Urteil des AG Kerpen vom 31.07.2007

AG Kerpen: gegen die guten sitten, sittenwidrigkeit, schenker, kreis, generalprävention, rückforderung, spiel, beschenkter, nichtigkeit, meinung

Amtsgericht Kerpen, 22 C 445/06
Datum:
31.07.2007
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 C 445/06
Nachinstanz:
Landgericht Köln, 13 S 265/07
Normen:
BGB §§ 138,817 Satz 2
Leitsätze:
Die Rückforderung des im Rahmen eines sogenannten "Schenkkreises"
Geleisteten ist nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn dem
"Schenker" im Zeitpunkt der Leistung die Sittenwidrigkeit seines
Handelns bewusst war (gegen BGB, Urteile vom 10.11.05
-III ZR 72/05 und 73/05-, NJW 2006, 45). Offen bleibt, ob dies auch dann
gilt, wenn der Beschenkte zu den Initiatoren des "Spiels" zu zählen ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die
Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Als Sicherheit genügt stets eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche
Bürgschaft einer deutschen Großbank, einer öffentlich-rechtlichen
Sparkasse oder einer sonstigen, als Zoll- oder Steuerbürge
zugelassenen beziehungsweise dem Einlagensicherungsfonds
angeschlossenen Bank.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin wurde auf einen Schenkkreis aufmerksam gemacht. Sie nahm an einem
Treffen des Kreises teil und konnte sich dort "von der tollen, seriösen Atmosphäre
positiv überzeugen". Der Klägerin wurde mitgeteilt, daß es sich bei dem Schenkkreis um
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eine neue, ganz legale steuerfreie Geldanlage handele, bei der man einen völlig neuen
Umgang mit Geld lernen würde. Weiter wurde ihr mitgeteilt, daß man sich wechselseitig
beschenke und daß jeder Betrag, den man hier im Schenkkreis verschenke, sich
verachtfache, wenn man selbst in die Schenkposition gelange. Ein Platz innerhalb des
Schenkkreissystems habe einen Wert von 5.000 e, den man sich auch mit anderen
Teilnehmern teilen könne. Bei Eintritt in den Schenkkreis mußte der Betrag an die
Person(en) gezahlt werden, die sich in der Empfängerposition befand(en). Die Klägerin
entschloß sich zum Beitritt.
Die Klägerin behauptet, daß sie bei einem weiteren Treffen, welches am 22.5.2003
stattgefunden hatte, einen Betrag in Höhe von 1.250 e an die Beklagte gezahlt habe.
Weiter trägt die Klägerin vor, daß sie erst einige Zeit nach der Geldübergabe aus
Medienberichten von der Sittenwidrigkeit der Schneefreies gehört habe. Ab diesem
Zeitpunkt habe sie nichts mehr mit den Schneetreiben zu tun haben wollen.
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Sie beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.250 e nebst 5 % Zinsen über dem
(jeweiligen) Basiszinssatz seit dem 3.2.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet, von der Klägerin Geld empfangen zu haben. Die Schenkung in Höhe von
1.250 e sei vielmehr durch die Zeugin M. (eine Freundin oder Bekannte der Klägerin)
erfolgt.
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Die Beklagte behauptet, daß die Klägerin schon vor der Beklagten (erfolgreich) in
Schneetreiben tätig gewesen sei. Namentlich sei die Klägerin vor dem Beitritt in den
hier streitgegenständlichen Schenkkreis in einen "Bonner Schenkkreis" eingetreten, wo
sie auch häufiger anwesend gewesen sei. Die Klägerin sei in dem "Bonner
Schenkkreis" auch über die Risiken und die Sittenwidrigkeit des Systems informiert
worden. Weiter sei - was von der Klägerin nicht ausdrücklich bestritten worden ist - die
Klägerin in dem hier vorliegenden Kreis gezielt durch die Zeugin M. gesponsert worden,
um im Chart aufzusteigen und ihre Gewinnposition dadurch zu verbessern. Auch in
diesem Kreis sei ordnungsgemäß und umfassend unter Hinweis auf die Sittenwidrigkeit
des Systems belehrt worden.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Klägerin informatorisch
angehört. Sie gab dabei an, von der Funktionsweise des Schenkkreises überhaupt
keine Ahnung gehabt zu haben. Antworten auf Fragen des Gerichts danach, in welchem
Umfang die Klägerin über die Sittenwidrigkeit solcher Schneefreies aufgeklärt worden
sei, wurden - nach Intervention durch ihren Prozeßbevollmächtigten - von der Klägerin
verweigert (vgl. dazu das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2007).
