Urteil des AG Kerpen vom 30.07.2009

AG Kerpen (höhe, betrag, mahnung, rechnung, mahnkosten, konto, zahlung, forderung, zahlungsverzug, zpo)

Amtsgericht Kerpen, 104 C 180/09
Datum:
30.07.2009
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 104
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
104 C 180/09
Normen:
BGB § 433; ZPO § 253
Leitsätze:
1. Wenn ein Stromversorger eine noch offene Restforderung aus einer
Stromrechnung verfolgt, so gehört es zur Schlüssigkeit der Klage, den
noch geltend gemachten Betrag der Höhe nach plausibel darzulegen.
Nicht ausreichend ist dabei, einfach einen Teilbetrag einzuklagen, der
unterhalb des Rechnungsbetrages liegt, weil in einem solchen Fall
weder der Schuldner noch das Gericht nachvollziehen kann, wie sich
die Restforderung errechnet haben soll. Ein entsprechender Titel wäre
daher auch nicht einmal der (materiellen) Rechtskraft fähig.
2. Auch wenn für Mahn- und Inkassokosten (für Inkassogänge) nach den
gültigen Rechtsverordnungen 3,80€ bzw. 26,70€ verlangt werden
können, so ist doch stets darzulegen, dass und in welcher Höhe sich der
Kunde des Versorgungsunternehmens zuvor in Zahlungsverzug
befunden haben soll. Wird eine Forderungsaufstellung vorgelegt, aus
welcher sich ergibt, dass allenfalls geringfügige Schulden (hier noch
Höhe von rund 60,00€) bestanden haben könne, so müssen sich die
vorgerichtlichen Kosten in einem angemessenen Rahmen bewegen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Gemäß § 495a Abs. 2 S. 1 ZPO ohne Tatbestand.)
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten weder die geltend gemachte
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Hauptforderung in Höhe von 167,93 € noch die vorgerichtlichen Kosten in Höhe von
145,48 € zu. Dem zufolge kann die Klägerin auch keine Zinsen von dem Beklagten
verlangen.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen der bundesweit größten Stromanbieter. In
diversen Prozessen, die auch vor dem erkennenden Gericht geführt wurden, vertritt sich
die Klägerin teils selbst, teils lässt sie sich durch Rechtsanwälte vertreten (was sich
allerdings kaum auf die Qualität der jeweiligen Bearbeitung auswirkt). Angesichts der
diversen Prozesse, welche die Klägerin ständig führt, muss ihr bekannt sein, dass eine
Forderung, die im Rahmen eines Zivilprozesses geltend gemacht wird, substantiiert
darzulegen ist. Dazu gehört es (vergleiche den Beibringungsgrundsatz) dass die
Tatsachen, welche die Forderung begründen sollen, detailliert vorzutragen sind. An
einem derart substantiiertem Vortrag fehlt es hier.
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Unverständlich ist dazu schon die von der Klägerin vorgelegte Anspruchsbegründung
vom 8.4.2009. So führt die Klägerin auf S. 2 ihres Schreibens vom 8.4.2009 auf, dass
Zweck der Klage die Zahlung des Forderungsbetrages gemäß der Jahresrechnung vom
2.2.2008 für Stromlieferungen in der Zeit vom 23.1.2007 bis zum 15.1.2008 sei. Als
Forderungsbetrag wird dazu sodann ein Betrag in Höhe von 36,73 € angegeben.
Studiert man dazu sodann die beigefügte Rechnung vom 2.2.2008 (Anlage 1), so ist dort
an Stromkosten ein Betrag in Höhe von 212,28 € ausgewiesen. Weshalb die Klägerin
nun meint, dass ihr (nur) noch ein Betrag in Höhe von 36,73 € aus der Rechnung
zustehe, ist in keiner Weise dargetan worden. Für einen ordnungsgemäßen
Parteivortrag läge es dabei freilich auf der Hand, dass bereits mit der
Anspruchsbegründung dargestellt wird, welche Zahlungen des Beklagten auf den
ursprünglichen Rechnungsbetrag in Höhe von 212,28 € (dieser Betrag bezieht sich
ausschließlich auf die Belieferung des Beklagten mit Strom) verrechnet wurden. Ohne
nähere Darlegungen dazu ist es nämlich weder für das Gericht noch für den Beklagten
möglich, die geltend gemachte Forderungshöhe zu verstehen.
