Urteil des AG Grevenbroich vom 26.09.2000

AG Grevenbroich: treu und glauben, in dubio pro reo, erscheinen des zeugen, taxifahrer, körperverletzung, fahrzeug, fahrgast, pauschalpreis, geldstrafe, flucht

Amtsgericht Grevenbroich, 5 Ds 6 Js 136/00
Datum:
26.09.2000
Gericht:
Amtsgericht Grevenbroich
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ds 6 Js 136/00
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen
zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt.
Er hat die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des
Nebenklägers zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 223, 53 StGB.
I. Der Angeklagte ist verheiratet und hat 2 Kinder im Alter von 12 und 14 Jahren. Der
Angeklagte ist von Beruf Polizeibeamter mit Dienststelle in adorf; er war bis zum
13.10.1999 Angehöriger des mobilen Einsatzkommandos des Polizeipräsidiums adorf,
ist jedoch aufgrund des der Anklage zugrundeliegenden Vorfalls nunmehr mit einer
anderweitigen Tätigkeit betraut. Der Angeklagte verdient monatlich etwa 5.000,00 DM
netto; seine Ehefrau verfügt über eigene Einkünfte in Höhe von etwa 1.200,00 DM
monatlich. Beide müssen monatlich etwa 2.200,00 DM an Zins und Tilgung für ein
Hypothekendarlehen, für Grundbesitzabgaben und sonstige laufende Kosten des ihnen
gehörenden Einfamilienhauses aufwenden. Der Angeklagte ist bislang strafrechtlich
nicht in Erscheinung getreten. II. Zur Sache hat die Hauptverhandlung folgendes
ergeben: Der Angeklagte hatte gemeinsam mit mehreren, namentlich nicht bekannten
Freunden in der Nacht vom 07. auf den 08. August 1999 eine Bierbörse in bdorf
besucht. Nach Beendigung dieser Veranstaltung hatte sich der Angeklagte noch in eine
Diskothek in bdorf begeben und sich dort bis etwa 06.00 Uhr aufgehalten. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte der Angeklagte Alkohol in nicht unerheblicher Menge, nämlich vor allem
Bier und möglicherweise ein bis zwei Glas Whisky, zu sich genommen; eine dem
Angeklagten am 08.08.1999 gegen 10.00 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen
Blutalkoholgehalt von 1,46 o/oo. Nachdem der Angeklagte etwa gegen 06.00 Uhr seine
Bekannten aus den Augen verloren hatte, begab er sich zu einem Taxistand und bestieg
das vom Nebenkläger geführte Taxi. Er erklärte dem Nebenkläger, dass er nach cbroich
gefahren werde wolle, womit dieser einverstanden war. Möglicherweise wurde hierbei
zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger vereinbart, das für die Fahrt nach
cbroich statt des regulären Fahrpreises ein Pauschalpreis von 40,00 DM bezahlt werden
sollte. Etwa 3 km vor Erreichen der Ortschaft drath - etwa gegen 06.45 Uhr - befragte der
Nebenkläger den Angeklagten nach dem genauen Zielort. Dieser wies ihn daraufhin
den Weg bis in die Ortschaft drath und ließ den Nebenkläger sodann auf der ...straße in
Höhe des dortigen Friedhofs anhalten. Zwischenzeitlich hatte der Angeklagte auch
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bemerkt, dass das Taxameter des Fahrzeuges eingeschaltet war und einen Betrag von
etwa 80,00 DM anzeigte. Daraufhin entstand zwischen dem Angeklagten und dem
Nebenkläger eine Diskussion über den letztlich vom Angeklagten zu zahlenden
Fahrpreis. Während der Nebenkläger vom Angeklagten die Zahlung des vom
Taxameter angezeigten Betrages von etwa 80,00 DM verlangte, bestand der Angeklagte
darauf, lediglich den - nach seiner Schilderung der Ereignisse - zuvor vereinbarten
Pauschalpreis von 40,00 DM zahlen zu müssen. Letztendlich bezahlte der Angeklagte
den nach seiner Auffassung geschuldeten Pauschalpreis von 40,00 DM und verließ
sodann dann das Taxi des Nebenklägers, obwohl dieser hiergegen protestierte und vom
Angeklagten die Zahlung des vom Taxameter angezeigten Fahrpreises verlangte. Der
Nebenkläger, der seine vermeintlichen Ansprüche auf Zahlung des Fahrpreises
gefährdet sah, verließ daraufhin ebenfalls sein Fahrzeug, schloß dasselbe ab und folgte
dem sich eiligst entfernenden Angeklagten über die Herzogstraße in Richtung der
cstraße. Er erreichte den flüchtenden Angeklagten im Verlauf der cstraße und versuchte
ihn, an der Schulter festzuhalten. Der Angeklagte setzte sich hiergegen "mit Händen
und Füßen" zur Wehr, was dazu führte, dass beide Beteiligten zu Boden gingen.
