Urteil des AG Kleve vom 15.01.1999

AG Kleve (dominikanische republik, eigenes interesse, hotelpersonal, störung, ehemann, reiseveranstalter, angebot, republik, aufenthalt, minderung)

Amtsgericht Kleve, 3 C 582/98
Datum:
15.01.1999
Gericht:
Amtsgericht Kleve
Spruchkörper:
Zivilrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 C 582/98
Schlagworte:
Minderung des Reisepreises bei Störung der Reiseleistung
Normen:
BGB 651 d
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Leitsätze:
Eine Verzögerung von rd. 6 Stunden rechtfertigt bei einer Flugreise in
die Dominikanische Republik einen Fehler der Reiseleitung noch nicht.
Der Zwang zum Tragen von Plastikarmbändern am Urlaubsort stellt
keine Störung der Reiseleistung dar.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,-- DM abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Die Klägerin macht Minderungsansprüche aus einem Reisevertrag geltend.
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Sie buchte für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flugreise in die
Dominikanische Republik in die Anlage Capella Beach Resort für die Zeit vom 18.05.
bis zum 01.06.1998. Der Reisepreis für zwei Erwachsene betrug bei einem All-
inclusive-Angebot 5.242,-- DM.
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Bei der Buchung der Reise sagte die Mitarbeiterin des Reisebüros der Klägerin zu, dass
sie einen reinen Nichtraucherflug erhalten würde. Vereinbarungsgemäß sollte eine
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Zwischenlandung in Paris stattfinden. Nach einer Wartezeit von einer Stunde und 40
Minuten sollte dann der Weiterflug in die Dominikanische Republik erfolgen. Tatsächlich
dauerte jedoch der Aufenthalt in Paris 7 ½ Stunden. Während des Fluges in die
Dominikanische Republik wurde in dem Flugzeug geraucht.
Am Urlaubsort angekommen waren die Klägerin und ihr Ehemann verpflichtet, ein
Plastikarmband zu tragen, damit für das Hotelpersonal feststellbar war, dass sei ein All-
inclusive-Angebot gebucht hatten.
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Der Rückflug fand nicht, wie geplant, am 01.06.1998 statt. Tatsächlich erfolgte der
Rückflug erst am 02.06.1998, weil der eigentlich geplante Fug wegen eines
Fluglotsenstreiks in Frankreich gestrichen worden war. Die Kläger rügen weitere
Mängel der Reiseleistung der Beklagten. Wegen der einzelnen Beanstandungen nimmt
das Gericht Bezug auf die Darstellung in der Klageschrift vom 22.10.1998 (Bl. 5-8 d. A.).
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Die Klägerin begehrt die vollständige Erstattung des Reisepreises.
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Sie beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.242,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem
01.09.1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Minderung des Reisepreises gem. §§ 651 d Abs.
1, 472 BGB gegen die Beklagte.
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Die Reiseleistung der Beklagten war nicht deswegen fehlerhaft, weil die Klägerin und
ihr Ehemann am Flughafen in Paris 7 ½ Stunden warten mussten, obwohl nach dem
Buchungsplan ein Aufenthalt von einer Stunde und 40 Minuten eingeplant war. Tritt eine
Störung der Reiseleistung auf, ist stets zu fragen, ob es sich hierbei um einen Fehler der
Reiseleistung handelt oder ob lediglich eine Reiseunannehmlichkeit vorliegt, die im
Zeitalter des Massentourismusses einmal vorkommen kann. Grundsätzlich ist es im
Zeitalter des Massentourismusses nicht zu vermeiden, dass es bei Flügen einmal zu
gewissen Verspätungen kommt. Gerade bei außereuropäischen Flügen kann hier
einmal eine Verzögerung eintreten. Eine Verzögerung von rund 6 Stunden, wie sie hier
eingetreten ist, rechtfertigt demnach einen Fehler der Reiseleistung der Beklagten noch
nicht (vgl. dazu: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, S 1330).
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Die Reiseleistung der Beklagten war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil während des
Fluges von Paris in die Dominikanische Republik in dem Flugzeug geraucht worden ist.
