Urteil des AG Hagen vom 04.05.2009

AG Hagen: begründung des urteils, vereinfachtes verfahren, form, erlass, realisierung, verjährungsfrist, gesetzesänderung, verfügung, absicht, abweisung

Amtsgericht Hagen, 08-5555627-05-N
Datum:
04.05.2009
Gericht:
Amtsgericht Hagen
Spruchkörper:
Mahnabteilung
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
08-5555627-05-N
Schlagworte:
Mahnverfahren, Anlagen zum Mahnbescheidsantrag zur näheren
Bezeichnung der Forderung, Barcode-Antrag
Leitsätze:
Die Verbindung von Anlagen mit dem Mahnbescheid zur näheren
Bezeichnung der Forderung(en) ist auch unter Einbeziehung der
Begründung des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 10.07.2008 (IX
ZR 160/07) im Rahmen der maschinellen Bearbeitung nicht möglich. Die
Beifügung von Anlagen zu diesem Zweck ist unzulässig und führt zur
Unwirksamkeit des Antrags.
Tenor:
wird der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 23.12.2008, hier
eingegangen am 24.12.2008, kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe: Nach § 703 c ZPO besteht für den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids
Vordruckzwang. Für einen Antrag, der durch einen Rechtsanwalt oder eine registrierte
Person nach § 10 Abs. 1 s. 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes gestellt wird,
besteht darüber hinaus nach § 690 Abs. 3 S. 2 ZPO die Verpflichtung, diesen in "nur
maschinell lesbarer Form" zu stellen. Der Mahnbescheidsantrag wurde hier mittels des
Barcodeverfahrens an das Gericht übermittelt. Der Barcodeantrag ist ein nur in
maschinell lesbarer Form übermittelter Antrag im Sinne des § 690 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die nach § 690 Abs. 1 ZPO erforderlichen Angaben sind dabei zwingend in dem
vorgesehenen Format der gewählten zulässigen Antragsform anzugeben. Hier waren
dem Antrag Anlagen beigefügt, die unter Bezugnahme auf das Urteil des
Bundesgerichtshofes vom 10.07.2008 – IX ZR 160/07 - zum Inhalt des Mahnbescheids
gemacht werden sollten. Der Antrag hat durch die beigefügten Anlagen, die in dem zu
erlassenden Mahnbescheid Berücksichtigung finden sollen, den Charakter der nur
maschinell lesbaren Form verloren und erscheint dem Gericht für seine maschinelle
Bearbeitung nicht mehr geeignet. Zudem ist der durch einen Rechtsanwalt gestellte
Antrag durch den Verlust der nur maschinell lesbaren Form unzulässig geworden. Das
maschinelle Mahnverfahren stellt ein vereinfachtes Verfahren zur Erlangung eines
Vollstreckungstitels dar. Dem Gläubiger soll ein einfacherer, kostengünstigerer und
schnellerer Weg zur Durchsetzung seiner Forderungen ermöglicht werden. Nur die
strengen Formvorgaben im Mahnverfahren ermöglicht den Gerichten eine
weitestgehend maschinelle, schnelle und daher kostengünstige Verfahrensabwicklung.
Jeder notwendige Eingriff in die automatisierten Verfahrensabläufe bedeutet Zeitverlust
und manuellen Aufwand, den die Zentralen Mahngerichte – nicht zuletzt auch aus
1
Kostengründen - nicht uneingeschränkt mehr in der Lage sind, zu erbringen. Die
Verbindung von Anlagen mit dem Mahnbescheid ist im Rahmen der maschinellen
Bearbeitung nicht möglich und läuft somit dem Grundgedanken des maschinellen
Mahnverfahrens zuwider. Schon bei Einführung des automatisierten Verfahrens stellte
der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 7/2729
vom 05.11.1974) fest: "Eine maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren ist nur auf
Grund einheitlicher Formulare möglich, deren Benutzung den Parteien zwingend
vorgeschrieben wird (...) Der Formularzwang ermöglicht (...) eine rationelle Bearbeitung
des Verfahrens. (...) Da mit der schematischen Anspruchsbegründung eine begrenzte
Schlüssigkeitsprüfung notwendigerweise verbunden ist, kann künftig nicht mehr ohne
weiteres davon ausgegangen werden, dass die Angaben im Mahnantrag eine
ausreichende Grundlage für das Streitverfahren, insbesondere für ein Versäumnisurteil
darstellen. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass der Antragsteller beim Übergang in das
