Urteil des AG Gummersbach vom 14.09.2009

AG Gummersbach (entziehung der elterlichen sorge, zeuge, alkohol, bruder, elterliche sorge, einsichtsfähigkeit in das unrecht, amtliches kennzeichen, bewährung, hauptverhandlung, wider besseres wissen)

Amtsgericht Gummersbach, 82 Ls-121 Js 539/08-1/09
Datum:
14.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Gummersbach
Spruchkörper:
82. Strafabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
82 Ls-121 Js 539/08-1/09
Tenor:
Der Angeklagte X1 ist schuldig der gemeinschaftlichen gefährlichen
Körperverletzung und der Beleidigung.
Der Angeklagte X2 ist schuldig der gemeinschaftlichen gefährlichen
Körperverletzung und des Verwendens von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen.
Es werden verurteilt:
Der Angeklagte X1 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
vier Monaten.
Der Angeklagte X2 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
vier Monaten.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und die eigenen
Auslagen sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewandte Vorschriften: §§ 86a, 185, 224 Abs. 1 Nr. 4, 53 StGB
Gründe:
1
I.
2
1. Der ledige Angeklagte
X1
monatlich 1.250,- EUR netto, gesetzliche Unterhaltspflichten hat er nicht zu erfüllen.
3
Im Alter von drei Jahren kam der Angeklagte, der noch zehn Geschwister hat, in
eine Heimeinrichtung, da seinen Eltern durch Beschluss des Amtsgerichts
Gummersbach vom 23.06.1989 (15 X 198/88) das Sorgerecht wegen Trunksucht
aberkannt wurde. Unter anderem führt das Gericht in den Gründen des Beschlusses
4
aus:
"Die Mutter ist mit der Versorgung, Beaufsichtigung und Erziehung der ... Kinder ...
offensichtlich überfordert. ... Dies allein würde eine Entziehung der elterlichen Sorge
aber nicht rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Elternteile erhebliche
Alkoholprobleme haben, dass in der Wohnung ... sich häufig fremde Personen
aufhalten, dass es häufig zu Trinkgelagen kommt und dass die Kinder ... keine
Möglichkeit haben, sich zu vollwertigen Mitgliedern unserer Gesellschaft zu
entwickeln. Die Kinder bekommen die Vorgänge, die sich in der Wohnung
abspielen, weitgehend mit. Dadurch werden sie geprägt. Es kommt hinzu, dass die
Kinder keinerlei Förderung und Hilfestellung von den [Eltern] erfahren. ... Da beide
[Eltern] nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, ihr Verhalten in Bezug auf die
Belange der Kinder grundlegend zu ändern, war ihnen die elterliche Sorge zu
entziehen ..."
5
Der Angeklagte verblieb in der Heimeinrichtung bis zu seinem neunten Lebensjahr
und kehrte sodann in das Elternhaus zurück. Er wurde später aus der Hauptschule
in Y mit dem Abgangszeugnis der achten Klasse entlassen. Nach einer Zeit der
Arbeitslosigkeit nahm er an einer berufsvorbereitenden Maßnahme im Fachbereich
Metall teil. Danach wechselte er als Auszubildender in das Z1-Förderzentrum für
Metallbau in Gummersbach, schließlich schloss er die Ausbildung zum Metallbauer
im Februar 2009 ab und arbeitet seither bei der Firma Z-Metallbau in Gummersbach.
6
Der Angeklagte ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
7
a) Am 19.03.2003 stellte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 544/03) ein
Verfahren wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz nach § 47
JGG ein.
8
b) Am 03.03.2004 erteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 73/04) dem
Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine richterliche
Weisung und legte ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen auf.
9
c) Am 23.06.2004 erteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 305/04) dem
Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit
Fahren ohne Versicherungsschutz eine richterliche Weisung und legte ihm die
Erbringung von Arbeitsleistungen auf.
10
d) Am 23.02.2005 sprach das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 121/05) den
Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen und vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis schuldig und setzte die Entscheidung über die Verhängung einer
Jugendstrafe für eine Bewährungszeit von einem Jahr aus.
11
e) Am 24.08.2005 erteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 3456/05)
dem Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr eine
richterliche Weisung und legte ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen auf.
12
f) Am 04.01.2006 verurteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 857/05)
den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr in
Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Jugendstrafe von acht
13
Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung für eine Bewährungszeit von zwei
Jahren. Das Gericht ordnete eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis
bis zum 03.09.2006 an.
g) Am 20.09.2006 verurteilte das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - R (4 Ls
544/06) den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher
Körperverletzung, vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Fahrens ohne
Versicherungsschutz sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
in Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung
der Strafen aus den Urteilen vom 23.02.2005 und 04.01.2006 zu einer
Jugendstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung. Das Gericht
ordnete eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 19.09.2008
an. Unter anderem traf das Gericht folgende Feststellungen:
14
"In der Nacht vom 24. auf den 25.03.2006 hatte der Angeklagte X1 in
erheblichen Mengen Bier getrunken. Er stand gemeinsam mit der aus dem
Verfahren ausgeschiedenen D im Flur zur Toilette der Diskothek Vernissage.
Hier ging der Geschädigte P8 an ihm vorbei. Es kam zu einem kurzen verbalen
Streit zwischen den beiden jungen Männern, die einander bis dahin unbekannt
waren. Dieser Streit ging in Tätlichkeiten über. Beide wurden deswegen des
Lokals verwiesen. Nach diesem Streit trafen die beiden vor dem Lokal wieder
aufeinander. Es kam erneut zu Tätlichkeiten zwischen dem Angeklagten X1 und
P8, wobei sich auch X2 einmischte und der Zeuge C sowie das
Sicherheitspersonal der Diskothek schlichtend eingriffen. Letztlich ging auch
diese Tätlichkeit auseinander. Die Angeklagten entfernten sich gemeinsam mit
D und gingen bis zu der etwas oberhalb gelegenen Bäckerei. Hier blieben sie
stehen, während der Geschädigte P8 und C vor der Diskothek zurückblieben.
Es kam zu gegenseitigem Zurufen, vermutlich beleidigendem Inhalts. Darauf
setzte sich der Geschädigte P8 in Bewegung und lief in Richtung auf die
Angeklagten. D nahm vermutlich an, dass er ihre Gruppe angreifen wolle und
warf mit einem Bierglas nach ihm. Sie traf den Geschädigten im Gesicht. X1
ging auf den Geschädigten zu und versetzte ihm einen Schlag. Als der
Geschädigte zu Boden ging, mischten sich auch D und der Angeklagte X2 ein.
Sowohl N als auch D versetzten dem Geschädigten Tritte an den Körper und
auch in das Gesicht. Es brach ein Stück des Schneidezahns ab und das Gesicht
schwoll stark an. Ferner hatte der Geschädigte Schürfwunden an Kopf und
Körper.
15
In der Nacht vom 19. auf den 20.06.2006 hatte der Angeklagte X1 in erheblichen
Mengen Alkohol getrunken. Dadurch kam er auf den Gedanken, mit einem
Pocketbike, welches sich in der Wohnung seiner Eltern in R, L-Straße, befand,
zu fahren. Er schob das nicht haftpflichtversicherte Bike, mit welchem
Fahrgeschwindigkeiten von erheblich über 25 km/h erzielt werden können, in
das Industriegebiet in R, da er erwartete, dort zur Nachtzeit nicht gestört werden
zu können. Infolge seiner hochgradigen Alkoholisierung war er zu einem
sicheren Führen des Fahrzeugs nicht mehr in der Lage. Er befuhr mit dem
Pocketbike gegen 3.50 Uhr Straßen im Industriegebiet. Gegen 4.00 Uhr traf eine
Polizeistreife im Industriegebiet ein. Der Angeklagte versteckte sich mit dem
Bike unter einem LKW. Er wurde von einem Beamten aufgefordert, hervor zu
kommen und aufzustehen. Als der Angeklagte dies ablehnte, wurde er von den
16
Beamten weggezogen. Der Angeklagte bestritt, mit dem Bike gefahren zu sein.
Als die Polizeibeamten das Fahrzeug in den Streifenwagen verladen wollten,
versuchte der Angeklagte dies zu verhindern. Er musste von dem Streifenwagen
weggedrückt werden. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem der Angeklagte
einem der Polizeibeamten zwei mal heftig auf den Fuß trat. Schließlich konnten
dem Angeklagten Handfesseln angelegt werden. Er wurde zur Ausnüchterung
auf die Wache verbracht. Die Entnahme einer Blutprobe erfolgte um 4.48 Uhr.
Eine Auswertung dieser Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von
1,62 Promille."
"Bei X1 liegen schädliche Neigungen vor. Dies wurde bereits in dem Urteil vom
04.01.2006 festgestellt. Der Angeklagte neigt dazu, im Übermaß alkoholische
Getränke zu sich zu nehmen und in angetrunkenem oder betrunkenem Zustand
strafbare Handlungen zu begehen. Sofern er daran nicht nachhaltig etwas zu
ändern versucht, besteht bei ihm eine fortgesetzte Gefahr, dass weiterhin
verschiedenartige, schwer wiegende strafbare Handlungen von ihm
vorgenommen werden. Es ist charakteristisch, dass der Angeklagte in der
Tatnacht in Nümbrecht wiederum Mengen konsumiert hatte, welche zu einer
Atemalkoholkonzentration von 0,78 mg pro Liter bei ihm führten. ... Das Gericht
hegt die Erwartung, dass es dem Angeklagten in Zukunft gelingen kann, sich
straffrei zu führen. Hierfür spricht auch die bei ihm anscheinend gereifte
Erkenntnis, dass sein Umgang alkoholproblematisch ist, weshalb der
Angeklagte Kontakt mit der Drogenberatungsstelle der Caritas in Gummersbach
aufgenommen hat."
17
h) Am 01.02.2008 verurteilte das Amtsgericht Gummersbach (82 Ds 447/07) den
Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in zwei Fällen
zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung
für eine Bewährungszeit von drei Jahren und unterstellte ihn der Aufsicht und
Leitung durch einen Bewährungshelfer. Das Gericht ordnete eine Sperre für die
Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 08.02.2010 an und verhängte ein
Fahrverbot von drei Monaten.
