Urteil des AG Giessen vom 03.12.2009

AG Giessen: zustellung, wiedereinsetzung in den vorigen stand, punitive damages, internationales zivilprozessrecht, öffentliche ordnung, liquidator, klageänderung, regierung, handelssache, weisung

1
2
Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 VA 12/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 Abs 1 S 1 GVGEG, Art 1
Abs 1 ZustÜbkHaag, Art 13
Abs 3 ZustÜbkHaag
(Internationaler Rechtshilfeverkehr: Einordnung einer in
Deutschland zuzustellenden Klage vor einem
amerikanischen Gericht auf eine "civil penalty"; Rechtsweg
bei Justizverwaltungshandeln)
Leitsatz
Zur Frage, ob es sich bei einer in Deutschland zuzustellenden Klage vor einem
amerikanischen Gericht, die sich auch auf eine gegen den Zustellungsempfänger zu
verhängende "civil penalty" bezieht, um eine Zivil- und Handelssache im Sinne des Art.
1 HZÜ handelt.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Weisung des Präsidenten des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main (Aktenzeichen 9341 E - I/3 - 908/09) gegenüber dem
Amtsgericht Giessen zur Bewirkung der Zustellung auf Grund des
Zustellungsersuchens vom 09.04.2009 an die Antragstellerin, vertreten durch
ihren Liquidator, und die damit einhergehende Zustellung am 28.05.2009
(Amtsgericht Gießen 40 AR 39/09) rechtswidrig waren. Im Übrigen wird der Antrag
auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
Wert der Zurückweisung: 1.000,- EUR.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer
Zustellungsverfügung und die Verpflichtung der Zentralen Behörde, der
ersuchenden Stelle mitzuteilen, dass die erfolgte Zustellung rechtswidrig und
daher nichtig war.
Am 28.05.2009 erfolgte unter Vermittlung des Amtsgerichts Giessen die
Zustellung diverser Dokumente an den Liquidator der Antragstellerin in dieser
Funktion. Nach den Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden
Schriftstückes nach Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens über die Zustellung
gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder
Handelssachen (HZÜ) vom 15.11.1965 (Bl. 28 ff. d. A.) handelt es sich dabei um
eine Zivilklage der Kläger/Popularkläger A und B auf Schadensersatzleistungen für
erhöhte Preise für Fracht und den Transport von Hausrat. Beklagte soll danach
unter anderem die hiesige Antragstellerin sein. Als ersuchende Stelle ist der
United States District Court, Eastern District of Virginia, Alexandria Division,
aufgeführt. Art und Gegenstand des Schriftstückes sind nach dieser Urkunde die
Vorladung und die zweite Klageänderung gewesen, die die Ansprüche gegen die
Beklagten erläutern und das formelle Gerichtsverfahren in den USA beginnen.
Empfängerin der Zustellung sollte die Antragstellerin sein. Zugestellt wurden
neben einer „gerichtlichen Vorladung in einer Zivilsache“ (Bl. 31 d. A.) und
Hinweisen und Belehrungen eine – laut beigefügter deutscher Übersetzung – an
das Bezirksgericht der Vereinigten Staaten Östlicher Bezirk von Virginia gerichtete
3
4
5
6
7
8
9
das Bezirksgericht der Vereinigten Staaten Östlicher Bezirk von Virginia gerichtete
„Ergänzte Klageschrift und Antrag auf „Geschworenenverhandlung“ (Bl. 197 ff. d.
