Urteil des AG Hamm vom 29.04.2010

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Amtsgericht Hamm, 16 C 265/08
Datum:
29.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Hamm
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 C 265/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Kläger waren Mitglieder des Beklagten. Zuständig war die Beratungsstelle L, die
von der Zeugin u geführt wurde. Diese fertigte für die Kläger u.a. (nachträgliche)
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2005, die sich (auch) auf
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsrenten bezogen, die der Kläger in diesem
Zeitraum erhalten hatte. Welche Unterlagen der Zeugin dazu vorlagen, ist strittig.
Aufgrund dieser Erklärungen setzte das Finanzamt C Nachzahlungsbeträge von über
10.000 € fest. Dem lag zugrunde, dass die Renten gemäß § 22 EStG mit einem
Ertragsanteil von 46 % versteuert wurden.
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Die Kläger beauftragten den Steuerberater Kremer aus N, der gegen die
Steuerbescheide Einspruch einlegte. Im Einspruchsverfahren wurde der zu
versteuernde Ertragsanteil gem. § 55 EStDV auf 9 % bzw. 5 % festgesetzt. Für seine
Tätigkeit berechnete der Steuerberater Gebühren in Höhe von 1.082,90 €.
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Diesen Betrag verlangen die Kläger von dem Beklagten ersetzt.
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Die Kläger sind der Auffassung, die von der Zeugin u erstellten Steuererklärungen seien
unrichtig gewesen. Die bezogenen Renten hätten – wie dann im Einspruchsverfahren
geschehen – als Einkünfte aus einer abgekürzten Leibrente deklariert werden müssen.
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Diese zutreffende Einschätzung der Renteneinkünfte ergebe sich aus den Schreiben
der Nürnberger Versicherung vom 08.03.2002 und vom 27.09.2002, wonach die
Renteneinkünfte befristet gewesen seien. Der Zeugin u hätte, so behaupten die Kläger,
auch dieses letztere Schreiben vorgelegen. Ihr sei mitgeteilt worden, dass der Kläger an
einer Umschulungsmaßnahme teilgenommen und sie nicht beendet habe. Die Zeugin
hätte zudem schon angesichts der hohen Nachforderungen Anlass zu weiteren
Überprüfungen und jedenfalls zur vorsorglichen Einspruchseinlegung gehabt, was sie,
so behaupten die Kläger weiter, trotz mehrfacher mündlicher Aufforderung verweigert
habe. Deswegen sei die Einschaltung des Steuerberaters erforderlich gewesen, so dass
der Beklagte dessen Kosten ersetzen müsse.
Die Kläger beantragen,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.082,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über Basiszins ab Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bestreitet seine Passivlegitimation. Die Beratungsstelle in L werde von der Zeugin u
in eigener Selbständigkeit betrieben. Außerdem liege kein Beratungs- bzw.
Bearbeitungsfehler vor. Aus den der Zeugin u zur Verfügung gestellten Unterlagen habe
sich kein Hinweis ergeben, dass es sich um eine abgekürzte Rente gehandelt habe. In
Wirklichkeit handele es sich, wie auch eine nachträglich telefonisch eingeholte Auskunft
des Versicherers ergeben habe, um eine auf Dauer festgesetzte Rente. Die gegenteilige
Bewertung im Einspruchsverfahren sei fehlerhaft. Das Schreiben des Versicherers vom
27.09.2002 habe der Zeugin nicht vorgelegen, es sei ihr auch nicht bekannt gewesen,
dass der Kläger an Umschulungsmaßnahmen teilgenommen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Kläger sind gem. § 141 ZPO angehört worden. Es ist Beweis erhoben worden durch
Vernehmung der Zeugin u. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und
Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 08.04.2010 (Bl. 176 ff. d. A.)
Bezug genommen. Der Sachverständige Sprick hat unter dem 22.01.2010 (Bl. 138 ff
d.A.) ein schriftliches Gutachten erstattet.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist im Ergebnis nicht begründet.
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Allerdings wäre der Beklagte im Hinblick auf Schadensersatzansprüche
passivlegitimiert. Die Kläger sind Mitglieder des Beklagten. Aus der Mitgliedschaft ergab
sich der Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf steuerliche Beratung. Der
Beklagte hat sich der Zeugin u zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten bedient.
Diese war deshalb Erfüllungsgehilfin des Beklagten, so dass ihm die
Beratungsleistungen der Zeugin u und dabei aufgetretene Fehler gem. § 278 BGB
zuzurechnen sind. Auf die interne Organisation kommt es nicht an.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann aber nicht festgestellt werden, dass die
Steuererklärungen, die die Zeugin u in dem hier fraglichen Zeitraum verfasst hat, im
Hinblick auf die Renteneinkünfte fehlerhaft waren und eine andere Zuordnung hätte
stattfinden müssen. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, war die vorgenommene
Einordnung der Renteneinkünfte auf der Basis der Vertragsunterlagen und dem
Anerkennungsschreiben vom 08.03.2002 zutreffend und nicht zu beanstanden. Die
Frage einer abgekürzten Rente habe sich aufgrund dieser Unterlagen nicht gestellt. Es
habe aus seiner Sicht auf dieser Basis auch kein Anlass zu weiteren Nachforschungen
bestanden. Anders sei die Bewertung aufgrund der in dem Schreiben des Versicherers
vom 27.09.2002 angesprochenen Umschulungsmaßnahme und einer darauf
beruhenden Limitierung der Rente. Voraussetzung für eine entsprechende Einordnung
sei die Kenntnis dieses Schreibens bzw. der Erhalt entsprechender Informationen
gewesen.