18
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 05.08.2007 und am
23.09.2007 jeweils ein Mofa im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte,
obwohl er mit Alkoholisierungen von 2,25 bzw. 1,29 Promille absolut
fahruntauglich war. Im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung erteilte das
Gericht dem Angeklagten mit Blick auf sein Alkoholproblem u.a. die Weisung,
zur Abklärung des erforderlichen Suchthilfebedarfs eine Stellungnahme der
Caritas-Suchtberatung einzuholen. Diese empfahl unter dem 02.04.2008
regelmäßige Gespräche in der Suchtberatungsstelle, wozu der Angeklagte mit
ergänzendem Beschluss vom 14.04.2008 angewiesen wurde. Obwohl der
Angeklagte bis zum 16.09.2008 an drei weiteren Einzelgesprächen bei der
Suchtberatung teilnahm, musste die Bewährungshelferin unter dem 17.09.2008
mitteilen:
19
"... haben die Gespräche bei der Drogenberatungsstelle bei Herrn X1 keine
Einsicht in sein Alkoholproblem bewirkt. Sein problematischer Umgang mit
Alkohol erklärt sich aus meiner Sicht mit dem aus seiner Herkunftsfamilie
erlernten Verhalten. Im dem letzten Gespräch mit ihm bekundete er die
Bereitschaft, nach seiner Ausbildung eine Therapie zu machen."
20
i) Am 24.10.2008 verurteilte das Amtsgericht Gummersbach (82 Ds 348/08) den
Angeklagten wegen Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von
sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung für eine Bewährungszeit
von vier Jahren und unterstellte ihn der Aufsicht und Leitung durch einen
Bewährungshelfer.
21
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 02.07.2008 ein Mofa im
öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, obwohl er mit einer Alkoholisierung
von 1,33 Promille absolut fahruntauglich war. Im Rahmen der Strafaussetzung
zur Bewährung erteilte das Gericht dem Angeklagten mit Blick auf sein
Alkoholproblem mit seiner Einwilligung die Weisung, in Abstimmung mit der
Bewährungshelferin unverzüglich nach Abschluss seiner Ausbildung Ende
Februar 2009 eine stationäre Therapie zur Behandlung seiner Alkoholsucht
anzutreten und nicht schuldhaft zum vorzeitigen Abbruch dieser Maßnahme
beizutragen.
22
Unter dem 14.01.2009 teilte der neue Bewährungshelfer des Angeklagten mit:
23
"Auch wenn Herr X1 weiterhin der Auffassung sein mag, dass er die stationäre
Therapie nicht unbedingt selber von sich aus anstrebt und sein weiterer
Umgang mit Alkohol immer wieder hinterfragt werden muss, ist es gerade bei
ihm unumgänglich, in stationären Formen grundlegenden Problemlagen an den
Kragen zu gehen um eine Basis dafür zu legen, künftige Straftaten ... zu
vermeiden."
24
Am 07.05.2009 trat der Angeklagte dann eine stationäre Langzeittherapie in der
Fachklinik Y3 an, brach diese jedoch bereits am 13.06.2009 wieder ab. Hierzu
teilte der Bewährungshelfer mit:
25
"Hintergrund war zunächst, dass er mit anderen Patienten wohl gezecht hat.
Auch anlässlich einer Feierlichkeit in Bad Y3, dann aber ... von sich aus
erklärte, er würde nicht mehr in der Klinik bleiben, obwohl ihm das Angebot der
Klinik vorlag, durch Wechsel einer Station die therapeutische Maßnahme
fortzuführen. Diesbezüglich hatte ich umgehend am 15.06. mit dem Probanden
telefoniert um diesen zu animieren, innerhalb einer mit der Fachklinik
verhandelten Rückkehrfrist die Therapie fortzusetzen. Er entschloss sich aber
zu Hause zu bleiben. Seine Hoffnung, über die Caritas Suchthilfe einen
Wechsel der Therapieeinrichtung hinzubekommen, zerschlug sich. Eine
ambulante therapeutische Maßnahme ist aktuell nicht möglich, sondern vom
Abstinenzverhalten des Probanden abhängig."
26
j) Am 03.07.2009 verurteilte das Amtsgericht Gummersbach (82 Ds 348/08) den
Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer
Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung für eine
Bewährungszeit von fünf Jahren und unterstellte ihn der Aufsicht und Leitung
durch einen Bewährungshelfer. Das Gericht ordnete eine Sperre für die
Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 10.07.2010 an und verhängte ein
Fahrverbot von drei Monaten.
27
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 06.03.2009 ein
28
Kleinkraftrad im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, obwohl er nicht im
Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Im Rahmen der Strafaussetzung zur
Bewährung erteilte das Gericht dem Angeklagten mit Blick auf sein
Alkoholproblem mit seiner Einwilligung u.a. die Weisung, in Abstimmung mit
dem Bewährungshelfer unverzüglich erneut eine stationäre Therapie zur
Behandlung seiner Alkoholsucht anzutreten und diese nicht - wiederum -
vorzeitig abzubrechen. Bis heute hat der Angeklagte eine weitere stationäre
Therapie nicht angetreten.
2. Der ledige Angeklagte
X2
von 6 Jahren, das bei seiner Mutter lebt. Mit einem weiteren Kind im Alter von 3
Monaten lebt der Angeklagte zusammen mit der Kindesmutter in häuslicher
Gemeinschaft. Der Angeklagte befindet sich seit dem 03.09.2007 im Betrieb des
Vaters seiner Lebensgefährtin in der Ausbildung zum Metallbauer; er erhält
monatliches Ausbildungsentgelt in Höhe von 450,- EUR sowie Kindergeld und
Berufsausbildungsbeihilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts.
29
Im Alter von vier Jahren kam der Angeklagte, der noch zehn Geschwister hat, in eine
Heimeinrichtung, da seinen Eltern durch Beschluss des Amtsgerichts
Gummersbach vom 23.06.1989 (15 X 198/88) das Sorgerecht wegen Trunksucht
aberkannt wurde. Unter anderem führt das Gericht in den Gründen des Beschlusses
aus:
30
"Die Mutter ist mit der Versorgung, Beaufsichtigung und Erziehung der ... Kinder ...
offensichtlich überfordert. ... Dies allein würde eine Entziehung der elterlichen Sorge
aber nicht rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Elternteile erhebliche
Alkoholprobleme haben, dass in der Wohnung ... sich häufig fremde Personen
aufhalten, dass es häufig zu Trinkgelagen kommt und dass die Kinder ... keine
Möglichkeit haben, sich zu vollwertigen Mitgliedern unserer Gesellschaft zu
entwickeln. Die Kinder bekommen die Vorgänge, die sich in der Wohnung
abspielen, weitgehend mit. Dadurch werden sie geprägt. Es kommt hinzu, dass die
Kinder keinerlei Förderung und Hilfestellung von den [Eltern] erfahren. ... Da beide
[Eltern] nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, ihr Verhalten in Bezug auf die
Belange der Kinder grundlegend zu ändern, war ihnen die elterliche Sorge zu
entziehen ..."
31
Der Angeklagte verblieb in der Heimeinrichtung bis zu seinem zehnten Lebensjahr
und kehrte sodann in das Elternhaus zurück. Er wurde 2001 aus der Hauptschule
Y4 aus dem neunten Schuljahr ohne Abschluss entlassen, danach nahm er an
einem Berufsvorbereitungsjahr teil. Im Jahre 2004 hatte er eine Praktikantenstelle
als Einzelhandelskaufmann, wurde jedoch mangels Hauptschulabschluss nicht in
eine Ausbildung übernommen.
32
Der Angeklagte ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
33
a) Am 30.08.2002 erteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 551/02) dem
Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit
Fahren ohne Versicherungsschutz und fahrlässiger Trunkenheit im
Straßenverkehr eine richterliche Weisung. Das Gericht ordnete eine Sperre für
die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 06.07.2003 an und verhängte ein
Fahrverbot von drei Monaten. Unter anderem traf das Gericht folgende
34
Feststellungen:
"Am 08.05.2002 trank der Angeklagte in erheblichen Mengen Alkohol (Bier,
Sangria und Wodka). Gegen 23:00 Uhr war er bei sich zu Hause, wo der
Schlüssel für einen abgemeldeten weißen VW Polo an einer Pinnwand hing.
Das Fahrzeug gehörte einem Bruder des Angeklagten, der nicht mehr im
Elternhaus wohnt und der das Fahrzeug hatte abholen sollen. Die Mutter des
Angeklagten forderte ihn auf, den Schlüssel zurück zu geben, was der
Angeklagte ablehnte. Er setzte sich in stark angetrunkenem Zustand in den Pkw
und wollte damit wegfahren. Von seiner Mutter wurde eine Polizeistreife
alarmiert, die ihn auf der A1- Straße fahren sah, als er in die A2- Straße
abbiegen wollte. Der Streifenwagen wurde quer auf die Fahrbahn gestellt, so
dass der Angeklagte nicht weiterfahren konnte. Ein Versuch des Angeklagten,
durch Flucht zu entkommen, wurde verhindert. Die Polizei veranlasste danach
die Entnahme einer Blutprobe, welche um 00:02 Uhr erfolgte. Eine Auswertung
dieser Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,46 Promille."
35
b) Am 05.12.2002 sah die Staatsanwaltschaft Bonn (74 Js 1395/02) von der
Verfolgung einer Beleidigung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.
36
c) Am 19.03.2003 stellte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 544/03) ein
Verfahren wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz nach § 47
JGG ein.
37
d) Am 09.02.2004 verurteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Cs 39/04)
den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer
Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5,00 EUR.
38
e) Am 17.03.2004 verurteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 110/04)
den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in
Tateinheit mit Beleidigung unter Einbeziehung der Entscheidung vom
09.02.2004 zu einem Dauerarrest von zwei Wochen. Unter anderem traf das
Gericht folgende Feststellungen:
39
"Der Angeklagte hatte im Laufe des 14.11.2003 in ganz erheblichen Mengen
alkoholische Getränke zu sich genommen, auch schon bevor er eine Gaststätte
besuchte. In der Gaststätte ‚Zum alten Bahnhof‘ in A3 war er nach 22:00 Uhr
auffällig geworden, so dass der Gastwirt die Polizei verständigte. Gegen 22:20
Uhr traf in der Gaststätte eine Polizeistreife, nämlich die Zeugen A und B ein.