Ob ein Fehler der Reiseleistung vorliegt, richtet sich nach den vertraglichen
Vereinbarungen. Liegt keine ausdrückliche Zusicherung vor, richtet sich die Frage, ob
eine Reiseleistung fehlerhaft ist, danach, ob die Leistung von der allgemein üblichen
Reiseleistung abweicht. Es ist nicht allgemein üblich, dass in Flugszeugen nicht
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geraucht wird. Ein Fehler der Reiseleistung der Beklagten liegt demnach nur dann vor,
wenn sie einen Nichtraucherflug zugesichert hatte. Der Inhalt der vertraglichen
Leistungen zwischen den Parteien richtet sich in erster Linie nach dem Reisekatalog. In
ihrem Reisekatalog versprach die Beklagte einen Nichtraucherflug nicht.
Es konnte dahinstehen, ob die Mitarbeiterin des Reisbüros einen solchen
Nichtraucherflug versprochen hat. Zusicherungen des vermittelnden Reisebüros, die im
offenen Widerspruch zur Reisebeschreibung in dem vom Reiseveranstalter
herausgegebenen Prospekt stehen, binden den Reiseveranstalter nicht. In einem
solchen Fall hat der Reiseveranstalter nämlich deutlich und für den Kunden erkennbar
zum Ausdruck gebracht, welchen Inhalt sein Reiseangebot haben soll. Weicht das
Reisebüro, das wirtschaftlich ein eigenes Interesse bei der Förderung des
Vertragsabschlusses hat, offen davon ab, sind dies Umstände, die von einer
Beeinflussung durch den Reiseveranstalter unabhängig sind und für die er nicht haftet
(LG Frankfurt, NJW-RR 1987, S. 495). Für solche Zusicherungen haftet ausschließlich
das vermittelnde Reisebüro persönlich.
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Da die Beklagte in ihrem Reisekatalog Nichtraucherflüge nicht angekündigt hatte, stand
die Ankündigung der Mitarbeiterin des Reisebüros im offenen Widerspruch zu den
Ankündigungen im Reisekatalog der Beklagten. Durch die Zusicherung der Mitarbeiterin
ist die Beklagte demnach nicht gebunden worden.
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Die Reiseleistung der Beklagten war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Klägerin
und ihr Ehemann verpflichtet waren, am Urlaubsort Plastikarmbänder zu tragen, damit
das Hotelpersonal feststellen konnte, dass sie ein All-inclusive-Angebot gebucht hatten.
Indem die Beklagte die Klägerin und ihren Ehemann verpflichtete, Plastikarmbänder zu
tragen, wich die Reiseleistung noch nicht von der allgemein üblichen Beschaffenheit
einer Reise ab. Dem Reiseveranstalter bzw. seinem Leistungsträger muss es im
Interesse einer Kontrolle sowie zur Vermeidung von Missbräuchen gestattet sein, die
geeigneten Maßnahme zu treffen, damit das Hotelpersonal erkennen kann, welchem
Reisegast kostenlos Getränke und Verpflegung zur Verfügung zu stellen sind. Die
geschilderte Handhabung ist danach nicht zu beanstanden, da andere weniger
beeinträchtigende Kennzeichnungen, die auch nicht missbraucht werden könnten, nicht
zu erkennen sind. Das Persönlichkeitsrecht des Reisenden ist nicht betroffen. Er wird
durch die Kennzeichnung weder in seiner Persönlichkeit benachteiligt noch seiner
Menschenwürde beraubt. Eine solche Kennzeichnung kommt keineswegs nur bei
Tieren und Säuglingen vor, die ihrer Persönlichkeit noch keinen Ausdruck verleihen
können. Sie sind auch bei erwachsenen Menschen anzutreffen, z. B. bei
Kongressteilnehmern sowie Hotel- oder Wachpersonal, ohne dass man sagen kann,
dass hierdurch die individuelle Persönlichkeit des Trägers hinter der Kennzeichnung
zurücktritt (siehe dazu Tempel, geringfügige Reisemängel, NJW 1997, S. 2206 (2213).
