Urteil des AG Frankfurt am Main vom 22.04.2010

AG Frankfurt: internationale zuständigkeit, verordnung, gerichtliche zuständigkeit, juristische person, unerlaubte handlung, eugh, anwaltskosten, nummer, nichtbeförderung, vollstreckung

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 84/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 7 Abs 1c EGV 261/2004, §
21 ZPO
Orientierungssatz
Zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für
Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 2009 - 29 C 2033/08
-73 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.200,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2008 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 90 %, die Kläger als
Gesamtschuldner 10 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leisten.
Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte, eine US-amerikanische Fluggesellschaft, wegen
Nichtbeförderung in Anspruch. Ihr für den 19. Januar 2008, 9:45 Uhr ab Stadt1
gebuchte Flug in die USA wurde wegen eines technischen Defekts am Flugzeug
annulliert; die Kläger konnten ihre Reise erst am Folgetag antreten.
Die Beklagte hat ihren satzungsgemäßen Hauptsitz und ihren Verwaltungssitz in
den USA. Sie verfügt über eine deutsche Niederlassung in Stadt1. Sie hat den
Klägern auf Kulanzbasis Reisegutscheine über 2 x 200,- € übermittelt, eine
Leistungspflicht jedoch in Abrede gestellt.
Die Kläger haben Klage vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main erhoben und
beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
an sie 1.200.- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2008 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in
Höhe 155,30 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 26. November 2008 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die fehlende internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt
und dargelegt, sie schulde eine Entschädigung auch in der Sache nicht, weil die
Flugstreichung auf Umständen beruhe, die sie nicht zu vertreten habe.
Vor dem Abflugtermin sei bei dem einzusetzenden Flugzeug des Typs … ein
Defekt einer Treibstoffleitung in Form einer undichten Stelle am Bodenventil
aufgetreten, dessen vorübergehende Behebung etwa 6 Stunden benötigte, ferner
sei der Funkbetrieb des Flugzeugs gestört gewesen; die Flugstreichung sei durch
alle zumutbaren Maßnahmen nicht zu vermeiden gewesen.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von (2 x 600.- =) 1.200.- € gerichtete Klage
als unzulässig abgewiesen, weil es an der internationalen Zuständigkeit deutscher
Gerichte fehle.
Die Beklagte als juristische Person habe ihren Sitz in den USA. Im Hinblick auf § 21
Abs. 1 ZPO sei nicht dargelegt, dass ihre inländische Niederlassung unmittelbar
Geschäfte schließe und die Klage sich darauf beziehe. Es sei ferner auch nicht
dargelegt, dass die inländische Niederlassung der Beklagten über eigenes
inländisches Vermögen verfüge
(§ 23 ZPO). Die Regelungen der EuGVVO seien nicht anwendbar, weil die Beklagte
ihren Sitz nicht innerhalb der Europäischen Union habe und deren Geltung auch
nicht vereinbart sei. Ob als „Leistungsort“ i. S. d. § 29 ZPO auch der Ort des
Abflugs (hier Stadt1) und nicht der Zielort oder der Sitz der Fluggesellschaft
angesehen werden könne, sei umstritten; die EU-Kommission habe in ihrer
Antwort vom 6. Dezember 2007 (E-5080/07/DE) auf Anfrage dargelegt, die
gerichtliche Zuständigkeit richte sich nach ihrer Auffassung nach § 33 des
Montrealer Übereinkommens; zuständig sei nach Wahl des Klägers also das
Gericht des Ortes, an dem sich der Sitz, die Hauptniederlassung oder eine
Geschäftsstelle des Flugfrachtführers befinde, durch die der Vertrag geschlossen
worden sei, oder das Gericht des Bestimmungsortes. Diesen Grundsätze müssten
auch für den Erfüllungsort i. S. d. §§ 29 ZPO, 269 BGB gelten. Ein Vertragsschluss
durch die Stadt1 Niederlassung der Beklagten sei aber nicht dargelegt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie vertreten die Auffassung, die
Zuständigkeit für Ausgleichszahlungen, wie sie hier geltend gemacht sind, richte
sich nicht nach dem Montrealer Übereinkommen, sondern nach Art. 4 Abs. 3 der
VO (EG) 261/2004. Zuständig müsse das Gericht des Abflugsortes sein; der
Reisende könne nicht auf eine Auslandsklage (hier: Klageerhebung in den USA)
verwiesen werden. In diesem Sinne habe nun auch der EuGH in seiner
Entscheidung vom 9. Juli 2009 (C-204/08) entschieden.