Die Zeugen sprachen den Angeklagten an, um das von dem Wirt gegen den
Angeklagten erteilte Hausverbot durchzusetzen. Im Laufe dieses Gespräches
beschimpfte der Angeklagte die beiden Polizeibeamten mit den Worten: ‚Ihr
Nazisäue, ihr Hurensöhne, eure Eltern waren doch schon Missgeburten und
haben euch in den Arsch gefickt.‘ Als die Polizeibeamten das Hausverbot
durchsetzen wollten, wehrte sich der Angeklagte dagegen mit Fußtritten und
Faustschlägen. Er musste von den beamten schließlich fixiert und mit auf die
Wache gebracht werden. Ihm wurde dort durch einen Arzt um 23:35 Uhr eine
Blutprobe entnommen. Bei dieser wurden durch den Arzt starke
Ausfallerscheinungen bei dem Angeklagten festgestellt. Eine Auswertung der
Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn ergab eine
Blutalkoholkonzentration von 2,10 Promille. ... Bei der Bemessung der
40
erzieherischen Sanktion war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte
wiederholt strafrechtlich auffällig wurde. Dabei ist unverkennbar eine Neigung
des Angeklagten, immer wieder im Übermaß alkoholische Getränke zu sich zu
nehmen. Dabei weiß der Angeklagte, dass er nach übermäßigen
Alkoholgenuss ausfällig wird."
f) Am 23.06.2004 sprach das Amtsgericht - Jugendrichter - R (4 Ds 287/04) den
Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit
mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen Sachbeschädigung und
wegen Gestatten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des
vorsätzlichen Fahrens ohne Versicherungsschutz schuldig und setzte die
Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für eine Bewährungszeit
von einem Jahr aus. Das Gericht ordnete eine Sperre für die Erteilung einer
Fahrerlaubnis bis zum 22.12.2005 an und verhängte ein Fahrverbot von drei
Monaten. Unter anderem traf das Gericht folgende Feststellungen:
41
"Am 23.02.2004 trank der Angeklagte in erheblichen Mengen Bier. Sodann fuhr
er gegen 19:10 Uhr mit einem Pkw der Marke Ford Escort, amtliches
Kennzeichen ### auf der F-Straße in R. Infolge des Genusses alkoholischer
Getränke war er nicht mehr in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen. Eine
Fahrerlaubnis hatte der Angeklagte nach der Sperre nicht wieder erworben. Die
ihm um 19:38 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration
von 1,22 Promille."
42
"Am 13.03.2004 hatte der Angeklagte in größeren Mengen alkoholische
Getränke zu sich genommen. Er wollte seine Freundin, die mit ihm Schluss
gemacht hatte, in Morsbach besuchen. Daher bat er seinen Bruder X1, ihn mit
seinem,X2 's, Kraftrad ... nach Morsbach zu bringen. Bei dem Kraftrad handelt
es sich um ein Moped, für das der Führerschein der Klasse M erforderlich ist. X2
wusste, dass sein Bruder X1 nicht über einen Führerschein verfügt. Auch
wusste er, dass das Versicherungskennzeichen ... seine Gültigkeit verloren
hatte. Er fuhr, als ihn X1 auf sein Geheiß nach Morsbach brachte, auf dem
Soziussitz mit."
43
"Am 13.03.2004 suchte der Angeklagte seine frühere Freundin in Morsbach ...
auf. Im Laufe des Gesprächs kam es zu einer Auseinandersetzung.
Währenddessen hatte der jüngere Bruder X1 draußen gewartet. Der Angeklagte
ging nach dem Gespräch zu ihm zurück. Im Vorbeigehen bückte er sich und
zerstach einen Reifen des dort geparkten VW Polo ... Hierdurch entstand ein
Sachschaden in Höhe von 55,75 EUR."
44
g) Am 29.09.2004 verurteilte das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - R (4 Ls
534/04) den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in
Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der
Entscheidung vom 23.06.2004 zu einer Einheitsjugendstrafe von 6 Monaten mit
Strafaussetzung zur Bewährung für eine Bewährungszeit von zwei Jahren und
unterstellte ihn der Aufsicht und Leitung durch einen Bewährungshelfer. Das
Gericht ordnete eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum
28.09.2006 an und verhängte ein Fahrverbot von drei Monaten. Unter anderem
traf das Gericht folgende Feststellungen:
45
"Am 14.05.2004 trank der Angeklagte in ganz erheblichem Maße alkoholische
Getränke, nach seinen Angaben vornehmlich Bier und Wodka. Infolge des
Genusses der alkoholischen Getränke kam ihm der Gedanke, dass er fahren
könnte. Über einen Führerschein der Klasse B verfügt der Angeklagte nicht. Der
Angeklagte beschaffte sich den Schlüssel für den Pkw der Marke Ford Escort,
amtliches Kennzeichen ### und fuhr mit diesem Fahrzeug von R in Richtung
Morsbach. Er befuhr die Landstraße 94 bei A4. Einer Polizeistreife fiel der
Angeklagte dadurch auf, dass er mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h
außerorts in Schlangenlinien fuhr. Nach einem Versuch, der Polizei zu
entkommen, konnte der Angeklagte gestellt werden. Bei der um 23:47 Uhr
entnommenen Blutprobe ergab sich eine Blutalkoholkonzentration von 1,22
Promille. ... Bei der Bemessung der erzieherischen Sanktion war zu
berücksichtigen, dass der Angeklagte im Zusammenhang mit einem Mißbrauch
von Alkohol immer und immer wieder strafbare Handlungen begangen hat. ...
Nach Angaben der Familienhelferin scheint eine gewisse Besserung bei dem
Angeklagten im Hinblick auf seinen Umgang mit Alkohol eingetreten zu sein;
eine bloße Reduzierung des Konsums dürfte bei dem Angeklagten jedoch nicht
ausreichen, sondern vielmehr erscheint eine völlige Enthaltsamkeit
erforderlich."
46
h) Am 22.02.2005 verurteilte das Amtsgericht - Jugendschöffengericht -
Gummersbach (9a Ls 101/04) i.V.m. dem Urteil des Landgerichts Köln von
14.06.2005 (104-16/05) den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen schweren
Raubes unter Einbeziehung der Entscheidung vom 29.09.2004 zu einer
Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Unter anderem traf
das Gericht folgende Feststellungen:
47
"Am Tattag gingen beide [Angeklagte] nach der Schule zum Angeklagten B3,
verbrachten die zeit vor dem Fernseher und leerten ab 15:00 Uhr
pinnchenweise (0,02 l) eine 0,7 l - Flasche Wodka. Im Laufe ihrer Unterhaltung
stellten beide fest, dass sie aus ihrer Sicht über zu wenig Geld verfügten und
entwickelten gemeinsam die Idee, einen Raubüberfall zu begehen, bis zur
Ausführungsreife. Hierzu fertigte der Angeklagte B3 aus zweien seiner Pullover
zwei Masken, indem er die Rollkragen abschnitt und eine dieser Masken mit
Löchern für Mund und Augen versah. Der Angeklagte B3 nahm einen Funkturm
aus Metall sowie eine Pistole mit leerem Magazin und defekter Feder der Marke
Reck, Kal. 8 mm, aus seiner Wohnung mit, um ihn bei dem Überfall auf die Aral-
Tankstelle in Y4, die sie als kleinste Tankstelle des Ortes als Ziel auserkoren
hatten, als Drohmittel oder Waffe einzusetzen. Sodann begaben sie sich in die
Nähe des Tatortes und streiften die Masken über; der Angeklagte B3 setzte
zusätzlich eine Mütze, der Angeklagte X zusätzlich einen schwarzen Filzhut auf.
Anschließend und gegen 21:10 Uhr stürzten sie in Ausführung ihres
gemeinsamen Tatplanes in den Verkaufsraum der Aral-Tankstelle in Y4, Z-
Straße 290, in dem die 20 Jahre alte Zeugin und Schülerin A6 als Kassiererin
im Nebenerwerb Dienst tat. ... Während der Angeklagte B3 mit der metallenen
Funkturm-Nachbildung auf die gläserne Wechselgeldablage auf dem Tresen
schlug, die mit einem pistolenschussartigen Geräusch zersprang, ‚Geld her!‘
schrie und sodann hinter den Tresen lief und die Kassiererin aufforderte, die
Kasse zu öffnen, bedrohte der Angeklagte X vor dem Tresen die Kassiererin mit
der Pistole, die er zu diesem Zwecke selbst in der Hand hielt. ... Angesichts der
Drohung mit der Schusswaffe sowie des Verhaltens des Angeklagten B3, das
48
keinen Zweifel daran ließ, dass die Täter ihre Drohungen auch wahr machen
würden, öffnete die Kassiererin mit ihrem Schlüssel die Kasse, aus der der
Angeklagte B3 aus dem Fach für Geldscheine einen Betrag von etwa 370,00
EUR ausschließlich in Banknoten an sich nahm, um ihn für sich und den
Angeklagten X zu verwenden. Der Angeklagte B3 stopfte einen kleinen
Leinensack, in den er die Beute gesteckt hatte, in den Rucksack, den der
Angeklagte X auf dem Rücken trug. Anschließend flüchteten beide - der
Angeklagte X verabschiedete sich sogar mit einem ‚Danke!‘."
In dem Berufungsurteil des Landgerichts Köln ist in Bezug auf den Angeklagten
X2 u.a. ausgeführt:
49
"Die Hauptschule in Y4 besuchte er mit ordentlichen Leistungen bis zur neunten
Klasse, die er wegen seines stetig wachsenden Motivationsdefizits wiederholen
musste; im Wiederholungsjahr - im September 2001 - brach er den Schulbesuch
ab. Zu dieser Zeit hatte er bereits begonnen, in Gesellschaft von Freunden, die
ebenfalls keine Lust hatten die Schule zu besuchen, täglich erhebliche Mengen
Alkohol zu sich zu nehmen, anfangs Bier, bald aber auch Wodka und andere
hochprozentige Alkoholika. ... Zu [den] Trinkgewohnheiten [seiner Eltern] hat der
Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung geäußert, der Vater trinke nach
der Arbeit ‚ein Bier‘, die Mutter trinke noch ab und zu ‚ein bisschen‘ - unklar
geblieben ist dabei, ob er sich lediglich aus familiärer Verbundenheit in solch
unkritischer weise über den Alkoholkonsum seiner Eltern geäußert hat oder ob
er ihn verharmlost. Bezüglich seines eigenen Alkoholproblems hat der
Angeklagte geäußert, ihm sei klar geworden, dass er hier ein Problem habe; er
habe sich zwar um eine Therapie bemüht, aber ihm sei gesagt worden, dass
Therapieplätze nur für Drogenkonsumenten verfügbar seien; seine
Bewährungshelferin habe ihm neulich einen ‚Zettel‘ gegeben, den er lesen
sollte, ‚so mit Verhaltensweisen drin und wo man hingehen kann‘; weiter habe
sie erklärt, er solle warten, bis er entlassen werde, dann könne er das selbst
regeln. Konkrete Angaben zu dem Inhalt des ihm überlassenen
Informationsmaterials vermochte der Angeklagte in der
Berufungshauptverhandlung nicht zu machen. ... Die von übermäßigem Konsum
von Alkohol geprägte Familie des Angeklagten hat dem Angeklagten derart
ungünstige Entwicklungsvoraussetzungen geboten, dass sogar eine
Sorgerechtsentziehung und Heimunterbringung erforderlich wurde. ... Das
Vorliegen erheblicher schädlicher Neigungen steht angesichts dessen, dass er
vielfach wegen Delikten, die er unter Alkoholeinfluss begangen hat, verurteilt
wurde, außer Zweifel ... Es war deutlich zu erkennen, dass bei dem
Angeklagten die Einsicht in das Ausmaß seines Alkoholproblems - naheliegend
weil Übermaß an Alkohol zur täglichen Normalität in der Familie gehört - noch
sehr gering ausgeprägt ist. So hat er, in der Berufungshauptverhandlung auf die
Blutalkoholkonzentration von 2,1 o/oo bei Begehung der Tat vom 14.11.2003
angesprochen, scheinbar belustig gelächelt. Wenngleich dieses nicht von
Verlegenheit geprägte Lächeln nicht zwingend darauf hindeutet, dass er solche
Alkoholmengen in jugendlichem Verständnis als eine ‚Leistung‘ mit gewissem
Stolz betrachtet, so ist jedenfalls deutlich geworden, dass er den Ernst seines
Alkoholproblems noch nicht hinreichend erkannt hat. Dass er
verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol in seiner Familie nicht lernen konnte,
mindert zwar sein Verschulden an der bisherigen Entwicklung; dies ändert
jedoch nichts daran, dass der Angeklagte sehr intensiver erzieherischer
50
Einwirkung bedarf, um in der Zukunft den Umgang mit Alkohol zu lernen, was
bei jemandem, der ein solch massives Alkoholproblem hatte, wie es der
Angeklagte derzeit noch hat, bedeutet, dass er künftig den Konsum auch nur
geringer Mengen von Alkohol strikt unterlassen muss, um nicht wieder in die
alte Problematik hineinzufallen. ... Trotz einiger Ansätze, sich mit dem
Alkoholkonsum auseinanderzusetzen, erscheinen diese noch nicht so tragfähig,
dass erwartet werden könnte, dass eine therapeutische Aufarbeitung ohne eine
noch geraume Zeit andauernde erzieherische Einwirkung im Jugendstrafvollzug
erfolgreich sein könnte. Daher hält die Kammer ... die Verhängung einer
Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für ... unbedingt
erforderlich, um die notwendige erzieherische Wirkung beim Angeklagten zu
erreichen, ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten und ihn mit dem
bestehenden Alkoholproblem umgehen zu lehren."