A.; im Folgenden: „Ergänzte Klageschrift“) und eine an dieses Gericht gerichtete
„Zweite Klageänderung und Antrag auf „Jury“-Verfahren“, Zivilklage Nr. 02-1168-A
(Bl. 93 ff. d. A.; im Folgenden: „Zweite Klageänderung“), jeweils im Original und
deutscher Übersetzung. Wegen des genauen Inhalts der zugestellten Unterlagen
wird auf das mit Schriftsatz vom 01.10.2009 eingereichte Anlagenkonvolut (Bl. 25
ff. d. A.) verwiesen. Nach Mitteilung des Antragsgegners war das
Zustellungsersuchen vom 09.04.2009 zuvor vom Präsidenten des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main als Zentraler Behörde nach Art. 2 und 3 des
HZÜ (Aktenzeichen 9341 E - I/3 - 908/09) an das Amtsgericht geleitet worden.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 07.08.2009 (Bl. 1 ff. d. A.) Antrag auf
gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff EGGVG gestellt, nachdem eine
Schwesterfirma der von dem Liquidator vertretenen Firma ein Schreiben des
Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (Bl. 6 ff d.
A.) erhalten hatte, nach der die Zustellung der dieser Empfangstelle vorliegenden
Klage nach dem HZÜ nicht zulässig sei, da die in Rede stehende Klage neben zivil-
und handelsrechtlichen Ansprüchen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche (civil
penalties) enthalte. Das zugrunde liegende Ersuchen ist ausweislich eines weiteren
Schreibens dieser Behörde vom 02.07.2009 (Bl. 14 ff. d. A.) zurückgewiesen
worden. Die Antragstellerin hat weitere Schreiben von Amtsgerichten vorgelegt (Bl.
11 ff. d. A.), nach denen mit weitgehend gleichlautender Begründung
entsprechende Zustellungen abgelehnt worden sein sollen.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die von der Zentralen Behörde dem
Amtsgericht Giessen erteilte Weisung zur Zustellung der Schriftstücke an den
Liquidator der Antragstellerin sei rechtswidrig. Hieraus folge auch die
Rechtswidrigkeit der erfolgten Zustellung vom 28.05.2009 selbst. Da das HZÜ nur
die Zustellung von Klagen mit (ausschließlich) zivil- oder handelsrechtlichen
Ansprüchen zulasse und die hier in Rede stehende Klage daneben auch öffentlich-
rechtliche Ansprüche bzw. Strafrecht (civil penalties) enthalte, sei eine Zustellung
entsprechend des HZÜ ausgeschlossen gewesen. Ein Einverständnis mit einer
anderweitigen Zustellung habe der Liquidator nicht erteilt. In der dennoch erfolgten
Veranlassung und Bewirkung der Zustellung sei eine Verletzung der durch das
HZÜ geschützten Rechte der Antragstellerin zu sehen. Überdies verstoße die
erfolgte Zustellung gegen die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland im
Sinne des Art. 13 Abs. 1 HZÜ und gegen die öffentliche Ordnung. Der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung sei mangels Bekanntgabe der Entscheidung der
Zentralen Behörde auch rechtzeitig; hilfsweise sei Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu bewilligen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin
wird auf den Inhalt der Antragsschrift und des Schriftsatzes vom 01.10.2009 (Bl. 23
ff. d. A.) verwiesen.
Sie beantragt:
1.) Es wird festgestellt, dass die Weisung der zuständigen
Empfangsstelle/Zentrale Behörde gegenüber dem Amtsgericht Giessen zur
Bewirkung der Zustellung bestimmter Schriftstücke an den Liquidator der Firma C.,
O1, vertreten durch den Liquidator D, O2, und die damit einhergehende Zustellung
am 28.05.2009 (Geschäftsnummer des AG Giessen: 40 AR 39/09) rechtswidrig
waren.
2.) Die zuständige Empfangstelle/Zentrale Behörde wird verpflichtet, der
ersuchenden Stelle in den USA mitzuteilen, dass die erfolgte Zustellung am
28.05.2009 rechtswidrig und daher nichtig war.
Der Antragsgegner hat nach Prüfung der zugestellten Unterlagen erklärt, dem
Antrag nicht entgegen zu treten. Er erklärt, dass mit der zugestellten Klage neben
zivilrechtlichen Ansprüchen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend gemacht
würden, so dass eine Zustellung nach dem HZÜ nicht hätte erfolgen dürfen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Antragsgegners wird auf den Inhalt
der Schriftsätze vom 21.09.2009 und 12.11.2009 (Bl. 19 ff., 240 d. A.) verwiesen.
