Urteil des AG Giessen vom 21.06.2007

AG Gießen: druck, verstopfung, verschulden, pumpe, vermieter, mietsache, beschädigung, gerät, vollstreckung, luft

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Gericht:
AG Gießen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
48M C 141/07, 48
M C 141/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 421 BGB, §
425 Abs 1 BGB, § 535 BGB
Wohnraummiete: Haftung des Mieters für Beschädigung
der Mietsache; gesamtschuldnerische Haftung von
Mitmietern
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7,95 Euro
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 3.4.2007 zu zahlen.
Der Klageanspruch im Übrigen wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich des Zahlungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Klägerin hat den Nießbrauch an dem Anwesen ... in ....
Durch schriftlichen Mietvertrag vom 30.06.2002, wegen dessen Inhalt auf Bl. 33-38
d. A. Bezug genommen wird, vermietet die Klägerin den Beklagten eine Wohnung
im ersten Stock dieses Hauses.
Anfang Juni 2006 kam in der Wohnung der Beklagten zu einer Verstopfung im
Abfluss der Badewanne. Der Beklagte zu 2) setzte zur Beseitigung dieser
Verstopfung eine circa 38 cm große Handpumpe ein, deren Modell auf Bl. 62 d. A.
abgedruckt ist. Es waren auch schon vorher Verstopfungen eingetreten, die die
Beklagten selbst beseitigt hatten.
Am 04.06.2006 kam es in der darunter liegenden Wohnung zu einem
Wasserschaden, weil im größeren Umfang Wasser aus der Badewanne der
Beklagten durch die Decke nach unten floss.
Die Klägerin ließ den Abfluss der Badewanne durch den Zeugen ... überprüfen, der
die Badewanne seinerzeit auch angeschlossen hatte. Der Zeuge ... beseitigte die
Ursache des Schadens.
Mit der vorliegenden Klage verlangte die Klägerin zunächst die Kosten für die
Beseitigung des Schadens im Bereich des Badewannenabfluss gemäß der
Rechnung des Zeugen ... (Bl. 24 d. A.) in Höhe von 138,68 Euro. Diesen Betrag
haben die Beklagten anerkannt; insoweit erging ein Teilanerkenntnisurteil, wegen
dessen Inhalt auf Blatt 60 d. A. verwiesen wird.
Die Klägerin verlangt jetzt noch folgende Positionen:
Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten chemische Rohrreinigungsmittel
eingesetzt. Die von den Beklagten verwendete manuelle Handpumpe verursache
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eingesetzt. Die von den Beklagten verwendete manuelle Handpumpe verursache
einen zu hohen Druck; dies habe dazu geführt, dass die ineinander gesteckten
Plastikrohre auseinander gerissen worden seien. Es sei bekannt, dass derartige
Pumpen einen hohen Druck erzeugen. Die Abflussrohre seien seinerzeit
ordnungsgemäß angebracht worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.763,13 Euro
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2006 sowie 165,71 Euro
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2007 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, es sei gar nicht möglich, mit der verwendeten Pumpe
ordnungsgemäß verschraubte Rohre auseinander zu reißen. Im Übrigen sind sie
der Ansicht, der Gebrauch einer Handpumpe sei nicht unsachgemäß, so dass es
jedenfalls an einem Verschulden fehle. Die Renovierungskosten seien unschlüssig,
weil nicht vorgetragen worden sei, wann die entsprechenden Räume zuletzt
renoviert worden seien, so dass möglicherweise ohnehin eine Renovierung
erforderlich gewesen wäre.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen ....