Durch Beschluss vom 19.04.2006 wurde der Rest der Jugendstrafe ab dem
05.05.2006 bis zum 01.05.2009 zur Bewährung ausgesetzt. In dem
Aussetzungsbeschluss wurden dem Angeklagten u.a. folgende Auflagen
gemacht und Weisungen erteilt:
51
"d) Er hat regelmäßige Gespräche mit einer Suchtberatungsstelle zu führen.
...
52
f) Er hat sich übermäßigen Alkoholgenusses zu enthalten."
53
i) Am 20.09.2006 verurteilte das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - R (4 Ls
544/06) den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten mit Strafaussetzung zur
Bewährung für eine Bewährungszeit von zwei Jahren. Unter anderem traf das
Gericht im Urteil folgende Feststellungen:
54
"In der Nacht vom 24. auf den 25.03.2006 hatte der Angeklagte X1 in
erheblichen Mengen Bier getrunken. Er stand gemeinsam mit der aus dem
Verfahren ausgeschiedenen D im Flur zur Toilette der Diskothek Vernissage.
Hier ging der Geschädigte P8 an ihm vorbei. Es kam zu einem kurzen verbalen
Streit zwischen den beiden jungen Männern, die einander bis dahin unbekannt
waren. Dieser Streit ging in Tätlichkeiten über. Beide wurden deswegen des
Lokals verwiesen.
55
Nach diesem Streit trafen die beiden vor dem Lokal wieder aufeinander. Es kam
erneut zu Tätlichkeiten zwischen dem Angeklagten X1 und P8, wobei sich auch
X2 einmischte und der Zeuge C sowie das Sicherheitspersonal der Diskothek
schlichtend eingriffen. Letztlich ging auch diese Tätlichkeit auseinander.
56
Die Angeklagten entfernten sich gemeinsam mit D und gingen bis zu der etwas
oberhalb gelegenen Bäckerei. Hier blieben sie stehen, während der
Geschädigte P( und C vor der Diskothek zurückblieben. Es kam zu
gegenseitigem Zurufen, vermutlich beleidigendem Inhalts. Darauf setzte sich
der Geschädigte P8 in Bewegung und lief in Richtung auf die Angeklagten. D
nahm vermutlich an, dass er ihre Gruppe angreifen wolle und warf mit einem
Bierglas nach ihm. Sie traf den Geschädigten im Gesicht. X1 ging auf den
Geschädigten zu und versetzte ihm einen Schlag. Als der Geschädigte zu
57
Boden ging, mischten sich auch D und der Angeklagte X2 ein. Sowohl O als
auch D versetzten dem Geschädigten Tritte an den Körper und auch in das
Gesicht. Es brach ein Stück des Schneidezahns ab und das Gesicht schwoll
stark an. Ferner hatte der Geschädigte Schürfwunden an Kopf und Körper."
j) Am 22.05.2007 verurteilte das Amtsgericht R (4 Ds 91/07) den Angeklagten
wegen mit seinem Bruder X3 gemeinschaftlich begangener gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung der Entscheidung vom 20.09.2006 zu
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung für eine
Bewährungszeit von drei Jahren. Dem Angeklagten wurde im
Bewährungsbeschluss u.a. ausdrücklich die Weisung erteilt, für die Dauer der
Bewährungszeit in der Öffentlichkeit - insbesondere in Gaststätten - keinen
Alkohol zu trinken. Unter anderem traf das Gericht im Urteil folgende
Feststellungen:
58
"Am 19.06.2006 gegen 22:00 Uhr betraten die Angeklagten mit einem weiteren
Bruder, dem anderweitig verfolgten X1, die Gaststätte ‚M7‘ in der Hauptstraße in
Nümbrecht, wobei der Angeklagte X2 und der anderweitig verfolgte X1 dort mit
einem Hausverbot belegt waren. Als die Angeklagten und der anderweitig
Verfolgte mit der Bedienung der Gaststätte, der Zeugin Pfeil, über den
Fortbestand des Hausverbots diskutierten, mischte sich der Zeuge X4 in die
Diskussion ein und sagte sinngemäß, die Angeklagten und der anderweitig
Verfolgte sollten gehen und ihr Bier woanders trinken. Nunmehr wandten sich
die Angeklagten und der anderweitig Verfolgte dem Zeugen X4 zu, griffen ihn
zunächst verbal und dann auch tätlich an. Sie schlugen den Zeugen mit den
Fäusten ins Gesicht. Als der Zeuge durch den Angriff auf den Boden gefallen
war, trat zumindest einer der Beteiligten gegen dessen Kopf. Der Zeuge erlitt
Hautabschürfungen und Prellungen in der rechten Gesichtshälfte. Die
Augenpartie war geschwollen, der rechte Zeigefinger verletzt. ... Nach Mitteilung
seiner Bewährungshelferin ist der Angeklagte X2 nunmehr ernsthaft bemüht,
einen Beruf zu ergreifen und seine Alkoholproblematik zu bekämpfen. Diese
Chance soll ihm letztmals gegeben werden. Dem Angeklagten wurde jedoch
unmissverständlich vor Augen geführt, dass jede weitere Verurteilung
unweigerlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zur Folge
haben wird."
59
II.
60
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht folgender Sachverhalt fest:
61
Die Angeklagten und ihr Bruder X3 haben eine weltanschaulich sowie politisch
neonazistisch/rechtsradikale Gesinnung und sind dem Mitläufer-Umfeld
neonazistischer/rechtsradikaler Organisationen mit Bezeichnungen wie "Oberbergische
Wacht" und "Freie Kräfte Oberberg" zuzurechnen.
62
Gegen den X3 war unter dem Aktenzeichen 121 Js 43/02 bei der Staatsanwaltschaft
Köln bereits im Jahre 2002 ein Verfahren wegen Volksverhetzung u.a. anhängig. In der
Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 17.04.2002 heißt es u.a.:
63
"Der Beschuldigte X ist ... verdächtig, im Rahmen einer Geburtstagsfeier am
Bahnhofsvorplatz in Gummersbach ‚Heil Hitler!‘ und ‚Sieg heil!‘ gerufen zu haben. ... Der
64
Beschuldigte X ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Eine
Jugendstrafe ist noch zur Bewährung ausgesetzt."
Der X3 und vier weitere Beschuldigte wurden von der Polizei bei gleicher Gelegenheit
außerdem dabei angetroffen, wie sie auf dem Bahnhofsvorplatz Gummersbach laut
vernehmbar rechtes Liedgut abspielten. Die Polizei beschlagnahmte drei
Radiokassetten mit rechtem Liedgut sowie zwei CDs mit den Titeln "Der nette Mann +
Demos" bzw. "Zillertaler Türkenjäger" mit gewaltverherrlichenden bzw.
volksverhetzenden Inhalten der Bands "Leitwolf", "Zillertaler Türkenjäger" und "Böhse
Onkelz". Anlässlich der Beschuldigtenvernehmung des X3 wurde durch die
Vernehmungsbeamten vermerkt:
65
"Herr X ... war für Insider optisch eindeutig als Angehöriger des rechten Spektrums zu
erkennen. Durch den Kollegen M8 wurden die Narben eines relativ frisch entfernten,
zuvor eintätowierten Hakenkreuzes auf einem Oberarm von Herrn X entdeckt. Dieser
räumte auf Befragen das ehemalige Vorhandensein eines dort tätowierten
Hakenkreuzes ein."
66
Wie die Hauptverhandlung weiter ergeben hat, weist der Oberkörper des X3
gegenwärtig - neben zahlreichen anderen - u.a. folgende Tätowierungen auf: Den
Schriftzug "Blut und Ehre" zwischen den Brustwarzen und dem Bauchnabel quer über
den Bauch sowie die Darstellung "Eisernes Kreuz" am linken Unterarm.
67
Zu diesen Symbolen ist folgendes gerichtsbekannt:
68
• "Blut und Ehre" war zwischen 1926 und 1945 Motto und Grußformel der
nationalsozialistischen Jugendorganisation "Hitlerjugend". "Blut und Ehre" waren
zudem als zentrale Begrifflichkeiten von höchster Bedeutung in der
nationalsozialistischen Ideologie und beide Begriffe galten jeweils als entsprechend
schutzwürdig. Als Motto der "Hitlerjugend" kannten sie während der Zeit der
nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft fast alle Deutschen, "Blut und Ehre" war
zudem der Name eines Liederbuches, war gestempelt in das Koppelschloss und
Inschrift der HJ-Fahrtenmesser, die weite Teile der "Hitlerjugend" besaßen. Ein
Aufsatzband des wichtigsten Ideologen der Nationalsozialisten, Alfred Rosenberg,
ist mit dem Begriff "Blut und Ehre" überschrieben. "Blut und Ehre" stand schließlich
im Mittelpunkt der sog. "Nürnberger Rassengesetze" von 1935, deren offizielle
Bezeichnung "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre"
lautete. Abgeleitet von "Blut und Ehre" steht "Blood and Honour" heute für ein
internationales Netzwerk neonazistischer Skinheads.
