Urteil des AG Hamm vom 24.11.2010

AG Hamm (kläger, zpo, vergütung, sachverständigenkosten, zahlung, verkehrsunfall, höhe, befragung, vergleich, pauschal)

Amtsgericht Hamm, 24 C 209/10
Datum:
24.11.2010
Gericht:
Amtsgericht Hamm
Spruchkörper:
24. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 C 209/10
Schlagworte:
Sachverständigenkosten, Verkehrsunfall
Normen:
§ 249 Abs. 1 BGB
Leitsätze:
Zur Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem
Verkehrsunfall
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 62,29 nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
02.03.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Auf die Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313a ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Der Kläger kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten die Zahlung von weiteren
EUR 62,29 verlangen (§§ 7 StVG, 823 Abs. 2, 398 BGB i.V.m. § 115 VVG). Dem
geschädigten Zedenten T. stand ein Schadensersatzanspruch wegen des ihm bei
einem Verkehrsunfall vom 01.09.2009 entstandenen Schadens zu.
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1.
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Gegen die Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Bedenken. Diese ergibt sich
aus der Abtretung vom 04.09.2009. Die Beklagte ist richtige Anspruchsgegnerin, da sich
der Unfall auf Seiten des Schädigers mit einem PKW ereignete, der bei der Beklagten
haftpflichtversichert ist. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach nicht streitig.
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2.
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Der Kläger kann die sog. übliche Vergütung aus abgetretenem Recht verlangen.
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a.
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Der Geschädigte kann vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand die
Kosten verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden
Menschen in der M des Geschädigten zu Behebung des Schadens zweckmäßig und
angemessen erscheinen mussten. Dabei ist auf die individuelle Situation des
Geschädigten hinsichtlich seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten abzustellen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Geschädigten keine allgemeinen
Erkundigungspflichten treffen, er muss sich kein Bild über die Marktsituation verschaffen
(vgl. Urteil des BGH vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06).
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b.
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Es war erforderlich, zur Behebung des Schadens ein Gutachten einzuholen. Insoweit ist
trotz eines Schadens von lediglich EUR 620,00, ausgehend von einem
Wiederbeschaffungswert von EUR 650,00 und einem Restwert von EUR 30,00, kein
Bagatellschaden gegeben, wo der Kläger ggfs. hätte auf einen Kostenvoranschlag o.ä.
zurückgreifen müssen. Die Höhe des entstandenen Schadens liegt an der
Bagatellgrenze (DEM 1.500,00 bis DEM 2.000,00, vgl. AG Dinslagen, Urteil vom
17.12.1992, 7 C 263/97; DEM 1.000,00, vgl. OLG I2, Urteil vom 08.09.1993, 32 U 36/93),
dies aber auch nur vor dem Hintergrund des vom Kläger festgesetzten
Wiederbeschaffungs- und Restwerts. Marktpreise unterliegen naturgemäß
Schwankungen, so dass sich insoweit die Annahme einer starren Grenze verbietet. Es
war nach der Schadenssymptomatik für den Laien auch mit versteckten Mängeln zu
rechnen (vgl. hierzu AG I, Urteil vom 01.12.2006, 2 C #####/####). Auch liegt kein für
den Laien offensichtlicher Fall der Überschreitung des Wiederbeschaffungswerts durch
die Reparaturkosten vor.
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c.
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Der Geschädigte war dem Kläger zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet, denn
er hat mit dem Kläger keine Vergütungsvereinbarung getroffen. Die im Formulartext der
Abtretungserklärung enthaltene Klausel "Als Entgelt für die Sachverständigenleistung
werden die im Sachverständigenbüro Greenwood üblichen Honorare vereinbart." ist
nicht Vertragsbestandteil geworden. Insoweit kann von der Unterschrift nicht auf den
Rechtsbindungswillen im Hinblick auf die Preisvereinbarung als wesentliches Element
der vertraglichen Abrede geschlossen werden.
13
d.
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Der Geschädigte war im vorliegenden Fall nicht zur Nachfrage nach günstigeren Tarifen
verpflichtet. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die den Geschädigten
dazu hätten verleiten müssen, nach günstigeren Preisen nachzufragen. Weder ist
dargetan worden, dass der Geschädigte hier über Erfahrungswerte verfügt, noch ist die
vereinbarte Vergütung aus sich heraus so hoch, dass Zweifel hätten aufkommen
müssen. Die Rechtsprechung zu Mietwagenkosten kann nicht ohne weiteres auf
Sachverständigenkosten übertragen werden. Es fehlt dort in der Regel an allgemein
zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen
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würden (vgl. Urteil des LG T vom 29.08.2008, 13 S 108/08 m.w.N.). Insbesondere kann
ein völliges preisliches Desinteresse, was die Erstattungsfähigkeit höherer als die
erforderlichen Kosten übersteigenden Kosten hindern würde (§ 242 BGB) dem
Geschädigten nicht vorgeworfen werden, denn es ist höchst zweifelhaft, ob dem
durchschnittlichen Verunfallten – und damit auch der Geschädigten – überhaupt
bewusst ist, dass sich diese Sachverständigenkosten nicht nach einer besonderen
Honorarordnung richten. Das LG E hat sich mit dieser Thematik noch nicht vertiefend
befasst.
3.
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Die übliche Vergütung war auf Basis der Befragung des BVSK #####/####und
vergleichend #####/####zu bestimmen. Das Heranziehen dieser Befragung – und nicht
das Gesprächsergebnis mit dem BVSK – entspricht den Grundsätzen tatrichterlichen
Ermessens im Rahmen von § 287 ZPO (vgl. das Urteil des LG E vom 05.08.2010, 4 S
11/10).
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4.
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Es ergibt sich die folgende Gegenüberstellung bei Zugrundelegung eines Schadens
von EUR 650,00 (bis EUR 750,00):
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Honorar des Klägers
BVSK
2008/2009
Grundhonorar
EUR 160,00
EUR 176,00 –
222,00
Fahrkosten pauschal für 66 km
EUR 25,05
EUR 15,00 –
30,00
Fotokosten pauschal (Kläger rechnet nach
Einzelfotos ab)
EUR 22,10
EUR 14,70 –
23,65
Schreibkosten Porto-/,
Telekommunikationskosten
EUR 19,60 EUR 18,19
EUR 37,79
EUR 22,00 –
38,00
Summe (netto)
EUR 244,94
Mehrwertsteuer
EUR 46,54
Summe (brutto)
EUR 291,48
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Aus dem Vergleich wird deutlich, dass der Kläger übliche Vergütung verlangt, wobei die
Pauschalierung der einzelnen Posten nicht zu beanstanden ist (vgl. LG E, a.a.O.).
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ein Gesamtbetrag einschließlich
Mehrwertsteuer von EUR 291,48. Hiervon hat die Beklagte EUR 229,19 ausgeglichen,
so dass ein erstattungsfähiger Restbetrag von EUR 62,29 verbleibt.
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4.
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Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 280 Abs. 2, 286 ZPO. Maßgeblich für den
Verzugseintritt ist die Fristsetzung zur Zahlung bis zum 01.03.2010 mit Schreiben vom
16.02.2010.
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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III.
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Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 62,29.
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