Sie beantragen,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
an sie 1.200.- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2008 sowie weitere 155,30 € zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2008
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Regelungen der VO (EG) 261/2004 seien nicht anwendbar, weil hier
ein Fall der Flugstreichung wegen technischer Defekte, kein Fall der
Nichtbeförderung (wegen Überbuchung) vorliege. Ansprüche nach dem Montrealer
Übereinkommen seien nicht geltend gemacht, die Kläger verlangten nicht
Schadensersatz nach diesem Übereinkommen, sondern machten einen
pauschalierten Ausgleichsanspruch als gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach der
VO 261/2004 geltend. § 29 ZPO sei dafür weder unmittelbar noch entsprechend
anwendbar; anders als bei (gewillkürten) internationalen Vertragsbeziehungen
habe hinsichtlich gesetzlicher Ausgleichsansprüche bereits der Gesetzgeber die
Zuständigkeitsregelung vorgegeben. Die durch die Kläger zitierte Entscheidung
des EuGH könne nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden, weil
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des EuGH könne nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden, weil
die hiesige Beklagte kein Luftfahrtunternehmen der EG sei.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die erstinstanzliche
Entscheidung, die Sitzungsniederschrift vom 25. März 2010 und die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat im wesentlichen Erfolg.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gegeben. Der
geltend gemachte Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 (1) c) der Verordnung (EG)
Nr. 261/2004 ist auch in der Sache begründet. Der darüber hinaus geltend
gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten scheitert indes an
mangelnder Darlegung der insoweit anspruchsbegründenden Umstände.
1. Zu Recht hat das Amtsgericht den geltend gemachten Anspruch nicht als
Schadensersatzanspruch gemäß Art. 17 ff. des Montrealer Übereinkommens
(MÜ), sondern als Ausgleichsanspruch nach Art. 7 (1) c) der Verordnung (EG) Nr.
261/2004 wegen Annulierung (Art.5) des gebuchten (Weitverkehrs-)Fluges von
Stadt1 in die USA angesehen.
Gemäß Art. 7 (1) der Verordnung erhalten Fluggäste entsprechend der Flugstrecke
gestaffelte Ausgleichszahlungen bis zu 600.- €; im gegebenen Fall wäre die
höchste Entfernungsklasse (c) mit 600.- € je Passagier zugrundezulegen. Die
Kläger machen ausdrücklich diese „Pauschale“ geltend (… „Sie würden dort
600.- € erhalten“, … „Der [zugesagte] Betrag wird deshalb mit der Klage
geltend gemacht“), und sie haben nichts zur konkreten Berechnung eines
individuell entstandenen Schadens vorgetragen, wie dies für die Begründung eines
Anspruchs nach Art. 19 MÜ erforderlich gewesen wäre.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (9. Juli 2009 - C 204/08 = NJW 2009, 2801)
und des BGH (10. Dezember 2009 - X a ZR 61/09 - juris) bestehen Ansprüche auf
eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung wegen der Annulierung eines
Fluges unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch; für solche
Ausgleichszahlungen und für Schadensersatzansprüche im Sinne des Montrealer
Übereinkommens bestehen unterschiedliche Regelungsrahmen. Die Verordnung
ergänzt zwar die Schutzvorschriften des Montrealer Übereinkommens, beide
Regelungswerke bilden aber kein einheitliches Luftverkehrsrecht, sondern
bestehen mit unterschiedlich geregelten Ansprüchen nebeneinander: Art. 19 ff.
MÜ regeln die individualisierte Wiedergutmachung unabhängig von der
standardisierten Wiedergutmachung nach der Verordnung (EuGH - 22. Dezember
2008 - C-549/07 = RRa 2009, 35; 9. Juli 2009 - C 204/08 = NJW 2009, 2801; BGH
a.a.O.).