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien sowie auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2007 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung zu.
Vorliegend handelt es sich um einen "Schenkkreis", der nach dem sogenannten
Schneeballsystem aufgebaut ist. Das Gericht geht dabei in Übereinstimmung mit der
allgemeinen Meinung (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.11.2005 - III ZR 72/05 -, NJW 2006,
45) davon aus, daß derartige Schenk- oder auch "Herzkreise" sittenwidrig sind, weil sie
darauf angelegt sind, den ersten "Mitspielern" einen (relativ) sicheren Gewinn zu
verschaffen, während die große Masse der späteren Teilnehmer keine reelle Chance
auf einen Gewinn hat. Die Sittenwidrigkeit der Schneefreies führt dabei gemäß § 138
Abs. 1 BGB dazu, daß die Leistung ("Schenkung") ohne rechtlichen Grund erfolgt und
das Geleistete somit kondiziert werden kann (im Ausgangspunkt allg. Meinung).
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Der Rückforderung steht nach Auffassung des Gerichts hier allerdings § 817 Satz 2
BGB entgegen.
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Vorstehend ist bereits erwähnt worden, daß die Schneefreies objektiv gegen die guten
Sitten verstoßen. Wer daher an solchen Kreisen teilnimmt, verstößt - objektiv - mit
seinem Verhalten gegen die guten Sitten. Denn nur indem sich immer wieder
Teilnehmer finden lassen, die sich auf derartige Schneefreies ("Pyramidenspiele")
einlassen, können diese weiter existieren.
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Nach Auffassung des Gerichts ist dabei auch keine Differenzierung danach geboten, ob
eine Person als "Schenker" oder als "Beschenkter" auftritt. Denn auch derjenige, der
zunächst die Position des "Schenkers" einnimmt, tut dies alleine in der Hoffnung, daß
sich noch zureichend viele andere "Mitspieler" finden (oder auch "ködern") lassen und
er nach und nach in die Position eines "Beschenkten" einrückt. Diese
Erwartungshaltung ist auch in der Klageschrift nicht in Abrede gestellt worden. Vielmehr
heißt es dort wörtlich (vgl. auf S. 5):
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"... Dies hat zur Folge, daß der dem 'Spiel' zugrunde liegende
'Schenkungsvertrag' nichtig ist, da nur deshalb 'geschenkt' wird, um eine
Position innerhalb des Systems zu erhalten."
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(Hervorhebung nur hier.)
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Mit dieser Position ist aber nichts anderes gemeint, als die Stellung als "Beschenkter"
im Sinne des "Spielsystems".
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Damit steht für das Gericht aber außer Zweifel, daß der Schenker im Hinblick auf seine
Gesinnung grundsätzlich nicht besser zu beurteilen ist, als der Beschenkte. Denn im
Grunde nimmt der "Schenker" nur deshalb an dem "Spiel" teil, um seinerseits in Zukunft
als "Beschenkter" einen Profit machen zu können. Dabei kann hier offen bleiben, ob
anderes für die Initiatoren eines solchen Schenkkreises zu gelten hat. Denn die Klägerin
hat selbst nicht vorgetragen, daß die Beklagte als Initiatoren des Schenkkreises
aufgetreten ist.
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Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist auch davon auszugehen, daß der Klägerin
die Funktionsweise und die Sittenwidrigkeit der "Schneefreies" bewußt war, als sie die
"Schenkung" vornahm.
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In der Klageerwiderung hat die Beklagte dazu vortragen lassen, daß die Klägerin -
bevor sie dem hier klagegegenständlichen Kreis beigetreten war - bereits Mitglied eines
Schenkkreises in C war. Weiter ist in der Klageerwiderung vorgetragen worden, daß im
Bonner Kreis das System erläutert und insbesondere auf die Risiken und die
Sittenwidrigkeit des Systems hingewiesen worden sei (vgl. die Klageerwiderung auf S.
2). Weiter ist vorgetragen worden, daß auch in dem vorliegenden Kreis umfassend unter
Hinweis auf die Sittenwidrigkeit des Systems Belehrungen erfolgten. Schließlich soll die
Klägerin - was nicht bestritten worden ist - sogar von der Zeugin M. "gesponsert" worden
sein, damit sie (die Klägerin) im Chart aufsteigen und ihre Gewinnposition somit
verbessern konnte.
