Urteil des AG Kerpen vom 24.03.2009

AG Kerpen: drittwirkung der grundrechte, verordnung, abschlag, jahresrechnung, zahlungsverzug, druck, grundversorgung, wasserversorgung, gas, zwangsvollstreckung

Amtsgericht Kerpen, 22 C 20/08
Datum:
24.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 22
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 C 20/08
Normen:
AVBWasserV § 32 Abs. 2 Satz 1; BGB § 273
Leitsätze:
1. Die Einstellung der Versorgung mit Wasser kommt über § 273 BGB
nur dann in Betracht,
wenn die Voraussetzung dieser Vorschrift neben den in § 33 Abs. 2 Satz
1 der AVBWasserV geregelten Erfordernissen erfüllt sind (Anschluss an
BGB, Urteil vom 3.7.1991-VIII ZR 190/09-, BGHZ 115, 99 ff. = ZMR 1991,
372 [ergangen zu § 33 Abs. 2 Satz 1 AVBEltV]).
2. Zu den - immanenten - Voraussetzungen der AVBWasserV gehört
dabei, dass der Kunde gerade seiner spartenspezifischen Verpflichtung
nicht zureichend entsprochen haben muss
(vgl. ebenso AG Lübeck, Urteil vom 6.11.2006, 22 C 2737/06, WuM
2007, 391 ff. - zitiert nach juris -). Um -wie hier- dem Kunden das Wasser
absperren zu dürfen muss daher ein Verstoß des Kunden gegen seine
Vertagspflichten wegen der Wasserbelieferung vorliegen.
3. Ein Versorungsunternehmen verhält sich sittenwidrig, wenn der
Kunde über den Druck eines angedrohten Ausbaus des Wasserzählers
dazu gebracht werden soll, offene Rechnungen aus anderen
Versorgungssparten (hier aus einer Strombelieferung) zu erfüllen.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig (die Berufung wurde gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO
zugelassen)
Tenor:
Die Klage wird - soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt
wurde - abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die
Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin belieferte die Beklagte mit Energie (Strom) unter der im Rubrum
angegebenen Anschrift der Beklagten.
2
Der Energielieferungsvertrag ist dadurch zu Stande gekommen, dass die Beklagte
Energie aus dem Verteilungsnetz der Klägerin entnommen hat (vgl. § 2 Abs. 2 der
Verordnung zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden
und die Ersatzversorgung im Energiebereich, GVV Strom vom 26.10.2006 BGBl. I. S.
2391).
3
Weiterhin besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten ein
Wasserlieferungsvertrag. Diesem Vertrag liegt die Verordnung über Allgemeine
Bedingungen für die Wasserversorgung von Tarifkunden (AVBWasserV) zu Grunde.
4
Für den Energieverbrauch hat die Klägerin in der Klageschrift vom 17.1.2008 einen
Rückstand der Beklagten in Höhe von 2.394,71 € dargestellt und sich dazu auf ein
Schreiben von ihr vom 6.12.2007 bezogen. Ausweislich dieses Schreibens (vgl. Bl. 5 f.
GA) sollte sich die offene Forderung der Klägerin aus Energielieferungen einschließlich
Mahn- und Inkassokosten auf 1.911,71 € belaufen. Dazu sollten 633 € an Mahn- und
Inkassokosten kommen. Dies machte einen Betrag in Höhe von 2.554,71 € aus,
abzüglich einer Zahlung vom 3.12008 über 150 € verblieb der in der Klageschrift
angegebene Betrag in Höhe von 2.394,71 €.
5
Mit Schreiben vom 27.3.2008 hat die Klägerin dargetan, dass sich der Rückstand der
Beklagten bis zum 15.6.2008 auf einen Betrag in Höhe von 2.727,71 € erhöht habe,
wobei in diesen Rückstand wohl alle Forderungen der Klägerin aus Strom- und
Wasserlieferungen nebst aller Nebenforderungen eingeflossen sind.
6
Mit der Klage begehrte die Klägerin zunächst, sowohl den Stromzähler mit der Nummer
###1 wie auch den Wasserzähler mit der Nummer ###2 ausbauen zu dürfen. Dies sollte
die Beklagte jeweils dulden.
