Urteil des AG Kamen vom 12.05.2005

AG Kamen: elterliche sorge, entziehung der elterlichen sorge, eltern, absicht, aufspaltung, abgrenzung, vormundschaft, entscheidungskompetenz, unterbringung, genehmigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 2 Sdb (FamS) Zust. 7/05
12.05.2005
Oberlandesgericht Hamm
2. Senat für Familiensachen
Beschluss
2 Sdb (FamS) Zust. 7/05
Amtsgericht Kamen, 5 F 112/05
Funktionell zuständig ist das Familiengericht des Amtsgerichts Kamen.
Gründe
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 I Nr. 6 ZPO
sind gegeben, da sich die Familienabteilung des Amtsgerichts Kamen durch Beschluss
vom 26.4.2005 für funktionell unzuständig erklärt und die Vormundschaftsabteilung des
Amtsgerichts die Übernahme der Sache durch Beschluss vom 28.4.2005 abgelehnt hat.
Zuständig ist das Familiengericht, weil es sich um eine Familiensache gem. § 621 I Nr. 3
ZPO und nicht um eine Vormundschaftssache handelt.
Gemäß § 1800 BGB bestimmen sich die Rechte und Pflichten des Vormundes nach den §§
1631 bis 1633 BGB. Als Inhaber der Personensorge kann der Vormund in entsprechender
Anwendung des § 1632 I BGB die Herausgabe des Kindes von jedem verlangen, der es
ihm widerrechtlich vorenthält (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. A., 2005, § 1632 Rz.
3), Dieser Anspruch richtet sich auch gegen die leiblichen Eltern, wenn ihnen - wie hier -
die elterliche Sorge entzogen worden ist.
Ob für den Fall des Herausgabeverlangens des Vormundes gegen die leiblichen Eltern -
wegen des Sachzusammenhangs mit seinen vormundschaftlichen Aufgaben - das
Vormundschaftsgericht zuständig ist (so: Wagenitz - Münchner Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. A., 2000, § 1800 Rz. 19; Staudinger-Engler, Bürgerliches
Gesetzbuch, 13. A., 1999, Rz. 20; Palandt, a.a.O., § 1800 Rz. 7) oder- entsprechend dem
Wortlaut des § 1632 III BGB - die funktionale Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben
ist (so: Zöller-Philippi, Zivilprozessordnung, 25. A., 2005, § 621 Rz. 38; Ermann-Holzhauer,
Bürgerliches Gesetzbuch; 11. A., 2004, § 1800 Rz. 10; Huber - Münchner Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. A., 2000, § 1632 Rz. 14), wird in der Literatur nicht einheitlich
beantwortet.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Aufgrund der
uneingeschränkten Verweisung auf die §§ 1631 bis 1633 BGB in § 1800 BGB besteht
keine Veranlassung von der in § 1632 BGB getroffenen funktionalen
Zuständigkeitsregelung abzuweichen, wenn das Herausgabeverlangen nicht von den
Eltern, sondern vom Vormund gestellt wird. Nur dadurch kann erreicht werden, dass
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sämtliche mit der Personensorge des Kindes verbundene Maßnahmen auf eine mit allen
Sorgerechtsangelegenheiten befasste Stelle konzentriert und aufeinander abgestimmt
werden. Dagegen würde die Bejahung der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts zu
einer nicht sachgerechten und vom Gesetzgeber nicht gewollten Aufteilung der
Zuständigkeiten führen. Das Familiengericht würde in diesem Fall für die Entziehung der
elterlichen Sorge nach § 1666 BGB und für die teilweise oder vollständige Aufhebung
dieser Maßnahme nach § 1696 BGB zuständig sein, während das Vormundschaftsgericht
auf Antrag des Vormundes über die Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des
leiblichen Eltern zu entscheiden hätte. Damit wäre außerdem die Gefahr widersprüchlicher
Entscheidungen verbunden.
Die von der Gegenmeinung angeführte Absicht des Gesetzgebers, mit dem
Kindschaftsreformgesetz im Jahre 1998, das Verfahren betreffend die Vormundschaft nicht
generell in die Zuständigkeit der Familiengerichte zu übertragen (vgl. BT-Drucks. 13/4399,
71), überzeugt nicht. Der Gesetzgeber, der die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der
Familiengerichte und der Vormundschaftsgerichte im Bereich der elterlichen Sorge
insgesamt als reformbedürftig angesehen hat (BT-Drucks. 13/4399, 47), hat sich in der
Gesetzesbegründung gerade dafür ausgesprochen, für alle Bereiche, die die elterliche
Sorge betreffen (insbesondere die Fälle des § 1632 BGB), die Zuständigkeit der
Familiengerichte zu begründen, um eine Aufspaltung der funktionalen Zuständigkeit zu
vermeiden (vgl. BT-Drucksache 13/4399, 72, 96). Die Konzentrierung der
Entscheidungskompetenz auf das Familiengericht ist im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens sogar noch verstärkt worden, indem die ursprüngliche Absicht,
einzelne Aufgabenbereiche den Vormundschaftsgerichten aufgrund ihrer bisherigen
größeren Erfahrung und Sachkunde (z.B. bei der Genehmigung der Unterbringung nach §
1631 b BGB sowie bestimmter Rechtsgeschäfte nach § 1634 BGB) zu belassen,
aufgegeben worden ist (vgl. BT-Drucks. 13/4399, 72, 159 f.). Danach besteht kein Zweifel
daran, dass für das, gegen die leibliche Mutter des betroffenen Kindes gerichtete
Herausgabeverlangen des Vormundes das Familiengericht funktional zuständig ist.