Urteil des AG Herford vom 08.03.2002

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Amtsgericht Herford, 12 C 1609/01
Datum:
08.03.2002
Gericht:
Amtsgericht Herford
Spruchkörper:
Abteilung 12
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 C 1609/01
Tenor:
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
379,86 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit
dem 17.07.01 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger den Rückstufungsschaden, welchen er im Hinblick auf
den Verkehrsunfall vom 24.05.01 anläßlich der Inanspruchnahme seiner
Fahrzeugvollversicherung bei der erleidet, in Höhe von 1/3 zu erstatten.
3.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 55 %, die Beklagten
als Gesamtschuldner 45 %.
5.
Das Urteil ist im Hinblick auf die bezifferte Forderung und wegen der
Kosten vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung gegen
sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende
Partei vorher Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 2.724,00 DM festgesetzt.
Darauf entfallen auf den Feststellungsantrag 907,38 DM.
Tatbestand:
1
Der Kläger macht gegen die Beklagten restliche Schadensersatzansprüche aus einem
Verkehrsunfall geltend, der sich am 24.05.01 auf der Wertherstraße in Enger ereignet
hat. An dem Verkehrsunfall war beteiligt der Kläger als Fahrer seines Pkw Opel Corsa,
amtl. Kennzeichen , sowie der Beklagte zu 1. als Halter und Fahrer des bei der
Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pkw's Opel Astra, amtl. Kennzeichen .
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Auf einem Teilstück der Wertherstraße, außerhalb geschlossener Ortschaft, wollte der
Kläger nach links einbiegen in die Weststraße. Während des Abbiegevorganges kam es
zur Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1., der das Fahrzeug des Klägers
überholen wollte. Die Anstoßstelle am klägerischen Fahrzeug war am vorderen linken
Kotflügel.
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Der genaue Unfallhergang ist unter den Parteien streitig.
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Das Fahrzeug des Klägers wurde bei einem autorisierten Opelvertragshändler zum
Preis von 8.185,60 DM repariert. Der Kläger nahm, weil die Beklagte zu 2. nicht sofort
den Schaden regulierte, seine Fahrzeugvollversicherung bei der Fa. Signal Iduna
Gruppe in Anspruch. Von dort sind die Reparaturkosten in Höhe von 8.185,60 DM
abzüglich der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 650,00 DM sowie die
ebenfalls unfallursächlich angefallenen Abschleppkosten in Höhe von 336,38 DM brutto
ausgeglichen worden.
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Der Kläger hat einen Mietwagen in Anspruch genommen. Insoweit entstanden der Höhe
nach unstreitig 2.560,85 DM. Hiervon hat die Beklagte zu 2. vorprozessual 640,21 DM
reguliert, wobei die Beklagten eine Haftungsquote von 25 % zu ihren Lasten
vorprozessual anerkannt haben.
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Der Kläger hatte seine Prozeßbevollmächtigten mit der Abwicklung des Kaskoschadens
beauftragt. Insoweit entstand dem Kläger eine weitere Schadensposition in Höhe von
516,20 DM.
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Von den Beklagten unwidersprochen trägt der Kläger vor, daß sich der
Rückstufungsschaden in den Jahren 2002 bis 2020 voraussichtlich auf 1.512,30 DM
belaufe.
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Zur weiteren Klagebegründung und zugleich gegenüber den Einwendungen der
Beklagten trägt der Kläger im wesentlichen folgendes vor:
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Er behauptet, er habe ca. 150 Meter vor dem später von ihm eingeleiteten
Abbiegevorgang den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und sich unter Beachtung
der zweimaligen Rückschaupflicht vergewissert, daß er beim Abbiegen nach links
rückwärtigen Verkehr nicht gefährde.
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Er ist der Auffassung, daß der Beklagte zu 1. schon wegen der verlangsamten
Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers aus Gründen der im Straßenverkehr
erforderlichen Sorgfalt keinen Überholvorgang hätte einleiten dürfen. Aus diesen
Gründen hafteten die Beklagten zu einer Quote von 75 %. Unter Berücksichtigung
dieser Quote und der durch die Zweitbeklagte erfolgte vorprozessual erfolgte Zahlung in
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Höhe von 640,21 DM ergebe sich in Bezug auf die unstreitig angefallenen
Mietwagenkosten ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 1.280,42 DM. Dieser
Schaden werde als nicht kongruente Schadensposition geltend gemacht.
Darüberhinaus macht der Kläger eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 DM geltend.
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Als quotenbevorrechtigte Schadensposition macht der Kläger 516,20 DM geltend. Bei
dieser Schadensposition handele es sich nach Auffassung des Klägers um eine
quotenbevorrechtigte Schadensposition.
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Der Anspruch auf Erstattung des verlorenen Schadensfreiheitsrabattes in der
Kaskoversicherung (Rückstufungsschaden) sei als nicht quotenbevorrechtigter
Sachfolgeschaden ebenfalls vom Schädiger nach seiner Haftungsquote zu ersetzen.
Dieser Rückstufungsschaden sei derzeit noch nicht zu beziffern. Insoweit sei jedoch ein
Feststellungsinteresse gegeben.
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Der Kläger beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an
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ihn 928,82 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen
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Basiszinssatz der EZB seit dem 17.07.01 zu zahlen.
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2.
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festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner
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verpflichtet sind, dem Kläger den Rückstufungsschaden,
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den er im Hinblick auf den Verkehrsunfall vom 24.05.01
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anläßlich der Inanspruchnahme seiner Fahrzeugvollver-
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sicherung bei der erleidet, in
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Höhe von 3/4 zu erstatten.