7
In der Sitzung vom 3.6.2008 (vgl. Bl. 44 GA) überreichte die Beklagte eine
Vertragsbestätigung der Firma T über den Abschluss eines Energielieferungsvertrages
zum 1.6.2008. Mit Schriftsatz vom 9.6.2008 (vgl. Bl. 56 GA) haben die Klägervertreter
sodann den Rechtsstreit hinsichtlich des Ausbaues der Messeinrichtung für den
Stromverbrauch für erledigt erklärt. Dieser - zu erwartenden - Teilerledigungserklärung
hatte sich die Beklagte bereits vorsorglich in der mündlichen Verhandlung vom 3.6.2008
angeschlossen (vgl. Bl. 44 GA). Mit Schriftsatz vom 30.6.2008 legten die Klägervertreter
unter Hinweis auf den Anbieterwechsel für den Strombezug eine auf den 10.6.2008
datierte Schlussrechnung für den Stromverbrauch vor, welche eine Forderung zu
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Gunsten der Klägerin in Höhe von 1.808,34 € ausweist (vgl. Bl. 59 ff. GA). Die
Schlussrechnung für den Stromverbrauch weist dabei keine Inkassokosten aus. Weiter
wurde mit dem Schriftsatz vom 30.6.2008 auch die Jahresrechnung für die Belieferung
mit Wasser zur Gerichtsakte gereicht. Die Rechnung datiert auf den 28.6.2008 (vgl. Bl.
66 GA). Die Kosten für die Wasserbelieferung sind in ihr mit 171,07 € dargestellt
worden, weiter sind der Beklagten in der Rechnung Inkassokosten in Höhe von 106,80
€ und offen stehende Rechnungsbeträge in Höhe von 1.897,25 € belastet worden. Der
zweimonatliche Abschlag für den Bezug von Wasser wurde in der Rechnung auf 30 €
festgesetzt.
Mit Beschluss vom 6.7.2008 (vgl. Bl. 72 f. GA) hat das Gericht die Klägerin darauf
hingewiesen, dass - wie schon im Beschluss vom 18.6.2008 dargestellt (vgl. Bl. 54 f.
GA) - sich die Tilgung der Forderungen an § 366 Abs. 2 BGB zu orientieren habe. Es
wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Gerichts nicht einfach
sämtliche Inkassokosten der noch offenen Forderung der Klägerin aus der Belieferung
mit Wasser zugeordnet werden können. Weiter wurde angeregt, den Antrag auf Ausbau
des Wasserzählers nicht weiter aufrecht zu erhalten, da zu erwarten sei, dass seitens
der Beklagten die auf die Wasserbelieferung entfallenden Beträge entrichtet werden. Es
wurde angeregt, dass das Verfahren seitens der Klägerin ausschließlich als
Zahlungsklage weitergeführt werden sollte (vgl. im einzelnen den Beschluss vom
6.7.2008, Bl. 72 f. GA).
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Die Klägerin hat sich nicht in der Lage gesehen, diesen Anregungen des Gerichts zu
folgen. Sie ist der Ansicht, "dass die verschiedenen Medien in einem
einheitlichen
Lieferverhältnis zusammengefasst sind". Die angefallen Mahn- und Inkassokosten seien
daher auch auf das einheitliche Vertragskonto gebucht worden. Unter Bezugnahme auf
eine Entscheidung des LG Dortmund vom 11.5.2007 (Aktenzeichen 11 S 17/07 - vgl.
hier Bl. 88 ff. GA -) meint die Klägerin, dass ihr ein Recht zur Liefersperre zustehe, selbst
wenn sich die Rückstände aus anderen Lieferverhältnissen ergäben. Die Berechtigung
der Klägerin zur Einstellung der Versorgung bestehe hier umso mehr, als Strom und
Wasser unter ein und derselben Abnahmestelle entnommen worden seien.
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Mit Beschluss vom 15.8.2008 (vgl. Bl. 77 f. GA) hat das Gericht erneut angeregt,
detailliert aufzuschlüsseln, welche Beträge von der Beklagten noch für den Bezug von
Wasser zu entrichten sind und das Verfahren sodann - vorbehaltlich der Bezahlung der
Wasserkosten - schlicht als Zahlungsklage (wegen der noch offenen Forderungen der
Klägerin aus dem Strombezug) weiter zu verfolgen.