Zudem wies die Beklagte in ihrem Reisekatalog unter der Rubrik "Was Sie vor der
Reise wissen sollten" darauf hin, dass Reisende, die ein All-inclusive-Angebot gebucht
haben, damit rechnen müssen, dass sie am Urlaubsort ein Plastikarmband tragen
müssen.
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Der Reisepreis war auch nicht deswegen zu mindern, weil die Klägerin und ihr
Ehemann bei der Vergabe der Getränke teilweise längere Zeit warten mussten. Tritt
eine Störung der Reiseleistung auf, ist stehts zu fragen, ob es sich hierbei um einen
Fehler der Reiseleistung handelt oder ob lediglich eine Reiseunannehmlichkeit vorliegt,
die im Zeitalter des Massentourismusses entschädigungslos hinzunehmen ist.
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Grundsätzlich kann es bei der Buchung einer Reise in einem Touristenhotel einmal
dazu kommen, dass mehrere Reisegäste oder auch andere Hotelbesucher gleichzeitig
an der Bar ein Getränk bestellen wollen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass man eine
gewisse Zeit warten muss, da das Personal nicht alle Personen gleichzeitig bedienen
muss. Gewisse Wartezeiten sind daher als bloße Reiseunannehmlichkeit
entschädigungslos hinzunehmen. Zwar dürfte eine Wartezeit von 30 Minuten über das
Maß des entschädigungslos hinzunehmenden hinausgegangen sein. Die Klägerin trägt
jedoch nicht vor, wann und wie häufig sie tatsächlich so lange auf ein Getränk warten
musste. Von der Häufigkeit dieser Wartezeiten hängt es jedoch ab, inwieweit der
Reisepreis zu mindern ist. Der Sachvortrag, sie habe zum Teil sogar 30 Minuten warten
müssen, war in dieser Hinsicht jedoch nicht hinreichend bestimmt. Eine Minderung
konnte das Gericht daher nicht bemessen.
Die Reiseleistung der Beklagten war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die
Reisegäste, die kein All-inclusive-Angebot gebucht hatten, anderes Essen bekamen.
Einen Fehler der Reiseleistung der Beklagten hat die Klägerin insoweit nicht schlüssig
vorgetragen, weil sie nicht dartut, welches Menü sie selbst erhalten hat. Entsprach
dieses noch der allgemein üblichen Verpflegung lag ein Fehler der Reiseleistung der
Beklagten selbst dann nicht vor, wenn andere Reisegäste ( u. U. gegen Zahlung eines
höheren Entgelts) eine andere Verpflegung erhalten haben.
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Die Reiseleistung der Beklagten war auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Klägerin
die Reiseleitung erstmals am 18.05.1998 antraf. Die Beklagte hatte in ihrem
Reisekatalog nicht versprochen, dass eine Reiseleitung stets verfügbar sein würde. Die
Beklagte war nicht verpflichtet, eine solche Reiseleistung zur Verfügung zu stellen.
Selbst wenn also die Reiseleitung tatsächlich nicht regelmäßig vor Ort gewesen sein
sollte, begründete dies keinen Fehler der Reiseleistung der Beklagten.
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Der Reisepreis war auch nicht deswegen zu mindern, weil sich das Hotelpersonal auf
dem Flur teilweise laut unterhielt, teilweise auf den Fingern pfiff und sich per Telefon auf
dem Flur miteinander verständigte. Tritt eine Störung der Reiseleistung auf, ist stets zu
fragen, ob es sich hierbei bereits um einen Fehler der Reiseleistung handelt oder ob
lediglich eine Reiseunannehmlichkeit vorliegt, die im Zeitalter des Massentourismusses
einmal vorkommen kann. Die Zimmer in dem Hotel wurden regelmäßig gereinigt. Es
liegt auf der Hand, dass dies mit gewissen Störungen einhergeht. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn sich das Hotelpersonal auf den Fluren unterhält, während es die
Arbeiten verrichtet. Dem Hotelpersonal wäre es jedenfalls nicht zuzumuten, aufgrund
einer Anweisung des Hoteldirektors die gesamten Tätigkeiten schweigend zu
verrichten. Die damit verbundenen Störungen sind entschädigungslos hinzunehmen.
