Urteil des AG Kleve vom 06.11.1998

AG Kleve (juristische person, kläger, minderung, einseitiges rechtsgeschäft, bevollmächtigung, person, erklärung, höhe, fernseher, rechtsgeschäft)

Amtsgericht Kleve, 3 C 452/98
Datum:
06.11.1998
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 452/98
Schlagworte:
Zurückweisung der Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche.
Normen:
BGB §§ 651 g, 174
Leitsätze:
Wird die Anspruchsanmeldung i. S. v. § 651 g BGB wegen fehlender
Originalvollmacht zurückgewiesen, kann die Zurückweisungserklärung
ihrerseits ween fehlender Originalvollmacht nach § 174 BGB
zurückgewiesen werden.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.289,95 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 11.04.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 34 % und der
Kläger zu 66 % zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
3.000,-- DM und für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-
streckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800,-- DM abwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Der Kläger macht Gewährleistungsrechte aus einem Reisevertrag geltend.
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Er buchte bei der Beklagten eine Flugreise nach Spanien auf die Insel in die Anlage für
die Zeit vom 15.01. bis zum 26.02.1998. Der Preis für die 6wöchige Urlaubsreise betrug
7.046,-- DM einschließlich Halbpension.
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Mit der Buchungsbestätigung vom 17.10.1997 teilte die Beklagte mit, dass etwa bis Mitte
Dezember 1997 Bautätigkeiten in dem Hotel stattfinden würden. Am 20.12.1997 teilte
die Beklagte dann mit, dass auch in der Zeit vom 12.01. bis zum 20.02.1998
Renovierungsarbeiten in der Hotelanlage stattfinden würden.
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Bei der Ankunft am Urlaubsort stellten der Kläger und die Zeugin T fest, dass in
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mehreren Bereichen der Hotelanlage, u.a. am Pool und in einzelnen
Appartementtrakten Bautätigkeiten stattfanden. Im Rezeptionsbereich lagerte Schutt. In
einzelnen Appartementtrakten wurden die Terrassen und Balkone abgerissen. Die
Leitungen wurden aus dem Boden und den Wänden gerissen. Es wurden neue
Badewannen und neue Fliesen angebracht. Diese Arbeiten gingen mit dem Betrieb von
Presslufthammern und Flexschleifmaschinen einher. Sie fanden regelmäßig in dem
Zeitraum zwischen 07:30 Uhr bis 19:30 Uhr statt.
Am 19.01.1998 wandte sich der Kläger an die Reiseleiterin und rügte Mängel der
Reiseleistung der Beklagten.
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Mit Faxschreiben vom 25.03.1998 meldeten die Prozessbevollmächtigten des Klägers
für diesen die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aufgrund von Mängeln
der Reise bei der Beklagten an. Wegen des Inhalts dieses Schreibens nimmt das
Gericht Bezug auf eine Ablichtung desselben (Blatt 17 d.A.). Mit Faxschreiben vom
26.03.1998 wies die Beklagte die Anspruchsanmeldung unter Hinweis auf die nicht
vorgelegte Originalvollmacht zurück. Das Faxschreiben war nicht unterzeichnet. Aus
ihm ging hervor, dass es von einer Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten,
Frau F, stammte. Mit Schreiben vom 30.03.1998 wiesen die Prozessbevollmächtigten
des Klägers die Zurückweisung der Beklagten ihrerseits wegen der fehlenden Vorlage
von Originalvollmachten zurück. Dieses Schreiben ging der Beklagten am 01.04.1998
zu.
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Der Kläger rügt weitere Mängel der Reiseleistung der Beklagten. Er beanstandet, dass
täglich 2 bis 3 und manchmal sogar mehr Kakerlaken in dem Zimmer zu sehen gewesen
seien.
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Das Speiserestaurant sei mit einer Tropfsteinhöhle vergleichbar gewesen. Es habe in
den Speisesaal hineingeregnet. Es seien Eimer und Schüssel aufgestellt worden, um
das Regenwasser aufzufangen.
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Zudem sei das Buffet nur lauwarm gewesen.