69
• Das "Eiserne Kreuz" (EK) war eine ursprünglich preußische, später deutsche
Kriegsauszeichnung, die erstmals vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. im
Jahre 1813 gestiftet wurde. In Form und Aussehen des Ordens wurde die
Anlehnung an das Balkenkreuz des Deutschen Ordens gesucht – ein schwarzes
Tatzenkreuz mit den typischen, sich verbreiternden Balkenenden auf einem weißen
Mantel, wie ihn die Deutschritter schon seit dem 14. Jahrhundert trugen. Im
Gegensatz zu vielen anderen üblichen Militärorden des 19. und 20. Jahrhunderts
wurde beim Eisernen Kreuz bewusst auf wertvolle Materialien verzichtet. Die
Auszeichnung aus einfachem schwarzen, mit Silber eingefassten Gusseisen stand
symbolisch für die ritterliche Pflichterfüllung und Zurückhaltung eines preußischen
Soldaten. In den späten 1960er Jahren wurde das Eiserne Kreuz zunehmend als
70
Symbol in der Skinhead- und Subkultur verwendet.
Der Angeklagte
X1
der Mitte tätowiert sowie auf die rechte Brust eine "Schwarze Sonne". Auf dem Rücken
trägt er eintätowiert den Schriftzug "White Power".
71
Zu diesen Symbolen ist folgendes gerichtsbekannt:
72
• Das vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat während des Zweiten Weltkriegs
verliehene "Eiserne Kreuz" wies ein Hakenkreuz in der Mitte auf. Die
nationalsozialistische Teilorganisation "SS" verwendete einen Totenkopf als
Erkennungssymbol.
73
• Die "Schwarze Sonne" ist ein Symbol aus zwölf in Ringform gefassten
gespiegelten Siegrunen (im Nationalsozialismus als einfache "Sig-Rune" Zeichen
des "deutschen Jungvolkes" in der "Hitlerjugend", als doppelte Rune Zeichen der
"SS"). Wie auch andere Runen sollen sie eine jahrtausendealte gemeinsame
"germanische" Vergangenheit suggerieren. Es können auch drei Hakenkreuze
innerhalb des Symbols erkannt werden. Vorlage für das Symbol ist ein ähnliches
Bodenornament in Gestalt eines Sonnenrades, das in der Zeit des
Nationalsozialismus von der "SS" im Nordturm der Wewelsburg bei Paderborn
eingelassen wurde. Die "Schwarze Sonne" ist heutzutage ein wichtiges Ersatz- und
Erkennungssymbol der rechtsesoterischen bis rechtsextremen Szene.
74
• "White Power" (im Sinne von: "Weiße Macht") ist ein oft verwendeter
Schlüsselbegriff in der Neonaziszene. Der Begriff "White Power" und das Symbol
der "White-Power-Faust" entstanden als Provokation des "Ku Klux Klan" gegenüber
dem "Black Power"-Slogan der Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner in den
USA. Aufgegriffen wurden Begriff und Symbol von dem britischen Neonazi Ian
Stuart, dem Sänger der Band "Skrewdriver", der es als umfassenden Wahlspruch für
die nationalsozialistische und rassistische Theorie von der Vorherrschaft der
"weißen Rasse" etablierte.
75
Der Angeklagte
X2
die rechte Seite des Oberkörpers den Namen seiner Freundin "P6" hochkant in großen
Frakturbuchstaben.
76
Zu diesen Symbolen ist folgendes gerichtsbekannt:
77
• Stilisierte Flammen über Holzscheiten sind das Vereins- und Flaggensymbol der
Organisation "Heimattreue Deutsche Jugend / HDJ". Die "Heimattreue Deutsche
Jugend e.V." ist eine extrem rechte Organisation, die sich der Arbeit mit
Jugendlichen und Kindern widmet. Die "HDJ" führt im wesentlichen Zeltlager,
Fahrten, "Heimabende" und andere Gemeinschaftsveranstaltungen durch.
78
• Die "Fraktur" ist eine Schriftart aus der Gruppe der gebrochenen Schriften. Sie war
von Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im
deutschsprachigen Raum. Zur Zeit des Nationalsozialismus erlebte die "Fraktur"
insbesondere als Auszeichnungs- aber auch als Textschrift eine Renaissance, da
sie als deutsche Schrift betrachtet wurde. Man berief sich u.a. auf Cäsar Flaischlen,
der "Vom Herrenrecht unserer deutschen Schrift" gedichtet hatte.
79
Am 19.07.2008 luden die Zeugen P und N anlässlich ihrer Geburtstage Bekannte und
Freunde zu einer Party in das Vereinsheim und auf das Gelände des jenseits der Straße
"Am Brink" abseits am Waldrand gelegenen Sportplatzes in Gummersbach-Rospe ein.
An der Feier nahmen ab dem frühen Abend neben den Einladenden auch die
Angeklagten und ihr Bruder X3 sowie die in der Hauptverhandlung vernommenen
Zeugen H, O, Sarah P13, M9, P2, P3, P4, V2, V1, H1 (Ehefrau des H), T (Bruder der P),
P1 (Mutter der P), P5 (Freundin des X3), P6 (Freundin des Angeklagten X2) sowie der
Nebenkläger P7 teil. Die Teilnehmer der Party setzten sich im wesentlichen aus zwei
Gruppen zusammen, nämlich einer Gruppe aus dem schulischen Freundes- und
Bekanntenkreis der Einladenden sowie einer Gruppe aus dem rechtsradikalen
Freundes- und Bekanntenkreis der Einladenden einschließlich des Mitläufer-Umfeldes
mit entsprechender Gesinnung. Letzteres ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die
Zeugin P bis etwa drei Monate vor der Geburtstagsfeier mit einem Aktivisten der
neonazistischen/rechtsradikalen Organisation "Oberbergische Wacht" liiert war und ihr
Bruder, der Zeuge T, zuvor selbst Aktivist dieser Organisation war. Auch der mit
einladende Zeuge N ist zumindest dem Mitläufer-Umfeld neonazistischer/rechtsradikaler
Organisationen zuzurechnen, was sich bereits aus seinem äußeren Erscheinungsbild
ergibt (zahlreiche Tätowierungen, ein "Thor-Steinar"-Sweatshirt mit Runenemblem
"Ultima Thule" sowie ein Schlüsselanhänger mit dem Aufdruck "www.anonym1.de").
Auf der Party wurde - zumindest zeitweise - auch für die rechtsradikale Szene typische
Musik gespielt, vom Zeugen S zutreffend als "rechtsradikale Grölmusik" bezeichnet.
80
Zunächst blieben die Mitglieder der beiden Gruppen weitgehend unter sich, die
Angeklagten und ihr Bruder nebst Freundinnen also in der Gruppe der "Rechten" und
der Nebenkläger sowie andere Personen aus dem Schulumfeld, wie z.B. die Zeugen P4
und M9 in der anderen Gruppe. Der Nebenkläger, dem die rechtsradikale Gesinnung
eines Teils der Anwesenden verborgen geblieben war, erzählte im Verlaufe des Abends
in verschiedenen Gesprächsrunden u.a. von seiner jüdischen Herkunft, seiner Religion,
dem Staat Israel und seinem jüngst stattgefundenen Besuch in Israel. Dies bekamen
auch die Angeklagten und deren Bruder X3 mit. Der Nebenkläger vernahm aus dem
Hintergrund, wie jemand fragte, was der Nebenkläger denn auf einer "rechten" Party
mache. Nachdem das Gespräch noch einige Zeit weiter gegangen war, forderten die
Angeklagten und ihr Bruder X3 den Nebenkläger auf, mehr über sich zu erzählen, was
dieser auch zunächst tat. Als er weiterer Fragerei durch die Angeklagten und ihren
Bruder aus dem Wege gehen wollte und sich ein Getränk holte, machten die
Angeklagten und ihr Bruder eine abfällige Bemerkung über die Bekleidung des
Nebenklägers. Von den Angeklagten und ihrem Bruder, die inzwischen jeweils einige
Flaschen Bier getrunken hatten, gingen sodann erste Provokationen gegenüber
Personen aus der anderen Gruppe aus. Als der Zeuge A die Angeklagten und ihren
Bruder auf ihre Gesinnung ansprach, wurde er von ihnen als "Wichser" beschimpft und -
in Anlehnung an seinen Spitznamen "Bo" - als "Bimbo" gehänselt.
81
Kurz darauf begab sich der Nebenkläger links hinter die Hütte des Vereinsheims, um
dort auszutreten. Noch bevor er dazu kam, bemerkte er rechts hinter sich in einer
Entfernung von etwa zwei Metern den Angeklagten X2, der ihn wiederum aufforderte,
von sich zu erzählen. Als der Nebenkläger dieser Aufforderung keine Folge leistete,
fragte ihn der Angeklagte X2, warum er ihn provoziere. Der Nebenkläger antwortete
nicht und drehte sich wieder nach vorne, als er etwa einen Schritt von sich entfernt den
Angeklagten X1 bemerkte, der sagte, dass es ein großer Fehler des Nebenklägers
gewesen sei, sie zu provozieren. Daraufhin bemerkte der Nebenkläger eine Berührung
82
an seiner Schulter und erkannte den Zeugen H, der ihn fragte, was los sei. Der
verunsicherte Nebenkläger antwortete "Ich weiß es nicht", woraufhin sich der Zeuge H
wieder abwandte und die Örtlichkeit verließ. Kurz nachdem der Zeuge H gegangen war,
äußerte der Angeklagte X1 gegenüber dem Nebenkläger, er habe sich mit den Falschen
angelegt, der Angeklagte X2 beschimpfte den Nebenkläger als "dreckige Judensau".
Sodann schlug einer der Angeklagten ins Gesicht des Nebenklägers und traf dessen
Nase. Daraufhin schlugen beide Angeklagte wechselseitig auf den Nebenkläger ein.
Nachdem der Nebenkläger zu Boden gegangen war, schlugen und traten beide
Angeklagte weiter auf ihn ein, einer der Angeklagten machte eine Bemerkung über den
Hinterkopf und die Nase des Nebenklägers. Um nicht weiter geschlagen und getreten
zu werden, stellte sich der Nebenkläger schließlich ohnmächtig, woraufhin einer der
Angeklagten zum anderen sagte "Fass mal mit an!" Einer der Angeklagten ergriff
sodann den Nebenkläger an den Füßen und der andere Angeklagte ergriff ihn an den
Händen. Die Angeklagten holten einmal Schwung und schleuderten den Nebenkläger
einen steilen Abhang hinunter, wobei sie laut lachten. Der Nebenkläger prallte ca. fünf
Meter tiefer mit der Schulter bzw. dem Schlüsselbein gegen einen Baumstamm, vor dem
er mit dem Kopf nach unten liegen blieb. Die Angeklagten überließen den Nebenkläger
seinem Schicksal und begaben sich zurück zu der Party, wo sie kurz darauf in der
Küche des Vereinsheims eine Schlägerei mit dem Zeugen M9 anzettelten, in deren
Verlauf auch zahlreiche Glasflaschen zu Bruch gingen. Die Schlägerei wurde
schließlich durch das Eingreifen des Zeugen H beendet, der den Angeklagten X2 aus
dem Vereinsheim zerrte.