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Entsprechendes gilt dann auch für die weitere Hauptforderung der Klägerin, welche in
Höhe eines Betrages von 131,20 € auf die Schlussrechnung vom 1.9.2008 (Anlage 2)
gestützt wird. Es versteht sie schon fast von selbst, dass auch hier der Rechnungsbetrag
nicht mit dem Betrag übereinstimmt, welcher von der Klägerin in dem Verfahren verfolgt
wird. Der Rechnungsbetrag beläuft sich nämlich - wiederum ausschließlich für den
Bezug von Strom - auf 141,12 €. Irgendwelche Angaben zu der Frage, weshalb von der
Klägerin nur noch 131,20 € geltendgemacht werden, fehlen selbstredend.
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Damit fehlt es dem Vortrag der Klägerin aber schon an der erforderlichen Schlüssigkeit.
Es kann nämlich von dem Beklagten keine vernünftige Erwiderung erwartet werden,
wenn ihm die Klägerin vorenthält, wie sie auf die von ihr ermittelten Restforderungen
gekommen ist. Dass es auch angebracht ist, den "Rechenvorgängen" der Klägerin - die
hier für die Hauptforderungen gänzlich fehlen - mit äußerster Skepsis zu begegnen, wird
im folgenden für die geltend gemachten Nebenforderungen dargetan.
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Die Klägerin kann von dem Beklagten auch nicht weitere 145,48 € für vorgerichtliche
Mahn- beziehungsweise Inkassokosten (Nachinkassogänge) verlangen.
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Nach Auffassung des Gerichts ist dazu schon zu beanstanden, dass es die Klägerin
nicht für nötig erachtet, im einzelnen vorzutragen, weshalb die Nebenforderungen
berechtigt sein sollen. Beispielhaft sei dies für die Mahnung vom 4.8.2008 dargestellt.
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Für diese Mahnung verlangt die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3,80 €. Mit welchem
Betrag sich der Beklagte jedoch beim Versand der Mahnung in Verzug befunden haben
soll und weshalb überhaupt ein Zahlungsverzug des Beklagten vorgelegen haben
könnte, wird nicht dargestellt.
Solche Darlegungen sind aber unverzichtbar. Dies umso mehr, wenn man die
"detaillierte Forderungsaufstellung" hinzu nimmt, welche von der Klägerin mit ihrem
Schreiben vom 3.6.2009 zur Gerichtsakte gereicht worden ist (vgl. Bl. 28 f. GA). So ist
dort aufgeführt, dass das Konto des Beklagten nach einer von ihm erbrachten Zahlung
unter dem 6.11.2007 über 50 € "glattgestellt" war.
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Eine weitere Zahlung des Beklagten vom 6.2.2008 führte dann sogar dazu, dass dem
Beklagten gegenüber der Klägerin ein Guthaben in Höhe von 50 € zustand. Der
Forderungsaufstellung kann dann weiter entnommen werden, dass unter dem 23.2.2008
eine Turnusrechnung über 103,41 € erstellt wurde. Aus dem Guthaben des Beklagten
entwickelte sich so ein von ihm noch zu zahlender Betrag in Höhe von 53,41 €.
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Verblüffend ist sodann jedoch, dass ebenfalls unter dem 23.2.2008 mit dem Betreff
"Kontenpflege Faktura" dem Beklagten gleich zweimal je 3,80 € (wohl Mahnkosten)
belastet wurden. Weiter wurde unter dem 23.2.2008 unter dem gleichen Betreff noch ein
Betrag in Höhe von 26,70 € (wohl für einen Nachinkassogang) als Belastung gebucht.
Der Hintergrund für diese Belastungen ist von der Klägerin (natürlich) nicht dargetan
worden. Wie eifrig die Klägerin Mahn- und Inkassogebühren in Rechnung stellt ergibt
sich dann auch aus dem weiteren Kontenverlauf. So wurden jeweils unter dem 6.3., dem
15.4. dem 6.5., dem 4.6. sowie dem 3.7.2008 jeweils 3,80 € an Mahngebühren sowie
unter dem 28.3., dem 17.4. und dem 24.6.2008 jeweils 26,70 € für Nachinkassogänge in
Rechnung gestellt. Welche Forderung/en hier jeweils gemahnt bzw. im Wege des
Inkassos eingetrieben werden sollte/n, ist nicht mitgeteilt worden. Falls sich die
Aktivitäten der Klägerin dabei auf die Forderung vom 23.2.2008 in Höhe von 53,41 €
und den Abschlag vom 23.2.2008 über 9,92 € beziehen sollten, so wäre der
Kostenaufwand freilich in jeder Hinsicht vollkommen unverhältnismäßig.