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Der im Reisekatalog angekündigte Sat.-Fernseher habe nur bei gutem Wetter
funktioniert. Bei schlechtem Wetter sei er ausgefallen.
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Der Kläger begeht für sich und aus abgetretenem Recht für die Zeugin T eine
Minderung des Reisepreises um 65 % sowie Schadensersatz wegen vertaner
Urlaubszeit für sich in Höhe von 2.282,15 DM.
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Der Kläger beantragt,
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Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.846,45 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
11.04.1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, etwaige Minderungsansprüche des Klägers seien gem. § 651 g Abs.
1 mangels wirksamer Anspruchsanmeldung ausgeschlossen.
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Im übrigen tritt sie den behaupteten Mängeln entgegen und rügt das entsprechende
Vorbringen des Klägers als unsubstantiiert.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 2.289,95 DM gem. § 812 Abs. 1 Satz 2
Erste Alternative BGB gegen die Beklagte. Der gezahlte Reisepreis war insoweit gem.
§§ 651 d Abs. 1; 472 BGB zu mindern.
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Die Reiseleistung der Beklagten war fehlerhaft. Während des Uraubsaufenthaltes des
Klägers und der Zeugin T fanden Bautätigkeiten in der Hotelanlage statt. Es wurden
Renovierungsarbeiten am Pool und auch in den Zimmertrakten durchgeführt. Diese
gingen mit teilweise erheblichen Lärmbeeinträchtigungen einher. Einzelne Arbeiten
fanden auch in unmittelbarer Nähe des Appartements des Klägers statt.
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Dieser Fehler rechtfertigt eine Minderung des Reisepreises um 20 %. Dies sind
1.409,20 DM. Bei der Bemessung der Minderung war zu berücksichtigen, dass das
Hotel nicht gänzlich unbewohnbar. war. Die Bautätigkeiten fanden zumindest abends ihr
Ende. Nicht sämtliche Bautätigkeiten fanden in unmittelbarer Nähe des Appartements
des Klägers statt. Es war auch zu berücksichtigen, dass das angebotene Appartement
lediglich ein Teil der Reiseleistung der Beklagten darstellte.
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Darüber hinaus war die Reiseleistung der Beklagten fehlerhaft, weil es im Speisesaal
bei Regen durch die Decke tropfte. Die Beklagte hat den entsprechenden Zustand nicht
hinreichend bestritten. Gegenüber dem substantiierten Vortrag des Reisenden
betreffend dem Vorliegen von Reisemängeln ist der Reiseveranstalter gehalten, nach
Einholung von Informationen bei der örtlichen Reiseleitung, ebenfalls substantiiert
hierzu Stellung zu nehmen (vgl. LG Frankfurt NJW-RR 1991 Seite 378). Die Beklagte ist
dem Vortrag des Klägers, er habe Mängel am 19.02.1998 bei der Reiseleiterin
angezeigt, nicht entgegengetreten. Diese hatte somit Gelegenheit, sich über den
konkreten Zustand im Speisesaal zu informieren. Die Beklagte wäre demgemäß
gehalten gewesen, konkret darzulegen, ob es nun in den Speisesaal hineingeregnet hat
und wenn ja, in welchem Umfang. Diesen Anforderungen genügte die Beklagte nicht.
Sie konnte sich nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Klägers als
unsubstantiiert zu rügen.
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Dieser Fehler der Reiseleistung er Beklagten rechtfertigt eine Minderung des
Reisepreises um 7,5 %. Dies sind 528,45 DM. Bei der Bemessung der Minderung war
zu berücksichtigen, dass der Speisesaal offensichtlich nicht gänzlich unbenutzbar war.
Die Beeinträchtigung trat lediglich bei Regenwetter auf. Der Kläger hat nicht genau
dargelegt, wie viele Tropfstellen vorhanden warne.
