Urteil des AG Hohenschönhausen vom 18.05.2005

AG Hohenschönhausen: gesellschafter, sachliche zuständigkeit, grundbuch, besitz, akte, eigentümer, eigenschaft, ermessen, gebäude, rechtskraft

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Gericht:
AG
Hohenschönhausen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
70 II 26/05 WEG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8 WoEigG, § 43 Abs 1 Nr 1
WoEigG
Wohngeldklage des Notverwalters gegen Gesellschaft und
Gesellschafter bei Ein-Personen-
Wohnungseigentümergemeinschaft: Sachliche Zuständigkeit
des Wohnungseigentumsgerichts; Entstehung der
Eigentümergemeinschaft
Tenor
1. Die Antragsgegner werden als Gesamtschuldner verpflichtet, an die
Wohnungseigentümergemeinschaft, zu Händen der Antragstellerin, 389.395,00 Euro
nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2005 zu zahlen.
2. Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Der Geschäftswert wird auf 389.395,00 Euro festgesetzt.
4. Der Beschluss wird im Wege der einstweiligen Anordnung für vorläufig vollstreckbar
erklärt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin zu 1. und den Antragsgegnern zu
2. und 3., die Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1. sind, die Zahlung von
Wohngeldern.
Die Wohnungsbaugenossenschaft ... G. (im Folgenden: WBG ...) war Eigentümerin des
Grundstücks A das mit einem Gebäude mit 136 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten
bebaut ist. Die Antragsgegner zu 2. und 3. schlossen in ihrer Eigenschaft als
Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1. am 6. September 2001 einen notariellen
Kaufvertrag mit der WBG ... über dieses Grundstück. Am 18. Juli 2002 ließen die
Antragsgegner zu 2. und 3. im Namen der WBG ... eine notarielle Teilungserklärung
beurkunden (Bl. 6 ff d. A.). In der Folgezeit wurde die WBG ... als erster Eigentümer
sämtlicher Wohnungen der Wohnanlage in den Wohnungsgrundbüchern des
Amtsgerichts Hohenschönhausen von Hohenschönhausen, Blatt ... N bis ... N,
eingetragen. Die Antragsgegner zu 2. und 3. wurden in ihrer Eigenschaft als
Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1. am 22. Juli 2003 in den
Wohnungsgrundbüchern als Eigentümer eingetragen. Sie verkauften diverse Wohnungen
an eine Vielzahl von Erwerbern, für die Eigentumsübertragungsvormerkungen im
Grundbuch eingetragen wurden.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 16. März 2005 – 70 II 62/04
WEG – wurde die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Notverwalterin
der Wohnanlage bestellt. Weder von den Antragsgegnern noch von mehreren
Vorverwaltern der Wohnanlage konnte die Antragstellerin Verwaltungsunterlagen
erhalten. Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen für die Wohnanlage sind nicht
vorhanden. Das Gebäude weist erhebliche Bauschäden auf. Insgesamt sind noch sieben
Wohnungen des Hauses vermietet.
Mit Schreiben vom 29. April 2005 forderte die Antragsgegnerin die Antragsgegner zur
Verabschiedung eines Wirtschaftsplanes 2005 auf (Bl. 26 ff d. A.). Dazu kam es in der
Folgezeit nicht. Daraufhin stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. Mai 2005 einen
Wirtschaftsplan für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 454.548,00 Euro auf und legte
ferner eine Sonderumlage von 200.000,00 Euro fest (Bl. 34 ff d. A.).
Mit ihrem Antrag verlangt die Antragstellerin von den Antragsgegnern die Zahlung von
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Mit ihrem Antrag verlangt die Antragstellerin von den Antragsgegnern die Zahlung von
Wohngeldern für sämtliche Wohnungen hinsichtlich des Zeitraums Januar bis Mai 2005 in
Höhe von insgesamt 189.395,00 Euro sowie die Zahlung der Sonderumlage in Höhe von
200.000,00 Euro. Die Zahlungen hatten die Antragsgegner trotz Fristsetzung bis zum
17. Mai 2005 nicht geleistet.
Die Antragstellerin behauptet, die einzelnen Erwerber der Wohnungen hätten den Besitz
an den erworbenen Wohnungen erlangt.
Sie meint, die Antragsgegnerin zu 1. als Eigentümerin der Wohnungen sei zur Zahlung
der von ihr festgelegten Wohngelder verpflichtet. Als Gesellschafter der Antragsgegnerin
zu 1. erstrecke sich die Verpflichtung auch auf die Antragsgegner zu 2. und 3.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verpflichten, an die
Wohnungseigentümergemeinschaft, zu Händen der Antragstellerin, 389.395,00 Euro
nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2005 zu zahlen.
