Urteil des AG Grevenbroich vom 27.11.2003

AG Grevenbroich: verfügung, reisevermittlungsvertrag, auflage, nichterfüllung, reisebüro, vollstreckung, verdienstausfall, erfüllungsinteresse, aushändigung, zusage

Amtsgericht Grevenbroich, 19 C 377/03
Datum:
27.11.2003
Gericht:
Amtsgericht Grevenbroich
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 C 377/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.162,62 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
02.09.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 11% und die Beklagte
zu 89%.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur
gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 4.100,00 Euro.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
100,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines
Reisevermittlungsvertrages.
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Der Kläger buchte bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, für sich und vier
weitere Personen Flüge von Dresden über Frankfurt nach New York am 04.04.2002,
von New York nach Miami am 08.04.2003 und von Miami über Frankfurt nach Dresden
am 12.04.2003 mit Ankunft in Dresden am 13.04.2003. Der Flugpreis für den Inlandsflug
von New York nach Miami belief sich auf 38,00 USD je Person. Der Preis für diesen
Inlandsflug sollte vom Kläger vor Ort gegen Ausstellung der Flugtickets entrichtet
werden.
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Am 01.04.2003 erhielt der Kläger die übrigen Flugtickets und stellte fest, dass der
Rückflug von Miami über Frankfurt nach Dresden für den 13.04.2003 mit Ankunft in
Dresden am 14.04.2003 ausgestellt war. Der Kläger vereinbarte mit einem Mitarbeiter
der Beklagten, dass der Flug für eine Person, die unbedingt am 13.04.2003 zurück in
Dresden sein musste, umgebucht wird, während der Kläger und die übrigen drei
Mitreisenden von der Möglichkeit einer Umbuchung keinen Gebrauch machten.
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Am 08.04.2003 stellte der Kläger am Flughafen in New York fest, dass die 5 gebuchten
Tickets für den Inlandsflug nach Miami nicht zur Verfügung standen. Nach telefonischer
Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Beklagten kaufte der Kläger 5 Tickets für den
Flug von New York nach Miami zu einem Preis von 689,50 USD pro Ticket.
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Durch den eintägigen Mehraufenthalt in Miami sind dem Kläger zusätzliche Kosten für
Hotelübernachtungen und Mietwagen in Höhe von 190,96 Euro und ein
Verdienstausfallschaden in Höhe von 220,00 Euro entstanden.
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Der Kläger verlangt Erstattung der zusätzlichen Übernachtungs- und Mietwagenkosten
in Höhe von 190,96 Euro, des Verdienstausfalls in Höhe von 220,00 Euro und des
Differenzbetrages aus gebuchtem und tatsächlich gezahlten Preis für die 5 Flugtickets
von New York nach Miami in Höhe von 3.162,62 Euro.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.573,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2003 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, dass dem Kläger kein erstattungsfähiger Vermögensschaden
entstanden sei. Hierzu behauptet sie, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine
Inlandsflüge von New York nach Miami für 38,00 USD pro Ticket gegeben habe.
Vielmehr belaufe sich der durchschnittliche Inlandsflugpreis für diese Route auf 690,00
USD pro Ticket.
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Sie vertritt ferner die Auffassung, dass der Kläger für den Fall, dass es günstigere
Tickets gebe, gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 280 in Verbindung mit § 675 BGB einen
Schadensersatzanspruch in Höhe 3.162,62 Euro.
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Der Kläger ist aktivlegitimiert, da ausschließlich er die Flüge bei der Beklagten gebucht
hat und nicht etwa für die anderen Teilnehmer der Reise als Vertreter tätig geworden ist.
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Zwischen den Parteien ist ein so genannter Reisevermittlungsvertrag, bei dem es sich
um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB handelt, zustande
gekommen. Das ist - wie vorliegend - der Fall, wenn das selbständige Reisebüro als
Verkaufsstelle tätig wird, soweit sie erkennbar die Leistung eines Dritten als solche für
diesen anbietet, so insbesondere beim Verkauf einzelner Fahr-, Schiffs- oder Flugkarten
für das Verkehrsunternehmen (Palandt-Sprau, BGB, 62. Auflage, Einführung vor § 651a
Rn. 4).
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Soweit die Beklagte bestreitet, dass auch für den Mitreisenden xxx die Buchung des
Fluges von New York nach Miami bestätigt worden sei, kann das Gericht dem nicht
folgen. Ausweislich der Buchungsbestätigung (Blatt 16 GA) und der E-Mail des
Mitarbeiters der Beklagten vom 12.02.2003 (Blatt 52 GA) hat die Beklagte 5 Flüge von
New York (Newark) nach Miami für den Kläger vermittelt. Denn in der zuletzt genannten
E-Mail heißt es unter anderem: "Den Flug von Newark nach Miami habe ich fest
eingebucht." Dass der Kläger den Preis für die Tickets nicht an die Beklagte gezahlt hat,
sondern erst vor Ort gegen Aushändigung der Tickets entrichtete, spielt dafür, dass
zwischen den Parteien ein Reisevermittlungsvertrag auch hinsichtlich dieses Fluges
zustande gekommen ist, keine Rolle.