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Darüber hinaus war die Reiseleistung der Beklagten fehlerhaft, weil der im Reisekatalog
angekündigte Sat.-Fernseher, der gegen Gebühr erhältlich sein sollte, bei Regenwetter
nicht funktionierte. Auch den entsprechenden Sachvortrag hat die Beklagte nicht
hinreichend konkret bestritten. Sie legt nicht dar, dass sie sich vor Ort über den Zustand
der Fernsehanlage in dem Appartement des Klägers trotz der entsprechenden Rüge
informiert hat. Ihr Einwand, etwaige Störungen bei Regenwetter seien nicht von ihr zu
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vertreten, sondern beruht auf atmosphärischen Störungen, entlastet sie nicht. Das
Minderungsrecht gemäß § 651 d Abs. 1 BGB ist nicht von einem Verschulden des
Reiseveranstalters abhängig. Zudem hätte die Beklagte in ihrem Reisekatalog darauf
hinweisen können, dass es bei Regenwetter zu Störungen des Bildempfanges kommen
könnte.
Wegen dieses Fehlers der Reiseleistung der Beklagte ist eine Minderung des
Reisepreises um 5 % gerechtfertigt. Dies sind 352,30 DM. Bei der Bemessung der
Minderung war zu beachten, dass die angekündigte Möglichkeit, einen Fernseher zu
nutzen, nur ein geringfügiger Teil der Reiseleistung der Beklagten war. Weiter
eingeschränkt wurde dies dadurch, dass der Fernseher nur gegen eine Gebühr zur
Verfügung stehen sollte.
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Insgesamt steht demgemäß ein Minderungsanspruch in Höhe von 2.289,95 DM.
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Der Minderungsanspruch ist nicht gemäß § 651 g Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Die
Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit der Übersendung des Faxschreibens
vom 25.03.1998 wirksam Ansprüche für diesen angemeldet. Die Anspruchsanmeldung
ist nicht deswegen gem. § 174 BGB unwirksam, weil die Beklagte die
Anspruchsanmeldung wegen fehlender Originalvollmacht zurückgewiesen hat. Diese
Zurückweisungserklärung der Beklagten vom 26.03.1998 durch die Mitarbeiterin der
Rechtsabteilung F ist ihrerseits gem. § 174 BGB unwirksam und entfaltet daher keinerlei
Rechtswirkung, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers die
Zurückweisungserklärung ihrerseits wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht
der Beklagten zurückgewiesen haben (siehe dazu AG Kleve, Urteil vom 06.02.1998, AZ.
3 C 612/97, LG Kleve 4 S 42/98).
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§ 174 BGB gilt auch für eine Zurückweisungserklärung im Sinne des § 174 BGB selbst.
Die Bestimmung findet auf einseitige Rechtsgeschäfte Anwendung. Die
Zurückweisungserklärung im Sinne des § 174 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft,
das einem anderen gegenüber abzugeben ist. Die Erklärung ist auf die Setzung einer
Rechtsfolge gerichtet. Sie beseitigt die Ungewissheit darüber, ob ein Rechtsgeschäft
gem. § 180 Satz 1 BGB nichtig ist oder nicht.
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Die Beklagte hat ihre Zurückweisung nicht selbst erklärt. Es handelt sich vielmehr um
ein Vertretergeschäft. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei der Beklagten
um eine GmbH handelt, die demgemäß in jedem Fall niemals in eigenem Namen
handelt. Dem steht es jedoch nicht entgegen, § 174 BGB auch bei einem Handeln für
eine juristische Person anzuwenden. Jede juristische Person hat einen gesetzlichen
Vertreter. Auf einseitige Erklärungen dieses gesetzlichen Vertreters findet § 174 BGB
keine Anwendung (vgl.: OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.12.1991, NJW-RR 1993 Seite
470). Die Zurückweisungserklärung der Beklagten erfolgte jedoch nicht durch ihren
gesetzlichen Vertreter, sondern durch eine Mitarbeiterin der Rechtsabteilung. Ihre
Bevollmächtigung zur Abgabe einer solchen Erklärung kann sich nur aus einem
entsprechenden Rechtsgeschäft ergeben (§ 167 BGB). Bei einer rechtsgeschäftlichen
Bevollmächtigung ist § 174 BGB jedoch anwendbar.