Der Antragsgegner zu 3. beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er behauptet, von den Erwerbern sei niemand in den Besitz der Wohnungen gelangt.
Die Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegner zu 2. waren trotz ordnungsgemäßer
Ladung durch Empfangsbekenntnis des Verfahrensbevollmächtigten der
Antragsgegnerin zu 1. vom 25. Juli 2005 bzw. durch Zustellungsurkunde vom 26. Juli
2005 (Bl. 87, 88 d. A.) zur mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 nicht
erschienen.
Die Antragsgegner zu 1. und 3. hatten ferner im Schriftwege eingewandt, es sei keine
wirksame Eigentümergemeinschaft entstanden und die Antragsgegner zu 2. und 3.
könnten nicht vor dem Wohnungseigentumsgericht in Anspruch genommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zur Akte gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Akte und der
beigezogenen Akte des Amtsgerichts Hohenschönhausen – 70 II 62/04 WEG –, die
derzeit jedoch nur als Retent vorliegt, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig.
Für das vorliegende Verfahren ist das Wohnungseigentumsgericht gemäß § 43 Abs. 1 Nr.
1 WEG zuständig. Dies ergibt sich hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. daraus, dass die
Antragsgegner zu 2. und 3. als Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1. im Grundbuch
eingetragen sind, die Antragsgegnerin zu 1. also Wohnungseigentümerin ist. Hinsichtlich
der Antragsgegner zu 2. und 3. folgt dies daraus, dass sie als Gesellschafter der
Antragsgegnerin zu 1. mit dieser gesamtschuldnerisch haften. Dadurch sind sie zwar
selbst nicht Wohnungseigentümer, können jedoch aufgrund der Sachnähe des
Wohnungseigentumsverfahrens ebenfalls vor dem Wohnungseigentumsgericht in
Anspruch genommen werden. Dies ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft in
gleicher Weise bejaht worden (BayObLG, GE 1989, 361 ff m. w. N.). Die gegenteilige
Auffassung des LG Hamburg (ZMR 2002, 870) überzeugt dagegen nicht. Wenn für solche
Ansprüche das Prozessgericht zuständig wäre, würde dies zu einer Aufspaltung des
Rechtsweges führen, die prozessökonomisch nicht sinnvoll wäre. Zudem ist nach dem in
der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass über solche Ansprüche das
sachnähere Gericht zu entscheiden hat, auch deshalb von der Zuständigkeit gemäß §
43 Abs. 1 Nr. 1 WEG auszugehen.
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch die Einwendung der Antragsgegner nicht
entgegen, dass sie keine Wohnungseigentümer seien. Die
Wohnungseigentumsgemeinschaft ist jedenfalls dadurch entstanden, dass die
Antragsgegnerin zu 1. am 22. Juli 2003 als Eigentümerin der Wohnungen eingetragen
worden war. Erste Eigentümerin sämtlicher Wohnungen war die WBG ... auf deren
Vollmacht hin die Antragsgegner zu 2. und 3. am 18. Juli 2002 auch die
Teilungserklärung notariell beurkunden ließen. Nach Anlegung der Grundbücher wurde
die WBG ... als erster Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Mit der Eintragung der
Erwerber sämtlicher Wohnungen, nämlich der Antragsgegnerin zu 1., kam daher die
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Erwerber sämtlicher Wohnungen, nämlich der Antragsgegnerin zu 1., kam daher die
Wohnungseigentümergemeinschaft zum Entstehen. Dabei bleibt es ohne Belang, ob die
diversen Erwerber, für die in der Folgezeit Eigentumsübertragungsvormerkungen
eingetragen worden waren, ihrerseits den Besitz an den Wohnungen erlangt hatten oder
nicht. Denn diese hätten schon deshalb nicht werdende Wohnungseigentümer werden
können, weil zu diesem Zeitpunkt bereits die Antragsgegnerin zu 1. als erster Erwerber
der Wohnungen im Grundbuch eingetragen worden war, so dass eine
Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden war.
Der Antrag ist auch begründet.
Aufgrund des von der Antragsgegnerin als Notverwalterin erstellten Wirtschaftsplans
vom 9. Mai 2005 ist die Antragsgegnerin zu 1. und demzufolge wegen ihrer persönlichen
Haftung auch deren Gesellschafter, also die Antragsgegner zu 2. und 3., zur Zahlung der
Wohngelder für die Monate Januar bis Mai 2005 in Höhe von insgesamt 189.395,00 Euro
und zur Zahlung der Sonderumlage von 200.000,00 Euro verpflichtet.