11
Unter Bezugnahme auf diesen Beschluss haben die Klägervertreter mit Schriftsatz vom
3.9.2008 angegeben, dass an Kosten für den Wasserverbrauch (unverändert) 171,07 €
zu zahlen seien und unter dem 15.8.2008 ein Abschlag in Höhe von 30 € (entsprechend
der Anforderung der Klägerin) geleistet worden sei.
12
Nachdem die Beklagte auch bis zum Termin am 25.11.2008 das auf die
Wasserbelieferung entfallende Entgelt nicht entrichtet hatte und sie im Termin keinen
Klageabweisungsantrag stellte, erging antragsgemäß Versäumnisurteil (auf Aufbau des
Wasserzählers).
13
Mit Schreiben vom 11.12.2008 legte die Beklagte fristgerecht Einspruch gegen das
Versäumnisurteil vom 25.11.2008 ein und begründete diesen damit, dass die in der
Jahresrechnung der Klägerin vom 28.6.2008 aufgeführten Wasserkosten in Höhe von
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171,07 € von ihr mit Überweisung vom 5.12.2008 beglichen worden seien. Neben dem
Abschlag zum 15.8.2008 sei - was unstrittig geblieben ist - auch der Abschlag zum
15.10.2008 in Höhe von 30 € für die Kosten der Wasserbelieferung gezahlt worden.
Die Klägerin begehrt weiter, dass die Beklagte zum Ausbau des Wasserzählers
verurteilt werden solle.
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Sie beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 25.11.2008 aufrecht zu erhalten und der Beklagten
die weiteren Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
17
Die Beklagte beantragt,
18
die Klage - soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde - unter
Aufhebung des Versäumnisurteils vom 25.11.2008 abzuweisen.
19
Die Beklagte hat namentlich ausgeführt, regelmäßige Zahlungen an die Klägerin
geleistet zu haben. Die Höhe der Zahlungen sei "ihrem Einkommen als Rentnerin
geschuldet" (vgl. die Eingabe der Beklagten vom 29.2.2008 = Bl. 12 GA). Sie sei auf die
Versorgung mit Strom und Wasser angewiesen und hält es für "äußerst fragwürdig, dass
man in der heutigen Zeit Dinge des Grundbedarfs entziehen (könne)" (vgl. erneut
a.a.O.).
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien sowie auf die
Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 3.6.2008, vom 25.11.2008 und vom
3.3.2009 Bezug genommen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22
Die Klage ist nicht begründet.
23
Nach Auffassung des Gerichts steht der Klägerin gegenüber der Beklagten kein
Anspruch auf Duldung des Ausbaus des Wasserzählers zu.
24
Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 der AVBWasserV (im folgenden auch nur: Verordnung) ist
ein Wasserversorgungsunternehmen bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung
trotz Mahnung berechtigt, die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen.
Nach Satz 2 der genannten Vorschrift gilt dies nicht, wenn der Kunde darlegt, dass die
Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und
hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt.
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Gemessen daran kann die Klägerin von der Beklagten nicht verlangen, dass sie den
Ausbau des Wasserzählers duldet. So ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die
Beklagte inzwischen die offene Forderungen der Klägerin aus der Jahresrechnung vom
28.6.2008 über die Belieferung mit Wasser in Höhe von 171,07 € beglichen hat. Weiter
ist unstrittig, dass die Beklagte auf die Abschlagszahlungen für die Belieferung mit
Wasser vollständig und fristgerecht geleistet hat. Bei dieser Sachlage besteht überhaupt
kein Anlass für die Annahme, dass die Beklagte in Zukunft die durch die Entnahme von
Wasser geschuldeten Beträge nicht an die Klägerin entrichten würde. Eine solche
Besorgnis ist auch nicht ansatzweise von der Klägerin dargetan worden.
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Soweit sich die Klägerin in dem Verfahren gleichwohl auf das Zurückbehaltungsrecht
aus § 273 BGB beruft, geschieht dies offensichtlich nicht mit dem Ziel, das Auflaufen
von weiteren Rückständen zu verhindern, sondern ausschließlich deshalb, um über die
von ihr angedrohte Einstellung der Belieferung der Beklagten mit Wasser einen
massiven und nach Auffassung des Gerichtes sogar sittenwidrigen Druck auf die
Beklagte auszuüben, noch offen stehende Stromrechnungen und Nebenforderungen
der Klägerin zu begleichen.