Während der Nebenkläger nunmehr - unter ständigem Rufen nach der Polizei -
versuchte, den Angeklagten an den Beinen festzuhalten, trat dieser mit den Füßen nach
dem Nebenkläger, um sich aus dessen Umklammerung zu lösen. Während dies dem
Angeklagten nicht gelang, schaffte es der Nebenkläger aufzustehen und den
Angeklagten in den "Schwitzkasten" zu nehmen. Dieser setzte sich hiergegen zur Wehr,
indem er den Nebenkläger in Arme und Hände biß, bis dieser losließ. Dies nutzte der
Angeklagte und flüchtete. Der Nebenkläger folgte dem Angeklagten erneut und
vermochte es, ihn nach etwa 150 - 200 Metern - etwa an der Einmündung der Straße
"Fweiher" in die cstraße - wieder einzuholen. Der Nebenkläger packte den Angeklagten
erneut, worauf beide wiederum zu Boden stürzten. Diesmal gelang es dem
Angeklagten, sich aufzurichten und sich an einem dort geparkten PKW oder einem
anderen, halbhohen Gegenstand festzuhalten. Der Nebenkläger hielt den Angeklagten
jedoch nach wie vor an den Beinen fest; diesem gelang es auch durch erneutes,
mehrfaches Treten mit den Füßen nicht, sich zu befreien. Zwischenzeitlich war der in
der Nähe wohnende Zeuge xxx- ein Mitglied der polizeilichen Hubschrauberstaffel - auf
den Vorfall aufmerksam geworden und hatte sich dem Geschehen genähert. Er machte
sich gegenüber den Beteiligten mit dem Ausruf "Halt, stehenbleiben, Polizei"
bemerkbar, wodurch diese aufmerksam wurden und ihre Rangelei beendeten. Entgegen
der Aufforderung durch den Zeugen xxx entfernte sich der Angeklagte erneut vom Tatort
und reagierte auch nicht auf eine erneute Ermahnung durch den Zeugen,
stehenzubleiben. Als dieser versuchte, ihn festzuhalten, drehte der Angeklagte sich um
und boxte den Zeugen xxx gegen den Oberarm, wodurch dieser zu Boden stürzte.
Anschließend gelang es dem Zeugen jedoch, dem Angeklagten, der zunächst sein
Gesicht hinter seinem bereits zerrissenen Hemd bzw. T-Shirt versteckte und sich
sodann weiter entfernte, ein Stück weit zu folgen. Letztendlich verlor er den Angeklagten
jedoch aus den Augen; dieser versteckte sich in einem angrenzenden Gartengelände,
wo er etwa 2 Stunden später von den alarmierten Polizeibeamten aufgefunden wurde.
Der Nebenkläger wurde bei der Auseinandersetzung mit dem Angeklagten nicht
unerheblich verletzt; er erlitt eine Platzwunde am rechten Auge sowie Bißwunden an
Armen und Händen. Der Angeklagte selbst wurde ebenfalls verletzt; Kopf und
Oberkörper wiesen Kratz- und Schürfwunden auf. Der Zeuge xxx schließlich erlitt eine
Prellung am Oberarm und - bedingt durch seinen Sturz - Kratzer an den Händen. III.
Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt
werden konnte, den Bekundungen des als Zeuge vernommenen Nebenklägers, den
Aussagen der Zeugen xxx, aaa, bbb, ccc und ddd, dem Inhalt des in der
Hauptverhandlung verlesenen Blutentnahmeprotokolls und
Alkoholuntersuchungsbefundes sowie der in Augenscheinnahme der am Tattage vom
Angeklagten und vom Nebenkläger gefertigten Lichtbilder. 1. Der Angeklagte hat sich in
der Hauptverhandlung im wesentlichen wie folgt eingelassen: Nach dem Besuch einer
Bierbörse und einer Diskothek in bdorf sei er in das Taxi des Nebenklägers
eingestiegen und habe mit ihm eine Fahrt nach cbroich vereinbart. Außerdem sei man
übereingekommen, dass der Angeklagte für diese Fahrt anstelle des regulären
Fahrpreises lediglich eine Pauschale von 40,00 DM entrichten solle. Nachdem er den
größten Teil der Fahrt verschlafen habe, sei er kurz vor cbroich aufgewacht und habe
dann festgestellt, dass das Taxameter des Fahrzeuges lief. Auf Nachfrage habe ihm der
Nebenkläger dann erklärt, dass er den regulären Fahrpreis von etwa 80,00 DM zahlen
solle. Er selbst habe demgegenüber darauf bestanden, lediglich den vereinbarten
Fahrpreis in Höhe von 40,00 DM zu bezahlen. Nachdem keine Einigung erzielt worden
sei, habe er dem Nebenkläger den Betrag von 40,00 DM gegeben und sodann das
Fahrzeug verlassen, obwohl der Nebenkläger hiergegen protestiert habe. Nach einer
geringen Wegstrecke sei er vom Nebenkläger eingeholt worden, der ihn versucht habe,
festzuhalten. Im Verlauf der sich anschließenden Rangelei seien beide hingefallen; er
selbst habe versucht, sich durch Tritte und anschließend - nachdem er vom
Nebenkläger in den Schwitzkasten genommen worden sei - durch Bisse in dessen
Arme und Hände zu befreien. Nachdem ihm dies schließlich auch gelungen war, sei er
weggelaufen und nach etwa 150 - 200 Metern wieder eingeholt worden. Der
Nebenkläger habe ihn erneut gepackt, worauf sie wiederum zu Boden gegangen seien.
Nunmehr sei es ihm jedoch gelungen, sich aufzurichten und an einem geparkten
Fahrzeug festzuhalten; er habe des öfteren mit einem Bein nach dem Nebenkläger
getreten, welcher sein anderes Bein umklammert und ihn festgehalten habe. Nachdem
es ihm gelungen sei, sich von der Umklammerung zu befreien, sei er wiederum
geflüchtet und habe sich in einen angrenzenden Garten begeben, wo er schließlich
eingeschlafen sei. Das Erscheinen des Zeugen xxx habe er ebensowenig bemerkt wie
dessen Ausruf "Halt, Polizei, stehenbleiben". Ebensowenig sei ihm nicht bewußt, dass
er den Zeugen xxx geschlagen habe. 2.
Das Gericht folgt mit seinen Feststellungen im wesentlichen der Einlassung des
Angeklagten, weil ihm diese in großen Teilen nicht zu widerlegen war. a) Die Aussagen
der Zeugen aaa, bbb, ccc und ddd waren nicht geeignet, die Angaben des Angeklagten
in irgendeiner Art und Weise zu widerlegen. Sämtliche Zeugen konnten zum
Ausgangspunkt der zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger entstandenen
Streitigkeit keine Angaben machen, sondern haben jeweils ausschließlich Bruchstücke
der zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger geführten Auseinandersetzung
mitbekommen. So hat der Zeuge aaa lediglich beobachten können, wie eine stämmig
gebaute Person vor einer ausländisch aussehenden Person weggelaufen ist und sich
dabei sein Hemd über den Kopf gezogen hat. Eine Prügelei zwischen den beiden hat
der Zeuge bbb dagegen nicht beobachtet; ebensowenig konnte der Zeuge ccc Angaben
zum Schuhwerk des Angeklagten machen, was entscheidend für den Tatvorwurf der
gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB gewesen wäre. Auch die Zeugin ddd
hat nach ihren Angaben nicht beobachten können, wie sich der Angeklagte und der
Nebenkläger geschlagen und getreten haben; auch sie hat lediglich gesehen, dass eine
Person weggelaufen ist und dabei von einer anderen Person verfolgt wurde. Die Zeugin
ccc hat demgegenüber bekundet, dass sie beobachtet habe, wie eine "kleinere Person"
eine andere Person festgehalten hat, worauf beide zu Boden gestürzt seien. Die
kleinere Person habe dabei gerufen: "Hilfe, Polizei". Nach ihren Beobachtungen sei
weder geschlagen noch getreten worden; allerdings hat die Zeugin ccc auch erklärt, sie
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habe zur Tatzeit keine Brille getragen. Damit ist auch diese Aussage im Ergebnis nicht
geeignet, den Angeklagten über seine eigene Einlassung hinaus zu belasten.