II.
1. Das auf die §§ 23 ff. EGGVG gestützte Rechtsschutzbegehren der
Antragstellerin ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Die Entscheidung des
Antragsgegners als zuständiger Prüfstelle, das amerikanische Rechtshilfeersuchen
zu genehmigen (§ 59 ZRHO), ist ein Justizverwaltungsakt, der von der
10
11
12
13
14
15
zu genehmigen (§ 59 ZRHO), ist ein Justizverwaltungsakt, der von der
Antragstellerin als der nach den vorgelegten Unterlagen betroffenen
Zustellungsempfängerin grundsätzlich nach §§ 23 ff. EGGVG angefochten werden
kann (vgl. die vielfältigen Nachweise in: Senat OLGZ 1992, 89). Die Entscheidung
der Justizverwaltung, das Rechtshilfeersuchen zu genehmigen oder die
Genehmigung zu versagen, stellt nämlich eine Anordnung bzw. Verfügung dar, die
von einer Justizbehörde zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten
des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts bzw. des Zivilprozesses
getroffen wurde, mithin einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1
EGGVG, und kann deshalb im vorliegenden Verfahren auf gerichtliche
Entscheidung zur Überprüfung gestellt werden (vgl. die Nachweise bei
Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 23 EGGVG Rz. 15). Über deren Rechtmäßigkeit
ist in diesem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung im Rahmen des Antrags zu
1.) zu befinden, mit der geltend gemacht wird, bereits die Anordnung der
Zustellung sei rechtswidrig gewesen. Ob und inwieweit die Justizbehörde die
Maßnahme bzw. die durch ihre tatsächliche Umsetzung begründeten Wirkungen
rückgängig zu machen hat, ist zulässiger Gegenstand des Antrag zu 2.)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. die Senatsbeschlüsse vom
21.03.1991, OLGZ 1992, 89, vom 13.02.2001, NJW-RR 2002, 357, vom 01.06.2004,
JMBl. 2004, 423, vom 15.03.2006, IPRspr 2006, Nr. 166, 362) kann die
Unwirksamkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer Zustellung im internationalen
Rechtshilfeverkehr auch nach ihrer Vornahme noch geltend gemacht werden. Die
bereits erfolgte Übersendung des Zustellungszeugnisses an den Adressaten des
Rechtshilfeersuchens hindert demgemäß die Zulässigkeit des Antrags insgesamt
nicht.
Der Senat geht auch davon aus, dass die Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewahrt ist,
zumal die Verfügung der Antragstellerin gegenüber weder bekannt gegeben noch
gar zugestellt worden ist (vgl. Senat IPRax 2009, 71; KG KGR 2008, 258).
Ausweislich ihres Vorbringens rügt sie auch eine angebliche Verletzung ihrer
Rechte im Sinne des § 24 Abs. 1 EGGVG.
2. Der Antrag zu 1.) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Soweit der Antragsgegner ausweislich seines Schriftsatzes vom 12.11.2009
gegenüber dem Senat erklärt hat, dem Antrag werde nicht entgegen getreten,
weil eine Zustellung nach dem HZÜ hätte nicht erfolgen dürfen, enthebt dies den
Senat nicht von einer eigenen Beurteilung des Sachbegehrens. So berechtigt im
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. §§ 29 Abs. 2 EGGVG a. F.) – zumal
