Urteil des AG Hagen vom 15.02.2006

AG Hagen: zahnarzt, abrechnung, behandlung, aufrechnung, mahnkosten, glaubwürdigkeit, anfang, erlass, beweislast, materialien

Amtsgericht Hagen, 140 C 457/04
Datum:
15.02.2006
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
140 C 457/04
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 678,97 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 9,6 % pro Jahr seit dem 23.04.2009 und 20,00 Euro
vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin betreibt ein zahnärztliches Abrechnungsunternehmen. Sie macht
gegenüber dem Beklagten aus abgetretenem Recht zahnärztliche Honoraransprüche
geltend. Der Beklagte begab sich in den Jahren 2003 und 2004 in die Behandlung bei
dem Zahnarzt Dr. S. T. Hierüber erteilte dieser Abrechnungen vom
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31.07.2003 über 4.177,84 Euro (Bl. 60 – 79 d. A) und vom 22.03.2004 über 1.930,37
Euro (Bl. 9 – 14). Auf die Rechnung vom 31.07.2003 zahlte der Beklagte 4.177,84 Euro
und auf die Rechnung vom 22.03.2004 - 1.213,57 Euro. Von der Rechnung vom
22.03.2004 wurde ein Betrag von 37,23 Euro für Ceritec Lack, Anästehtikum und
Einmalwurzelkanalinstrument abgesetzt. Nach Aufforderungen der Klägerin den
Restbetrag zu zahlen, erhob der Beklagte mit Schreiben vom 27.05.2004
gebührenrechtliche Einwendungen gegen die Rechnungen vom 31.07.2003 und
22.03.2004. Wegen der einzelnen erhobenen Einwendungen wird auf Bl. 18-21 der Akte
Bezug genommen. Der Beklagte kam zu dem Schluss, dass von der Abrechnung vom
22.03.2009 ein Betrag von insgesamt 104,48 Euro als nichterstattungsfähig abzusetzen
sei. Hinsichtlich der Rechnung vom 31.07.2003 errechnete er einen
Überzahlungsbetrag in Höhe von 612,24 Euro mit dem er gegenüber der Klägerin die
Aufrechnung erklärte.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass di ein den Abrechnungen enthaltenen Leistungen
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entsprechend der Gebührenordnung abgerechnet worden seien. Sie behauptet, dass
die abrechneten Leistungen erbracht worden seien. Eine Aufrechnung des Beklagten
mit Rückforderungsansprüchen sei nicht möglich, da die Zahlung auf die Rechnung vom
31.07.2003 nicht an die Klägerin geleistet worden sei. Der Beklagte sei aufgrund des
Verzuges mit der Zahlung des Resthonorars verpflichtet, einen Zinsschaden in Höhe
von 9,6 % und Mahnkosten in Höhe von 20,00 Euro auszugleichen. Die Klägerin hat
zunächst restliche Honorarforderungen in Höhe von 679,57 Euro geltend gemacht. Im
Schriftsatz vom 04.04.2005 hat sie die Klage hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe
von 0,60 Euro zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 678,97 Euro nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 9,6 % sowie 20,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu
bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er wiederholt und vertieft die gebührenrechtlichen Einwendungen entsprechend dem
Schreiben vom 27.05.2004. Er behauptet, dass ihm gegenüber der Klägerin der
Rückforderungsanspruch im Hinblick auf Rechnung vom 31.07.2003 getätigten
Zahlungen zustehe, da die Rechnungsbeträge auf das Konto der Klägerin überwiesen
worden seine. Der Beklagte habe von der Klägerin und nicht vom Zahnarzt erstellte
Rechnungen erhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens erhoben. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme
wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. dent. T1 vom 28.11.2005 Bl. 140
– 144 d.A. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist insgesamt begründet.
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Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten Resthonoraransprüche aufgrund der mit
Rechnung vom 22.03.2004 abgerechneten Leistungen des Zahnarztes Schönwälder
gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Höhe von 678,97 Euro zu.
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Die sich aus der Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche durch den
behandelnden Zahnarzt ergebende Aktivlegitimation der Klägerin ist unstreitig.
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Die Klägerin ist gegenüber dem Beklagten befugt die hinsichtlich der Rechnung vom
22.03.2004 streitigen Honorare in Höhe von 104.48 Euro zu fordern. Die diesem
Gesamtbetrag zugrundeliegenden Honorare sind gemäß §§ 611 Abs. 1, 612 BGB i.V.m.
den Vorschriften der GOZ berechtigt.
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Die Abrechnung der insgesamt sechs Laserbehandlung gemäß Nr. 240 GOZ analog mit
einem Betrag von jeweils 9,06 Euro ist entgegen der Einwendung des Beklagten
ordnungsgemäß. Die analoge Anwendung dieser Leistungsziffer entspricht § 6 Abs. 2
GOZ. Der mit der Beantwortung dieser Beweisfrage beauftragte Sachverständige hat
glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt, dass die vom Zahnarzt angewandte
Laserkariesdiagnostik erst seit Anfang der 90 er des letzten Jahrhunderts und damit
nach dem Erlass der GOZ im Jahr 1987 verbreitet worden ist. In der GOZ konnte diese
Technik nicht mit einer Gebührenziffer erfasst werden. Diese Behandlung stelle daher
eine neue Behandlung dar, die analog Ziffer 240 abgerechnet werden könne, da es um
Kariesdiagnostik ohne den Einsatz von Röntgenverfahren handele.