Währenddessen war der Nebenkläger wieder zu sich gekommen und flüchtete von dem
Sportplatzgelände weg den Abhang hinunter. Als er die erste Straße erreicht hatte, rief
er um 23.19 Uhr mit dem Handy seine Schwester P11 an, die den total verdreckten und
im Gesicht blutverschmierten Nebenkläger mit dem Zeugen N3 in dessen Pkw ins
Kreiskrankenhaus Gummersbach brachte. Dort diagnostizierte der Arzt N4 beim
Nebenkläger multiple Schädelprellungen, eine HWS-Zerrung, Rückenprellungen, eine
Prellung der Nase mit Nasenbluten sowie mehrere Schürfwunden. Dem Nebenkläger
wurde zur Stabilisierung des Halswirbelbereiches eine Schanz´sche Krawatte angelegt
und er wurde zur Weiterbehandlung durch den Hausarzt aus dem Krankenhaus
entlassen. Inzwischen waren die weitere Schwester P12 und ihre Freunde, die Zeugen
T3, P14, S5 und S ebenfalls im Kreiskrankenhaus eingetroffen und begaben sich
gemeinsam mit dem Nebenkläger sowie den Zeugen P11 und N3 zu dem Ort der Party,
dem Sportplatzgelände in Gummersbach-Rospe, wo sie gegen 2:00 Uhr eintrafen. Dort
lief laute, für die rechtsradikale Szene typische Musik und die Party war unter
Beteiligung von ca. 20 Gästen noch im Gange. Der Zeuge X3 und seine Freundin P5
hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits entfernt. Als die Schwestern des Nebenklägers
und ihre Begleiter versuchten, die Schuldigen für die Körperverletzung zum Nachteil
ihres Bruders in Erfahrung zu bringen, schlug ihnen von den meisten Anwesenden
ablehnende Aggression entgegen und u.a. der Zeuge H versuchte, sie zum Gehen zu
bewegen. Insbesondere die inzwischen noch mehr alkoholisierten Angeklagten zeigten
sich aggressiv, schrien herum und stießen Bedrohungen wie "Ich mach´ euch alle kalt!"
gegen die Zeugen aus. Als die Zeugen den Angeklagten vorhielten, was dem
Nebenkläger geschehen sei, äußerten sie "Was ist denn schon so schlimm dabei?"
bzw. "Der arme Baum! Ich wäre wieder aufgestanden." Der Angeklagte X2 drohte, auf
die Zeugen mit einer Bierflasche zu werfen. Als der Angeklagte X2 immer ausfallender
wurde, wurde er von seiner Freundin, der Zeugin P6, und dem Zeugen Isenhardt in das
Auto des Zeugen gezogen und weggefahren. Kurz bevor er in das Fahrzeug gezogen
wurde, schrie der Angeklagte X2 in Richtung der Schwestern des Nebenklägers "Ich
83
spuck´ auf die!", zeigte - für zahlreiche Anwesenden deutlich sichtbar - mit dem
ausgestreckten rechten Arm den "Hitlergruß" und grölte: "Hebt den rechten Arm und ihr
wisst, wer ihr seid!" Kurz darauf trafen die herbeigerufenen Polizeibeamten POK B5 und
PK B6 auf dem Sportplatzgelände ein und erteilten dem in diesem Zeitpunkt im
Vereinsheim befindlichen Angeklagten X1 einen Platzverweis.
Der Nebenkläger musste sich wegen der erlittenen Verletzungen in weitere ärztliche
Behandlung begeben und über einen Zeitraum von zwei Wochen hinweg die Schanz
´sche Krawatte tragen. Er leidet noch heute unter den psychischen Spätfolgen der Tat,
die sich äußern in Schlafstörungen und Alpträumen sowie Angstsituationen z.B. auf der
Straße. Zudem hat er Angst vor Rachetaten der Angeklagten oder ihres Umfeldes. Der
Nebenkläger befindet sich nach wie vor in psychologischer Behandlung.
84
Die Angeklagten waren bei Begehung ihrer Taten strafrechtlich voll verantwortlich. Sie
waren zwar durch den zuvor genossenen Alkohol enthemmt, aber bei im übrigen voll
vorhandener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht ihres Tuns in ihrer Steuerungsfähigkeit
nicht erheblich vermindert.
85
Der frühere Bewährungshelfer des Angeklagten
X1
Angeklagte habe immer ein Alkoholproblem gehabt, sich aber nie ernsthaft damit
beschäftigt. Seine Schwierigkeiten im strafrechtlichen Sinne hätten stets mit
Alkoholkonsum zu tun gehabt. Die Bewährungshelferin M, die den Angeklagten seit
dem 20.07.2009 betreut, hat ausgeführt, seine Suchtberaterin sei sehr unzufrieden mit
ihm. Er habe nach dem Abbruch der ersten Therapie zur Vorbereitung einer weiteren
stationären Therapie schriftliche Stellungnahmen vorlegen sollen, was er jedoch bis
heute nicht getan habe. Ein Abstinenzwunsch sei beim Angeklagten nicht erkennbar,
die sinnvolle Durchführung einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie mache daher
keinen Sinn. Der Angeklagte erkenne sein Alkoholproblem nicht und verfüge nicht über
eine realistische Selbstreflektion.
86
Die Bewährungshelferin Eckel, die den Angeklagten
X2
mitgeteilt, der Angeklagte führe seit etwa 1 ½ Jahren Gespräche mit der Suchtberatung
wegen seines Alkoholproblems. Sie habe den Eindruck, die Beziehung des
Angeklagten zu seinem drei Monate alten Kind und seiner Freundin wirke stabilisierend
für seinen Alltag. Der Angeklagte gebe sich ihr gegenüber bemüht und halte zuverlässig
Kontakt.
87
Diese Feststellungen beruhen auf dem Teilgeständnis des Angeklagten X1, den
weiteren Einlassungen der Angeklagten, soweit diesen gefolgt werden konnte, und den
übrigen ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung ausgeschöpften
Beweismitteln sowie auf den sonstigen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung
herrührenden Umständen.
88
Der Angeklagte
X1
des Nebenklägers dabei gewesen zu sein und auch selbst zwei bis drei Mal
zugeschlagen zu haben. Das habe aber keinen rechten Hintergrund gehabt und er habe
auch nicht "Judensau" zum Nebenkläger gesagt. Er, der Angeklagte, habe zwar keine
Erinnerung mehr daran, den Nebenkläger den Abhang hinuntergeschmissen zu haben,
es könne aber so gewesen sein. Er sei betrunken gewesen und habe auch schon bevor
er zu der Party gegangen sei Alkohol konsumiert.
89
Der Angeklagte
X2
getroffenen Feststellungen dahin eingelassen, der Nebenkläger habe nicht über seine
jüdische Abstammung geredet, er habe sich mit ihm vielmehr über Musik unterhalten. Es
habe zwar eine Situation links neben dem Vereinsheim gegeben, diese habe sich aber
so abgespielt, dass er, der Angeklagte, dort austreten gewesen sei und dass sich seine
Freundin, die Zeugin P6, darüber aufgeregt habe, dass die Zeugin P, auf die sie
sowieso eifersüchtig gewesen sei, währenddessen in der Nähe gestanden habe. Es
habe Streit mit seiner Freundin gegeben, dann sei der Zeuge H hinzugekommen, er sei
jedoch direkt wieder weggegangen. Später sei dann der Nebenkläger verschwunden
gewesen. Als schließlich der Nebenkläger mit seinen Geschwistern zurück gekommen
sei, habe er, der Angeklagte, weggewollt, bevor die Polizei eintrifft, da er gemäß der
Bewährungsauflage ja keinen Alkohol dort habe trinken dürfen. Dabei habe er den
rechten Arm zum Abschiedsgruß gehoben, dies sei aber keinesfalls ein "Hitlergruß"
gewesen. Er habe auch nicht die Worte "Hebt den rechten Arm und ihr wisst, wer ihr
seid" gesagt, sondern er habe den Text des gerade gespielten Liedes "Die Stunde des
Siegers" mitgesungen. Er selbst habe auf der Party ab etwa 21:00 Uhr bis zu dem
Vorfall in der Küche des Vereinsheims insgesamt ca. 5-6 Flaschen Bier á 0,33 l sowie
ein Glas Whisky getrunken. Sein Bruder U dürfte etwa ebenso viel wie er getrunken
haben.
90
Der Text des Musikstückes "Die Stunde des Siegers" der Gruppe "Böhse Onkelz", die
der Angeklagte X2 bei seinem Abgang zitiert haben will, ist wie folgt gerichtsbekannt:
91
"Du erträgst die Erniedrigung mit einem Lächeln im Gesicht doch was mal aus Dir
werden soll das weißt Du nicht der eine hat's der andere nicht doch das hast Du nicht so
gemacht Dein Weg führt Dich in dunkle Straßen hörst Du wie man über Dich lacht Die
Stunde des Siegers kommt für jeden irgendwann für Dich für mich für jeden irgendwann
die Stunde des Siegers nutze sie und zeig ihnen wer Du bist spuck ihnen ins Gesicht
ins Gesicht Doch laß sie lachen laß sie schreien bis ihre Rotze sie erstickt
92
denn bald ist Deine Zeit gekommen jede Stunde schlägt für Dich dann tanzt Du auf
ihren Köpfen bis das Hirn aus den Augen quillt siehst Du das Zappeln ihrer
verendenden Leiber hast Du Dein Ziel erreicht"
93
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund aller sonstigen aus dem
Inbegriff der Hauptverhandlung stammenden Umstände steht zur vollen Überzeugung
des Gerichts fest, dass die Angeklagten die Taten so begangen haben, wie es in den
getroffenen Feststellungen im einzelnen dargelegt ist. Die Angeklagten sind der Taten
überführt.
94
Das Gericht stützt sich hierbei auf die Bekundungen der Zeugen P7, P, N, H, O, P13,
M9, P2, P3, P4, V2, V1, H1, T, P1, P5, P6, P11, N3, P12, T3, P14, S5, S, Dr. N2, POK
B5 und PK B6, die das Geschehen, soweit sie es nach ihren Bekundungen miterlebt
und wahrgenommen haben, so geschildert haben, wie es in den getroffenen
Feststellungen seinen Niederschlag gefunden hat.
