Urteil des AG Frankfurt am Main vom 20.02.2007

AG Frankfurt: karte, grobe fahrlässigkeit, bildschirm, anweisung, sperre, mobiltelefon, fremder, agb, nummer, verdacht

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Gericht:
AG Frankfurt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
31 C 3049/06 - 10,
31 C 3049/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 BGB, § 667 BGB, § 675
BGB, § 676 BGB
ec-Kartenmissbrauch: Grob fahrlässige Ermöglichung des
Missbrauchs einer ec-Karte durch Eingabe der Geheimzahl
in einen Geldautomaten im Ausland auf Anweisung eines
unbekannten Dritten
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger unterhielten bei der Beklagten bis zum 06.06.2006 ein gemeinsames
Girokonto mit der Kontonummer .... Beide verfügten jeweils über eine EC-Karte für
dieses Konto. Es galten die AGB der Beklagten, vgl. Bl. 22 d.A.
Am Samstag, den 29.04.2006, gegen 11:30 Uhr begaben sich die Kläger zur ...
Mallorca. Dort hatten beide Kläger bereits öfter Geld abgehoben. Die Bank hatte
an diesem Samstag ebenso wie am Sonntag sowie am Montag, den 01.05.2006,
geschlossen. Der Kläger zu 2) schob seine EC-Karte in den an der Außenwand der
Bank eingelassenen Geldautomaten ein. Nach einigen Minuten erschien auf dem
Bildschirm des Geldautomaten die Anzeige "Warning". Die EC-Karte kam aus dem
Automaten nicht mehr hinaus. Ein fremder Mann kam auf die Kläger zu und sprach
sie in deutscher Sprache an. Er bot ihnen sein Mobiltelefon an und stellte eine
Verbindung her.
Der Kläger zu 2) erhielt die Anweisung, in den Geldautomaten seinen PIN-Code
einzugeben, dann käme die Karte wieder heraus. Der Kläger zu 2) folgte den
Anweisungen, die Karte verblieb jedoch im Geldautomaten.
Erst am Morgen des 02.05.2006 suchten die Kläger die Bank wieder auf. Eine von
der Bank durchgeführte Prüfung des Geldautomaten förderte die Karte nicht
wieder zutage, es ließ sich auch nichts Auffälliges an dem Automaten feststellen.
Daraufhin rief die Klägerin zu 1) zuhause bei ihrer Tochter an und ließ die Karte des
Klägers zu 2) sperren. Die Sperre erfolgte um 9:00 Uhr. Gleichfalls am 02.05.2006
erstatten die Kläger Strafanzeige. Die Aufnahme der Anzeige gestaltete sich
schwierig, da die Kläger weder spanisch noch englisch sprachen und die
Polizeibeamten kein deutsch. Nach einem längeren Telefongespräch mit einer
Polizeistation in Madrid wurde ein Protokoll in spanischer Sprache erstellt, welches
der Kläger zu 2) unterzeichnete und von dem er eine Kopie ausgehändigt bekam,
vgl. Bl. 9 d.A.
In dem Zeitraum vom 29.04.2006, 11:53 Uhr bis zum 02.05.2006 um 2:16 wurden
vom Konto der Kläger unter Angabe der korrekten PIN insgesamt EUR 2.000,00 in
17 Teilbeträgen abgehoben, wobei für jede Abhebung ein Entgelt von EUR 4,50
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17 Teilbeträgen abgehoben, wobei für jede Abhebung ein Entgelt von EUR 4,50
erhoben wurde. Wegen weiterer Details wird auf die Aufstellung Bl. 11-15 d.A.
Bezug genommen. Eine Erstattung der insgesamt EUR 2.076,50 lehnte die
Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2006, eingegangen am 06.06.2006, endgültig
ab.
Die Kläger behaupten, die Telefonnummer sei auf dem Geldautomaten unter der
Anzeige "Warning" erschienen. Der Fremde habe das Mobiltelefon nach Herstellen
der Verbindung erst an den Kläger weitergegeben, dann aber, da der
Gesprächspartner nur gebrochen deutsch gesprochen habe, gedolmetscht.
Sie sind der Auffassung, sie hätten nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie hätten
lediglich, wie alle anderen Kunden auch, ihre Geheimzahl in den Geldautomaten
eingegeben.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger EUR 2.076,50
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab
dem 06.06.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass sich der Vorfall am 29.04.2006 anders abgespielt
habe. Die Telefonnummer habe nicht auf dem Bildschirm der Bank gestanden,
jedenfalls sei die gewählte Nummer nicht mit der angezeigten Nummer identisch
gewesen. Als der Automat die Karte angenommen und auf dem Bildschirm der
Schriftzug "Warning" erschienen sei, sei der fremde Mann erschienen und habe
gesagt, er habe die Telefonnummer von einem technischen Hilfsdienst. Der Mann
habe dort angerufen und die Anweisung, die der Gesprächspartner erteilt habe,
auf deutsch an die Kläger weitergegeben. Nach dieser Anweisung hätten die Kläger
zweimal die Null drücken müssen, dann die Stern- oder Rautetaste, dann die
Geheimzahl, dann wieder die Stern- oder Rautetaste und zum Abschluss zweimal
die Null. Dies hätten die Kunden mehrmals versucht. So hätten die Kläger den
Ablauf am 08.05.2002 der Mitarbeiterin der Beklagten ... geschildert. Auch aus
dem Protokoll der Strafanzeige ergebe sich, dass die Telefonnummer nicht auf
dem Bildschirm gestanden habe und die Kläger das Telefonat nicht selbst geführt
hätten.