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Die Beklagte kann sich auch nicht drauf berufen, die Zurückweisungserklärung der
Beklagten sei letztlich von derjenigen Person abgegeben worden, an den sich auch die
Prozessbevollmächtigten des Klägers gewandt hätten, indem sie das Faxschreiben
versandten. Denn dieses ist unzutreffend. Es ist nicht erkennbar, dass die
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Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Ansprüche bei der Mitarbeiterin der
Rechtsabteilung Frau F anmelden wollten. Sie wollten eine Erklärung gegenüber der
Beklagten und damit letztlich gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten abgeben.
Dieser hat jedoch die Zurückweisungserklärung nicht abgegeben.
Das Zurückweisungsrecht ist auch nicht gem. § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Aus
der Formulierung des § 174 Satz 2 "in Kenntnis gesetzt hatte" ist zu folgern, dass die
Mitteilung der Bevollmächtigung dem einseitigen Rechtsgeschäft im Sinne des § 174
Satz 1 BGB vorauszugehen hat. Aus diesem Grund kann aus den weiteren Umständen
der einseitigen Erklärung selbst, wie hier dem Umstand, dass die Erklärung von einer
Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten und damit von einer Person stammt, die
ständig damit vertraut sein muss, solche Zurückweisungserklärungen abzugeben, nicht
auf die Mitteilung einer Bevollmächtigung im Sinne es § 174 Satz 2 BGB geschlossen
werden.
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Das Gericht verkennt nicht, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Person im Namen der Beklagten eine
Zurückweisungserklärung abgibt, ohne von ihr bevollmächtigt zu sein, sehr gering ist.
Der Wortlaut de § 174 BGB lässt jedoch für eine solche wertende Beurteilung keinen
Raum. Demgemäß entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Amtsgerichts Kleve
und auch des Landgerichts Kleve, dass eine Zurückweisungserklärung auch dann
zulässig ist, wenn ein Anwalt im Namen eines Mandanten Ansprüche angemeldet hat,
obwohl auch hier die Wahrscheinlichkeit dass ein Anwalt ohne eine Bevollmächtigung
für den Mandanten Ansprüche anmeldet, nur sehr gering ist. Die Anspruchsanmeldung
eines Anwaltes für einen Reisegast ohne entsprechende Bevollmächtigung dürfte sich
auf Ausnahmefälle beschränken. Das Gericht behandelt also den Reisegast, der sich
durch einen Anwalt vertreten lässt, und den Reiseveranstalter, der sich durch einen
Mitarbeiter vertreten lässt, gleich.
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Ein Anspruch auf weitergehende Minderung des Reisepreises aufgrund weiterer
Mängel besteht dagegen nicht.
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Der Reisepreis war nicht deswegen zu mindern, weil 2 bis 3 und manchmal auch mehr
Kakerlaken in dem Appartement des Klägers auftraten. Mit dem Auftreten von
Kakerlaken ist bei Reisen in südliche Länder regelmäßig zu rechnen. Einzelne
Kakerlaken sind daher lediglich eine Reiseunannehmlichkeit und begründet keinen
Minderungsanspruch.
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Ein Fehler der Reiseleistung der Beklagten aufgrund eines nur lauwarmen Essens hat
der Kläger ebenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Er trägt nicht konkret
vor, welche Speisen genau nicht genügend erwärmt waren. Er legt auch nicht dar, was
er genau unter lauwarm versteht. Es handelt sich lediglich um eine subjektive Wertung
es Klägers, die einer objektiven Nachprüfung durch das Gericht entzogen ist.
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Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit gem.
§ 651 f Abs. 2 BGB. Ein solcher Schadensersatzanspruch setzt einen erheblichen
Fehler der Reiseleistung voraus. Dies ist erst dann der Fall, wen eine Minderung des
Reisepreises um mindestens 50 % gerechtfertigt wäre. Aus den vorstehenden
Ausführungen ergibt sich bereits, dass diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt ist.
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Der Zinsausspruch beruht auf § 288 BGB.
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Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1; 708 Nr. 11; 709; 711
ZPO.
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Streitwert: 6.846,45 DM.
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