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Die Beklagte hat ihre Pflicht aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag schuldhaft verletzt,
da die 5 Flugtickets von New York nach Miami für einen Preis von 38,00 USD je Ticket
entgegen ihrer Zusage nicht zur Verfügung standen. Insoweit ist sie wegen
Nichterfüllung ihrer Leistungspflicht zum Schadensersatz verpflichtet. Unerheblich ist
der Einwand der Beklagten, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine Flüge zum
versprochenen Preis gegeben habe, sondern sich der Flugpreis auf 690,00 USD pro
Ticket belaufe. Denn die Beklagte hat sich verpflichtet, ein Flugticket zum Preis von
38,00 USD zu vermitteln und ist dieser Verpflichtung unstreitig nicht nachgekommen;
die Tickets standen vor Ort nicht zur Verfügung. Welchen Preis der Kläger bei
hypothetischer Betrachtung bei einem anderen Anbieter gezahlt hätte, ist im Rahmen
des Schadensersatzes nicht von Bedeutung. Denn bei Schadensersatz wegen
Nichteinhaltung einer Leistungspflicht ist das volle Erfüllungsinteresse zu ersetzen; der
Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß
erfüllt hätte. Das bedeutet, dass dem Kläger bei Einhaltung der Leistungspflicht der
Beklagten 5 Flugtickets à 38,00 USD zur Verfügung gestanden hätten. Der
Nichterfüllungsschaden des Klägers besteht somit in der Differenz zwischen
versprochenem und gezahltem Flugpreis, der sich auf 3.162,62 Euro beläuft.
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Insoweit wird auf die zutreffende Berechnung des Klägers auf Seite 6 der Klageschrift
(Bl. 12 GA), die von der Beklagten nicht angegriffen worden ist, Bezug genommen.
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Soweit die Beklagte einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht einwendet (§
254 BGB), weil es für diesen Flug auch Tickets für 180,00 USD gegeben habe, greift
dies im Ergebnis nicht durch. Der Kläger hat insoweit unwidersprochen vorgetragen,
dass die Buchung des Fluges von New York nach Miami für 689,50 USD pro Ticket
nach telefonischer Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Beklagten erfolgt sei. Somit
ist der Ticketkauf vor Ort in Absprache mit der Beklagten erfolgt, sodass ein
Mitverschuldensvorwurf ausscheidet.
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Der Vortrag der Beklagten in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.11.2003, der
Flugpreis von 690,00 USD sei von den Beklagten weder gebucht noch dem Kläger und
seinen Mitreisenden empfohlen worden, sondern von diesem selbst vor Ort gebucht
worden, ist neu und somit gemäß § 296a ZPO ausgeschlossen. Die der Beklagten im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.10.2003 gewährte Schriftsatzfrist bezog
sich auf den kurz vor dem Termin eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom
20.10.2003. Somit war es dem Beklagten gem. § 283 ZPO im Rahmen der
Schriftsatzfrist ausschließlich möglich, auf diesen Vortrag zu erwidern. Der neue
Sachvortrag ist hingegen nicht zu berücksichtigen (vergleiche Zöller-Greger, ZPO, 23.
Auflage, § 283 Rn. 5). Das Gericht hat auch keine Veranlassung, die mündliche
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Verhandlung wieder zu eröffnen, da die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht gegeben
sind.
Die weitergehenden Ansprüche des Beklagten auf Erstattung der zusätzlichen
Übernachtungs- und Mietwagenkosten in Höhe von 190,96 Euro und wegen
Verdienstausfalls in Höhe von 220,00 Euro bestehen hingegen nicht.
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Hinsichtlich dieser Schadenspositionen ist der Beklagten keine schuldhafte
Pflichtverletzung im Sinne von § 280 BGB vorzuwerfen. Die Beklagte hat insoweit
unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger lediglich für die Mitreisende Kerstin
Domschke von der Umbuchungsmöglichkeit gebraucht gemacht habe, jedoch nicht für
sich und seine anderen 4 Mitreisenden. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus seinem
außergerichtlichen Schreiben vom 15.04.2003 (Blatt 20 GA). Der Kläger hat den
Rückflug somit im Einvernehmen mit dem Beklagten für sich und drei weitere
Mitreisende um einen Tag verlängert, sodass die hierdurch bedingten Mehrkosten bzw.
der Verdienstausfall schadensersatzrechtlich nicht von der Beklagten zu erstatten sind.
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Der Zinsanspruch ist aus §§ 286ff. BGB begründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11,
709 Satz 1, 711 ZPO.
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Streitwert: 3.573,58 Euro
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