95
Der Zeuge X3 hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehöriger der
Angeklagten Gebrauch gemacht.
96
Der Nebenkläger hat seine Wahrnehmungen wie dargelegt geschildert.
97
Die Zeugen N, H und P6 haben bestätigt, dass es in dem Vereinsheim einen Streit und
eine Schlägerei zwischen beiden Angeklagten und dem Zeugen M9 gegeben habe.
98
Der Zeuge H hat die Schilderung des Nebenklägers bestätigt, die die Situation links
hinter dem Vereinsheim betrifft, kurz bevor der Nebenkläger von den Angeklagten
zusammengeschlagen wurde. Er hat bekundet, den Nebenkläger gefragt zu haben, was
los sei, und dass dieser geantwortet habe, er wisse es nicht, woraufhin er, der Zeuge,
sich wieder entfernt habe.
99
Der Zeuge O hat bestätigt, dass der Angeklagte X1 zumindest bei einem Gespräch
dabei gewesen sei, in dessen Verlauf der Nebenkläger von seiner jüdischen
Abstammung erzählt habe. Der Angeklagte und der Nebenkläger hätten sich dann noch
weiter unterhalten.
100
Die Zeugin P4 hat bekundet, dass nach ihrem Dafürhalten von den Gästen der Party
sicherlich die Mehrzahl einen rechtsradikalen Hintergrund gehabt hätten.
101
Die Zeugin P13 hat bestätigt, dass sie ganz genau gesehen habe, dass einer der
beiden Angeklagten den "Hitlergruß" gezeigt habe. Das sei eindeutig gewesen.
102
Der Zeuge A hat bestätigt, von beiden Angeklagten angegangen, als "Wichser"
bezeichnet und mit der Bezeichnung "Bimbo" gehänselt worden zu sein.
103
Die Zeugin P4 hat bekundet, dass sich die Gäste der Party in zwei Gruppen aufgeteilt
hätten, die eine habe eine rassistische Einstellung gehabt und die Mitglieder dieser
"Nazi-Gruppe" hätten auch mehr Alkohol getrunken als die anderen.
104
Die Zeugin H1 hat bekundet, dass der Bruder der Angeklagten, der Zeuge X3, sicherlich
nur ein Mitläufer in der rechten Szene sei.
105
Die Mutter der Zeugin P, die Zeugin P1, hat bekundet, es habe ihr nicht gefallen, als sie
die Rechtsradikalen auf der Party gesehen habe. Sie habe sofort ein ungutes Gefühl
gehabt.
106
Der Zeuge T hat bestätigt, dass auf der Party auch Musik der rechten Szene gespielt
wurde.
107
Die Zeugin P6 hat bekundet, bei der vom Angeklagten X2 geschilderten Situation links
neben dem Vereinsheim seien dabei gewesen die beiden Angeklagten, der
Nebenkläger und die Zeugin P. Nicht dabei gewesen sei der Zeugen H. Erst eine
längere Zeit später habe die Zeugin P den Nebenkläger vermisst.
108
Die Zeugin P hat bekundet, sie könne sich an eine derartige Situation links neben dem
Vereinsheim nicht erinnern.
109
Die Zeugin P11 hat bekundet, als sie den Nebenkläger aufgelesen habe, sei dieser total
verdreckt gewesen und habe Blut im Gesicht gehabt. Darüber hinaus habe er unter
Schock gestanden. Die beiden Angeklagten seien sehr aggressiv gewesen, der kleinere
besonders. Einer der Angeklagten habe gesagt: "Der arme Baum! Ich wäre wieder
aufgestanden." Einer der Angeklagten habe ganz deutlich den "Hitlergruß" in ihre
Richtung gezeigt und dazu gesagt: "Hebt eure rechte Hand und ihr wisst, wer ihr seid."
110
Dann sei er ins Auto verfrachtet und weggefahren worden. Mehrere weibliche Gäste der
Party hätten sich untereinander aufgefordert, den Mund zu halten und den Schwestern
des Nebenklägers keine Auskunft zu geben.
Der Zeuge N3 hat bekundet, der Nebenkläger habe fürchterlich ausgesehen, als er ihn
von der Straße aufgelesen habe. Später auf der Party seien dann sehr aggressive Leute
gewesen. Einer habe gesagt: "Ich mache euch alle kalt!" Es habe gegen die Schwestern
des Nebenklägers und ihre Begleiter Rumgeschreie und Bedrohungen gegeben.
111
Die Zeugin P12 hat bekundet, als sie mit dem Nebenkläger telefoniert habe, sei dieser
ziemlich daneben gewesen. Oben auf dem Sportplatzgelände seien laute Musik und
eine sehr aggressive Atmosphäre gewesen. Einige Personen seien auf sie und ihre
Begleiter zugekommen und hätten sie aufgefordert, wieder zu gehen. Es habe nicht
darüber geredet werden sollen, was mit dem Nebenkläger passiert sei, und es habe
nichts rauskommen sollen. Der H habe sie aufgefordert wieder zu gehen, er habe sie
wegschicken wollen. Einer der Angeklagten habe gesagt "Der arme Baum! Ich wäre
wieder aufgestanden." Der Angeklagte, der mit dem Auto weggefahren worden sei,
habe vorher absolut eindeutig den "Hitlergruß" gezeigt und gesagt: "Hebt die rechte
Hand und ihr wisst, wer ihr seid." Dabei habe sie, die Zeugin, ca. 5-6 Meter weit weg
gestanden. Der Angeklagte habe ihr auch mit dem Wurf einer Bierflasche gedroht. Der
Nebenkläger habe auf dem Sportplatzgelände die beiden Angeklagten als Täter der
Körperverletzungshandlungen wiedererkannt.
112
Der Zeuge T3 hat bekundet, der Zeuge H habe abgewiegelt und gewollt, dass er und
die Schwestern des Nebenklägers wieder gehen sollten. Auch der Angeklagte X2 habe
die Anwesenheit der Angehörigen des Nebenklägers verhindern wollen. Der
Nebenkläger habe beide Angeklagte als Täter wiedererkannt. Der X2 sei besonders
aggressiv gewesen, habe mit einer Bierflasche gedroht, habe den "Hitlergruß" gezeigt
und gesagt "Hebt die rechte Hand und ihr wisst, wer ihr seid." Zu diesem Zeitpunkt sei
der mit einer Militärjacke bekleidete Angeklagte X1 im Innern des Vereinsheims
gewesen.
113
Die Zeugin P14 hat bekundet, bei ihrem Eintreffen sei auf den Sportplatzgelände Musik
der rechten Szene gespielt worden. Als der Zeuge H versucht habe, ihr etwas zu
erklären, sei jemand dazugekommen und habe gesagt "Du sagst jetzt nichts!". Der
Angeklagte X2 habe gesagt "Ich würde wieder aufstehen". Als der Angeklagte X2 mit
dem Auto habe weggebracht werden sollen, habe er ausgerufen "Ich spuck´ auf die!"
und dann gegrölt "Hebt eure rechte Hand und ihr wisst, wer ihr seid!". Dabei sei sie, die
Zeugin, etwa acht Meter weit entfernt gewesen und sich hinsichtlich ihrer
Wahrnehmungen zu 100% sicher, auch, was die Person des Angeklagten X2 betrifft.
Der Angeklagte X1 habe eine Militärjacke angehabt und sei im Vereinsheim gewesen.
Der habe später von der Polizei einen Platzverweis bekommen. Beide Angeklagte seien
ihr und ihren Begleitern feindlich gesonnen gewesen und hätten zu den Vorkommnissen
im Zusammenhang mit dem Nebenkläger immer nur gesagt "Was ist denn so schlimm
dabei?".
114
Die Zeugin S5 hat bekundet, dass einer der Angeklagten "Der arme Baum" gesagt und
dazu schäbig gelacht habe, nachdem sie, die Zeugin, dargelegt hatte, was dem
Nebenkläger passiert sei. Einer der Angeklagten habe, als er mit dem Auto habe
weggefahren werden sollen, ausgerufen "Hebt die rechte Hand und ihr wisst, wer ihr
seid!".
115
Der Zeuge S hat bekundet, bei seinem Eintreffen auf dem Sportplatzgelände sei
"rechtsradikale Grölmusik" gespielt worden. Die Anwesenden seien zum Teil betrunken
und total aggressiv gewesen. Der Zeuge H habe versucht zu beschwichtigen. Der
Zeuge S hat beide Angeklagte eindeutig wiedererkannt und bekundet, dass er mit ihnen
und dem Zeugen H zusammen gestanden habe, als der Zeuge H zu ihm gesagt habe
"Ich will meine Kumpels jetzt hier nicht in die Pfanne hauen". Der Angeklagte X2 sei der
aggressivere der beiden Angeklagten gewesen. Beide Angeklagte seien alkoholisiert
gewesen, hätten aber keine Ausfallerscheinungen gezeigt. Sie seien lediglich
alkoholbedingt enthemmt gewesen.
116
Die Zeugen haben ihre Aussagen ruhig und sachlich gemacht. Die Aussagen waren
geschlossen, enthielten keine Widersprüche und ließen keine emotionalen
überschießenden Tendenzen gegen die Angeklagten erkennen. Das Gericht hat nicht
den geringsten Anlass gesehen - auch unter Berücksichtigung der Einlassungen der
Angeklagten und aller sonstigen Ergebnisse der Hauptverhandlung -, den
Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Die Aussagen waren
glaubhaft, sie selbst glaubwürdige Zeugen. Es ist auch kein durchgreifender
Anhaltspunkt erkennbar geworden dafür, dass die Zeugen die Angeklagten wider
besseres Wissen oder irrtümlich der Taten falsch bezichtigt haben könnten.
117
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten hat das Gericht aufgrund
eigener Sachkunde ausgehend von den Angaben der Angeklagten zu ihrem
Alkoholkonsum vor den Taten und unter Berücksichtigung aller sonstigen Ergebnisse
aus der Hauptverhandlung getroffen. Angesichts der von den trinkgewohnten
Angeklagten angegebenen Alkoholmengen, die sie vor den Taten jeweils konsumiert
haben, kann auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte X1
angegeben hat, er habe schon vor dem Besuch der Party Alkohol konsumiert, nicht
ohne weiteres auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit geschlossen werden.
Weiterführende Anhaltspunkte sind auch in der Hauptverhandlung nicht zutage getreten.
Die Zeugen haben bei den Angeklagten keine auf alkoholische Beeinflussung
zurückzuführenden Ausfallerscheinungen wie Orientierungsschwierigkeiten,
Sprachstörungen, schwankender Gang oder dergleichen festgestellt, wie sie in der
Hauptverhandlung glaubhaft bekundet haben. Auch die Angeklagten selbst haben
nichts in diese Richtung weisendes vorgetragen. Die Angeklagten waren nach alledem
lediglich durch den vor den Taten genossenen Alkohol mittleren Grades enthemmt.
