Urteil des AG Kassel vom 04.11.2009

AG Kassel: befristung, einkünfte aus erwerbstätigkeit, trennung, firma, apotheke, vergleich, geburt, anteil, drucksache, qualifikation

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 UF 43/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1578b BGB, § 1573 Abs 2
BGB
Nachehelicher Ehegattenunterhalt
Leitsatz
Liegen ehebedingte Nachteile vor, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte bis zum
Eintritt in das Rentenalter nicht ausgleichen kann, ist eine Befristung des auf den
angemessenen Bedarf herabgesetzten Unterhalts nicht vorzunehmen. Solche
ehebedingten Nachteile können darin liegen, dass eine gesicherte, beamtengleiche
Stellung zugunsten der Haushaltsführung und Kindererziehung aufgegeben wurde, die
eine höhere Vergütung gewährleistete, als sie in vergleichbarere Stellung in der
Privatwirtschaft erzielbar ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts –
Kassel vom 13. Mai 2009 (Az. 522 F 675/08) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen
Ehegattenunterhalts.
Sie haben am … 1972 geheiratet., im Jahr 1975 wurde ein Sohn geboren. Die Ehe
ist nach Trennung im Jahr 1987 am … 1989 geschieden worden. Anlässlich des
Scheidungstermins vereinbarten die Parteien die Zahlung eines nachehelichen
Ehegattenunterhalts in Höhe von 1.075,77 DM (550,03 €) auf der Basis
beiderseitiger Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. Für den Kläger ist ein Einkommen in
Höhe von 3.855,13 DM, für die Beklagte eines in Höhe von 740 DM netto
angenommen worden.
Am 13. März 1997 haben die Parteien in einem weiteren Vergleich vor dem
Amtsgericht Kassel (Az.: 541 F 40/97) vereinbart, dass es bei der ehedem
titulierten Unterhaltsverpflichtung bleiben soll; die vom jetzigen Kläger erhobene
Abänderungsklage und die von der Beklagten erhobene Widerklage wurden nicht
weiter verfolgt. Im Vergleich vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte sich um
eine vollschichtige Stelle bemühen und dem Kläger auf Anfrage Nachweise zu
diesen Bemühungen erbringen sollte. Dazu kam es in der Folgezeit nicht, weil der
Kläger keine Nachweise anforderte.
Mit der nun anhängigen Klage hat der Kläger die Feststellung verlangt, nicht mehr
zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet zu sein.
Der Kläger war bis zur Scheidung als Versicherungsvertreter für die B in O1 tätig
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Der Kläger war bis zur Scheidung als Versicherungsvertreter für die B in O1 tätig
und stand im Innendienst fünf bis sechs Mitarbeitern vor. Ab 1989 war er im
Außendienst in O2 beschäftigt. 1991 konnte er die Gebietsdirektion in O3
übernehmen, 1994 wechselte er nach O4. 1995 sind die Gebietsdirektionen O3
und O4 zusammengelegt worden, seither ist der Kläger der Leiter dieser
Regionaldirektion. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit hat der Kläger im Verfahren
nicht angeben.
Der Kläger hat im Jahr 1990 erneut geheiratet; diese Ehe blieb kinderlos. Von
seiner zweiten Ehefrau lebt er seit Dezember 2006 getrennt.
Die Beklagte hat 1970 die Prüfung zur Apothekenhelferin bestanden und bis 1972
in einer Apotheke gearbeitet. Ab April 1972 war sie als Sachbearbeiterin bei der X-
kasse beschäftigt. Diese Stelle hat sie wegen der Geburt des gemeinsamen
Kindes aufgegeben. Sie war in der Folgezeit neben der Betreuung des Kindes
gelegentlich teilzeitbeschäftigt. Nach der Trennung der Parteien arbeitete sie von
1989 bis 1996 vollschichtig in der Y-Apotheke in O1. Sie wechselte 1996 für drei
Monate auf eine Halbtagsstelle in die Z-apotheke, nachdem die Y-Apotheke nach
dem Tod des Inhabers geschlossen worden war. Da ein Ausbau der Tätigkeit dort
nicht möglich war, nahm sie eine 2/3-Stelle bei der Firma C an, wo sie im Zeitpunkt
des Vergleichsschlusses 1997 monatlich 2.200 DM (Bl. 34 d. beigezogenen Akte
541 F40/97) und zuletzt 1.700 € brutto verdiente. Diese Stelle ist ihr im Jahr 2006
gekündigt worden. Sie erhielt im Kündigungsschutzprozess eine Abfindung in Höhe
von rund 11.000 € netto. Nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit fand sie eine
volle Stelle bei der Firma D mit einem Nettogehalt in Höhe von 1.057 €. Ab dem
30. April 2009 ist die Beklagte nun arbeitslos und steht im Bezug von
Arbeitslosengeld I.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Änderung des Unterhaltsrechts rechtfertige
es, eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten vorzunehmen; im
Ergebnis schulde er seit Februar 2008 keinen Unterhalt mehr. Er sei zwar in Höhe
des titulierten Unterhaltsanspruchs leistungsfähig. Es seien jedoch nicht seine
tatsächlichen Einkünfte zu berücksichtigen. Der Kläger behauptet, seine
Beförderung zum Gebietsleiter stelle einen nachehelichen Karrieresprung dar, so
dass die Beklagte nicht an den daraus resultierenden deutlich höheren Einkünften
partizipieren dürfe. Stattdessen sei für die Ermittlung des eheprägenden Bedarfs
von dem Einkommen auszugehen, das er als Vertreter bei der B erzielen könnte.
