Urteil des AG Hagen vom 27.12.2004

AG Hagen: lebensgemeinschaft, scheidung, scheinehe, rechtskraft, geburt, erfahrung, absicht, anfang, gesetzeslücke, vaterschaftsanerkennung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Hagen, 8 III 115/04
27.12.2004
Amtsgericht Hagen
Richterin am Amtsgericht Bremer
Beschluss
8 III 115/04
Die Standesbeamtin des Standesamts M wird angewiesen,
zum Geburtseintrag des Kindes K U, Geburtenbuch Nr.
#####/####des Standesamts M, folgenden Randvermerk
beizuschreiben:
"Der nebenstehend bezeichnete Mann ist nicht der Vater des Kindes (§
1599 Abs. 2 BGB analog). Vater des Kindes ist J2, katholisch, wohnhaft
in M, P 9, geboren am ##.####.## in M (St.Amt M-Stadt jetzt M Nr.
###/####). Er hat die Vaterschaft am ##.####.#### vor dem
Standesbeamten in M anerkannt. Den ...."
Gründe:
Am ##.####.#### hat Frau U in M einen Sohn geboren, der im Geburtenbuch des
Standesamts M Nr. #####/####eingetragen worden ist. Als Vater des Kindes ist im
Geburtseintrag vermerkt : "I N, islamisch, unbekannten Aufenthalts". Die Kindesmutter hatte
am ## ##### #### vor dem Standesbeamten in J die Ehe mit dem bosnisch-
herzegowinischen Staatsangehörigen I2 N2 geschlossen (Heiratseintrag Nr. ###/####
StAmt J). Diese Ehe ist durch Urteil des Amtsgerichts-Familiengerichts M vom
##.####.#### (Az.: #### AG M) nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB mit der Begründung
aufgehoben worden, dass es sich um eine Scheinehe handelte. Aus den Urteilsgründen
ergibt sich, dass das Gericht davon überzeugt war, dass beide Ehegatten sich bei der
Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine eheliche Lebensgemeinschaft
eingehen, sondern ausschließlich dem Ehemann eine Aufenthaltsberechtigung für
Deutschland verschaffen wollten. Die Ehefrau hatte von dem Ehemann Geld für die
Eheschließung erhalten, die Ehegatten nahmen nach den Feststellungen des
Eheaufhebungsurteils zu keinem Zeitpunkt die eheliche Lebensgemeinschaft auf. Der
Antrag der Ehefrau auf Eheaufhebung ist am 15.06.2001 bei dem Amtsgericht M
eingegangen. Der spätere Lebensgefährte der Kindesmutter Herr J2 hat die Vaterschaft zu
dem Kind K2 U am ##.####.#### vor dem Standesbeamten des Standesamts M anerkannt.
Der geschiedene Ehemann der Kindesmutter Herr I3 N3 hatte bereits vorher durch
Erklärung vom ##.####.#### vor der deutschen Botschaft in T der Anerkennung der
Vaterschaft durch Herrn J, P2 9 in M, zugestimmt.
Die Standesbeamtin des Standesamts M hat Zweifel, ob sie das Vaterschaftsanerkenntnis
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Die Standesbeamtin des Standesamts M hat Zweifel, ob sie das Vaterschaftsanerkenntnis
des Herrn J2 als Randvermerk im Geburtseintrag des Kindes K3 U beischreiben darf und
den Vorgang dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach § 45 Abs. 2 PStG kann der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus die
Entscheidung des Amtsgerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen
ist. Die Standesbeamtin des Standesamts M war anzuweisen, das
Vaterschaftsanerkenntnis des Herrn J2 als Randvermerk im Geburtseintrag des Kindes K4
U beizuschreiben. Im Zeitpunkt der Geburtsbeurkundung war der Ehemann der
Kindesmutter als Vater im Geburtenbuch einzutragen, da unabhängig von der tatsächlichen
Abstammung nach § 1592 Nr. 1 BGB der Mann Vater eines Kindes ist, der zum Zeitpunkt
der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Diese Zuordnung kann sich später
unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt wieder
ändern. Dies gilt nach § 1599 Abs. 1 BGB, wenn auf Grund einer Vaterschaftsanfechtung
rechtskräftig festgestellt ist, dass der Ehemann nicht der Vater des Kindes ist. Ein solcher
Fall ist hier nicht gegeben. Nach § 1599 Abs. 2 BGB gilt die Vermutung der Vaterschaft des
Ehemannes auch nicht für Kinder, die zwischen der Anhängigkeit des Scheidungsantrags
und der Rechtskraft des Scheidungsurteils geboren sind, wenn ein Dritter spätestens bis
zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsurteils mit Zustimmung der
Mutter und ihres Ehemannes die Vaterschaft anerkennt. Auch diese Voraussetzungen sind
nicht gegeben, da die Ehe der Kindesmutter nicht geschieden, sondern als Scheinehe
aufgehoben worden ist.