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 16.05.2007 (Bl. 58 – 60 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist dem Grunde nach
gerechtfertigt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus §
280 BGB, weil der Beklagte zu 2) bei dem Versuch, die Verstopfung der
Badewanne zu beseitigen, durch sorgfaltswidriges Verhalten die Durchfeuchtung
der Decke und die Beschädigung der Dekoration der darunterliegenden Wohnung
verursacht hat und weil auch die Beklagte zu 1) für das Verschulden des Beklagten
zu 2) einzustehen hat.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht fest, dass sich im
Badezimmer der Beklagten das Abflussrohr vom Badewannensiphon gelöst hat
und dass dies auf den durch die von dem Beklagten zu 2) benutzten Pumpe
erzeugten hohen Druck zurückzuführen ist. Der Zeuge ..., der den Schaden im
Abflussbereich repariert hat, hat glaubhaft ausgesagt, das Abflussrohr habe nicht
mehr im Siphon gesteckt; sonstige Schäden am Abfluss seien nicht vorhanden
gewesen. Das Gericht hat keinen Anlass an der Richtigkeit dieser Aussage zu
zweifeln. Da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Abfluss nicht richtig
montiert war (die Badewanne wurden vor zehn Jahren installiert, das Abflussrohr
hatte sich vorher nicht gelöst, obwohl die Beklagten schon mehrfach
Verstopfungen beseitigt hatten), kann das Lösen des Rohres vom Siphon nur auf
einen durch die Handpumpe verursachten Überdruck zurückzuführen sein. Die von
den Beklagten beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens kam nicht
Betracht, weil offensichtlich ist, dass der Schaden nicht auf andere Weise
verursacht worden sein kann. Mit der von den Beklagten benutzten Handpumpe
kann man nach der Beschreibung auf der von den Beklagten ausgedruckten
Internetseite Luft absaugen, um eine Verstopfung zu lösen und den Schmutz dann
durch Drücken der Pumpe leicht entfernen. Es liegt aber auf der Hand, dass man
mit einer derartigen Pumpe auch einen starken Druck erzeugen kann, indem man
bei einer Verstopfung Luft in den Abfluss pumpt. Befindet sich die Verstopfung
ganz nahe am Abfluss, kann man relativ schnell einen hohen Druck erreichen und
Druck entlädt sich nach den Gesetzen der Physik immer an der schwächsten
Stelle.
Der Beklagten zu 2) hat auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Wenn
man ein Gerät zur Beseitigung von Schäden einsetzt, ist man gehalten, sich mit
dessen Wirkungsweise vertraut zu machen. Der Benutzer dieser Handpumpe kann
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dessen Wirkungsweise vertraut zu machen. Der Benutzer dieser Handpumpe kann
unschwer erkennen, dass durch das Pumpen bei einer Verstopfung zwischen dem
Abfluss und der verstopften Stelle ein starker Druck erzeugt werden kann. Von
daher war es vorhersehbar, dass ein derartiger Druck dazu führen kann, dass sich
der Siphon oder Rohre lockern und verschieben und dass es dadurch letztlich zu
Wasserschäden kommen kann.
Die Beklagte zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, sie selbst habe die
Handpumpe nicht betätigt, weil sie auch für ein Verschulden des Beklagten zu 2)
einzustehen hat. Sie ist ebenfalls Mieterin und haftet nach §§ 421 ff. BGB als
Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 2) für die in der Mietwohnung
aufgetretenen bzw. dort verursachten Schäden. Der Grundsatz des § 425 Abs. 1
BGB, wonach ein Verschulden nur gegen den Gesamtschuldner wirkt, dem es zur
Last fällt, findet hier keine Anwendung. § 425 Abs. 1 BGB lässt eine Ausnahme von
diesem Grundsatz zu, wenn sich aus dem Schuldverhältnis etwas anderes ergibt
und dies ist hier der Fall. Es wird zwar die Auffassung vertreten, es sei nur der
Mieter zum Schadensersatz verpflichtet, der die Pflichtverletzung begangen habe,
etwas anderes gelte nur, wenn nicht festgestellt werden könne, welcher von
mehreren Mietern den Schaden verursacht habe (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl. §
526 Rn 16 unter Hinweis auf LG Berlin, NJW RR 02, 1425). Dieser Auffassung kann
aber nicht gefolgt werden, weil es für die Frage der Haftung nicht darauf
ankommen kann, ob der Vermieter weiß, welcher Mieter in welcher Form an der
Verursachung des Schadens beteiligt war, zumal er dies möglicherweise erst im
Prozess erfährt.