Er behauptet, dass er in einer Stellung als Büroleiter 3.254 € brutto verdienen
könnte. Setze man davon seine monatlichen Verbindlichkeiten (158,38 €
Leasingrate für einen PKW, 75,83 € private Zusatzkrankenversicherung, 150 €
zusätzliche Altersvorsorge, 31,29 € Kfz-Haftpflichtversicherung , 100 €
Telefonkosten, 60 € Betriebshaftpflichtversicherung) ab, ergebe sich kein
Quotenunterhalt mehr für die Beklagte. Denn diese habe die Möglichkeit, in ihrem
erlernten Beruf als Apothekenhelferin bis zu 3.300 € brutto zu verdienen.
Es ist streitig geblieben, ob die zweite Ehefrau Einkünfte erzielt und ob sie in der
gemeinsamen Immobilie wohnt. Der Kläger hat dazu behauptet, er zahle neben
dem Abtrag für das Haus (952 €) an sie monatlich 500 € Unterhalt. Da er aber im
Hinblick auf die für die Beklagte titulierten Unterhaltsbeträge ohnehin
leistungsfähig sei, komme es darauf nicht an.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe keine ehebedingten Nachteile erlitten.
Sie habe auch schon während der Ehe weitergearbeitet. Von daher könne sie mit
dem Einkommen, das sie gesichert während der Anstellung bei der Firma C erhielt,
ihren angemessenen Unterhalt selbst bestreiten. Es sei ihm jedenfalls nicht
anzulasten, dass sie nun arbeitslos sei.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie ehebedingte Nachteile erlitten hat.
Hätte sie die Stelle bei der X-kasse nicht wegen der Geburt des Kindes und der
danach praktizierten Rollenverteilung in der Ehe aufgegeben, könne sie als
Sachbearbeiterin dort heutzutage Bruttoeinkünfte in Höhe von 3.337 € erzielen.
Die X-kasse behandele ihre Angestellten seit jeher beamtengleich;
betriebsbedingte Kündigungen kämen nicht vor. Außerdem seien in ihrem
erlernten Beruf als Apothekenhelferin auch im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung
keinesfalls Einkünfte zu erzielen, die ein Bruttogehalt in Höhe von 1.885 €
übersteigen. Im Übrigen liege beim Kläger bereits kein Karrieresprung vor, weil er
sich noch während des ehelichen Zusammenlebens fortgebildet und damit die
Qualifikation für seine jetzige Gebietsleiterstelle erlangt habe. Der Kläger könne
sich auf den Karrieresprung im Übrigen auch deswegen nicht berufe, dem stehe
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sich auf den Karrieresprung im Übrigen auch deswegen nicht berufe, dem stehe
der nach der Beförderung abgeschlossene Vergleich aus dem Jahr 1997 entgegen.
Dazu komme, dass das Einkommen des Klägers bei Fortsetzung der
Büroleiterstelle deutlich höher als von ihm angegeben ausgefallen wäre.