Nach dem Wortlaut des § 1599 Abs. 2 BGB gilt diese Ausnahmeregelung nur für eine
Scheidung der Ehe der Kindesmutter, nicht aber für den Fall der Eheaufhebung. Nach dem
T2 und Zweck dieser Vorschrift ist § 1599 Abs. 2 BGB jedoch analog anzuwenden, wenn
die Ehe der Kindesmutter aufgehoben worden ist, weil die Ehegatten sich bei der
Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung zur Eingehung einer
ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollten. Durch § 1599
Abs. 2 BGB wird der Erfahrung Rechnung getragen, dass Kinder, die während eines
laufenden Scheidungsverfahrens geboren werden, meistens nicht vom Ehemann gezeugt
sind. Diese Neuregelung verzichtet auf die erforderliche Vaterschaftsanfechtung durch den
Ehemann und ordnet mit dessen Zustimmung und derjenigen der Mutter das Kind
abstammungsrechtlich unmittelbar dem Mann zu, der im zeitlichen Zusammenhang mit der
Scheidung seine Vaterschaft anerkennt, ohne dass in irgendeiner Weise geprüft wird, ob
das Kind nicht doch von dem Ehemann gezeugt worden ist. Bei der Aufhebung einer Ehe
als Scheinehe hat das Gericht dagegen positiv festgestellt, dass beide Ehegatten
übereinstimmend nicht die Absicht hatten, eine eheliche Lebensgemeinschaft
aufzunehmen. Es steht aufgrund der Rechtskraft des Eheaufhebungsurteils ferner fest, dass
die Ehegatten nach der Eheschließung bis zur Verkündung des Urteils in dem
Aufhebungsverfahren nicht als Ehegatten miteinander gelebt haben, da ansonsten eine
Aufhebung der Ehe nach § 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB unzulässig gewesen wäre. Aus den
Gründen des Urteils vom ##.####.#### ergibt sich auch ausdrücklich, dass die Parteien
nach der Eheschließung nicht als Ehegatten miteinander gelebt haben.
Wenn schon bei einer Scheidung das Kind abstammungsrechtlich dem neuen Partner der
Mutter zugeordnet wird, obwohl die Mutter vorher mit dem Ehemann in einer ehelichen
Lebensgemeinschaft gelebt hat, so ist ein Kind, das nach Anhängigkeit eines Verfahrens
auf Aufhebung der Ehe wegen einer von Anfang an beabsichtigten und auch
durchgeführten Nichtaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft geboren wird, erst
recht dem Dritten zuzuordnen, der es mit Zustimmung der Ehegatten anerkannt hat. Bei
Aufhebung einer Scheinehe spricht noch mehr als im Fall einer Scheidung dafür, dass das
Kind nicht von dem Ehemann abstammt, da feststeht, dass es keine eheliche
Lebensgemeinschaft gegeben hat. Die bestehende Gesetzeslücke ist durch eine analoge
Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB zu schließen. Die Standesbeamtin war daher
anzuweisen, den Randvermerk über die Vaterschaftsanerkennung beizuschreiben.