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Diesen Ausführungen ist die Klägerin nicht zureichend entgegengetreten.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dazu allerdings im Rahmen ihrer
informatorischen Anhörung ausgeführt, daß sie "von der Funktionsweise der
Schneefreies überhaupt keine Ahnung (gehabt habe)". Sie sei "völlig unbedarft
(gewesen)". Weiter gab die Klägerin an, daß sie der Zeugin M. blind vertraut habe und
sie dann "zu diesem ersten Treffen die 1.250,00 e mitgenommen (habe)" (vgl. dazu
jeweils das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2007).
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Diese Ausführungen der Klägerin stehen allerdings schon im Widerspruch zu den
Darlegungen in der Klageschrift. So ist dort ausgeführt worden, daß sich die Klägerin -
vor der Geldübergabe - (mutmaßlich auf Einladung der Zeugin M.) zu einem Treffen des
Schenkkreises begeben habe. Dort habe sich die Klägerin "von der tollen, seriösen
Atmosphäre überzeugen (können)". Nach der Darstellung in der Klageschrift fand
sodann - am 22.5.2003 - ein weiteres Treffen des Schenkkreises im Hause einer Frau L
statt. Erst bei diesem zweiten Treffen will die Klägerin sodann die "Schenkung"
vorgenommen haben.
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Sprechen somit schon die Ausführungen in der Klageschrift gegen die Darstellung der
Klägerin, so kommt entscheidend hinzu, daß die Klägerin auf Anraten ihres
Prozeßbevollmächtigten alle weiteren Angaben dazu verweigert hat, in welchem
Umfang sie über Bedenken bezüglich der Funktionsweise und der Sittenwidrigkeit von
Schneetreiben informiert wurde (vgl. dazu erneut das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 19.6.2007 auf S. 1 unten).
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Damit ist aber zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, daß ihr Vortrag über die
umfassende Kenntnis der Klägerin bezüglich der Sittenwidrigkeit der Schneefreies
zutreffend ist. Es gehört nämlich zur Wahrheitspflicht im Prozeß, sich zu den
tatsächlichen Angaben des Prozeßgegners umfassend und wahrheitsgetreu zu äußern.
Wenn daher vorliegend von der Beklagten vorgetragen worden ist, daß der Klägerin die
Funktionsweise und die Sittenwidrigkeit der Schneefreies erläutert wurde, so wäre es
Sache der Klägerin gewesen, sich dazu im einzelnen zu äußern (vgl. § 138 Abs. 2
ZPO). Dies gilt erst recht, wenn einem solchen Punkt ersichtlich durch das Gericht eine
Relevanz beigemessen wird und Nachfragen durch das Gericht erfolgen. Weiter ist zu
berücksichtigen, daß es vorliegend um Fragen geht, welche nur schwer einer
Beweisführung zugänglich sind. Denn entscheidend ist nicht alleine, in welcher Weise
Belehrungen erfolgten, sondern auch, wie diese von der Klägerin verstanden wurden.
Denn für die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB ist von entscheidender Bedeutung, in
welchem Bewußtsein die Leistung erbracht wurde (vgl. dazu noch sogleich). Verweigert
die Klägerin dazu aber auf Nachfragen des Gerichts entsprechende Antworten, so hat
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sie den sich daraus ergebenden rechtlichen Nachteil zu tragen.
Dem steht nicht entgegen, daß es Sache der Beklagten wäre, eine Kenntnis der
Klägerin (vgl. dazu noch sogleich) von der Sittenwidrigkeit der Schneefreies zu
beweisen. Bei dieser Ansicht - die sinngemäß von dem Klägervertreter in der
mündlichen Verhandlung unterbreitet worden ist -, wird verkannt, daß nur solche
Tatsachen zu beweisen sind, die zwischen den Parteien streitig sind. Wenn daher
seitens der Beklagten vorgetragen wird, daß der Klägerin die Sittenwidrigkeit des
Spielesystems mehrfach erläutert wurde und sie gleichwohl teilgenommen hat, so ist die
Klägerin zunächst aufgrund von § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, sich dazu wahrheitsgemäß
und vollständig zu erklären. Bleibt eine solche vollständige Erklärung aus und zieht sich
die Klägerin somit letztlich auf die nur rudimentären Angaben in der Klageschrift zurück,
so ist der Vortrag der Beklagten als zugestanden zu werten (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).