Schließlich hat der Zeuge ddd bekundet, dass er eine auf der cstraße ausgetragene
Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten gesehen habe. Die Beteiligten hätten
sich auf dem Bürgersteig "herumgebalgt". Eine Person habe versucht, sich aus der
Umklammerung der anderen Person durch Tritt zu lösen und habe sich schließlich
losreißen und weglaufen können, worauf ihm die andere Person gefolgt sei. Auch diese
Aussage bestätigt letztlich die Angaben des Angeklagten; jedenfalls vermag sie ihm
seine Einlassung nicht in irgendeiner Art und Weise zu widerlegen. b) Entgegen der
Einlassung des Angeklagten hat der als Zeuge vernommene Nebenkläger allerdings
folgendes bekundet: Der Angeklagte sei am S-Bahnhof in bdorf in sein Taxi
eingestiegen und habe verlangt, nach cbroich gefahren zu werden. Dieser Aufforderung
sei er, der Nebenkläger, nachgekommen; es sei jedoch dabei kein Pauschalpreis in
Höhe von 40,00 DM vereinbart worden. In cbroich angekommen, habe er vom
Angeklagten folgerichtig den vom Taxameter angezeigten Fahrpreis in Höhe von ca.
80,00 DM verlangt. Dieser habe daraufhin lediglich erwidert: "Das war’s und tschüss",
sei ausgestiegen und weggelaufen. Er selbst habe daraufhin sein Fahrzeug
abgeschlossen, sei dem Angeklagten gefolgt und habe ihn gefragt, ob er kein Geld
habe. Der Angeklagte habe ihm dann zunächst erklärt, er werde bezahlen, ihm jedoch
dann unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen, ihm gedroht und ihn getreten. Er
selbst habe versucht, sich zu schützen und gleichzeitig den Angeklagten festzuhalten.
Schließlich sei es ihm gelungen, den Angeklagten in den "Schwitzkasten" zu nehmen,
worauf er jedoch vom Angeklagten gebissen worden sei und ihn deshalb habe
loslassen müssen. Der Angeklagte sei sodann zunächst in einen Vorgarten geflüchtet,
wenig später jedoch zurückgekehrt und habe erneut begonnen, auf ihn, den
Nebenkläger, einzuschlagen. Diese Situation, in der er selbst mehrfach nach der Polizei
gerufen und gleichzeitig versucht habe, den Angeklagten festzuhalten, habe erst ihr
Ende gefunden, als sich der Zeuge xxx mit dem Ausruf "Halt, Polizei" bemerkbar
gemacht habe. Soweit die Aussage des Nebenklägers - insbesondere zu den mit dem
Angeklagten getroffenen Fahrpreisabreden und zum Verhalten des Angeklagten nach
Verlassen des Fahrzeuges - den Angaben des Angeklagten widerspricht, sah sich das
Gericht nicht in der Lage, sie seinen Feststellungen zugrunde zu legen. Für das
Geschehen im Taxi und insbesondere die zwischen den Parteien getroffenen
Absprachen gibt es keine unbeteiligten Zeugen, die die Version des Nebenklägers
bestätigen könnten; selbige erschien dem Gericht im übrigen inhaltlich nicht wesentlich
wahrscheinlicher als diejenige des Angeklagten. Berücksichtigt man außerdem, dass
die Aussage des Nebenklägers möglicherweise von einem gewissen Eigeninteresse
am Ausgang des Strafverfahrens geprägt sein könnte, hatte das Gericht daher insoweit -
in dubio pro reo - die Einlassung des Angeklagten zugrunde zu legen. Für das
anschließende Geschehen bis zum Eintreffen des Zeugen xxx gilt letztlich nichts
anderes; hier kommt allerdings hinzu, dass die Ereignisse zwischen dem Verlassen des
Fahrzeuges und dem Eintreffen des Zeugen xxx vom Nebenkläger nur sehr verworren