in einer öffentlich-rechtlichen Streitsache - auch etwa ein Anerkenntnis des
Antragsgegners das Gericht grundsätzlich nicht, eine Sachentscheidung ohne
eigene Sachprüfung zu erlassen. Allenfalls kann es als Zugeständnis
anspruchsbegründender Tatsachen angesehen werden und eine weitere
Sachaufklärung entbehrlich machen (vgl. Keidel/Kuntze/Schmidt, FGG, 15. Aufl., §
12 Rz. 229 m. w. N.; weitergehend: Jansen/von König/von Schuckmann, FGG, 3.
Aufl., Vor §§ 8-18 Rz. 67; Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 12 Rz. 42). Ebenfalls
unerheblich ist, dass offensichtlich Justizverwaltungen anderer Bundesländer die
Zustellung der nämlichen Klage nach dem HZÜ abgelehnt haben, wie die
Antragstellerin vorträgt. Die Antragstellerin hätte keinen Anspruch darauf, dass
der Antragsgegner sein Verwaltungshandeln danach ausrichtet, ob es andere
zentrale Behörden gibt, die die Zustellungsvoraussetzungen enger oder anders
sehen als er (vgl. Senat OLGZ 1992, 89).
Der Senat teilt die im vorliegenden Verfahren nun übereinstimmende Auffassung
der Beteiligten.
Die hier gegenständliche Auslandszustellung gegen die Antragstellerin ist nach
dem Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher
Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ) vom 15.11.1965
vorgenommen worden. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGBI. 1977 II,
S. 1452) als auch die USA sind diesem Übereinkommen beigetreten (vgl. dazu
auch die Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager
Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher
Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 23.06.1980, BGBl.
1980 II, S. 907). Nach Art. 1 Abs. 1 HZÜ ist das Übereinkommen in Zivil- oder
Handelssachen in allen Fällen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder
außergerichtliches Schriftstück zum Zweck der Zustellung in das Ausland zu
übermitteln ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
16
17
Nach Rechtsprechung des Senats fallen unter den Anwendungsbereich des HZÜ
grundsätzlich auch Klagen auf „punitive damages“ (vgl. OLGZ 1992, 89; IPRspr
2006, Nr. 166, 362; Beschluss vom 06.03.2006, Az.: 20 VA 2/05 = OLGR Frankfurt
2006, 972, mit vielfältigen w. N.). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang,
dass in diesen Verfahren dem Grunde nach über das Bestehen oder
Nichtbestehen privater Rechte und Rechtsverhältnisse gleichgeordneter Parteien
entschieden wird. Das Verfahren wird von Privaten betrieben und jedenfalls dann,
wenn der Strafschadensersatz an den Geschädigten zu entrichten ist, liegt auch
nach deutschem Recht eine Zivilsache vor (vgl. Senat IPRspr 2006, Nr. 166, 362).
Abgestellt wird dabei auf die Gleichordnung von Gläubiger und Schuldner als
private Personen, soweit der „Strafschaden“ an den Gläubiger und nicht etwa an
den Staat oder andere Institutionen zu zahlen ist. Nichts anderes gilt für die Klage
auf „treble damages“. Der genannte Aspekt gilt auch dort (vgl. Senat IPRspr 2006,
Nr. 166, 362, m. w. N.). Dementsprechend wird nun in der oberlandesgerichtlichen
Rechtsprechung weitgehend einhellig die Auffassung vertreten, dass in diesem
Zusammenhang entscheidend sei, ob die jeweiligen Kläger Schadensersatz für
sich verlangen, bzw. einen sie selbst begünstigenden Individualanspruch geltend
machen (OLG Celle IPRspr 2006, Nr. 170, 382; OLG Naumburg IPRspr 2006, Nr.
165, 357, sowie Beschluss vom 13.02.2006, 20 VA 1/05; OLG Düsseldorf NJW-RR
2009, 500, und OLGR Düsseldorf 2009, 768; OLG München IPRspr 2006, Nr. 168,
378, je zitiert nach juris und m. w. N.). Der entgegen stehenden Auffassung des
Oberlandesgerichts Koblenz (IPrax 2006, 25), wonach auch dann vielmehr
maßgebend sei, ob bei der Rechtsverfolgung private oder öffentliche Interessen im
Vordergrund stehen, hat sich der Senat nicht angeschlossen (vgl. Senat IPRspr
2006, Nr. 166, 362).