Damit bedürfen die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen aber auch keines
Beweises mehr. Sie sind vielmehr als unstreitig zu behandeln.
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Weiter ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß sich der Vortrag in der
Klageschrift nicht mit den persönlichen Angaben der Klägerin im Termin decken (siehe
dazu schon oben) und dem Vortrag der Beklagten aus der Klageerwiderung nicht mehr
widersprochen wurde.
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Angesichts der vorstehenden Darlegungen kann sich die Klägerin folglich nicht mit
Erfolg darauf zurückziehen, keine zureichende Kenntnis von der Funktionsweise und
der Sittenwidrigkeit der Schneefreies gehabt zu haben. Es ist vielmehr davon
auszugehen, daß der Klägerin vor ihrem Beitritt zum Schenkkreis zureichend deutlich
gemacht wurde, daß es sich dabei um ein sittenwidriges Unterfangen handelt.
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Damit ist aber davon auszugehen, daß auch der Klägerin ein Verstoß gegen die guten
Sitten anzulasten ist, indem sie - was hier zugunsten der Klägerin unterstellt wird - der
Beklagten den jetzt zurückgeforderten Betrag zuwandte.
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Dem Kondiktionsanspruch der Klägerin steht damit aber § 817 Satz 2 BGB entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn
auch dem Leistenden ein Verstoß gegen die guten Sitten anzulasten ist.
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Das Gericht verkennt nicht, daß der BGH in zwei (wortgleichen)
Grundsatzentscheidungen (BGH, Urteile vom 10.11.2005 - III ZR 72/05 und 73/05 -,
NJW 2006, 45) die Ansicht vertreten hat, daß § 817 Satz 2 BGB auf Fälle der
vorliegenden Art nicht anwendbar sei.
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Die Ausführungen des BGH zur Rechtslage reduzieren sich dabei im Grunde auf
folgende Feststellungen:
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"Einem solchen sittenwidrigen Verhalten steuert § 138 Abs. 1 BGB, indem er für
entsprechende Vereinbarungen Nichtigkeit anordnet, entgegen. Das würde aber, wie
das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, im Ergebnis konterkariert und die
Initiatoren solcher 'Spiele' zum Weitermachen geradezu einladen, wenn sie die mit
sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder - ungeachtet der Nichtigkeit der das 'Spiel'
tragenden Abreden - behalten dürften."
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Diese Begründung erscheint dem Gericht nicht überzeugend, um eine Durchbrechung
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von § 817 Satz 2 BGB zu rechtfertigen (vgl. - wenn auch zu einem "Sonderfall" - kritisch
zur Rechtsprechung des BGH auch LG Köln, Urteil vom 7.11.2006 - 11 S 463/05 -, zitiert
nach juris).
Im Gegensatz zu § 817 Satz 1 BGB statuiert § 817 Satz 2 BGB einen
Kondiktionsausschluß. Welchen Sinn und Zweck der Konditionsausschluß dabei im
einzelnen verfolgt ist "dunkel" (vgl. Lieb, in: MünchKomm., BGB, 4. Aufl., 2004, § 817
Rz. 9). Nach der wohl überwiegend vertretenen Auffassung, der sich auch das Gericht
anschließt, kann der Sinn der Vorschrift mit einer Rechtsschutzverweigerung
umschrieben werden (vgl. ebenso Lieb, a.a.O. und Leupertz, in: PWW, BGB, 1. Aufl., §
817 Rz. 1 jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. zu einer Deutung der Vorschrift unter
dem Blickwinkel einer Generalprävention noch später). Der Grundgedanke der
Vorschrift kann daher so umrissen werden, daß derjenige, der sich "durch Gesetzes-
oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt, ... Rechtsschutz auch
nicht bezüglich der Rückabwicklung (soll) beanspruchen können" (vgl. Lieb, a.a.O.).
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Für das Gericht ist nicht erkennbar, weshalb dieser Gedanke des Gesetzgebers - über
dessen Berechtigung trefflich gestritten werden könnte - in den Schenkkreisfällen nicht
Platz greifen sollte. So setzt der Kondiktionsausschluß des § 817 Satz 2 BGB nach
allgemeiner Auffassung voraus, daß dem Leistenden die Umstände bekannt sein
müssen, die den Gesetzes- oder Sittenverstoß tragen (vgl. Leupertz, a.a.O. Rz. 10).