118
Das Gericht sieht die - bis auf das Teilgeständnis des Angeklagten X1 - von den
getroffenen Feststellungen größtenteils abweichenden Einlassungen der Angeklagten
unter zusammenfassender Würdigung mit den übrigen Beweisergebnissen und
sonstigen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände wie
auch aufgrund des Eindrucks, den sie in der Hauptverhandlung hinterlassen haben, als
nicht glaubhaft und als reine Schutzbehauptung an. Das Gericht vermochte keine
durchgreifenden Umstände festzustellen, die für die Richtigkeit ihrer Einlassungen
sprechen könnten.
119
III.
120
Nach den getroffenen Feststellungen haben sich beide Angeklagte jeweils der
gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB
schuldig gemacht. Der Angeklagte
X1
121
Nebenklägers als "dreckige Judensau" der Beleidigung gemäß § 185 StGB und der
Angeklagte
X2
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB.
Die weiteren Taten stehen zu der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung
jeweils im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB.
Das Gericht hat für die gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung beim
Angeklagten
X1
Angeklagten
X2
die durch den Angeklagten
X1
eine Einsatzgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40,- EUR erkannt. Für die durch den
Angeklagten
X2
verfassungswidriger Organisationen hat das Gericht auf eine Einsatzgeldstrafe von
80 Tagessätzen zu je 15,- EUR erkannt. Diese Strafen erschienen nach Abwägung aller
erkennbaren für und gegen die Angeklagten jeweils in Betracht kommenden
Strafzumessungsgesichtspunkte tat- und schuldangemessen. Bei der Bemessung der
Höhe der Strafen innerhalb des Strafrahmens von § 224 StGB (Freiheitsstrafe von 6
Monaten bis zu 10 Jahren - ein minder schwerer Fall liegt offensichtlich nicht vor -) bzw.
von § 185 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe) bzw. von § 86a StGB
(Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe) hat sich das Gericht an den
Grundsätzen der Strafzumessung gemäß § 46 StGB ausgerichtet.
122
Nach § 46 StGB ist die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe.
Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft
zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. Bei der Zumessung wägt das Gericht die
Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen
u.a. namentlich in Betracht die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung,
die aus der Tat spricht, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der
Tat, das Vorleben des Täters und sein Verhalten nach der Tat, besonders sein
Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
123
Bei der Strafzumessung sind im einzelnen folgende Erwägungen maßgebend und
Umstände bestimmend gewesen:
124
Die trinkgewohnten Angeklagten haben auf der Party Alkohol konsumiert, was sie im
Laufe der Zeit mehr und mehr enthemmte, zunehmend aggressiv werden ließ und
schließlich zu den abzuurteilenden Taten führte. Hierbei war beiden Angeklagten aus
langen Jahren des missbräuchlichen Umgangs mit Alkohol sowie hieraus resultierender
Straftaten und Verurteilungen genauestens bekannt, dass sich ihre Hemmschwelle mit
zunehmender Alkoholisierung immer weiter vermindert und dass es schließlich -
abgesehen von den zahlreich vorgekommenen Verkehrsdelikten im Zusammenhang
mit Trunkenheit - zu Provokationen, Pöbeleien, Beleidigungen und gemeinschaftlichen
Gewaltausbrüchen mit Körperverletzungshandlungen kommen würde. Seit dem Jahre
2002 wurden die Angeklagten durch Gerichte, Bewährungs- und Familienhelfer immer
wieder auf ihren problematischen Umgang mit Alkohol, die hieraus resultierenden
Folgen sowie darauf hingewiesen, dass sie dies letztlich nur durch völlige
Alkoholenthaltsamkeit vermeiden können. Beide Angeklagte sind auch schon wegen
mit dem vorliegenden Geschehen vergleichbarer Sachverhalte (sie trinken Alkohol,
pöbeln, beleidigen, suchen Streit, schlagen schließlich gemeinschaftlich einen ihnen bis
dahin nicht bekannten Menschen zusammen und treten ihn gegen Körper und Kopf)
125
verurteilt und auch in diesem Zusammenhang mehrfach ausdrücklich darauf
hingewiesen worden, dass sie dazu neigen, im Übermaß alkoholische Getränke zu sich
zu nehmen und in angetrunkenem oder betrunkenem Zustand strafbare Handlungen zu
begehen und dass in diesem Zusammenhang die fortgesetzte Gefahr besteht, dass
weiterhin verschiedenartige, schwer wiegende strafbare Handlungen von ihnen
vorgenommen werden, wenn sie ihr Alkoholproblem nicht in den Griff bekommen. Der
Angeklagte X2 wurde durch das Landgericht Köln ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass er künftig den Konsum auch nur geringer Mengen von Alkohol strikt unterlassen
muss, um nicht wieder in die alte Problematik hineinzufallen. Beide Angeklagte haben
auch jeweils bereits Beratung durch die Caritas-Suchthilfe erfahren und beteuert, sie
hätten ihr Alkoholproblem erkannt und seien bemüht, es in den Griff zu bekommen.
Sämtliche Warnungen haben die Angeklagten vorliegend zum wiederholten Male
ignoriert, haben Alkohol konsumiert, wurden mit zunehmendem Alkoholkonsum
zunehmend aggressiver, haben mit Provokationen und Beleidigungen begonnen und
schließlich die abzuurteilenden Beleidigungs- und Körperverletzungshandlungen
begangen. Das Opfer der Körperverletzungs- und Beleidigungstaten ist jüdischer
Abstammung und jüdischen Glaubens, diese Umstände waren vorliegend der
Beweggrund der ihrer Gesinnung nach neonazistisch/rechtsradikal eingestellten
Angeklagten für die Taten und deswegen haben sich die Angeklagten den ihnen bis
dahin unbekannten Nebenkläger auch als Opfer ihrer Taten ausgesucht, sind ihm hinter
das Vereinsheim gefolgt und haben dort ihre Aggressionen an ihm ausgelassen. Die
alkoholbedingte Enthemmung hat bei den Angeklagten nur das freigelegt, was im
Grunde bereits vorhanden war: Sie fühlten sich in ihrem verzerrten Weltbild durch die
bloße Anwesenheit des Nebenklägers als Jude auf einer - aus ihrer Sicht - "rechten"
Party und durch sein Erzählen von seinem Judentum und dem Staat Israel "provoziert",
was sie dem Nebenkläger ja auch ausdrücklich vorgehalten haben. Eine tatsächliche
Provokation durch den Nebenkläger den Angeklagten gegenüber hat es natürlich nicht
gegeben. Die Angeklagten haben, nachdem sich der Nebenkläger durch sie nicht
provozieren ließ, ihn zusammengeschlagen, auf ihn eingetreten und ihn schließlich
einen steilen Abhang hinuntergeworfen; dabei haben sie den Nebenkläger entweder als
besonderen Ausdruck ihrer Missachtung "entsorgt" oder sie wollten nicht, dass der
zusammengeschlagene Nebenkläger bewusstlos hinter dem Vereinsheim gefunden
wird. Der letztgenannte Umstand kann jedoch dahin stehen, denn angesichts der
geschichtlichen Verantwortung unseres Landes, die auch die heutige junge Generation
zu übernehmen und sich danach zu verhalten hat, ist die rassistisch-neonazistisch-
rechtsradikal motivierte Tat der Angeklagten, was bereits die Bezeichnung des
Nebenklägers als "dreckige Judensau" kurz vor Beginn der
Körperverletzungshandlungen belegt, auf das Schärfste zu missbilligen und kann auch
durch die alkoholbedingte Enthemmung der Angeklagten noch nicht einmal
ansatzweise entschuldigt werden. Ebenso wenig kann es ihre Schuld schmälern, dass
der in ihrer Tat zum Ausdruck gekommene Antisemitismus angesichts der
eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten der Angeklagten von ihnen weder definiert
noch erläutert werden könnte. Dies gilt schließlich auch für den Umstand, dass die
rechtsradikale Gesinnung der Angeklagten bloß Ausdruck ihrer dumpfen und
verquasten, auf blödes Gelaber zu reduzierenden Grundeinstellung gegenüber den
wirklichen Sinnfragen des Lebens ist. Dem stehen die Menschenwürde des
Nebenklägers und sein Anspruch auf körperliche Unversehrtheit gegenüber, die die
staatliche Gewalt zu gewährleisten haben. In diesem Strafzumessungszusammenhang
ist zu berücksichtigen, dass der Nebenkläger durch die Körperverletzungstat der
Angeklagten nicht unerheblich physisch verletzt wurde, wobei die Angeklagten noch
126
Glück hatten, dass durch den Wurf des Nebenklägers den steilen Abhang hinunter
nichts Schlimmeres passiert ist. Der Nebenkläger erlitt darüber hinaus auch erhebliche
psychische Beeinträchtigungen, die bis heute andauern und wegen derer er sich immer
noch in psychologischer Behandlung befindet.
Neben den Vorstrafen, die durchgehend mit dem Missbrauch von Alkohol in
Zusammenhang stehen, war bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten
X1
weiterhin das mehrfache Bewährungsversagen zu berücksichtigen. Zu seinen Gunsten
wurden - von besonderem Gewicht - sein Teilgeständnis sowie der Umstand
berücksichtigt, dass er sich in der Hauptverhandlung beim Nebenkläger entschuldigt
hat.
127
Neben den Vorstrafen, die durchgehend mit dem Missbrauch von Alkohol in
Zusammenhang stehen, waren bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten
X2
ebenfalls das mehrfache Bewährungsversagen sowie der Umstand zu berücksichtigen,
dass er bewusst gegen die ausdrückliche Bewährungsweisung, in der Öffentlichkeit
keinen Alkohol zu trinken, verstoßen hat. Zu seinen Gunsten wurde die wohl in letzter
Zeit zu verzeichnende positive private Entwicklung des Angeklagten berücksichtigt.
128
Die Höhe der einzelnen Tagessätze beträgt unter Berücksichtigung der jeweiligen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten einschließlich der
gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen als ein Dreißigstel der monatlichen
Nettoeinkünfte bei dem Angeklagten
X1
EUR.
129
Gemäß §§ 53, 54 StGB hat das Gericht aus den vorgenannten Einzelstrafen durch
Erhöhung der jeweils verwirkten höchsten Einzelstrafe (Einsatzstrafe) bei dem
Angeklagten
X1
Angeklagten
X2
Dabei hat das Gericht die jeweiligen Personen der Angeklagten und die einzelnen
Taten nochmals zusammenfassend gewürdigt, wobei auch alle
Strafzumessungsfaktoren, die bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen von
Bedeutung waren, berücksichtigt worden sind.
130
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
131