Urteil des AG Hamm vom 23.05.2002

AG Hamm: unterbringung, treu und glauben, behandlung, aufklärungspflicht, vollstreckung, klinik, täuschung, abrechnung, vergütung, auflage

Amtsgericht Hamm, 28 C 52/02
Datum:
23.05.2002
Gericht:
Amtsgericht Hamm
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 C 52/02
Nachinstanz:
Landgericht Dortmund, 4 S 13/02
Schlagworte:
Wahlleistungsvereinbarung, Unterbringung im Zweibettzimmer aus
medizinischen Gründen
Normen:
BPflV § 22; § 134 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Die Vereinbarung eines Wahlleistungszuschlags für die Unterbringung
in einem Zweibettzimmer ist unwirksam, wenn diese ohnehin aus
medizinischen Gründen erforderlich ist und der allgemeinen
Krankenhausleistung, hier bei Unterbringung im Schlaflabor, entspricht.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 225,-- EUR abzuwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist Trägerin der berufsgenossenschaftlichen Kliniken B, in denen der
Beklagte in der Zeit vom 21. bis 28.5.2001 stationär behandelt wurde. Die Versorgung
des Herrn L erfolgte im Schlaflabor der medizinischen Klinik, Abteilung für
Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin, Station
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M 17. Bei der Aufnahme des Beklagten war gesondert die Unterbringung in einem
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Zweibettzimmer gemäß Wahlleistungsvereinbarung vom 21.5.2001 vereinbart worden.
Die Unterbringung erfolgte während der gesamten Behandlungsdauer im Zimmer 3257
(Zweibettzimmer ohne Nasszelle, ohne Toilette). Unstreitig ist, dass die notwendigen
Untersuchungsmaßnahmen bei dem Beklagten ausschließlich in den das Schlaflabor
ausmachenden (Zweibett)-Zimmern durchgeführt werden konnten.
In der Folge hatte der Beklagte mit Schreiben vom 10.8.2001 die Anfechtung der
Wahlleistungsvereinbarung erklärt.
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Die Klägerin verfolgt mit der Klage nunmehr restliche Zahlung von dem Beklagten in
Höhe 1.190,-- DM, das entspricht dem Betrag, der auf die Position "Unterbringung im
Zweibettzimmer" der Rechnung vom 31.7.2001 entfiel.
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Der Beklagte sei, wie auch vereinbart, in einem Zweibettzimmer untergebracht
gewesen. Er schulde deshalb auch den auf die Wahlleistung entfallenden Mehrbetrag.
Soweit die Behandlung nur im Schlaflabor durchgeführt worden sei, stelle dieses einen
unselbständigen Ausschnitt der Abteilung für Pneumologie, Allergologie und
Schlafmedizin dar, bestehend aus den Stationen M17, M 25 und M 26. Mit Ausnahme
der Station M 25 würden hier auch Dreibettzimmer vorgehalten. Es könnte insoweit auch
nicht auf eine isolierte Betrachtung ankommen, welche Zimmerverteilung im Schlaflabor
gegeben sie. Es komme nur darauf an, ob in dem in Rede stehenden
Krankenhaus/Klinik/Abteilung überhaupt Mehrbettzimmer vorgehalten werden könnten.
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Die Leistung stelle auch eine zusätzliche Wahlleistung nach
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§ 2 Abs. 2 BPflV dar. Die Wahlleistungsvereinbarung habe nämlich gerade zum Inhalt,
dass der Patient unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit in einem
Wahlleistungszimmer untergebracht werde, und den Komfort für sich in Anspruch
nehmen könne, das Krankenzimmer nur mit einer weiteren Person zu teilen. Es sei auch
nicht vereinbart, dass der Beklagte diesen Vertrag nur habe abschließen wollen, wenn
die Unterbringung im Zweibettzimmer nicht medizinisch bereits indiziert sei. Jedenfalls
enthalte die Vereinbarung keinen dahingehenden Passus.
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Der Beklagte könne deshalb auch nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Eine
solche Aufklärungspflicht habe nach Treu und Glauben nicht bestanden.
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Es sei auch durchaus nicht absehbar, ob nicht bei Fortsetzung oder anschließender
Behandlung und Betreuung in einer anderen Abteilung die Unterbringung im
Zweibettzimmer eine Sonderleistung darstelle, für die der Wahlleistungszuschlag dann
auch nach Argumentation des Beklagten erhoben werden könne. Es würde dies für die
Klägerin einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen und eine
Risikoverlagerung zu Lasten des Krankenhaus bedeuten. Es müsse daher bei
Aufnahme eine ex-ante-
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Betrachtung stattfinden.