Weiter muß sich der Leistende zumindest leichtfertig der Einsicht verschließen, daß sein
Handeln gesetzlich nicht sanktioniert ist (vgl. erneut Leupertz, a.a.O. m.w. Nachw.). Wer
sich aber in dieser Weise verhält, kann sich nach dem Gesetz (entgegen der Auffassung
des BGH) eben nicht darauf berufen, seine Leistung sodann zurückfordern zu können.
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Festzuhalten ist somit, daß vom Gesetzgeber bereits die "Hürden" für einen
Kondiktionsausschluß. gemäß § 817 Satz 2 BGB recht hoch gelegt worden sind. Für die
Schneefreies bedeutet dies, daß alle unbedarften "Schenker" mit ihren
Rückforderungen ohnehin nicht an § 817 Satz 2 BGB scheitern werden: Wer nämlich in
Unkenntnis der tatsächlichen Umstände an einem solchen System teilnimmt, muß sich
danach nicht gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, sich "bewußt außerhalb der
Rechtsordnung gestellt zu haben". Gleiches gilt auch für die Schenker, welche zwar
zureichend über die Umstände des Systems informiert wurden, sich sodann aber nicht
leichtfertig der Einsicht in die Verwerflichkeit ihrer Teilnahme an dem "Spiel"
verschlossen haben. Auch bei ihnen scheitert - wegen der subjektiven Komponente des
§ 817 Satz 2 BGB - ohnehin die Rückforderung nicht an § 817 Satz 2 BGB. Weshalb
aber auch - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - derjenige geschützt werden sollte,
der sich vorsätzlich sittenwidrig verhält oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis
der Sittenwidrigkeit seines Handelns verschließt, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
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Auch der "generalpräventive" Aspekt der BGH-Entscheidung/en vermag nach
Auffassung des Gerichts letztlich nicht zu überzeugen.
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So fällt zunächst schon auf, daß Sinn und Zweck des § 817 Satz 2 BGB - stellt man
nicht auf den Aspekt der "Rechtsschutzverweigerung" ab (vgl. dazu schon oben) -
gerade selbst der "Generalprävention" dienen soll (vgl. die Nachweise bei Leupertz, in:
PWW, a.a.O. Rz. 1 unter anderem auf Larenz/Canaris, Schuldrecht, BT II/2, § 68 III 3a
und Staudinger/ Lorenz, § 817 Rz. 5). Für den hier betroffenen Bereich der Schneefreies
läßt sich der generalpräventive Appell sinngemäß wie folgt formulieren: "Nehmt nicht an
(sittenwidrigen) Schneetreiben teil! Denn als Schenker bekommt ihr das Geschenkte
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nicht zurück!"
Gerade diese generalpräventive Wirkung des § 817 Satz 2 BGB würde aber unterlaufen,
wenn man mit dem BGH - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - den
Rückforderungsanspruch bejahte und damit diejenigen, die sich bewußt oder leichtfertig
außerhalb der Rechtsordnung bewegen, das Recht einräumen würde, das Geleistete
gleichwohl zurückfordern zu können.
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Die vom BGH angestellte Erwägung der "Generalprävention" widerspricht dann auch -
versteht man § 817 Satz 2 BGB seinerseits als Ausdruck einer "Generalprävention" -
exakt dem Sinn und Zweck des § 817 Satz 2 BGB. Anders formuliert: es widersprechen
sich insofern gerade die vom Gesetzgeber durch § 817 Satz 2 BGB angeordneten und
die vom BGH angenommenen Erwägungen zur Generalprävention.
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Das Gericht verkennt bei alledem nicht, daß das vom BGH favorisierte Ergebnis eines
Rückforderungsausschlusses insofern "gerecht" erscheint, als es auf den ersten Blick
"ungerecht" erscheint, die durch die Schenkung erreichte Vermögensverschiebung
dauerhaft werden zu lassen.
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Andererseits liegt es gerade in der Konzeption des Gesetzes (§ 817 Satz 2 BGB), daß
es eben doch bei derartigen rechtsgrundlosen und gegen die Gesetze oder die guten
Sitten verstoßenden Vermögensverschiebungen zu verbleiben hat. Diese Entscheidung
des Gesetzgebers ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, namentlich
unter dem Aspekt der Gewaltenteilung, nach Auffassung des Gerichts hinzunehmen,
auch wenn das Ergebnis nicht allgemein als gerecht empfunden werden wird.
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Die prozessualen Entscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz
1 ZPO.
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Streitwert: 1.250 e
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