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Die Einstellung der Versorgung über § 273 BGB kommt dabei nach der Rechtsprechung
des BGH nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift neben den
in § 33 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung geregelten Erfordernissen erfüllt sind (vgl. BGH,
Urteil vom 3.7.1991 - VIII ZR 190/90 -, BGHZ 115, 99 ff. [ergangen zu § 33 Abs. 2 Satz 1
AVBEltV]).
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Zu den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 AVBWasserV oder auch AVBEltV gehört aber
nach Auffassung des Gerichts gerade, dass sich der Kunde mit einer (Zahlungs-
)Verpflichtung aus dem konkreten Lieferverhältnis in Verzug befinden muss. Denn in
den Verordnungen wird für die jeweiligen Versorgungssparten selbständig (wenn auch
gleichlautend) geregelt, unter welchen Voraussetzungen eben der Bezug von Strom
(AVBEltV) oder der von Wasser (AVBWasserV) durch Ausbau des Zählers unterbunden
werden kann. Zu den - immanenten - Voraussetzungen der jeweiligen Verordnung
gehört daher dazu, dass der Kunde gerade einer spartenspezifischen Verpflichtung
nicht zureichend entsprochen haben muss (vgl. ebenso AG Lübeck, Urteil vom
6.11.2006, 22 C 2737/06, WuM 2007, 391 ff. - zitiert nach juris - ). Es genügt daher nicht,
dass der Klägerin aus "irgend einem" (Versorgungs-)Vertrag noch eine offene
Forderung zusteht. Um - wie hier - dem Kunden das Wasser absperren zu können muss
eben ein Verstoß des Kunden gegen seine Vertragspflichten aus der AVBWasserV
vorliegen. Diese Interpretation ist schon deshalb naheliegend, weil sich die gesamte
Verordnung nur mit den Bedingungen für die Versorgung mit Wasser befasst.
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Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Bezug mit Wasser nicht um ein x-
beliebig ersetzbares Produkt handelt. Die Grundversorgung mit Wasser muss viel mehr -
jedenfalls in unserem Kulturkreis - als für ein menschenwürdiges Leben unverzichtbar
angesehen werden. Ungeachtet der Frage, in welchem Umfang zu Gunsten der
Beklagten eine so genannte Drittwirkung der Grundrechte in Betracht zu ziehen ist (vgl.
dazu kritisch Diederichsen, in: AcP Bd. 198 [1998], S. 171 ff.) ist jedenfalls im Rahmen
der Auslegung von § 33 Abs. 2 der Verordnung ("... dies gilt nicht, wenn der Kunde
darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der
Zuwiderhandlung stehen und hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen
Verpflichtungen nachkommt.") zu berücksichtigen, dass ein menschenwürdiges Dasein
ohne den Bezug von frischem Leitungswasser praktisch ausgeschlossen ist.
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Angesichts der vorstehenden Ausführungen und der Regelung in § 32 Abs. 2 der
Verordnung kann sich die Klägerin nach Auffassung des Gerichts für eine Sperrung der
Wasserversorgung nicht darauf berufen, dass sich der Kunde mit seinen
Zahlungsverpflichtungen aus der Belieferung mit Strom (so hier) oder auch mit Gas in
Zahlungsverzug befindet. Würde man nämlich dem Energielieferungsunternehmen,
welches (zufällig) auch für die Belieferung des Kunden mit Frischwasser zuständig ist,
ein solches Recht zugestehen, so könnte praktisch (eine entsprechende
Zahlungsfähigkeit des Kunden vorausgesetzt) jede aus dem Energielieferungsvertrag
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noch offen stehende Forderung schlicht dadurch durchgesetzt werden, dass dem
Kunden die Einstellung der Versorgung mit Wasser angedroht und diese sodann
gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt wird (vgl. dazu auch AG Lübeck,
a.a.O., welches zutreffend darauf hinweist, dass es sich bei der "Versorgeridentität" im
Grunde nur um einen Zufall handelt, welcher nicht zum Nachteil des Kunden geraten
darf). Nach Auffassung des Gerichtes soll eine solche Drucksituation gerade durch § 33
Abs. 2 der AVBWasserV ausgeschlossen werden.
Dass es der Klägerin hier auch ausschließlich darum geht, sich genau dieser
Drucksituation zu bedienen, wird aus ihrem prozessualen Verhalten mehr als deutlich.