In diesem maßgeblichen Punkt liegt der Fall hier bereits anders. Mit der nach den
zugestellten Unterlagen nach dem „False Claims Act“ von zwei Privatpersonen
(auch) im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika bzw. im Namen der
Regierung der der Vereinigten Staaten von Amerika unter anderem gegen die
hiesige Antragstellerin erhobenen Klage werden zwar auch „punitive damages“ zu
Gunsten der Privatkläger – der sog. „Popularkläger“ – verlangt (vgl. etwa Seiten 47
ff. der „Zweiten Klageänderung“, Bl. 144 ff. d. A., und Seite 36 der „Ergänzten
Klageschrift“, jeweils der deutschen Übersetzung; Bl. 233 d. A.). Maßgeblich ist
aber zunächst, dass darüber hinaus im eigenen Namen und im Namen der US-
Regierung der dreifache Betrag des Schadens verlangt wird, den die US-Regierung
wegen der Handlungen der Beklagten erlitten hat. Der „Erlös“ soll, wie sich aus
den zugestellten Klageanträgen ergibt, den Popularklägern lediglich nur zu einem
geringeren Teil zukommen (vgl. etwa Seite 50 der „Zweiten Klageänderung“, Bl.
147 d. A., und Seite 35 der „Ergänzten Klageschrift“, Bl. 232 d. A., jeweils der
deutschen Übersetzung). Dies beruht offensichtlich auf den Besonderheiten der in
den zugestellten Unterlagen mehrfach in Bezug genommen Vorschriften des
„False Claims Act“ (31 U.S.C. §§ 3729 ff.), nach denen etwa das Dreifache des
„Vergütungsschadens“ („treble damages“) und darüber hinaus ein oft erheblicher
Strafbetrag, eine „civil penalty“, verlangt werden kann (vgl. dazu im Einzelnen
Kölbel JZ 2008, 1134 ff). Auslösen darf diesen Gerichtsgang nicht nur die Behörde,
sondern ebenfalls eine private Person, die dann im Namen der öffentlichen Seite
tätig wird, die jenen Klagen aber beitreten kann. Im Erfolgsfall gewährt der Staat
wegen der Entdeckungs- und Überführungshilfe, die er hierbei erhält, dem
Privatkläger zwischen 15 und 30% der Urteils- oder Vergleichssumme (vgl. hierzu
Kölbel NStZ 2009, 312 ff.; JZ 2008, 1134 ff.; Berndt/Hoppler BB 2005, 2623 ff.,
Deiseroth Betrifft Justiz 2004, 296 ff.; Hirte/Otte/Willamowski VersR 2002, 678 ff., je
m. w. N.). Diese Klagebefugnis einzelner Personen im Namen der Regierung auch
ohne eigenen Schaden wird etwa in Fällen vorgesehen, in denen diese von
rechtswidrigen Handlungen gegen den Staat erfahren (Hirte/Otte/Willamowski
VersR 2002, 678 ff.). Vorliegend geht es konkret um Vorwürfe gegen die Beklagten
im Zusammenhang mit Verträgen mit staatlichen Stellen über die Beförderung
beweglichen Eigentums von Angehörigen der US-Streitkräfte; hier soll ausweislich
der zugestellten Unterlagen rechtswidrig gegen etliche Vorschriften bzw.
Ausschreibungs- und Vertragsbedingungen verstoßen worden sein. Als Kläger sind
auch ein Staatsanwalt und ein Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten in den
zugestellten Schriftstücken aufgeführt (vgl. Seite 1 der „Ergänzten Klageschrift“,
Bl. 197 d. A., und Seite 1 der „Zweiten Klageänderung“, Bl. 93 d. A., jeweils der
deutschen Übersetzung). Nach den obigen Darlegungen liegt damit eine
Zivilsache schon deshalb nicht vor, weil die (Privat-)Kläger des amerikanischen
Verfahrens insoweit Schadensersatz nicht (nur) für sich verlangen oder einen sie
selbst begünstigenden Individualanspruch geltend machen (vgl. dazu auch
Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 1 HZÜ Rz. 3).