Das Amtsgericht hat zu der Frage, welches Einkommen die Beklagte bei
durchgängiger Beschäftigung als Sachbearbeiterin bei der X-kasse erzielen
könnte, Beweis erhoben. Die X-kasse hat mitgeteilt, dass die Beklagte heute in der
Höchstgrundvergütung für langjährige Beschäftigte die Regeleinstufung für
Sachbearbeiterinnen in Höhe von 3.337,78 € zuzüglich eines vollen dreizehnten
Monatsgehalts als Sonderzahlung verdienen würde. Das Amtsgericht hat ferner
Beweis erhoben zu der Frage, wie hoch die Einkünfte einer Apothekenhelferin mit
langer Berufserfahrung sind. Dazu hat die E – Apotheke den Lohn einer
langjährigen Helferin mit 1.852 € brutto angegeben.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das
Amtsgericht die Abänderungsklage abgewiesen. Dabei blieb dahingestellt, ob ein
Karrieresprung vorliegt oder nicht. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass
auch auf der Basis des vom Kläger zugestandenen Einkommens ohne
Karrieresprung eine Absenkung oder Befristung des titulierten Unterhaltsbetrages
nicht in Betracht kommt. Gehe man von einem Nettoeinkommen in Höhe von
3.345 € aus und setze davon die Ausgaben für die Altersvorsorge und die
Betriebshaftpflicht ab, verblieben noch 3.044 €. Dagegen sei bei der Beklagten
nur von einem bereinigten Nettoeinkommen in Höhe desjenigen Betrages
auszugehen, den sie bei der Firma C erwirtschaftet habe. Dieses Einkommen habe
sie dauerhaft sichern können. Bei 1.700 € brutto verblieben 1.162 € netto, wovon
Fahrtkosten in Höhe von 132 € in Abzug zu bringen seien. Damit könne die
Beklagte einen Quotenunterhalt in Höhe von 863 € verlangen, mithin rund 300 €
mehr als den titulierten Unterhalt.
Da das tatsächliche Einkommen des Klägers höher liege, sei von einer Berechnung
der Ansprüche unter Einbeziehung der zweiten Ehefrau abgesehen worden.
Eine Herabsetzung oder Befristung dieses Unterhalts sei nicht gerechtfertigt. Denn
nach der Auskunft der X-kasse (Bd. I, Bl. 103) sei sicher davon auszugehen, dass
die Beklagte bei ununterbrochener Weiterbeschäftigung derzeit 2005 € netto
verdienen könnte. Damit schulde der Kläger Aufstockungsunterhalt in der
titulierten Höhe auch unter dem Gesichtspunkt eines Nachteilsausgleichs, was der
Kürzung aus Billigkeitsgründen entgegenstehe.
Gegen dieses ihm am 22. Januar 2009 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit
der am 13. Februar 2009 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 23. April
2009 an diesem Tag begründeten Berufung. Er ist der Meinung, Unterhalt könne
nicht mehr geschuldet sein, nachdem er seinen Verpflichtungen nun seit 20 Jahren
nachgekommen sei. Das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrecht
gehe von einer stärkeren Eigenverantwortung des geschiedenen
unterhaltsberechtigten Ehegatten aus und lege daher eine Befristung nahe. Im
Übrigen verbiete sich die Annahme, dass ein möglicherweise bestehender
ehebedingter Nachteil sich aus einem Vergleich zwischen dem bei der Firma C
erwirtschafteten Einkommen und einem Einkommen bei der X-kasse ergebe. Denn
die Beklagte habe nur drei Jahre bei der X-kasse gearbeitet und immerhin habe er
ihr diese Stelle besorgt. Außerdem habe sich die Beklagte offenkundig nicht
ausreichend bemüht eine besser dotierte Stelle zu bekommen, was ihm nicht
schaden dürfe. Sie habe bereits bei Trennung/Ehescheidung vollschichtig arbeiten
gehen können, weil der gemeinsame Sohn mit 16 Jahren nicht mehr
betreuungsbedürftig gewesen sei. Wäre sie der Erwerbsobliegenheit mit
bundesweiten Bewerbungen nachgekommen, dann wären ehebedingte Nachteile
bis heute ausgeglichen. Eine nachträgliche Verschlechterung, insbesondere durch
Arbeitslosigkeit, gehe nicht zu seinen Lasten. Die Beklagte könne ihren
angemessenen Bedarf in Höhe von 1.000 € aus eigenem Einkommen
sicherstellen.