geschildert werden konnten und die Darstellung des Nebenklägers teilweise höchst
unwahrscheinlich erscheint. So stellt sich etwa die Frage, warum der Angeklagte - wie
dies der Nebenkläger geschildert hat - nach einer Flucht in einen Vorgarten freiwillig
zum Nebenkläger zurückgekehrt sein soll, um erneut auf diesen einzuschlagen;
immerhin war es doch ersichtlich das einzige Ziel des Angeklagten, sich einem
Festhalten durch den Nebenkläger zu entziehen. 3. Das Gericht hält die Einlassung des
Angeklagten dagegen insoweit für widerlegt, als sie den Zeugen xxx betrifft. Insoweit
haben nämlich entgegen den Angaben des Angeklagten, der den Zeugen xxx gar nicht
bemerkt haben will, sowohl dieser als auch der Nebenkläger übereinstimmend
ausgesagt, der Zeuge xxx habe sich zuerst durch den Ausruf "Halt, Polizei,
stehenbleiben" bemerkbar gemacht, worauf der Angeklagte sich habe losreißen können
und sich entfernt habe. Der Zeuge xxx habe sodann versucht, den Angeklagten am Arm
festzuhalten, worauf dieser sich dann umgedreht und den Zeugen xxx gegen den Arm
geboxt habe, so dass dieser zu Boden gestürzt sei. Zweifel an der Richtigkeit dieser,
auch vom Angeklagten letztlich nicht bestrittenen Aussage hat das Gericht nicht.
Insbesondere der Zeuge xxx hat das Geschehen - soweit er es beobachtet und
mitbekommen hat - detailliert, ausführlichst und sehr sachlich geschildert, so dass das
Gericht keinen Anlaß sieht, seiner Aussage zu mißtrauen. Für die Richtigkeit seiner
Aussage spricht im übrigen, dass der Zeuge xxx nicht versucht hat, den Angeklagten
über Gebühr zu belasten; vielmehr war der Zeuge xxx eher bestrebt, die ihm zugefügte
Körperverletzung in ihrer Bedeutung herabzumindern. IV. Der Angeklagte hat sich nach
den getroffenen Feststellungen wie folgt schuldig gemacht: 1. Durch die Tritte und Bisse
zum Nachteil des Nebenklägers hat der Angeklagte den Tatbestand der vorsätzlichen
Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht, indem er diesen
hierdurch körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt hat. Soweit dem
Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen war, durch die Tritte zum Nachteil des
Nebenklägers den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1
StGB verwirklicht zu haben, konnte ihm dies in der Hauptverhandlung nicht
nachgewiesen werden. Die Tat des Angeklagten war auch rechtswidrig; sie war
insbesondere nicht durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt. Zwar ist nach dem
Ergebnis der Hauptverhandlung davon auszugehen, dass sich der Angeklagte bei
seinen Tätlichkeiten gegenüber dem Nebenkläger seinerseits gegen einen
gegenwärtigen Angriff des Nebenklägers zur Wehr gesetzt hat. Dieser Angriff war
jedoch nicht rechtswidrig, sondern durch ein Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 Satz 1
StPO gerechtfertigt. Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO hat jedermann das Recht zur
vorläufigen Festnahme eines anderen, wenn dieser auf frischer Tat betroffen oder
verfolgt wird, der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden
kann. Hiernach war der Nebenkläger befugt, den Angeklagten auch unter Anwendung
physischer Gewalt festzuhalten. Der Angeklagte war offensichtlich flüchtig; andere
Möglichkeiten zur Feststellung seiner Identität gab es in der konkreten Situation nicht.