Streitverfahren seinen Anspruch näher zu begründen hat (§ 697 Abs. 1, § 700 Abs. 3
Satz 2 ZPO ...). Unterlässt er dies, so muss er mit der Abweisung seiner Klage rechnen
(...)." Die Regelung des § 690 Abs. 1 Ziff.3 ZPO begrenzt die Angaben zum Anspruch
und zu seiner Begründung wegen der formularmäßigen Behandlung des
Mahnverfahrens und der damit verbundenen Beschränkung der Schlüssigkeitsprüfung
auf das erforderliche Mindestmaß (...). Die Formulierung stellt allerdings klar, dass auch
künftig eine Begründung des Anspruchs erforderlich ist. Bei Einführung des
einheitlichen Formulars erfolgt eine Begründung mit den Angaben, die das Formular
dafür im einzelnen vorsehen wird." Soweit der Bundesgerichtshof in seinem
vorgenannten Urteil festgestellt hat, dass zur Bezeichnung des geltend gemachten
Anspruchs auch auf Rechnungen oder andere Schriftstücke Bezug genommen werden
kann und, dass diese Schriftstücke, sofern sie vom Gläubiger stammen, nur dann nicht
dem Mahnbescheid beigefügt zu werden brauchen, wenn sie dem Schuldner bereits
bekannt sind und damit die Möglichkeit der Beifügung von Anlagen zum Mahnbescheid
zu suggerieren scheint, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine generelle
Prüfung der Zulässigkeit von Anlagen im maschinellen Mahnverfahren erfolgt ist. In dem
von dem Antragsteller angeführten Verfahren vor dem Bundesgerichtshof war,
abweichend von der hier in Rede stehenden Problematik, über die Frage der
ausreichend vorhandenen Individualisierung der Forderungsbezeichnung zu
entscheiden. Der Bundesgerichtshof macht in seinem Urteil keinerlei Ausführungen
dazu, ob bei der Geltendmachung von Forderungen, bei denen die zu Grunde liegenden
Schriftstücke, die vom Gläubiger stammen, gleichzeitig noch zuzustellen sind, das
Mahnverfahren der geeignete Weg ist. Es dürfe weiter kaum davon auszugehen sein,
dass der Bundesgerichtshof generelle abweichende Möglichkeiten der
Forderungsbezeichnung aufzeigen wollte. Der Gläubiger, der sich die Vorzüge des
gerichtlichen Mahnverfahrens zu Nutze machen will, muss sich notwendigerweise auch
den Einschränkungen des Verfahrens unterwerfen (vgl. auch BGH, Urteil vom
21.10.2008, XI ZR 466/07). Die Nutzung des gerichtlichen Mahnverfahrens setzt folglich
für den Antragsteller und seinen verantwortungsbewussten Prozessbevollmächtigten
die Beurteilung voraus, ob diese schnelle, kostengünstige und formalisierte
Verfahrensform im Einzelfall überhaupt geeignet ist, den offen stehenden Anspruch in
geeigneter Weise geltend zu machen. Kommt diese Prüfung im Vorfeld des Verfahrens
zu dem Ergebnis, dass die formalen Möglichkeiten des Mahnverfahrens die
Geltendmachung zu sehr einschränken, ist das Mahnverfahren offensichtlich nicht der
geeignete Weg zur Geltendmachung dieser Forderung. Dass das Mahnverfahren
insoweit nicht zur Verfügung steht, stellt im Einzelfall auch keine unangemessene
Benachteiligung des Gläubigers dar, da es ihm insoweit frei steht – mit identischen
Rechtsfolgen in Bezug auf die evtl. drohende Verjährung eines Anspruchs – das
Klageverfahren zu beschreiten (§ 204 BGB i.V.m. § 167 ZPO). Das Mahngericht ist nicht
befugt, die maßgeblichen Vorteile und Absichten der Verfahrensautomation zur
Realisierung einer rationellen, schnellen und kostengünstigen Bearbeitung der
Mahnverfahren für die Allgemeinheit wegen der vorgerichtlichen Versäumnisse
einzelner Antragsteller innerhalb der Verjährungsfrist zu opfern. Insoweit dürfte davon
auszugehen sein, dass dies auch nicht die Absicht des Bundesgerichtshofes in seiner
Entscheidung vom 10.07.2008 war. Die Gesetzesänderung zum 01.12.2008 (§ 690 Abs.
3, S. 2 ZPO; Verpflichtung zur ‚nur maschinell lesbaren Antragstellung’) dürfte in dem
Urteil, auf das sich der Antragsteller beruft, ebenfalls noch nicht berücksichtigt sein. Der
Antrag war aus den vorgenannten Gründen gemäß §§ 691 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 690 Abs.
3 Satz 1 und 2 ZPO zurückzuweisen. Hagen, 12.02.2009 .... Rechtspflegerin