Die Verordnung (EU) Nr. 261/2004 ist auf die vorliegende Fallgestaltung auch
anwendbar. Gemäß Art. 3 (1) a) gilt die Verordnung in örtlicher Hinsicht für
Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den
Bestimmungen des Vertrages unterliegt, einen Flug antreten. Die in der Regelung
unter b) bestimmte Einschränkung, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen
eines der Gemeinschaft sein muss, gilt für die unter a) geregelte Fallgestaltung
nicht. Dass es sich bei der Beklagten um ein US-amerikanisches
Luftfahrtunternehmen handelt, steht der Geltendmachung eines
Ausgleichsanspruchs gemäß Art. 7 der Verordnung also materiell nicht entgegen.
2. Die Verordnung (EU) Nr. 261/2004 trifft zur Frage der internationalen und
örtlichen Zuständigkeit der Gerichte keine Regelung. Die Verordnung (EG) Nr.
44/2001 (EuGVVO) betrifft in erster Linie innergemeinschaftliche Streitigkeiten. Mit
Recht hat schon das Amtsgericht ausgeführt, dass hinsichtlich besonderer
Fallgestaltungen (Art. 4, 23 EuGGVO - Zuständigkeitsvereinbarung) nichts
vorgetragen ist und ein Fall des Art. 22 EuGGVO (ausschließliche Zuständigkeiten
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz) nicht vorliegt.
Die Regelung der internationalen Zuständigkeit in Art. 33 MÜ ist nicht einschlägig.
Gemäß Art. 33 Abs. 1 MÜ (Gerichtsstand) muß eine Klage auf Schadensersatz im
Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nach Wahl des
Klägers entweder bei dem Gericht des Ortes, an dem sich der Wohnsitz des
Luftfrachtführers, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet,
durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des
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durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des
Bestimmungsortes. Gemäß Art. 29 MÜ (Grundsätze für Ansprüche) kann ein
Anspruch „auf Schadensersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, sei es
dieses Übereinkommen, ein Vertrag, eine unerlaubte Handlung oder ein sonstiger
Rechtsgrund, nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen
geltend gemacht werden, die in diesem Übereinkommen vorgesehen sind“.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der
Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO jedoch „generell nicht als
Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen“ (10. Dezember
2009 - X a ZR 61/09 - juris), weil beide Regelungswerke mit unterschiedlich
geregelten Ansprüchen nebeneinanderstehen.
3. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich hier jedoch aus §
21 ZPO.
a) Wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 25. März
2010 erörtert und durch Telefonanruf aus dem Sitzungssaal heraus unter der
Nummer der inländischen Niederlassung der Beklagten in Stadt1 verifiziert, beruht
die seine Entscheidung tragende Rechtsansicht des Amtsgerichts auf
unvollständiger Tatsachengrundlage:
Denn über den erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalt hinaus ist die Stadt1
Niederlassung der Beklagte telefonisch unter der u. a. mittels Internet (z.B:
www…..html) beworbenen kostenfreien Nummer - einer Stadt1 Telefonnummer
- erreichbar und bietet unter dieser Nummer (trotz durch die Beklagte
behaupteter zwischenzeitlicher organisatorischer Änderungen) nach einleitenden
Erläuterungen zum Datenschutz und US - amerikanischen
Sicherheitsbestimmungen die Auswahloption zur Buchung von Flugtickets an.
Diese Tatsache ist nicht nur jedermann durch Recherche über allgemein
zugängliche Informationsquellen zugänglich und damit im Sinne des § 291 ZPO
offenkundig, sie ist nunmehr zwischen den Parteien auch unstreitig. Ein Hinweis
der Beklagten darauf, dass ihre inländische Niederlassung insoweit überhaupt
nicht oder nicht selbst agiere, sondern lediglich die Telefonnummer bereitstelle
oder in irgendeiner Form sonst als Vermittlungsstelle handele, ist weder dem
Ansagetext zu entnehmen noch sonst erkennbar.