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Sie beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 608,44 EUR
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nebst 7,57 % seit dem 3.8.2001 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin habe keine weitergehende Leistung erbracht, als wenn die
Wahlleistungsvereinbarung nicht getroffen worden wäre. Auch später sei er ohne die
Wahlleistungsvereinbarung zu treffen sogar in dem gleichen Zimmer wie bei seinem
ersten Aufenthalt untergebracht gewesen.
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Die Klägerin hätte hier eine Aufklärungspflicht gehabt. Bei zutreffender Aufklärung hätte
er die Wahlleistungsvereinbarung so nicht getroffen.
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Im übrigen sei die Vereinbarung auch nichtig.
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Allgemeine Krankenhausleistungen könnten nicht Gegenstand einer Wahlleistung
gemäß § 2 Abs. 2 und § 22 BPflV sein. Sei nach Art und Schwere der Erkrankung des
Patienten seine Unterbringung in einem Zweibettzimmer erforderlich, so handele es sich
um eine allgemeine Krankenhausleistung, die mit den allgemeinen Pflegesätzen des
Krankenhaus vergütet werde.
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Die Preisaufschläge für die Unterbringung in einem Zweibettzimmer seien auch
überhöht und stünden in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Entgelt für die
gewöhnliche Unterbringung.
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Wegen der weiteren streitigen Einzelheiten des widerstreitenden Vorbringens wird
Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Erklärungen zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.5.2001.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin kann im Ergebnis Zahlung des vereinbarten Wahlleistungszuschlages
nicht beanspruchen.
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Nach zutreffender Auffassung kann gemäß § 22 Abs. 1 BPflV lediglich eine solche
Leistung als Wahlleistung vereinbart werden, die über die allgemeinen
Krankenhausleistungen hinaus geht. D. h., dass sich allgemeine
Krankenhausleistungen und Wahlleistungen gegenseitig ausschließen. Dies gilt selbst
dann, wenn die gesonderte Berechnung mit dem Patienten vereinbart worden sein sollte
(vgl. Uleer/Miebach/Patt Abrechnung von Krankenhausleistungen 2. Auflage München
2000, § 22 1.1, S. 238, 239 und LG Bremen NJW 1993, S. 3000).
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Davon ist hier auszugehen. Die bei dem Beklagten erforderlichen Untersuchungen
erforderten die Unterbringung in dem Schlaflabor der Klägerin, das ersichtlich aus
medizinischen Gründen nur mit Zweibettzimmern ausgestattet ist. Die Unterbringung
dort erfolgte somit in jedem Falle, ob mit oder ohne Wahlleistungsvereinbarung in einem
Zweibettzimmer, wie auch die nachträgliche Unterbringung des Beklagten dort ohne
zusätzliche Wahlleistungsvereinbarung zeigt.
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Es handelt sich insoweit um eine allgemeine Krankenhausleistung, für die eine
Mehrvergütung dann nicht gefordert werden kann.
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Soweit die Klägerin auf weitere Komfortleistungen hinweist, wie diese der Beklagte im
übrigen bestreitet, kommt es darauf nicht an. Es ist jedenfalls nicht dargetan, dass der
von ihr geltend gemachte Mehraufwand die Berechnung des Wahlleistungszuschlags
rechtfertigte. Hierauf ist auch die Wahlleistungsvereinbarung nicht vorrangig gestützt,
sondern auf die Zweibett-Unterbringung.
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Die Klägerin kann im Ergebnis jedenfalls im Nachhinein, soweit nicht anderweitige
Unterbringungen erfolgt sind, für die streitgegenständliche Leistung keine zusätzliche
Vergütung beanspruchen. Die dahingehende Vereinbarung wäre auch unwirksam im
Sinne von § 134 BGB. Dies führt im Ergebnis jedenfalls dazu, dass die Klägerin hier
den geltend gemachten Wahlleistungszuschlag nicht beanspruchen und sich nicht auf
die getroffene Wahlleistungsvereinbarung mit Erfolg berufen kann. Dahinstehen kann,
ob und inwieweit die ex-ante getroffene Vereinbarung insgesamt nichtig oder anfechtbar
wäre. Der Klägerin ist insoweit zuzugeben, dass nicht abschließend abzusehen ist, ob
nicht im Zuge der Behandlung eine Weiterbehandlung ggf. auf einer anderen Station
erforderlich würde, wobei auch das Interesse des Beklagten dahin ginge, jedenfalls
dann bei der Wahl zwischen einem Dreibettzimmer und einem Zweibettzimmer im
letzteren untergebracht zu werden und auch aus seiner Sicht eine entsprechende
vorherige Vereinbarung Sinn macht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Nebenentscheidungen aus §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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