Im Übrigen hätten die Kläger den Saldo bei Kontoauflösung in Kenntnis der
Zahlungsverweigerung der Beklagten hinsichtlich der hier streitgegenständlichen
Ansprüche anerkannt und seien schon von daher mit weiteren Ansprüchen
ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte Ansprüche weder gemäß §§ 667, 675 Abs. 1,
676f BGB noch aus Bereicherungsrecht. Denn die Beklagte hat gegen die Kläger
eigene Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB, die sie zu Recht in das
Kontokorrent einstellen und mit denen sie das Girokonto der Kläger belasten
durfte.
Die Kläger haften für die durch die missbräuchliche Verwendung der EC-Karte
entstandenen Schäden, weil diese auf der grob fahrlässigen Verletzung der
Sorgfalts- und der Mitwirkungspflichten der Kläger beruhen. Eines Rückgriffs auf die
von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze den gegen den Karteninhaber
sprechenden Anscheinsbeweises bedarf es hier nicht, da das Geschehen hier in
den wesentlichen Punkten feststeht. Auch einer Beweisaufnahme über die
zwischen den Parteien noch streitige Frage, ob die Telefonnummer auf dem
Bildschirm des Geldautomaten angezeigt wurde, bedarf es nicht, da selbst bei
einer Zugrundelegung des klägerseits vorgetragenen Sachverhalts von grober
Fahrlässigkeit in zweierlei Hinsicht auszugehen ist.
Zum einen verstößt es in erheblichem Maß gegen die dem Bankkunden
obliegenden Pflichten zum sorgfältigen Umgang mit seiner Geheimzahl, wenn er
diese auf bloßen Zuruf eines ihm bis dato unbekannten Dritten in einen
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diese auf bloßen Zuruf eines ihm bis dato unbekannten Dritten in einen
Geldautomaten eingibt, der ganz offensichtlich gestört ist und bei dem sich mithin
der Verdacht der Manipulation aufdrängen musste.
Denn vorliegend zeigte der Geldautomat nach dem Einschieben der Karte das
Wort "Warning" und gab die Karte nicht mehr heraus. Dies hätte bei einem
durchschnittlich sorgfältigen Bankkunden jedenfalls zu besonderer Vorsicht
hinsichtlich seines weiteren Vorgehens geführt. Im weiteren Ablauf haben sich aber
die Kläger geradezu leichtsinnig verhalten. Sie haben in der mündlichen
Verhandlung erklärt, der Fremde habe die Telefonverbindung hergestellt und in
wesentlichen Teilen auch das Gespräch geführt ("gedolmetscht"). Auf dessen
bloße Anweisung gaben sie dann die PIN in den gestörten Geldautomaten ein. Sie
haben sich weder durch eigenes Wählen noch durch anschließende Führung des
Gespräches versichert, dass die Anweisungen tatsächlich von einem autorisierten
Vertreter der Bank stammten. Vielmehr haben sie einem Fremden blind vertraut.
Ein solches Verhalten steht nach Ansicht des Gerichts einem Aufbewahren der PIN
in unmittelbarer Nähe der Karte, welches die typische Konstellation bei
missbräuchlichen Verfügungen unter Zuhilfenahme von entwendeten oder
sonstwie abhanden gekommenen EC-Karten darstellt, im Hinblick auf die
Einordnung als grobe Fahrlässigkeit gleich. Das Täuschungsmanöver des Fremden
zur Erlangung der PIN erinnert zudem derart an die inzwischen aus der Presse und
dem Fernsehen bekannten Phishing-Versuche, bei dem Personen versuchen,
Internetbanking-Kunden durch vermeintliche E-mail-Anfragen der Bank zur
Preisgabe ihrer PIN beziehungsweise ihrer sonstigen Zugangsdaten zu bewegen,
dass bereits deshalb äußerstes Mißtrauen gerechtfertigt gewesen wäre.
Selbst wenn in diesem Punkt eine andere Auffassung zu vertreten wäre, käme es
für das Ergebnis hierauf nicht an. Denn die Kläger haben jedenfalls grob fahrlässig
ihre Sorgfaltspflichten verletzt, indem sie den Verlust der Geldkarte trotz der
dubiosen Umstände, unter denen die Karte am Automaten eingezogen wurde und
trotz der Tatsache, dass die Karte auch nach Eingabe der PIN auf Anraten des
Fremden nicht herausgegeben wurde, erst drei Tage nach dem Verlust angezeigt
haben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei diesen
Tagen um das Wochenende und einen darauffolgenden Feiertag handelte. Es ist
allgemein bekannt, dass die Anzeige des Kartenverlusts und eine Kartensperre
rund um die Uhr durch einfachen Anruf bei dem Zentralen Sperrdienst möglich ist.
Die Kläger haben jedoch fast 72 Stunden zugewartet, bevor sie entsprechende
Schritte unternommen haben. Dies ist nicht mehr unverzüglich. Unverzüglich
bedeutet auch hier ohne schuldhaftes Zögern. Aufgrund der Vorgänge ("Warning",
Einzug der Karte, plötzlich hinzutretender "hilfreicher" Fremder, dessen Ratschläge
hinsichtlich der Eingabe der PIN zur Wiedererlangung der Karte nicht führten) hätte
sich der Verdacht, dass der Geldautomat zur Erlangung von Karte und PIN
manipuliert sein könnte, aufdrängen müssen. In diesem Fall hätte schnellstmöglich
noch am gleichen Tag eine Sperre veranlasst werden müssen. Diese hätte zwar
aller Wahrscheinlichkeit nicht die missbräuchlichen Verfügungen vom 29.04.2006
verhindert, aber jedenfalls die weiteren dreizehn Verfügungen der drei Folgetage.
Auch die AGB der Beklagten führen die nicht unverzügliche Sperre unter Ziffer 7
als mögliches Beispiel für grobe Fahrlässigkeit auf.
Die Klage war mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.