18
19
20
Hinzu kommt, worauf die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens und ausweislich
der vorgelegten Bescheide andere Zentrale Stellen im Sinne des HZÜ bzw.
Gerichte abgestellt haben, dass eine „civil penalty“ von mindestens 5.000 bis
10.000 US-$ für jeden Verstoß verlangt wird (vgl. etwa Seite 50 der „Zweiten
Klageänderung“, Bl. 147 d. A., und Seite 35 der „Ergänzten Klageschrift“, Bl. 232
d. A., jeweils der deutschen Übersetzung). Diese „civil penalty“ wird ausweislich
der zugestellten Übersetzungen hier unterschiedlich mit „Bußgeld“,
„zivilrechtlicher Geldstrafe“ oder „Zivilstrafe“ übersetzt (Bl. 147, 198, 232 d. A.;
vgl. zum Begriff der „Zivilstrafe“ und dem Unterschied zur Kriminalstrafe auch
Griessbach/Cordero RIW 1998, 592). Es handelt sich dabei um eine sich in dieser
Form im deutschen Rechtssystem nicht findende Rechtsfigur, die von staatlichen
Stellen erhoben werden kann, aber nicht den strengen strafrechtlichen
Beweisanforderungen unterliegt (vgl. Kölbel JZ 2008, 1134 ff.). Auch dieser Straf-
bzw. Sanktionscharakter der „civil penalty“, der gerade nicht der Regelung privater
Rechte und Rechtsverhältnisse gleichgeordneter Parteien dient, kann nicht als
Zivil- oder Handelssache im Sinne des Art. 1 HZÜ angesehen werden (vgl. zu den
unterschiedlichen Auslegungs- bzw. Interpretationsansätzen hinsichtlich des
Begriffs: Senat IPRspr 2006, Nr. 166, 362; OLG Koblenz IPrax 2006, 25; Schlosser,
a.a.O., Art. 1 HZÜ Rz. 2 ff.; Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil-
und Handelssachen, Stand August 2009, Fn. 2 zu Art. 1 HZÜ, je m. w. N.).
Maßgeblich dafür dürfte jedenfalls nicht die Verfahrensart sein, in der im
ersuchenden Staat das Verfahren geführt wird. Stellt man auf den
Regelungsgegenstand des Verfahrens oder aber die Natur des
Rechtsverhältnisses ab, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, dann geht es
hier gerade nicht um einen privaten Interessenausgleich. Im Vordergrund steht
erkennbar der Sanktionscharakter, zumal die geltend gemachten Ansprüche
gerade nicht auf privaten Rechtsbeziehungen gründen. So geht es denn auch
hauptsächlich um den Ausgleich des Schadens, den die US-Regierung erlitten hat.
Stellt man für die Abgrenzung auf die konkreten Handlungsformen ab (so
Piekenbrock IPrax 2006, 4), dürfte das gleiche gelten; wie oben erwähnt, soll der
Erlös der Klage überwiegend dem Staat zukommen und eine Behörde ist am
Verfahren beteiligt bzw. kann beteiligt sein. Daran ändert – wie gesagt - der
Umstand nichts, dass das Verfahren (auch) von Privaten und nach
amerikanischem Verständnis in einem Zivilverfahren betrieben wird.
Der insgesamt überwiegend öffentlich-rechtliche bzw. strafrechtliche Charakter der
Klage lässt die Einordnung als Zivil- oder Handelssache also nicht zu. Für die Frage
der Zustellung einer Klage aufgrund eines Rechtshilfeersuchens eines
ausländischen Gerichts kann ein Ergebnis ohnehin nur einheitlich bestimmt
werden. Eine partielle Zustellung der Klage kommt nicht in Betracht (OLG Koblenz
IPrax 2006, 25). Die Verfügung der zentralen Behörde des Antragsgegners, das
Rechtshilfeersuchen zu genehmigen, ist damit bereits mangels Vorliegens der
Voraussetzungen des Art. 1 HZÜ rechtswidrig; durch die Nichtbeachtung der
Förmlichkeiten der Zustellung wird die Antragstellerin in eigenen Rechten verletzt
(vgl. etwa Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rz. 3641 ff.; OLG
Karlsruhe OLGZ 1985, 201). Auf die weiteren auf einen Verstoß gegen Art. 13 HZÜ
gestützten Einwände der Antragstellerin kommt es nicht mehr an.
