Urteil des AG Essen vom 12.09.2007

AG Essen: richterliche kontrolle, negative feststellungsklage, widerklage, hauptsache, anwaltshonorar, rechtsgutachten, ermessen, privatautonomie, vollstreckbarkeit, berechtigung

Amtsgericht Essen, 29 C 180/04
Datum:
12.09.2007
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 29 C
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
29 C 180/04
Tenor:
Die Klägerin und zugleich Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte
und zugleich Widerkläger 3.085,54 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-
Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.777,12 € seit dem 20.07.2003
und aus 308,33 € ab 03.01.2004 zu zahlen.
Die Klägerin und zugleich Widerbeklagte trägt die Kosten des
Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Beklagte und zugleich Widerklägerin gegen
Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils
jeweils zu vollstre-ckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten über die Berechtigung von Anwaltshonorar über von der Beklagten
und zugleich Widerklägerin erbrachte anwaltliche Tätigkeit.
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Die Beklagte und Widerklägerin ist eine Anwaltssozietät mit Sitz in C und einer
Niederlassung in L. Sie erhielt von der Klägerin und Widerbeklagten am 06.05.2002
zunächst den Auftrag beim Tribunal de Commerce M informationshalber Einblick in die
Gerichtsakte zu nehmen, die einen von einem belgischen Konkursverwalter gegen die
Klägerin und Widerbeklagte geführten Rechtsstreit betraf. Mit späteren Schreiben vom
22.05.2002 und 26.11.2002 erteilte die Klägerin und zugleich Widerbeklagte der
Beklagten und zugleich Widerklägerin dann genau Anweisungen, was in dem Verfahren
vorgetragen wird bzw. wie ein von der Beklagten und zugleich Widerklägerin zu
schließender und auch später geschlossener Vergleich abgefasst werden sollte.
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Die Parteien haben über die Art und Weise der Honorarberechnung ausführlich
korrespondiert uns sich zum Schluss auf eine Honorarberechnung aus Stundenbasis
geeinigt. Eine Streitwertpauschale sollte nur gezahlt werden, "wenn das Verfahren beim
Tribunal de Commerce M länger dauern sollte und dort umfangreiche Schriftsätze von
den Parteien gewechselt werden".
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Vereinbart war eine Abrechnung nach tatsächlichem Zeitaufwand auf Basis eines
Stundenhonorars von 144,00 € zuzüglich Auslagen.
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Zu Beginn des Mandats leistete die Klägerin und zugleich Widerbeklagte für das
Honorar der Beklagten und zugleich Widerklägerin auf eine Vorschussrechnung der
Beklagten und zugleich Widerklägerin vom 07.06.2002 eine Vorschusszahlung von
1.250,00 € zzgl. 200,00 € Mehrwertsteuer. Die Beklagte rechnete ihre anwaltliche
Tätigkeit sodann mit einer Rechnung vom 20.06.2003 über brutto 2.777,12 € und vom
01.12.2003 über weitere 308,33 € brutto ab.
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Über die Bezahlung dieser beiden Rechnungen ist zwischen den Parteien Streit
entstanden. Nach Auffassung der Klägerin und zugleich Widerbeklagten ist die Beklagte
für die erbrachten Leistungen durch den von der Klägerin geleisteten Vorschuss von
1.450,00 € bereits überbezahlt. Die Klägerin und zugleich Widerbeklagte bezweifelt
insoweit, dass die von der Beklagten und zugleich Widerklägerin in Ansatz gebrachten
Arbeitszeiten tatsächlich zur Bearbeitung der Angelegenheit der Klägerin und zugleich
Widerbeklagten aufgewandt worden sind. Weiterhin ist sie der Auffassung, dass es sich
um einen sehr einfachen gelagerten Fall gehandelt habe, für deren Erledigung die von
der Beklagten und zugleich Widerklägerin in Rechnung gestellten Arbeitszeiten bei
wirtschaftlicher und zügiger Arbeitsweise nicht notwendig gewesen wären. Mit der am
26.04.2004 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin und zugleich
Widerbeklagte deshalb beantragt, festzustellen, dass der Beklagten gegen die Klägerin
aus den Rechnungen der Beklagten vom 20.06.2003 und 01.12.2003 keine weitere
Forderung zusteht, als die von der Klägerin bereits gezahlten 1.450,00 €.
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Im Wege der Widerklage hat die Beklagte und zugleich Widerklägerin sodann die
Rechnungsbeträge in Höhe von 2.777,12 € und in Höhe von 308,33 € gegenüber der
Klägerin geltend gemacht. Im Termin vom 01.12.2004 haben die Parteien daraufhin die
Hauptsache bezüglich des Feststellungsantrags aus der Klageschrift vom 23.04.2004
übereinstimmend für erledigt erklärt. Gemäß Beschluss vom 04.05.2005 hat das Gericht
zum Inhalt des hier für die Vertragsparteien geltenden belgischen Rechts ein Gutachten
des Prof. Dr. E eingeholt. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. E
vom 13.04.2007 Bezug genommen.