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Die Beklagte beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreiten die Unfalldarstellung des Klägers. Der Kläger habe nicht rechtzeitig sein
linkes Blinklicht gesetzt. Für den nachfolgenden Beklagten zu 1. sei in keiner Weise
erkennbar gewesen, daß der Kläger nach links habe abbiegen wollen. Allein durch das
langsame Fahrtempo des Klägers sei für den Beklagten zu 1. keine unklare
Verkehrssituation entstanden, aufgrund derer er auf ein Überholmanöver hätte
verzichten müssen.
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Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen verwiesen.
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Das Gericht hat sowohl den Kläger wie auch den Beklagten zu 1. nach § 141 ZPO
angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Vernehmungsniederschrift
vom 13.02.2002 verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist zulässig, auch soweit Feststellungsklage erhoben worden ist.
Für das Feststellungsbegehren hat der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten
ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 I ZPO. Der Kläger begehrt die Erstattung
des Rückstufungsschadens in einem höheren Maße, als es ihm die Beklagten zubilligen
wollen. Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht überschaubar ist, ob und in
welchem Umfang in der Zukunft ein Rückstufungsschaden entstehen wird, kann dessen
Geltendmachung nur im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden.
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Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.
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Im Ergebnis haften die Beklagten nach §§ 823 BGB, 7 StVG, 17 StVG, 3 PflichtVG nur
zu einer Quote von 1/3.
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Der Verkehrsunfall ist im einzelnen nicht aufklärbar. Zeugen stehen nicht zur Verfügung.
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Das Gericht hat letztlich nicht feststellen können, daß für den Beklagten zu 1. die
Verkehrslage so unklar war, daß er das Fahrzeug des Klägers nicht überholen durfte.
Nach den nicht widerlegten Angaben des Beklagten zu 1. hat der Kläger erst im letzten
Moment den linken Blinker gesetzt und dadurch ggf. zu spät seine Absicht gegenüber
dem nachfolgenden Verkehr offenbart, nach links abzubiegen. Andererseits liegt ein
Verkehrsverstoß des Klägers nach § 9 Abs. 5 StVO vor. Danach hatte der Kläger sich so
zu verhalten, daß beim Abbiegen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
ausgeschlossen wird. Es liegt angesichts des Verkehrsunfalls auf der Hand, daß der
Kläger vor dem Abbiegen nicht oder nicht sorgfältig genug auf den nachfolgenden
Verkehr geachtet hat. Die hinter dem Kläger liegende Straße war einzusehen. Der
Kläger hatte das Fahrzeug des Beklagten zu 1. auch bei seiner ersten Rückschau
bereits wahrgenommen. Er hätte den Beklagten zu 1. auch bei der zweiten gebotenen
Rückschau sehen müssen. Er hätte sich nicht damit zufrieden geben müssen, daß
dieses bei der von ihm behaupteten zweiten Rückschau nicht mehr sichtbar gewesen
ist.
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Zu Lasten der Beklagten ist jedoch nicht nur die vom Fahrzeug des Beklagten zu 1.
ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Unstreitig hatte der Kläger auf freier
Strecke seine Fahrgeschwindigkeit reduziert. Dieses Fahrverhalten ist dem Beklagten
zu 1. auch aufgefallen. Nach Auffassung des Gerichtes hätte er das weitere
Verkehrsgeschehen sorgfältiger beobachten müssen.
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Unter Berücksichtigung dieser Umstände hielt das Gericht eine Haftungsquotelung zu
Lasten der Beklagten zu 1/3, zu Lasten des Klägers zu 2/3 für geboten und
angemessen.
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Als nicht am Quotenvorrecht teilnehmende Schadenspositionen sind folgende
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Positionen ausgleichungspflichtig:
1. Mietwagenkosten 2.560,85 DM
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2. Unkostenpauschale40,00 DM
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2.600,85 DM
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1/3 davon 866,95 DM
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abzüglich vorprozessual geleisteter
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Zahlungen in Höhe von 640,21 DM
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Summe: 226,74 DM
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Die Anwaltskosten des Klägers für die Inanspruchnahme seiner eigenen
Vollkaskoversicherung sind zum einen notwendige Aufwendungen im Sinne von § 249
II BGB. Zum anderen handelt es sich um einen kongruenten Schaden und ist
quotenbevorrechtigt zu erstatten. Diese Auffassung wird zwar nicht einheitlich vertreten.
Das Gericht schließt sich jedoch der Entscheidung des OLG Karlsruhe (in NZV 1990,
Seite 431) an. Die Anwaltskosten zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung sind
nämlich Kosten, die auf die Restitution des versicherten Gegenstandes (des Fahrzeugs)
selbst gerichtet sind und damit ebenso wie die Sachverständigenkosten zur
Begutachtung des Fahrzeugs oder die Abschleppkosten aufgewendet werden müssen
um den ursprünglichen Fahrzeugzustand wiederherzustellen (vgl. auch
Rechtsprechungsübersicht in ZfS 1986, Seite 205 f).
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Dies hat zur Folge, daß die Forderung in Höhe von 516,20 DM nicht nach der
Haftungsquote sondern zu einer Quote zu 100 % erstattungsfähig ist.
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Die zu titulierende Forderung errechnet sich demgemäß auf 742,94 DM. Dies entspricht
einem EURO-Betrag von 379,86 EUR.
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Der Rückstufungsschaden ist als nicht kongruente Schadensposition nach der
Haftungsquote auszugleichen.
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Der zugesprochene Zinsanspruch beruht auf § 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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