Des weiteren war der Angeklagte vom Nebenkläger auch auf "frischer Tat betroffen"
worden. Unter den Tatbegriff des § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO fällt jedes Verhalten, dass
eine strafrechtliche Sanktion nach sich ziehen kann, es muß sich daher um eine Straftat
oder zumindest eine rechtswidrige Tat handeln, wobei jedoch die Festnahmebefugnis
der Privatperson nicht davon abhängt, dass der Betroffene wirklich eine Tat begangen
hat. Es genügt vielmehr, dass die erkennbaren äußeren Umstände einen dringenden
Tatverdacht nahelegen (vgl. Karlsruher Kommentar/Boujong, § 127 StPO, Randnummer
7/9 m.w.N.). Unstreitig hat sich der Angeklagte vom Nebenkläger von ddorf nach
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cbroich transportieren lassen und anschließend - unabhängig von der Frage, ob er
überhaupt etwas bezahlt hat - den vom Taxameter angezeigten Betrag von etwa 80,00
DM nicht bezahlt. Allein diese unstrittigen bzw. objektiven Umstände begründeten den
dringenden Verdacht, dass sich der Angeklagte die Beförderung durch den
Nebenkläger erschleichen wollte und damit zu demjenigen Zeitpunkt, als der
Nebenkläger ihn begann festzuhalten, einen vollendeten oder versuchten Betrug zu
dessen Lasten begangen hatte. Die Einlassung des Angeklagten, er habe mit dem
Nebenkläger einen Fahrpreis von pauschal 40,00 DM vereinbart, ändert an diesem
Ergebnis nichts. Sie mag dazu führen, dass dem Angeklagten ein Betrug zu Lasten des
Nebenklägers und im übrigen auch eine daran anschließende räuberische Erpressung
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nicht nachzuweisen ist; an dem dringenden Tatverdacht, der sich allein aus den
unstreitigen Umständen ergab, ändert diese Einlassung jedoch nichts, so dass der
Nebenkläger im Ergebnis berechtigt war, den Angeklagten auch unter Anwendung von
Gewalt festzuhalten, um zumindest seine Identitätsfeststellung zu ermöglichen. Dem
Nebenkläger stand darüber hinaus auch ein Selbsthilferecht nach § 229 BGB zur Seite.
Hiernach handelt nicht widerrechtlich, wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen
Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt, wenn obrigkeitliche Hilfe
nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass
die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Die
Voraussetzungen des § 229 BGB waren im vorliegenden Falle gegeben. Der
Nebenkläger hatte nämlich gegen den Angeklagten aus dem zwischen den Parteien
geschlossenen Beförderungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und
Glauben einen Anspruch auf Mitteilung dessen Namen und Anschrift, der mangels
anwesender obrigkeitlicher Hilfe vereitelt worden wäre, wenn der Nebenkläger den
Angeklagten nicht selbst festgehalten hätte. Nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) besteht
zwischen den Parteien einer vertraglichen oder gesetzlichen
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Sonderverbindung eine Auskunftsverpflichtung, wenn die zwischen den Parteien
bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in
entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist
und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft
unschwer geben kann, während der Berechtigte sich die Informationen nicht selbst auf
zumutbare Weise beschaffen kann (vgl. Palandt/Heinrichs, § 261 BGB, Rdnr. 8 ff.). Nach
diesen Grundsätzen ist dem Nebenkläger im vorliegenden Fall ein gegen den
Angeklagten gerichteter Auskunftsanspruch zuzubilligen, den er mittels seines
Selbsthilferechts nach § 229 BGB durchsetzen konnte. Die Parteien hatten in bdorf eine
vertragliche Vereinbarung des Inhalts getroffen, dass der Nebenkläger den Angeklagten
mit seinem Taxi nach cbroich befördern sollte. Üblicherweise werden im
Zusammenhang mit solchen Beförderungsverträgen weder vor noch während noch im
Anschluß an die Fahrt Namen oder Anschrift des Fahrgastes mitgeteilt, weil es den
Parteien hierauf in aller Regel nicht ankommt. Anders muß es sich jedoch dann
verhalten, wenn es während oder nach der Fahrt zu Streitigkeiten zwischen dem
Taxifahrer einerseits und dem Fahrgast andererseits kommt. In solchen Fällen ergibt