3. Der Antrag zu 2.) bleibt allerdings ohne Erfolg. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2
EGGVG kann das Gericht auf Antrag zwar auch aussprechen, dass und wie die
Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, wenn –
wie hier - die Maßnahme schon vollzogen ist. Die im HZÜ geregelten
Unterrichtungspflichten (etwa Art. 4, 13 HZÜ; vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW 1991,
3110) sehen diesen Fall nicht vor. Unabhängig vom Vorliegen weiterer
Voraussetzungen wäre der begehrte Ausspruch zur Rückgängigmachung der
Vollziehung aber nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage
spruchreif ist, § 28 Abs. 1 Satz 3 EGGVG. Voraussetzung wäre also, dass die
Folgenbeseitigung aus eigener Machtvollkommenheit der Behörde tatsächlich und
rechtlich möglich ist, d. h. die Behörde muss aus eigener Machtvollkommenheit
auch in der Lage sein, die Vollziehung rückgängig zu machen, und die
festzulegende Art der Folgenbeseitigung muss spruchreif sein (vgl. Kissel/Mayer,
GVG, 5. Aufl., § 28 EGGVG Rz. 15; OLG Karlsruhe JVBl. 1972, 165). Dies lässt sich
hier nicht feststellen. Der Senat vermag nicht zu beurteilen, ob und inwieweit ein
Obsiegen im vorliegenden Verfahren auch in den USA anerkannt würde; weder die
Anerkennung noch die Nichtanerkennung steht sicher fest (vgl. dazu auch Senat
OLGZ 1992, 89 m. w. N.; BVerfG ZIP 1994, 1353). Danach kann die begehrte
Mitteilung schon aus diesem Grund nicht als „Folgenbeseitigung“ ausgesprochen
21
22
Mitteilung schon aus diesem Grund nicht als „Folgenbeseitigung“ ausgesprochen
werden, so dass offen bleiben kann, ob die konkrete Mitteilung auch aus anderen
Gründen scheitern würde. Dass der Antragsgegner auch ohne eine solche
Anordnung das in seiner Macht Stehende tun kann, um etwaige Folgen des von
ihm selbst nun als unrechtmäßig erkannten Handelns zu beseitigen, dürfte
ohnehin außer Frage stehen (vgl. auch OLG Karlsruhe JVBl. 1972, 165).
4. Gerichtsgebühren fallen nur in Höhe der Zurückweisung hinsichtlich des Antrags
zu 2.) an, weil solche überhaupt nur bei Zurückweisung oder Zurücknahme des
Antrags erhoben werden, §§ 30 EGGVG a. F., 131 Abs. 4 KostO (vgl. Senat,
Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA 13/06, zitiert nach juris; Zöller/Lückemann,
a.a.O., § 30 EGGVG Rz. 1). Die Festsetzung des diesbezüglichen Geschäftswerts
(der Zurückweisung) beruht auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 1 Kost0. Der
Senat hat ihn auf die geringste Wertstufe nach der KostO geschätzt.
Für die Anordnung einer (teilweisen) Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten
gemäß § 30 Abs. 2 EGGVG hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Der
Umstand, dass der Antrag der Antragstellerin insoweit (teilweise) Erfolg hatte,
reicht für eine Überbürdung außergerichtlicher Kosten noch nicht aus (vgl. Senat,
Beschluss vom 01.02.2007, 20 VA 13/06, m. w. N., zitiert nach juris;
Zöller/Lückemann, a.a.O., § 30 EGGVG Rz. 1). Eine offensichtliche oder besonders
schwere Rechtsverletzung durch die Justizbehörden ist vorliegend nicht ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.