Wegen des Fehlens vorangegangener Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen war die
Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Notverwalterin gemäß § 11 Abs. 4 der notariell
beurkundeten Teilungsverklärung dazu berechtigt, die Wohnungseigentümer zur
Wohngeldzahlung heranzuziehen. Zur Beschlussfassung über den von ihr erstellten
Wirtschaftsplan kam es zuvor nicht, da die Antragsgegnerin zu 1. auf das Schreiben der
Antragstellerin vom 29. April 2005 nicht reagiert hatte. Aus der Anlage zu diesem
Schreiben ergibt sich ohne weiteres, wie sich die Gesamtkosten von 454.548,00 Euro
zusammensetzen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich diesbezüglich um unangemessen
hohe Kosten handelt, sind nicht ersichtlich. Da die Antragsgegnerin zu 1. Eigentümerin
sämtlicher Wohnungen ist, hat sie das mit dem vorliegenden Antrag verlangte Wohngeld
für die Monate Januar bis Mai 2005 zu zahlen, das sich insgesamt auf 189.395,00 Euro
beläuft. Ferner ist sie dazu verpflichtet, die Sonderumlage von 200.000,00 Euro zu
zahlen, die die Antragstellerin zur Deckung der unstreitig bestehenden
Finanzierungslücke für die Durchführung von Not- und Sofortmaßnahmen festgesetzt
hatte. Die Antragstellerin hat im Einzelnen dargelegt, welche Maßnahmen vorzunehmen
sind. Daraus ergibt sich, dass es sich um unaufschiebbare Fälle handelt, so dass die
Sonderumlage von der Antragstellerin gemäß § 11 Abs. 9 Satz 2 der Teilungserklärung
bestimmt werden konnte. Dem gesamten Vorbringen der Antragstellerin zu den
einzelnen Umständen in dem Hause sind die Antragsgegner in keiner Weise
entgegengetreten. Vielmehr hat der Antragsgegner zu 3. anlässlich der mündlichen
Verhandlung vom 31. August 2005 ausdrücklich bekundet, dass die Antragsgegnerin zu
1. aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Wohnungen selbst zu
verwalten. Die nach dem Vorbringen der Beteiligten nur als desolat zu bezeichneten
Zustände in dem Hause können demnach nur durch die von der Antragstellerin
festgelegte Sonderumlage beseitigt werden. Angesichts der Tatsache, dass immerhin
noch sieben Mietparteien in dem Hause wohnen, sind diese Maßnahmen auch
unaufschiebbar.
Die Antragsgegner waren daher wie geschehen zur Zahlung von insgesamt 389.395,00
Euro an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu Händen der Antragstellerin zu
verpflichten.
Der Zinsanspruch stützt sich auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1
BGB. Mit Ablauf der in dem Schreiben der Antragstellerin vom 9. Mai 2005 gesetzten
Frist war die Antragsgegnerin zu 1. und demnach auch deren Gesellschafter, die
Antragsgegner zu 2. und 3., mit der Zahlung in Verzug geraten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dabei entsprach es billigem Ermessen
gemäß § 47 Satz 1 WEG, die Gerichtskosten den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern
aufzuerlegen, weil sie im vorliegenden Verfahren unterlegen sind. Hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten entsprach es billigem Ermessen gemäß § 47 Satz 2 WEG, den
Antragsgegnern die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin ebenfalls als
Gesamtschuldnern aufzuerlegen. Denn das vorliegende Wohngeldverfahren war
ausschließlich deshalb erforderlich geworden, weil die Antragsgegner in
gemeinschaftswidriger Weise ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Wohngelder und der
Sonderumlage nicht nachgekommen waren. Ob sie dazu aus finanziellen Gründen nicht
in der Lage waren, hat dabei außer Betracht zu bleiben, weil dies der Verpflichtung zur
Zahlung nicht entgegen steht. Es würde daher billigem Ermessen widersprechen, wenn
die Antragstellerin ihre dadurch veranlassten außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen
hätte.
Der Geschäftswert war gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf 389.395,00 Euro festzusetzen.
26 Darüber hinaus hatte das Gericht auf Anregung der Antragstellerin gemäß § 44 Abs. 3
WEG im Wege der einstweiligen Anordnung den Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu
erklären. Es wäre nämlich angesichts der erheblichen Zahlungsrückstände der
Antragsgegner, die als einzige Wohnungseigentümer für die Verwaltungskosten des
gesamten Gebäudes aufzukommen haben, und angesichts der unaufschiebbaren
Maßnahmen, die zur Festlegung der Sonderumlage geführt haben, nicht hinnehmbar,
wenn die Antragstellerin mit der Vollstreckung zunächst den Eintritt der Rechtskraft des
vorliegenden Beschlusses abwarten müsste. Insofern war im Wege der einstweiligen
Anordnung wie geschehen zu entscheiden.
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