Damit erweckt die Beklagte hinsichtlich ihrer inländischen Niederlassung -
ungeachtet ihrer internen Organisation und Zuständigkeiten - gegenüber
Interessenten und Fluggästen jedenfalls den Anschein einer selbständigen
inländischen Geschäftstätigkeit, die auch den Abschluss von
Flugbeförderungsverträgen umfasst.
b) Die Begründung der Zuständigkeit nach § 21 ZPO setzt nicht voraus, dass die in
Rede stehenden Flugleistungen der Beklagten unmittelbar bei ihrer Niederlassung
gebucht worden seien. Es ist im Gegenteil unerheblich, welchen Rechtsgrund der
Kläger geltend macht, wo er den Vertrag abgeschlossen hat und wo er zu erfüllen
ist; der erforderliche „Bezug“ zu der Niederlassung besteht dann, wenn es „von
der Niederlassung ausgegangen“ ist und es sich um eine betriebstypische
Leistung handelt (vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 21 Rn. 10); es
reicht aus, wenn das Rechtsgeschäft mit Rücksicht auf den Geschäftsbetrieb der
Niederlassung abgeschlossen ist oder als dessen Folge erscheint (so schon: RGZ
23, 242; 30, 326; Zöller, ZPO, 28, Aufl. 2008, § 21 Rn. 11).
Daran kann hier nach Lage der Dinge letztlich kein Zweifel bestehen:
Die Buchung einer Flugreise entspricht typischerweise dem Geschäftsgegenstand
der Beklagten, und auch wenn die Kläger ihren Flug nicht unmittelbar bei der oder
über die Stadt1 Niederlassung der Beklagten gebucht haben mögen, stellt sich der
Vertragsschluss doch ersichtlich
Beklagten im Inland - nämlich durch ihre inländische Niederlassung -
dar. Mehr ist nach Auffassung des Senats nicht erforderlich.
4. Dem geltend gemachten Anspruch steht materiell nicht entgegen, dass der
Durchführung des Fluges nach dem Vorbringen der Beklagten technische Defekte
entgegenstanden. Die Annullierung beruht nicht auf außergewöhnlichen
Umständen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist
der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung eng auszulegen.
Unerwartete Flugsicherheitsmängel, wie sie im Streitfall vorgelegen haben und in
Erwägungsgrund 14 der Verordnung erwähnt werden, können nur dann als
außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 qualifiziert werden, wenn sie ein
Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des
betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache
von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist ( EuGH, Urteil vom 22. Dezember
2008 - C-549/07, RRa 2009, 35 = NJW 2009, 347 - Wallentin-Hermann/Alitalia Tz.
23). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (11. Dezember 2009
- X a ZR 76/07 = RRa 2010, 34) ergibt sich daraus, dass technische Defekte, wie
sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das
Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß
ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen
Luftfahrtunternehmens.
Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die
technischen Defekte, die im Streitfall zur Annullierung des Fluges geführt haben,
auf einem außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruhten.
Damit greift der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung hier nicht,
unabhängig davon, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um
die Annullierung zu vermeiden.
5. Soweit die Kläger darüber hinaus Ersatz ihnen entstandener vorgerichtlicher
Anwaltskosten beanspruchen, fehlt - abgesehen von einem Hinweis auf ein nicht
vorgelegtes oder inhaltlich vorgetragenes Schreiben „der Kläger“ vom 21. Februar
2008 - Vortrag zur näheren Konkretisierung erbrachter anwaltlicher Leistungen; die
Beklagte hat die Entstehung von Anwaltskosten bestritten. Bei dieser Sachlage
kommt die Zuerkennung eines entsprechenden Schadensanspruchs nicht in
Betracht.
6. Eine Verzinsung des zuerkannten Betrages mit dem gesetzlichen Zinssatz der §
291, 288 BGB kann erst seit Rechtshängigkeit der Klage angeordnet werden, weil
es auch hinsichtlich einer früheren Inverzugsetzung der Beklagten an
zureichendem Sachvortrag der Kläger fehlt.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 bzw. 713 ZPO.
8. Die Revision der Beklagten ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen,
weil die Rechtssache grundlegende Bedeutung hat.
Zu der Frage, ob für die auf Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7
(1) c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gerichtete Klage die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 21 ZPO begründet ist, wenn die
inländische Niederlassung des mit Hauptsitz außerhalb der Europäischen Union
ansässigen Flugreiseanbieters zumindest den Anschein eigener
Buchungsangebote erweckt und unterhält, ist bisher noch keine höchstrichterliche
Entscheidung ergangen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.