Werden in dem Mietobjekt Schäden verursacht, kann der Vermieter selbst meist
nicht sicher feststellen, welcher Mieter dafür verantwortlich ist. Von den Mietern
wird er nur selten eine verlässliche Auskunft erhalten. Dies gilt vor allen Dingen
dann, wenn nach der Beendigung des Mietverhältnisses zahlreiche Schäden an der
Mietsache geltend gemacht werden und alle Mieter ihre Verantwortung dafür
bestreiten; etwa mit dem Vortrag, es gebe keine Schäden, die Schäden seien
nachträglich entstanden oder schon bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden
gewesen, zumal auch übereinstimmende Angaben der Mieter nicht richtig sein
müssen, weil möglicherweise einer der Mieter ohnehin insolvent ist. Auch im
vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht überprüfen, ob die Angaben der
Beklagten richtig sind und ob nicht etwa die Beklagte zu 1) bei dem Einsatz der
Pumpe neben dem Beklagten zu 2) stand oder ob sie ihn aufgefordert hat, die
möglicherweise von ihr verursachte Verstopfung mit dem eigens dafür
angeschafften Gerät zu beseitigen. Der Vermieter, der etwa nach Beendigung
eines Mietverhältnisses Schäden feststellt, muss schon wegen der kurzen
Verjährungsfrist des § 548 BGB zur Sicherheit alle Mieter verklagen. Es wäre ein
äußerst unbilliges Ergebnis, wenn eine Klage mit der entsprechenden Kostenfolge
praktisch zur Hälfte abgewiesen werden müsste, wenn sich während des Prozesses
doch herausstellt, wer welchen Schaden verursacht hat. Jedenfalls in den Fällen, in
denen ein Schaden in den gemieteten Räumen verursacht wurde ist daher eine
Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz des § 425 BGB geboten, so dass es
nicht darauf ankommt, wer den Schaden verursacht hat und ob der Verursacher
festgestellt werden kann. Die Abweichung von diesem Grundsatz ist deswegen
gerechtfertigt, weil mehrere Mieter in der Regel einheitlich auftreten und damit
beim Vermieter die Erwartung begründen, für alle Verpflichtungen aus dem
Mietverhältnis gemeinsam einstehen zu wollen (vgl. OLG Celle, MDR 98, 896 für
den Fall eines Schadens durch eine unbeaufsichtigte Waschmaschine). Im
vorliegenden Fall ergibt sich also – wie dies § 425 Abs. 1 BGB vorsieht – aus dem
Schuldverhältnis eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass jeder Mieter nur für
sein Verschulden einzustehen hat. Auch der Bundesgerichtshof hat anerkannt,
dass ein Mieter für das Verschulden eines Mitmieters haften kann (BGHZ 65, 226
ff.).
Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich daraus, dass sie alleinige Vermieterin
der Wohnung der Beklagten ist und dass sie als alleinige Vermieterin der
darunterliegenden Wohnung nach § 535 BGB verpflichtet ist, die in dieser Wohnung
aufgetretenen Mängel zu beseitigen.
Da die Höhe des geltend gemachten Anspruchs noch der Aufklärung bedarf, hielt
es das Gericht für angezeigt, ein Zwischenurteil über den Grund zu erlassen (§ 304
ZPO).
Bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten haben die Beklagten auf jeden Fall
den Teil zu tragen, der auf den anerkannten Teil der Forderung entfällt, das sind
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den Teil zu tragen, der auf den anerkannten Teil der Forderung entfällt, das sind
4,8 % der Gesamtkosten von 165,71 Euro.
Die zuerkannten Zinsen sind als Prozesszinsen gerechtfertigt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.