Der Kläger beantragt:
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Kassel vom
13. Januar 2009 – 520 F 675/08 UE – und der gerichtlichen Vergleich vom 2.
November 1989 – Amtsgericht – Familiengericht Kassel – 73 F 239/89 in der
Gestalt des bestätigenden Vergleichs vor dem AG Kassel vom 13. März 1997 –
541 F 40/97 – wird dahin abgeändert, dass der Beklagte ab dem 1. März 2008
keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie macht geltend, dass der
Vergleich aus dem Jahr 1997 zu einer Zeit geschlossen wurde, in der sie bereits
die Zweidrittelstelle bei C innehatte. Deswegen sei der Kläger mit Vortrag dazu
ausgeschlossen, dass sie sich bis 1997 nicht hinreichend um ihr Fortkommen
bemüht habe. Sie bleibt dabei, dass kein Karrieresprung vorliegt. Die Beklagte
behauptet weiterhin, bei ihr bestünden ehebedingte Nachteile dadurch, dass sie
die gut dotierte Stelle bei der X-kasse zugunsten der in der Ehe vereinbarten
klassischen Rollenverteilung aufgegeben habe, weil sie nach der Trennung und
Scheidung aus Gründen außerhalb ihres Verantwortungsbereichs nicht den
Verdienst habe erreichen können, der sich bei einer Weiterbeschäftigung bei der X-
kasse ergeben könnte. Sie lässt sich anrechnen, das ihr eine dauerhafte Sicherung
von Einkünften in Höhe von 1.700 € bei der Firma C gelungen sei.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, seine Einkünfte beliefen
sich auf rund 5.300 € netto monatlich, was die Beklagte der Höhe nach bestreitet.
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht
eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Mit dem
angefochtenen Urteil ist davon auszugehen, dass der Kläger keine Abänderung
des Unterhaltstitels verlangen kann, weil weder eine Herabsetzung noch eine
Befristung des der Beklagten nach § 1573 Abs. 2 BGB zustehenden
Unterhaltsanspruchs unter einen Betrag in Höhe von rund 550 € in Betracht
kommt.
Die Feststellung des Amtsgerichts, der Kläger schulde den Unterhalt auch als
Quotenunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach seinen
fortgeschriebenen Einkünften als Büroleiter, greift der Kläger nicht an, obgleich das
Amtsgericht hier das von ihm behauptete Bruttogehalt als Nettogehalt eingesetzt
und um 100 € erhöht hat. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen,
dass der Kläger mit dem Einwand nicht durchdringen kann, er schulde nach den
Einkünften, die er als Büroleiter der B Versicherung in O1 erreichen könnte,
ebenfalls keinen Unterhalt mehr. Er hat die Höhe dieser Einkünfte nämlich trotz
des substantiierte Bestreitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt unter Beweis
gestellt. Eine Berechnung des gemäß § 1578 BGB in Fortschreibung der ehelichen
Lebensverhältnisse geschuldeten Unterhalts ist deswegen nicht möglich.
Die Tatsache, dass der Beklagte nunmehr gegenüber der zweiten von ihm
getrennt lebenden Ehefrau unterhaltspflichtig ist, kann ebenfalls nicht
berücksichtigt werden, weil der Kläger die Einkünfte dieser Ehefrau nicht angibt.
Es kommt damit ausschließlich darauf an, ob der Kläger sich mit Recht auf die
Möglichkeit der Herabsetzung oder Befristung der Unterhaltszahlungspflicht nach §
1578 b BGB beruft. Davon ist, wie bereits das Amtsgericht zutreffend festgestellt
hat, nicht auszugehen. Der Kläger kann keine Herabsetzung des Unterhalts oder
eine Befristung seiner Verpflichtung verlangen, weil die Beklagte ehebedingte
Nachteile erlitten hat, die der Kläger auszugleichen nachhaltig verpflichtet ist, und
die den titulierten Unterhalt auch bei fiktiver Annahme der Ausübung einer
vollschichtigen Tätigkeit erreichen.
Die Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts setzt gem. § 1578 b BGB
voraus, dass eine weitere Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Unterhalt
unbillig ist. § 1578 b BGB stellt eine unterhaltsbegrenzende Norm mit
Ausnahmecharakter dar (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 20). Einer
Herabsetzung oder Befristung stehen fortdauernde ehebedingte Nachteile
entgegen. Bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder eine zeitliche
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist daher vorrangig zu berücksichtigen,
inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind,
für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile begrenzen
regelmäßig die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und stehen einer
Befristung grundsätzlich entgegen. Sie können sich nach § 1578 b Abs. 1 S. 3 BGB
vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen
Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während
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Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während
der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (Regierungsentwurf, BT-Drucksache
16/1830 S. 18 f.; BGH, FamRZ 2009, 128-131, zitiert nach juris, Rn. 31 ff.; BGH,
FamRZ 2009, 1207ff., zitiert nach juris, Rn. 35; BGH vom 14. 10. 2009 zu XII ZR
146/08, zitiert nach juris, Rn. 13; OLG Frankfurt, FuR 2008, 612 f., zitiert nach juris,
Rn. 9; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526ff., zitiert nach juris, Rn. 61; OLG Stuttgart,
Urteil vom 15. September 2009 zu 17 UF 128/09, zitiert nach juris, Rn. 55; OLG
Oldenburg, MDR 2009, 1116, zitiert nach juris, Rn. 19, 20; OLG Koblenz, NJW 2009,
2315-2318, juris, Rn. 18).