sich aus dem zwischen dem Fahrgast und dem Taxifahrer geschlossenen
Beförderungsvertrag für den Fahrgast die Nebenpflicht, dem Taxifahrer Auskunft über
seine Personalien, mindestens jedoch seinen Namen zu erteilen. Denn andernfalls
hätte der Taxifahrer bzw. der Beförderungsunternehmer, in dessen Diensten der
Taxifahrer steht, keinerlei Möglichkeiten, den Sachverhalt und die Rechtslage
aufzuklären und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt seine vermeintlichen
Ansprüche gegen den Fahrgast durchzusetzen. Billigt man dagegen dem Taxifahrer
einen solchen Auskunftsanspruch nicht zu, hätte der Fahrgast unter zivilrechtlichen
Gesichtspunkten im Streitfalle jederzeit die Möglichkeit, ohne Nennung irgendwelcher
Personalien das Fahrzeug zu verlassen und hierdurch dem Taxifahrer jegliche
Durchsetzung seiner - wenn auch nur vermeintlichen - Ansprüche unmöglich zu
machen. Dies jedoch würde eine der Vertragsparteien unangemessen benachteiligen
und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Nach Auffassung
des Gerichts war daher der Nebenkläger berechtigt, in der konkreten Situation vom
Angeklagten zumindest die Nennung seines Namens, wenn nicht auch seiner Anschrift
zu verlangen, um etwaige weitergehende Ansprüche gegen ihn zu einem späteren
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Zeitpunkt durchsetzen zu können. Nach alledem sind die Handlungen des
Nebenklägers - das Festhalten des Angeklagten - als rechtmäßig und damit zugleich die
Handlungen des Angeklagten zum Nachteil des Nebenklägers als rechtswidrig zu
beurteilen. Letzeres gilt selbst dann, wenn man sich der Auffassung des Gerichts nicht
anschließt und dem Taxifahrer weder ein Festnahme- noch ein Selbsthilferecht zubilligt.
Zwar wären dann die Handlungen des Nebenklägers als rechtswidrig zu beurteilen,
womit sich der Angeklagte grundsätzlich gegen den Angriff des Nebenklägers hätte zur
Wehr setzen dürfen. In der konkreten Situation wären die zum Nachteil des
Nebenklägers begangenen Handlungen des Angeklagten aber selbst dann nicht durch
Notwehr geboten gewesen, wenn der Nebenkläger rechtswidrig gehandelt hätte. Eine
Handlung ist nämlich zur Abwehr eines Angriffs nicht geboten, wenn von dem
Angegriffenen ein anderes Verhalten zu fordern oder ihm zuzumuten ist, insbesondere
wenn die Verteidigung als rechtsmißbräulich anzusehen wäre (Tröndle/Fischer, § 32
StGB, Rdnr. 18). Genauso verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Angeklagte wußte,
dass zwischen ihm und dem Nebenkläger Streit über den zu zahlenden Fahrpreis
bestand. Dennoch hat er sich vom Fahrzeug entfernt und versucht zu flüchten. Damit hat
er die Festhalteversuche des Nebenklägers zwar nicht absichtlich, aber doch fahrlässig
herausgefordert, so dass ihm letztlich zumutbar war, auf den ersten Festhalteversuch
des Nebenklägers zu reagieren, an
Ort und Stelle zu verbleiben und auf das Eintreffen von Polizeibeamten zu warten, die
im Interesse des Nebenklägers seine Personalien hätten aufnehmen können. Nach
alledem kann das Verhalten des Angeklagten im Ergebnis nicht als gerechtfertigt
angesehen werden; er war deshalb wegen der rechtswidrig und schuldhaft zum Nachteil
des Nebenklägers begangenen Körperverletzung zu verurteilen. 2. Durch die Tat zum
Nachteil des Zeugen xxx hat sich der Angeklagte ebenfalls der vorsätzlichen
Körperverletzung gemäß § 223 StGB schuldig gemacht. Insoweit sind Rechtfertigungs-
oder Entschuldigungsgründe nicht zu erkennen. Der Festhalteversuch des Zeugen xxx
war ersichtlich ebenfalls gemäß § 127 StPO gerechtfertigt, und zwar im Hinblick auf die
zuvor zum Nachteil des Nebenklägers begangene Körperverletzung. Soweit dem
Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden war, durch seine Tätlichkeit
gegenüber dem Zeugen xxx gegen § 113 StGB (Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte) verstoßen zu haben, war ihm dies in der Hauptverhandlung nicht
mit einer für die Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachzuweisen. Er hat sich
unwiderlegbar dahingehend eingelassen, er habe die Eigenschaft des Zeugen xxx als
