht
hinzunehmen (vgl. dazu Führich, a.a.O., S. 46; LG Berlin, a.a.O., S. 27).
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b)
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Die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel hält einer Inhaltskontrolle
nach § 9 AGBG ebenfalls nicht stand. Sie führt im Ergebnis zu einer unangemessenen
Benachteiligung des Klägers.
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Der Anwendbarkeit der Generalklausel des § 9 AGBG steht auch nicht etwa § 8 AGBG
entgegen, weil in § 651 a Abs. 3 BGB ein spezieller Kontrollmaßstab für
Preiserhöhungen besteht. Denn § 651 a Abs. 3 BGB stellt keine zwingende
abschließende Norm dar, sondern eröffnet einen dispositiven Freiraum für
Preisänderungsvorbehalte. Dessen inhaltliche Ausgestaltung im Rahmen der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Reiseveranstalter ist aber eine Konkretisierung
der bestehenden Rechtsnormen, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG
unterliegt (vgl. Soergel-Eckert, a.a.O., vor 651 a, Rdnr. 24; Wolf/Horn/Lindacher-Wolf,
AGBG, 4. Aufl., § 9, Rdnr. R 52; im Ergebnis auch LG Berlin, a.a.O.; a.A., Schmid, a.a.O.,
S. 1302). Darüberhinaus bedarf es der Anwendbarkeit der §§ 9 bis 11 AGBG auch
deshalb, um den Weg einer Verbandsklage nach §§ 13 ff. AGBG zu gewährleisten.
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Ferner sind Preisanpassungsklauseln von Reiseveranstaltern mit § 9 AGBG nur
vereinbar, wenn diese nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Reisenden
führen. Selbst wenn eine allgemeine Preiskontrolle nach dieser Vorschrift nicht möglich
ist, so unterliegen Preisanpassungsklauseln aber der Überprüfung darauf, ob die
Voraussetzungen und der Umfang der Preisanpassung angemessen sind. Dies ist unter
Berücksichtigung der individualvertraglichen Preisabrede und der damit
zusammenhängenden gesetzlichen Regelungen sowie der Interessenlage und der
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Gesamtumstände zu betrachten (BGHZ 82, S. 21 [24]; 94, S. 335 [338]). Ausgehend von
dem wesentlichen Grundgedanken des § 651 a Abs. 3 BGB wird dem Reiseveranstalter
lediglich die Möglichkeit eröffnet, eine bestimmte Kostenmehrbelastung an den
Reisenden weiterzugeben. Dies soll jedoch nicht zu einer Gewinnerhöhung führen.
Außerdem ist es dem Reiseveranstalter verwehrt, sein gesamtes kalkulatorisches
Kostenrisiko der Treibstoffkosten von der Festlegung des Katalogpreises über den
Vertragsschluss hinaus bis zum Reisebeginn auf den Kunden abzuwälzen. Im Hinblick
auf eine angemessene Risikoverteilung hat daher für den Vergleichszeitraum die Zeit
vor Vertragsabschluss außer Betracht zu bleiben (Führich, a.a.O., S. 46; Schmid, a.a.O.,
S. 1304; LG Berlin, a.a.O.; Wolf/Horn/Lindacher-Wolf, a.a.O., § 11, Rdnr. 41). Gerade
dies ist bei der verwendeten Klausel aber nicht gewährleistet. Ausgehend von der
kundenfeindlichsten Auslegung, die auch im Rahmen des Individualprozesses
heranzuziehen ist, könnte die Beklagte die Marktlage für Treibstoffkosten zeitlich
unbegrenzt rückwirkend bei der Preisänderung heranziehen. Sie wäre in der Lage, eine
Erhöhung des Reisepreises bezogen auf gestiegene Flugbenzinpreise in der Zeit vor
Vertragsschluss vorzunehmen, obwohl die Flugbenzinpreise im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses gesunken sind. Dies würde aber zu einer Gewinnerhöhung führen
bzw. dem Kläger im Ergebnis das gesamte unternehmerische Risiko der Erhöhung von
Beförderungskosten allein aufbürden.
Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht § 814 BGB entgegen, da er den Mehrbetrag
ausdrücklich unter Vorbehalt an die Beklagte gezahlt hat. Aus dem selben Grund
scheitert die Forderung auch nicht an einer einvernehmlichen Vertragsänderung bzgl.
des Reisepreises.
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Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1
BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713
ZPO
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Streitwert: 104,00 DM.
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