Urteil des AG Kerpen vom 01.04.2004

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Amtsgericht Kerpen, 24 C 121/04
Datum:
01.04.2004
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abt. 24
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 C 121/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten .
Tatbestand
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen
####1. Sie nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls am 7.
November 2003 gegen 10:45 Uhr auf der I-Straße in L in
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Anspruch. Die Klägerin befuhr die I-Straße aus Richtung Amtsgericht kom-
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mend in Richtung Innenstadt. Aus ihrer Sicht hinter der Kreuzung I/Alte M-Straße war in
Höhe des Hauses I-Straße rechtsseitig eine Baustelle eingerichtet. Vor diesem Haus
befand sich der Lkw Daimler-Benz des Beklagten zu 1), der bei der Drittbeklagten
haftpflichtversichert ist. Er ragte mit der linken hinteren Fahrzeugecke ca. 1,2 m in die
dort 6,60 m breite Fahrbahn. Es kam zu einer Berührung der Fahrzeuge, aufgrund derer
die rechte Seite des Pkw’s der Klägerin beschädigt wurde.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2) habe langsam in dem Augenblick
zurückgesetzt, als sie an dem Lkw habe vorbeifahren wollen. Er sei nach dem Unfall
ausgestiegen, habe sich das Heck ihres Fahrzeugs angesehen und erst dann die
Warnblinkanlage eingeschaltet. Den ihr durch den Unfall entstandenen Sachschaden
beziffert die Klägerin auf insgesamt 4.699,91 EUR, wovon sie die Hälfte ersetzt verlangt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.349,96 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2004 zu
zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, der Lkw sei von weitem gut erkennbar gewesen. Die Klägerin habe
offensichtlich bei der Vorbeifahrt den Abstand zum Lkw unterschätzt. Dieser sei im
Unfallzeitpunkt entladen worden und habe gestanden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen
Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W und T sowie durch
Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens. Wegen des Beweisergebnisses wird
auf die Sitzungsniederschrift vom 03. September 2004 sowie das Gutachten des
Sachverständigen Dipl.-Ing. I vom 25. Januar 2005 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten wegen des Verkehrsunfalls am 7. November
2003 aus keinem rechtlichen Grund ein Schadensersatzanspruch zu. Insbesondere
kann sie ihr Zahlungsverlangen nicht mit Erfolg auf die §§ 7,17, 18 StVG in Verbindung
mit § 3 PflVersG stützen.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist kein fahrerisches oder sonstiges
Fehlverhalten auf Seiten der Beklagten ersichtlich, das im Rahmen der nach § 17 StVG
vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zu Lasten der
Beklagtenseite zu berücksichtigen wäre. Wie die Beweisaufnahme zur sicheren
Überzeugung des Gerichts ergeben hat, ist der Unfall vielmehr auf das alleinige
Verschulden der Klägerin selbst zurückzuführen. Sie hat, sie von den Beklagten wohl
zutreffend vermutet, offenbar den Abstand zu dem stehenden Lkw unterschätzt und
diesen daher gestreift. Sie hat den ihr obliegenden Beweis dafür, dass der Lkw im
Unfallzeitpunkt zurückgesetzt worden wäre, nicht erbringen können. Die Zeugin T hat
uneingeschränkt glaubhaft bekundet, daß der Fahrer des Lkw sich nicht im Führerhaus
befunden habe. Sie hat dessen Verhalten detailreich und widerspruchsfrei geschildert.
Zunächst aufhältig in einer in unmittelbarer Nähe zum Unfallort gelegenen Videothek,
hatte sie die Möglichkeit, sich innerhalb weniger Sekunden zum Unfallort zu begeben.
Da sie diese Möglichkeit wahrgenommen hat, konnte sie zuverlässige Angaben zum
Aufenthaltsort des Fahrers unmittelbar nach dem Unfall machen. Daß dieser das
Führerhaus "blitzartig" und unbemerkt von der Zeugin verlassen hätte, ist vor dem
Hintergrund der Aussage der Zeugin ebenso auszuschließen wie die theoretisch
denkbare Möglichkeit, daß der Lkw sich mit unbesetztem Führerhaus rückwärts bewegt
hätte. Auch die Aussage des Zeugen W spricht eher gegen eine Rückwärtsbewegung
des Lkw. Nach dessen nicht minder glaubhaften Angaben ist seinerzeit an Ort und
Stelle im wesentlichen, auch von der Klägerin, über die Erkennbarkeit des Lkw
gesprochen worden. Wie von der Klägerin selbst eingeräumt und von ihr - nur begrenzt
nachvollziehbar - mit einem Schock begründet, erwähnte sie nichts von einer
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Rückwärtsbewegung des Lkw.
Nicht zuletzt ist der dem Gericht aus zahlreichen Verfahren als sachkundig und
sorgfältig bekannte Sachverständige Dipl.-Ing. I in seinem Gutachten vom 25. Januar
2005 aufgrund einer Auswertung der fotografisch dokumentierten Schäden am Pkw der
Klägerin mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Lkw beim
Unfall gestanden habe. Aufgrund der Kontaktspuren sei ein Zurücksetzen des Lkw
auszuschließen.
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Dahinstehen kann, ob die Warnblinkanlage des Lkw eingeschaltet war oder nicht.
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Denn selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre dies den Beklagten
nicht als schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Nach § 16 Abs. 1 Ziff. 2 StVO darf Schall-
und Leuchtzeichen nur geben, wer sich oder andere gefährdet sieht. Warnpflicht besteht
nur, wenn ein Verkehrsvorgang nach verständiger Beurteilung unmittelbar in Schaden
umzuschlagen droht ("konkrete Gefahr"). Nur allgemein mögliche Gefährdung genügt
hingegen nicht (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl. Rz. 9 zu § 16
StVO). Hier ging von dem weithin sichtbar abgeparkten Lkw allenfalls eine abstrakte
Gefahr im letzteren Sinne aus, so daß das Einschalten der Warnblinkanlage unzulässig
gewesen wäre. Sollte die Sonne (um Uhr?) die Klägerin geblendet haben, so
begründete auch dies kein konkretes Gefährdungspotential des Lkw’s. Bei angemessen
aufmerksamer und vorsichtiger Fahrweise hätte die Klägerin den Lkw problemlos
passieren können und müssen, wie dies etlichen Kraftfahrern vor ihr gelungen sein soll.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 2.349,96 EUR
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