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Betrachtet man diese Vorgehensweise der Klägerin in ihren Auswirkungen auf das
Konto, so ist dies noch einmal wie folgt zusammenzustellen: Aufgrund der
Turnusrechnung vom 23.2.2008 hatte der Beklagte (nach der Verrechnung mit seinem
Guthaben in Höhe von 50 €) noch 53,41 € an die Klägerin zu zahlen. Bis Mitte Juli 2008
(genau: bis zum 16.7.2008) zahlte der Beklagte dann 110 € und 50 € Euro, zusammen
also 160 € an die Klägerin. Obwohl in dem gleichen Zeitraum von dem Beklagten nur
noch ein Abschlag in Höhe von 9,92 € (in Rechnung gestellt unter dem 23.2.2008) hätte
gezahlt werden müssen, geht die Klägerin aufgrund der diversen, dem Beklagten
einfach in Rechnung gestellten Mahn- und Inkassokosten in ihrer Forderungsaufstellung
davon aus, dass er (der Beklagte) der Klägerin noch 36,73 € schulde. Auf diese Weise
kann man natürlich auch aus kleinsten Forderungen noch richtig Geld machen.
Verrechnet man nämlich die von dem Beklagten gezahlten 160 € mit dem noch offenen
Betrag aus der Turnusrechnung und dem Abschlag (in Höhe von insgesamt 63,33 €), so
ergibt sich an sich rechnerisch ein Guthaben des Beklagten gegenüber der Klägerin in
Höhe von 96,67 €. Die Klägerin geht demgegenüber für den gleichen Zeitraum davon
aus, dass sie noch 36,73 € von dem Beklagten zu bekommen hat. Die Differenz zu
Lasten des Beklagten in Höhe von 133,40 € (36,73 € zuzüglich 96,67 €) ist stattlich und
durch nichts zu rechtfertigen.
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Dass das ganze Rechenwerk der Klägerin zu beanstanden ist, ergibt sich auch aus
einem anderen Blickwinkel. So ist oben schon erwähnt worden, dass für den Beklagten
unter dem 6.11.2007 eine Leistung in Höhe von 50 € berücksichtigt wurde, mit welcher
(nach der Forderungsaufstellung der Klägerin) das Konto "glattgestellt" wurde. Die
danach liegenden Leistungen des Beklagten über 110 € und über weitere 50 € hätten
daher nur mit fälligen Forderungen verrechnet werden können, die nach dem 6.11.2007
entstanden sind.
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Auch dies kümmert die Klägerin indessen nicht. So wird die Leistung des Beklagten
über 110 € unter anderem mit Mahnkosten vom 9.10. (Rest in Höhe von 1,38 €) und
4.11.2007 (3,80 €) verrechnet. Auch wenn es sich insofern nur um einen relativ
geringfügigen Betrag in einer Gesamthöhe von 5,18 € handelt, so nährt das Vorgehen
der Klägerin doch die Bedenken an ihrer Abrechnungspraxis. Nur am Rande sei dann
noch erwähnt, dass die Klägerin dem Beklagten - ohne nähere Darlegungen dazu zu
machen - in der Zeit vom 6.12.2005 bis zum 4.11.2007 insgesamt 16 Mahngebühren zu
je 3,80 € in Rechnung gestellt hatte, die sodann allerdings - mit den übrigen
Forderungen der Klägerin - durch die Zahlung des Beklagten vom 6.11.2207 samt und
sonders ausgeglichen wurden. (In welchem Umfang dem Beklagten dabei zu Recht
Mahnkosten belastet wurden, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen.)