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Je nachdem, welche Informationen die Zeugin u damals erhalten hatte, waren die von
ihr erstellten Steuererklärungen daher (subjektiv) ordnungsgemäß oder fehlerhaft. Die
Kläger müssen die Voraussetzungen ihres Regressanspruchs beweisen. Das gilt
unabhängig davon, welche Vorwürfe gegen den Steuerberater erhoben werden, also für
Beratungsfehler ebenso wie für unzulängliche Sachaufklärung (vgl. BGH, Beschluss
vom 16.10.2008 – IX ZR 177/06 – zitiert nach juris; BGH NJW 1996, 2571). Da die
Pflichtverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität gehört, ist nach § 286 ZPO zu
beurteilen, ob der Beweis geführt ist. Danach sind die Kläger für alle Umstände
darlegungs- und beweispflichtig, aus denen sich eine fehlerhafte Bearbeitung und damit
eine Pflichtverletzung des Beklagten ergibt. Ihre Behauptung, die entsprechende
Kenntnis habe bei der Zeugin u vorgelegen, ist aber nicht bewiesen.
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Der Beklagte hat bereits unmittelbar nach Vorlage der Unterlagen, die die Kläger nach
ihrer Darstellung der Zeugin u zur Verfügung gestellt haben wollen, und schon vor
Einholung des Gutachtens in Abrede gestellt, dass der Zeugin u das entscheidende
Schreiben der Nürnberger Versicherung vom 27.09.2002 vorgelegen habe oder der
Kläger die Zeugin davon unterrichtet habe, dass er an einer Umschulungsmaßnahme
teilgenommen habe. Die Zeugin u hat dies ebenfalls glaubhaft in Abrede gestellt. Dabei
hat die Zeugin in der mündlichen Verhandlung einen sehr korrekten und glaubwürdigen
Eindruck gemacht und sich ersichtlich um Aufklärung bemüht. Die Kläger konnten die
Darstellung des Beklagten und der Zeugin u nicht widerlegen. Es ist auch nicht
bewiesen, dass jedenfalls über die Umschulungsmaßnahme im Zusammenhang mit
diesen Steuererklärungen gesprochen worden ist. Die entsprechende Darstellung der
Kläger ist schon von den Umständen her nicht hinreichend konkret. Zudem hat die
Zeugin sie ebenfalls nicht bestätigt, sondern entschieden in Abrede gestellt, von einer
derartigen Umschulung Kenntnis gehabt zu haben. Dies erscheint nach den Umständen
auch durchaus plausibel, denn die Gespräche über die nachträgliche Versteuerung der
Berufsunfähigkeitsrente sind erst Mitte 2007 geführt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte
der Kläger die Umschulungsmaßnahme, die ursprünglich ausweislich des Schreibens
der Nürnberger Versicherung für den Zeitraum vom 02.09.2002 bis 01.09.2005 geplant
war, längst abgebrochen. Da dem Kläger die Bedeutung der nicht zu Ende geführten
Umschulungsmaßnahme für die Versteuerung der Renteneinkünfte im Zeitpunkt der mit
der Zeugin u geführten Gespräche gar nicht bekannt gewesen sein dürfte, drängte sich
für ihn auch nicht ohne weiteres auf, der Zeugin u der mindestens schon zwei Jahre
zurückliegenden und ergebnislos beendeten Maßnahme zu berichten.
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Nach diesem Beweisergebnis kann ein Bearbeitungsfehler bei der Erstellung der
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Steueranmeldungen hinsichtlich der Renteneinkünfte nicht festgestellt werden.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass die Zeugin u nach Erlass der Steuerbescheide
Veranlassung hatte, wegen der Dauer der Renteneinkünfte Nachforschungen
anzustellen. Allein aus der Höhe der festgesetzten Nachzahlungen ergab sich diese
Verpflichtung nicht. Dass anschließend Gespräche mit den Klägern geführt worden sind,
in denen die Zeugin u weitere Informationen erhalten hat, aus denen sich nachträglich
Veranlassung ergab, die Richtigkeit der Steuerbescheide nochmals zu überprüfen,
haben die Kläger weder substantiiert dargelegt noch bewiesen.
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Ein schuldhafter Bearbeitungsfehler lässt sich danach nicht feststellen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1.082,90 €
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