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Soweit mit der Abrechnung vom 22.03.2004 für die antimikrobakteriellen
Konditionierung zweimal die Ziffer 201 analog in Höhe von 7,10 Euro abgerechnet hat,
ist das Honorar auch insoweit berechtigt.
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Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat hierzu plausibel festgestellt, dass der
getätigte Analogieansatz gerechtfertigt sei. Hierbei seien ebenfalls Therapielaser
eingesetzt worden. Diese Behandlung sei im Zeitpunkt der Erarbeitung und des
Erlasses der GOZ nicht mit einer Gebührenziffer belegt worden.
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Der analoge Ansatz der Gebührenziffer 204 für die Wundversorgung durch
Kompressionsverband und Berechnung dieser Leistung mit einem Betrag in Höhe von
24,91 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der gerichtliche Sachverständige hat
hierzu ausgeführt, dass diese Leistung nicht durch die Position Verbrauchsmaterial usw.
abgedeckt sei. Die primäre Wundversorgung erfolge durch Vernähen der Wundränder.
Durch die hier vorgenommene Anwendung eines Kompressionsverbandes sei eine
deutliche Therapiesicherung eingetreten, die zahnmedizinisch auch üblich sei.
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Hinsichtlich der ebenfalls vom Beklagten beanstandeten Berechnung von Praxiskosten
in Gestalt der Kosten für Einmalwurzelkanalistrumente in Höhe von 28,00 Euro sowie
des Cervitec-Lacks in Höhe von 5,03 Euro hat der Sachverständige festgestellt, dass
diese Berechnung zulässig sei. Verbrauchsmaterial im Sinne von § 4 Abs. 3 GOZ sei
nicht legaldefiniert. Darunter seien überlicherweise im wesentlichen Einmalsachen für
den täglichen Bedarf gemeint. Eine separate Berechnung von Verbrauchsmaterial
jedenfalls nach § 10 GOÄ zulässig.
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Zweifel an der Sachkunde und Glaubwürdigkeit des Sachverständigen T1 bestehen
nicht.
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Die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen
wegen angeblicher Überzahlung eines Betrages in Höhe von 612,24 Euro im Hinblick
auf die Rechnung vom 31.07.2003 lässt den Honoraranspruch nicht gemäß § 389 BGB
in dieser Höhe entfallen.
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Hierbei kann dahinstehen, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß § 406 BGB
die Aufrechnung wirksam erklären konnte. Dem Beklagten steht im Hinblick auf die
Zahlungen auf die Honorarrechnung vom 31.07.2003 weder gegenüber der Klägerin
noch gegenüber dem Zahnarzt ein Rückzahlungsanspruch zu. Die vom Beklagten
erbrachten Zahlungen sind mit Rechtsgrund gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB
erfolgt. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass dem behandelnden Zahnarzt keine
entsprechenden Honoraransprüche zustehen. Dem Beklagten oblag insoweit die
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Beweislast, als dass er im Hinblick auf die erbrachte Leistung das Fehlen eines
Rechtsgrundes nachweisen musste. Hierzu war der Beweis zu führen, dass in den mit
Rechnung vom 31.07.2003 abgerechnete Leistungen und Honoraren kein Rechtsgrund
bestand.
Der mit der Beantwortung der Beweisfragen gerichtlich beantragten Sachverständige
hat die vom Beklagten erhobenen gebührenrechtlichen Beanstandung nicht bestätigt,
sondern hinsichtlich der Abrechnung der Laserbehandlung gem. Ziffer 240 GOZ analog
und 201 GOZ analog die Ordnungsgemäßheit bestätigt. Ferner hat er hinsichtlich der
Beanstandung der mehrfachen Abrechnung der Leistung Ziffer 3 GOZ festgestellt, dass
der behandelnde Zahnarzt aufgrund zwischenzeitlicher Unterbrechungen bei der
Behandlung und wegen des etwaigen Auftretens von Schmerzen telefonische
Beratungen mehrfach abrechnen durfte. Hinsichtlich der Analogabrechnung der
Schmelz-Dentin adhäsiven Mehrschichtenfüllung nach Ziffer 215 und 217 GOZ analog
hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Art der Versorgung erst nach 1988
breitere Anwendungen gefunden hat und in der Zwischenzeit die verwandten Composit-
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Materialien wissenschaftlich weiterentwickelt worden sind. Eine Analogabrechnung
nach Ziffer 215 und 217 sei daher zulässig und üblich. Hinsichtlich der letztlich
monierten Berechnung der Verbrauchsmaterialien hat der Sachverständige unter Bezug
auf die Beantwortung der vorherigen Beweisfragen die vom behandelnden Zahnarzt
vorgenommene Berechnung gemäß § 10 GOÄ für zulässig erachtet.
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Die Nebenforderungen ergeben sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1
BGB. Die Höhe der Zinsforderung und der Mahnkosten ist von dem Beklagten nicht
bestritten worden.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 S. 2, 708 Nr. 11, 711
S. 2 ZPO.
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