Polizeibeamter nicht wahrgenommen, was im Hinblick auf dessen Auftreten im
Schlafanzug nicht verwundert. V. Im Rahmen der Strafzumessung war wegen beider
Einzeltaten vom Strafrahmen des § 223 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von 1
Monat bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Dieser Strafrahmen war zunächst
gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, und zwar auf einen Rahmen von 1 Monat bis
zu 3 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Nach dem Ergebnis der dem
Angeklagten am Tattage gegen 10.00 Uhr entnommenen Blutprobe (1,46 o/oo) war es
nach Durchführung der gebotenen Rückrechnung auf den Tatzeitraum nicht
auszuschließen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration
von mehr als 2,0 o/oo hatte und dementsprechend möglicherweise nur noch vermindert
in der Lage war, dass Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Innerhalb des gemilderten Strafrahmens war im Hinblick auf die Tat zum Nachteil des
Nebenklägers zu Gunsten des Angeklagten zunächst der Umstand zu berücksichtigen,
dass er bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Strafmildernd waren
darüber hinaus die disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu bedenken, die den
Angeklagten aufgrund des Strafverfahrens bereits getroffen haben und im Hinblick auf
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die Verurteilung mit Sicherheit noch treffen werden. Schließlich hat das Gericht zu
Gunsten des Angeklagten auch den offensichtlichen, wohl durch finanzielle Interessen
begründeten Versuch des Nebenklägers berücksichtigt, das Verfahren und damit auch
den Angeklagten durch Einschaltung der Medien - insbesondere auch der
Boulevardpresse - ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Letztendlich fiel zu Gunsten des
Angeklagten ins Gewicht, dass er bei seiner Tat selbst nicht ganz unerheblich verletzt
worden ist. Demgegenüber waren zu seinen Lasten die recht erheblichen Verletzungen
zu berücksichtigen, die der Nebenkläger erlitten hat und die einen 4-tägigen
Krankenhausaufenthalt erforderten. Unter Abwägung aller für und gegen den
Angeklagten sprechenden Umstände hat es das Gericht letztlich für angemessen, aber
auch ausreichend erachtet, wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers eine
Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu verhängen; die Verhängung einer
kurzfristigen Freiheitsstrafe erschien demgegenüber nicht erforderlich (§ 47 StGB).
Wegen der zum Nachteil des Zeugen xxx begangenen Tat war zu Gunsten des
Angeklagten ebenfalls seine bisherige Straffrei-heit und darüber hinaus der Umstand zu
berücksichtigen, dass die zum Nachteil dieses Zeugen begangene Straftat von nur
geringer Intensität war und wesentliche Verletzungsfolgen beim Zeugen xxx nicht
hervorgerufen hat. Wesentliche, zu Lasten des Angeklagten sprechenden Umstände
waren demgegenüber insoweit nicht zu erkennen, so dass es dem Gericht letztlich
ausreichend erschien, diese Tat mit einer Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätzen zu
belegen. Aus diesen Einzelstrafen war unter Anwendung von §§ 53, 54 StGB durch
Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe eine Gesamtgeldstrafe zu bilden. Diese
Gesamtgeldstrafe hat das Gericht unter erneuter, zusammenfassender Würdigung der
Person des Täters und der einzelnen Straftaten auf 60 Tagessätze bemessen. Hierbei
hat das Gericht zu Gunsten des Angeklagten wiederum seine bisherige,
beanstandungsfreie Lebensführung berücksichtigt. Im übrigen sei ausdrücklich
klargestellt, dass das Gericht den Umstand, dass der Angeklagte von Beruf
Polizeibeamter ist, nicht in irgendeiner Weise strafschärfend bewertet hat. Die Höhe der
einzelnen Tagessätze war entsprechend dem dem verheirateten Angeklagten zur
Verfügung stehenden Einkommen (5.000,00 DM netto), seinen
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber 2 minderjährigen Kindern und seinen monatlichen
Belastungen auf 80,00 DM zu bemessen. VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
465 Abs. 1 und 472 Abs. 1 StPO.