Mit der Unterhaltsrechtsreform, die am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, hat der
Gesetzgeber verdeutlich, dass die den ehelichen Lebensstandard garantierende
Unterhaltsverpflichtung bei Unbilligkeit entfallen soll. Bestehen jedoch Nachteile
fort, die sich insbesondere aus der während der Ehe einvernehmlich gewählten
Aufgabenteilung ergeben, sind diese – bei bestehender Leistungsfähigkeit –
dauerhaft auszugleichen. Im Einzelfall begründen solche Nachteile eine
lebenslange Unterhaltspflicht (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 18;
Ehinger, in: FuR 2009, 105 (106)).
Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass der Beklagten keine ehebedingten
Nachteile entstanden sind (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 20).
Lediglich der Nachweis dazu, dass der Erwerbsobliegenheit genügende
Bewerbungsanstrengungen nicht zu einer auskömmlichen Anstellung gefunden
haben, ist von der Beklagten zu führen (BGH, FamRZ 2009, 1300ff., zitiert nach
juris, Rn. 42, 62).Da solche erfolgreichen Bewerbungsbemühungen unterstellt und
entsprechende Einkünfte fiktiv hinzugerechnet die Unterhaltsverpflichtung des
Klägers aus § 1573 Abs. 2 BGB fortbesteht, kommt es darauf jedoch nicht an.
Der Nachweis dazu, dass die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten hat,
ist dem Kläger nicht gelungen, nachdem die Beklagte Umstände dargelegt hat,
aus denen sich ein Einkommensausfall als solcher Nachteil ergibt.
Die Beklagte kann sich im Rahmen des Aufstockungsunterhalts, den sie nach §
1573 Abs. 2 BGB verlangen kann, zwar derzeit nicht mehr auf die die ehelichen
Lebensverhältnisse prägenden Einkünfte berufen, weil hier nach der langen Zeit
der Trennung der Eheleute eine Herabsetzung auf den Betrag gerechtfertigt wäre,
den die Beklagte nach ihrer eigenen Lebensstellung und Qualifikation
erwirtschaften könnte, § 1578 b BGB. Der Unterschied zwischen den Einkünften,
die die Beklagte ohne Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit sichern konnte, und
einem solchen Einkommen, das sie die ehebedingten Nachteile hinweggedacht
erzielen könnte, beläuft sich jedoch auf einen Betrag über 550 €, so dass es auch
bei Anwendung des § 1578 b BGB bei der Verpflichtung des unstreitig
leistungsfähigen Klägers bleibt, diesen Unterhaltsbetrag zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat vor der Ehe eine Stelle als Sachbearbeiterin bei der X-kasse
innegehabt, die sie nach der Geburt des Sohnes aufgrund einer gemeinsamen
Entscheidung der Parteien zugunsten der Erziehung des Kindes aufgegeben hat.
Sie hat bis zur Trennung der Parteien nicht mehr in einem vollschichtigen
Beschäftigungsverhältnis gestanden und konnte nach der Trennung nicht mehr an
die vor der Geburt des Sohnes bestehenden Einkommensverhältnisse anknüpfen.
Das Einkommen bei der X-kasse ist anders als der Kläger meint für die Ermittlung
ehebedingter Nachteile auch maßgeblich. Für diese Bewertung kommt es nicht
darauf an, ob der Kläger ihr diese Stellung verschafft hat, denn für die drei Jahre
bis zur Geburt des Sohnes konnte sie dieses Einkommen aus eigener Kraft
sichern. Sie hat bereits vor der Eheschließung bei der X-kasse gearbeitet.
Obgleich sie als Apothekenhelferin berufsfremd war, hat sie die Probezeit
offenkundig erfolgreich absolviert und konnte die Stelle als Sachbearbeiterin bei
einer Krankenkasse ausfüllen. Die Behauptung des Klägers, die Beklagte wäre als
ungelernte Sachbearbeiterin bei der X-kasse längst gekündigt worden, weil es
ausreichend viele gelernte Kräfte gibt, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.