So hat das Gericht mehrfach angeregt, dass die Klägerin bezüglich der noch offenen
Forderungen aus dem Bezug von Strom (einschließlich aller Nebenforderungen) eine
Umstellung auf eine Zahlungsklage vornehmen möge. Nach einer solchen Umstellung
hätte durch das Gericht im einzelnen geprüft werden können, welche Haupt- und
Nebenforderungen der Klägerin gegenüber der Beklagten noch aus dem
Bezugsverhältnis wegen der Stromabnahme zustehen. Nach dem Abschluss des
Verfahrens hätte die Klägerin sodann die ihr noch zustehende Forderung im Wege der
Zwangsvollstreckung durchsetzen können. Anstatt diesen aus Sicht des Gerichts nahe
liegenden Weg zu beschreiten, hat sich die Klägerin darauf versteift, den
(vermeintlichen) Anspruch auf Ausbau des Wasserzählers weiterzuverfolgen. Da aber
die Beklagte - wie oben dargestellt - die fällige Forderungen aus der Belieferung mit
Wasser in vollem Umfang beglichen hat und sie dazu auch die erforderlichen
Abschlagszahlungen einhält, soll das Vorgehen der Klägerin ersichtlich nur dem Ziel
dienen, die Beklagte durch den Druck über den möglicherweise oder tatsächlich im
Raum stehenden Ausbau des Wasserzählers zum Ausgleich der weiteren Forderungen
der Klägerin zu bewegen. Angesichts der Bedeutung der Versorgung mit Wasser und
der zumindest regionalen Monopolstellung der Klägerin bei der Versorgung mit diesem
lebenswichtigen Grundstoff erscheint dem Gericht das Vorgehen der Klägerin sogar
sittenwidrig zu sein.
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Offen bleiben kann dabei auch, ob den Erwägungen einer Entscheidung des LG
Dortmund (Urteil vom 11.5.2007 - 11 S 17/07 -, vgl. hier Bl. 88 ff. GA) zu folgen ist. In
diesem Prozess (einem einstweiligen Verfügungsverfahren) ging es um die Frage, ob
der Energielieferant einen Gasanschluss dann sperren kann, wenn nicht unerhebliche
Zahlungsrückstände aus der Versorgung (mit Strom und Gas) unter einer anderen
Abnahmestelle vorliegen und - umzugsbedingt - jetzt Leistungen unter einer anderen
Abnahmestelle entgegengenommen werden sollen. Wenn das LG Dortmund sodann
angenommen hat, dass der Umzug der Geltendmachung eines
Zurückbehaltungsrechtes nicht entgegenstehe, so mag dies durchaus zutreffend sein.
Allerdings kommt nach Auffassung des hier zur Entscheidung berufenen Gerichts der
Ausbau eines Gaszählers nur dann in Betracht, wenn sich der Kunde - und sei es
wegen einer Rechnung aus einer anderen Entnahmestelle - gerade auch mit der
Bezahlung von Gasrechnungen in Zahlungsverzug befindet (was nach dem Tatbestand
der Entscheidung des LG Dortmund auch dort der Fall war).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Bei der Kostenentscheidung
war die unterschiedliche Höhe der Streitwerte für den Ausbau des Stromzählers
einerseits bzw. den Ausbau des Wasserzählers andererseits zu berücksichtigen. Bei der
Einleitung des Verfahrens waren - unstreitig - zweimonatliche Abschläge für den Bezug
von Strom und Wasser in Höhe von 633 € zu zahlen. Der (anteilige) Abschlag für den
Bezug von Wasser kann dabei mit 30 € angesetzt werden. Da der Antrag auf Ausbau
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des Stromzählers zweifelsfrei begründet war (die Beklagte befand sich insofern in einem
erheblichen Zahlungsverzug) erwiese es sich (an sich) als gerechtfertigt, die Kosten in
einem Verhältnis von 30/633 zu quoteln. Damit liegt aber nur ein geringfügiges
Unterliegen der Klägerin von nicht einmal 5 % vor. Da durch die "Zuvielforderung" auch
kein sog. Gebührensprung ausgelöst worden ist, hat das Gericht der Beklagten in
entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Kosten des
Rechtsstreits auferlegt.
Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 11, 709 ZPO.
35
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wird die Berufung gemäß § 511 Abs.
4 Nr. 1 ZPO zugelassen.
36
Streitwert:
37
bis zum 14.6.2008 (Teilerledigungserklärung): bis 4.000 €
38
danach: bis 300 €
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