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Schon angesichts dieser Darlegungen ist offensichtlich, dass die Klägerin für die
Mahnung vom 4.8.2008 keine Mahnkosten vom Beklagten verlangen kann. Das gleiche
gilt auch für den Nachinkassogang vom 2.8.2008 sowie für die - natürlich auch nicht
näher dargelegten - Sperrkosten vom 6.8.2008. Schließlich sind auch die Kosten für die
Mahnung vom 10.2.2009 in Höhe von 3,80 € nicht zureichend dargetan worden.
Auffallend ist dabei noch, dass der Nachinkassogang vom 2.8., die Mahnkosten vom
4.8. und auch die Kosten für die Sperrung vom 6.8.2008 wie auch die Kosten für die
Mahnung vom 10.2.2009 nicht in die "detaillierte Forderungsaufstellung" eingeflossen
sind. Wann derartige Kosten dort erfasst werden - oder eben auch nicht - ist von
Klägerin ebenfalls nicht erläutert worden.
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Zu Recht hat dann auch der Beklagte in einem Schreiben vom 2.4.2009, welches an die
Klägerin gerichtet wurde (vgl. hier Bl. 24 GA), moniert, dass die Art und Weise, wie die
Klägerin mit ihren Kunden umgeht, "mit Menschlichkeit nicht viel zu tun (hat)". In
einfachen Worten rügt der Beklagte dort, dass ihm trotz seiner Zahlungen "laufend
Mahn- (und) Inkassokosten" belastet worden seien.
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Da es sich vorliegend kaum um das letzte Verfahren gehandelt haben wird, welches die
Klägerin bei dem erkennenden Gericht anhängig macht, sei für alle zukünftigen
Verfahren noch einmal deutlich gesagt, dass das Gericht etwaige Nebenforderungen
nur dann zuerkennt (bzw. bei vorgenommenen Verrechnungen berücksichtigt), wenn
diese detailliert dargelegt werden. Werden daher z.B. Mahnkosten geltend gemacht, so
können derartiger Kosten nur dann berücksichtigt werden, wenn zunächst im einzelnen
dargelegt wird, wann sich der Kunde der Klägerin mit welchem Betrag in Verzug
gefunden haben soll. Die Klägerin mag dabei auch bedenken, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich der Zeitaufwand eines
Gläubigers zur Darstellung einer Mahnung selbst dann nicht erstattungsfähig ist, wenn
sich der Schuldner zuvor bereits in Zahlungsverzug befunden hat (vgl. dazu nur
Palandt-Heinrichs, 67. Aufl., § 286 Rz. 48, § 249 Rz. 41 m.w. Nachw.). Ersatzfähig sind
daher regelmäßig nur die Papier- und Portokosten. Wenn die Klägerin demgegenüber
aufgrund von bestehenden Rechtsverordnungen für ihre Mahnungen sogar pauschal
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3,80 € geltend machen kann, so ist erst recht zu verlangen, dass sie sich der Mühe
unterzieht, die angeblich jeweils noch offenen Forderungen substantiiert
zusammenzustellen, damit die Berechtigung der Mahnung/en nachvollzogen werden
kann.
Wie wenig seriös im übrigen die Abrechnungspraxis der Klägerin gegenüber ihren
Kunden ist, ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin unter dem 10.2.2009 eine
"gerichtliche Gebühr" in Höhe von 3,80 € unter unter dem 6.3.2009 die von ihr wohl in
dem vorliegenden Verfahren gezahlten 23 € (wiederum als "gerichtliche Gebühr")
einfach in die Forderungsaufstellung hat einfließen lassen. Der Klägerin sollte dabei
klar sein, dass über die Frage, wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens zu tragen hat,
die zuständigen Gerichte zu entscheiden haben. Es mutet daher befremdlich an, wenn
schon im Vorgriff auf eine derartige Kostenentscheidung das Konto des Kunden einfach
belastet wird (in gleicher Weise ist die Klägerin im übrigen unlängst in einem
Parallelverfahren vorgegangen; dort wurden die Gerichtskosten für das noch laufende
Verfahren einfach in eine Schlussrechnung aufgenommen). Für das vorliegende
Verfahren gilt jedenfalls, dass die Klägerin diese Kosten direkt wieder aus der
Forderungsaufstellung streichen kann, da ihr (vergleiche den Tenor dieses Urteils) die
Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.
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Die prozessualen Entscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert: bis 300 €
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