Deswegen ist für die Ermittlung des ehebedingten Nachteils darauf abzustellen,
dass der Beklagten bei der X-kasse ein Bruttoeinkommen in Höhe von 3.337 €
zustehen würden, was bei Berücksichtigung des dreizehnten Monatsgehalts
einem Nettobetrag in Höhe von 2.027,22 € entspricht:
Abzüglich berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 5% (101,36 €) könnte die
Beklagte daher über 1.925,86 € verfügen.
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Dem ist das Einkommen gegenüber zu stellen, das die Beklagte bei Erfüllung ihrer
Erwerbsobliegenheit derzeit erzielen kann. Es entsprach ihrer Obliegenheit, sich
auf vollschichtige Stellen zu bewerben; das ist als Grundlage des Vergleichs vom
13. März 1997 festgehalten worden und kann auch nach § 1569 BGB von ihr
erwarten werden. Der Beklagten ist es nicht gelungen Einkünfte dauerhaft zu
sichern, sie ist derzeit arbeitslos. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass sie
sich wenigstens die zuletzt bei der Fa. C gesicherten Einkünfte in Höhe von 1.700 €
brutto anrechnen lassen muss. Selbst wenn die Beklagte so behandelt wird, als
habe sie diese Stelle zugunsten einer mit 1.852 € vergüteten Vollzeitstelle im
erlernten Beruf als Apothekenhelferin aufgegeben, sind als Nachteilsausgleich 550
€ Unterhalt geschuldet. Die Behauptung des Klägers, als Apothekenhelferin könne
die Beklagte höhere Einkünfte erzielen, ist durch die Auskunft der
Apothekerkammer (Bd. I, Bl. 110 d.A.: 1.852 € brutto) widerlegt. Danach können
bei tariflicher Bindung der beschäftigenden Apotheke allenfalls 13 Monatsgehälter
in Höhe von 1.852 € angenommen werden, was bereinigten Nettoeinkünften in
Höhe von 1.246,04 € entspricht:
Dieser zugunsten der Klägers für die Berechnung fiktiv zu unterstellende Verdienst
erreicht daher günstigstenfalls einen Betrag in Höhe von 1.246,04 €, was noch
679,82 € unterhalb der 1.925,86 € liegt, die sie bei ununterbrochener
Fortbeschäftigung bei der Krankenkasse erhalten könnte. Diese Differenz zeigt den
ehebedingten Nachteil auf, der der (weiteren) Herabsetzung des Unterhalts auf
einen unter dem titulierten Betrag von 550 € liegenden Betrag entgegensteht.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte während der vergangenen Jahre trotz der
Ausübung einer teilschichtigen bzw. vollschichtigen Tätigkeit, die den Kläger
unterhaltsrechtlich entlastete, über Fortbildungen eine Qualifikation hätte
erreichen können, die dauerhaft höhere Einkünfte gewährleistet hätte, fehlen.
Eine Befristung des Unterhalts kommt nicht etwa deswegen in Betracht, weil es
der Beklagten prognostisch gelingen kann, Einkünfte auf dem Niveau einer
Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse zu sichern. Die Beklagte ist nun 57 Jahre
alt und mittlerweile arbeitslos. Die Anstellung, die sie nach der Kündigung bei der C
GmbH erhalten konnte, brachte trotz vollschichtiger Beschäftigung ein geringeres
Einkommen.
Die Höhe der Einkünfte, die der Kläger nach seinen streitig gebliebenen Angaben
erzielt, ergibt ebenfalls keine Unbilligkeit im Sinne des § 1578b BGB. Denn der an
die Beklagte auszukehrende Unterhaltsbetrag erreicht derzeit nur etwa 10 %
dieses Einkommens in Höhe von 5.300 €. Bei Nettoeinkünften in dieser Höhe kann
der Kläger einen beachtlichen Realsplittingvorteil realisieren, der sich bei Annahme
einer Pflichtversicherung auf rund 265 € beläuft. Auch von daher ist aus dem
Verhältnis zwischen der Unterhaltsrente und dem zur Verfügung stehenden
Einkommen keine Unbilligkeit abzuleiten (vg. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.
September 2008 zu 1 UF 196/05, zitiert nach
http://www.hefam.de/DT/ffm2009fr.html).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, noch
grundsätzlich zu klärende Fragen betroffen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.