Wann und wie häufig auf den Hotelfluren gepfiffen wurde und wie weit dies die Reise
der Klägerin und ihres Ehemannes beeinträchtigt hat, haben diese nicht in
nachvollziehbarer Weise dargestellt.
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Entsprechendes gilt für eine Störung durch klingende Telefone auf dem Hotelflur. Es ist
nicht zu beanstanden, wenn auf dem Hotelflur ein Telefon ist, an dem das Hotelpersonal
erreicht werden kann. Die Klägerin hat nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt,
dass das Maß des entschädigungslos hinzunehmenden durch den dauernden Betrieb
dieses Telefons überschritten wurde. Sie hat insbesondere nicht plausibel gemacht,
was das Hotelpersonal während des gesamten Tages auf dem Hotelflur unternommen
haben soll. Eine Notwendigkeit, sich mittels dieses Telefons auf den Hotelfluren zu
verständigen, wird nur anlässlich der Reinigung der Zimmer bestanden haben. Während
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der übrigen Zeit dürfte auf den Hotelfluren Ruhe geherrscht haben.
Auch die Missachtung des Hinweisschildes "Bitte nicht stören" durch das Putzpersonal
morgens um 08:00 Uhr begründet nur eine entschädigungslos hinzunehmende
Reiseunannehmlichkeit. Weshalb allein deswegen die Nachtruhe regelmäßig zu dieser
Zeit beendet gewesen sein soll, ließ sich nicht nachvollziehen. Es handelt sich nur um
eine kurzfristige Störung durch das Putzpersonal.
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Der Reisepreis war auch nicht deswegen weitergehend zu mindern, weil der Rückflug
vom 01.06.1998 auf den 02.06.1998 verlegt wurde, obwohl ein Fehler der Reiseleistung
der Beklagten insoweit eindeutig vorlag.
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Bei der Bestimmung einer Minderung des Reisepreises wegen eines Fehlers der
Reiseleistung der Beklagten ist zu fragen, welchen Verkehrswert die Reise unter
Berücksichtigung des Fehlers der Reiseleistung der Beklagten gehabt hat. Es lässt sich
jedoch nicht sagen, dass ein 15-tägiger Aufenthalt in der Karibik weniger wert ist, als ein
14-tägiger Aufenthalt. Es hat sich vielmehr um eine kostenlose Zugabe gehandelt.
Insoweit ist zu unterscheiden zwischen einer Flugverspätung, bei der sich der Reisende
in der Erwartung der baldigen Abreise an den Flughafen begibt und dann dort sinnlos
warten muss und einer Flugverlegung, die dem Reisegast rechtzeitig bekannt gegeben
wird. Da die Klägerin wusste, dass die Abreise erst am 02.06.1998 erfolgen würde,
konnte sie den eigentlichen Abreisetag noch sinnvoll zu Urlaubszwecken nutzen.
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Eine Haftung der Beklagten kommt insoweit daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt
des Schadensersatzes gem. § 651 f Abs. 1 BGB in Betracht. Schadensersatzansprüche
hat die Klägerin jedoch nicht geltend gemacht. Zudem ist zweifelhaft, ob der Verlust
eines Urlaubstages gegenüber dem Arbeitgeber einen selbstständigen Vermögenswert
hat. Schließlich würde ein Schadensersatzanspruch gem. § 651 f Abs. 1 BGB aber auch
an dem fehlenden Verschulden der Beklagten scheitern. Denn die Verlegung des
Rückfluges beruhte auf einem Fluglotsenstreik in Frankreich. Da dies außerhalb der
Einflusssphäre der Beklagten lag, hatte sie diese Verlegung nicht gem. § 276 BGB zu
vertreten. Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Beklagte den Rückflug besser und schneller hätte organisieren können. Insoweit war zu
bedenken, dass für eine Vielzahl von Urlaubsgästen, die von dem Fluglotsenstreik
betroffen waren, ein Rückflug organisiert werden musste.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1; 708 Nr. 11; 711 ZPO.
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Streitwert: 5.242,-- DM
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