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Bezüglich des weiteren Akteninhalts wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze und auf die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug
genommen.
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Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren
einverstanden erklärt.
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Entscheidungsgründe:
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Nachdem die Parteien die Hauptsache bzgl. der von der Klägerin und zugleich
Widerbeklagte ursprünglich erhobenen negativen Feststellungsklage übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, war nur noch über die Widerklage zu entscheiden.
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Die Rechtsbeziehungen der Parteien richten sich, jedenfalls bzgl. des materiellen
Rechts gemäß Artikel 28 Abs. 1, 2 EGBGB nach belgischem Recht. Dies beruht darauf,
dass die Klägerin und zugleich Widerbeklagte der mit ihrem Haupt-) Sitz in M und somit
Belgien ansässigen Beklagten und zugleich Widerklägerin das Mandat erteilt hat für die
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Klägerin und zugleich Widerbeklagte in einem vor dem Handelsgericht M geführten
Verfahren für die Klägerin und zugleich Widerbeklagte tätig zu werden. Hieraus ergibt
sich, dass der Anwaltsvertrag, der hier zwischen den Parteien zustande gekommen ist,
seine engste Verbindung zum belgischen Recht aufweist. Bezüglich des der Beklagten
und zugleich Widerklägerin gegenüber der Klägerin zustehenden anwaltlichen
Honorars ist somit von Art. 459 COde judiciaire auszugehen. Nach Artikel 459 Abs. 1 CJ
setzen die Rechtsanwälte ihre Honorare mit der Rücksichtnahme fest, die man von
ihrem Amt erwarten muss. Jede Honorarvereinbarung, die an den Ausgang des
Rechtsstreits geknüpft wird, ist ihnen untersagt. Hieraus ergibt sich, dass ein
Rechtsanwalt sein Honorar grundsätzlich nach Ermessen festsetzt. Es handelt sich
dabei um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Dabei kann der Rechtsanwalt
auch auf Stundenbasis abrechnen. Insoweit ist im vorliegenden Fall zunächst zu
berücksichtigen, dass hier zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Höhe des
in Ansatz zu bringenden Stundensatzes getroffen ist, deren Wirksamkeit, auch was die
Höhe des Stundensatzes betrifft, auch von der Klägerin und zugleich Widerbeklagten
angezweifelt wird. Wie in dem vom Gericht eingeholten Rechtsgutachten dargelegt ist,
herrscht Einigkeit dahingehend, dass die richterliche Kontrolle der einseitigen
Leistungsbestimmung nur marginal ist und sich nur auf eine Herabsetzung deutlich
übertriebener Forderungen beschränken soll. Diese nur eingeschränkte Überprüfbarkeit
gibt der anwaltlichen Privatautonomie Raum und ist auch vom deutschen Richter zu
beachten.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nach der Auffassung des erkennenden
Gerichts die Widerklageforderung Beklagten und zugleich Widerklägerin begründet. Die
Beklagte und zugleich Widerklägerin hat durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen
im Einzelnen dargelegt, welche Arbeitszeit hier konkret zur Bearbeitung der ihr von der
Klägerin und zugleich Widerbeklagten übertragenen Angelegenheiten angefallen ist.
Aus den von der Beklagten und zugleich Widerklägerin vorgelegten Unterlagen ergibt
sich weiterhin, welche Tätigkeit von der Beklagten und zugleich Widerklägerin zur
Erledigung der ihr übertragenen Angelegenheit erforderlich waren. Demgegenüber hat
die Klägerin und zugleich Widerbeklagte nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass
die Beklagte und zugleich Widerklägerin ihre Leistungen bei effektiver Arbeitsweise mit
einem wesentlich geringen Zeitaufwand hätte erbringen können. Aus den von der
Beklagten und zugleich Widerklägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die
Tätigkeit der Beklagten und zugleich Widerklägerin im Gegensatz zur Darlegung der
Klägerin und zugleich Widerbeklagten nicht nur in einer "Abwicklungsassistenz" bei der
Unterzeichnung eines bereits ausgehandelten Vergleichs bestanden hat, sondern dass
bevor es zum Abschluss des Vergleichs kam, weitere umfangreiche – vorbereitende –
Tätigkeiten der Beklagten und zugleich Widerklägerin erforderlich waren. Dies ergibt
sich auch aus dem zwischen den Parteien gewechselten Schreiben, durch die die
Klägerin über diese Tätigkeiten der Beklagten und zugleich Widerklägerin ausführlich
informiert worden ist.
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Hieraus ergibt sich, dass der Beklagten und zugleich Widerklägerin gegenüber der
Klägerin und zugleich Widerbeklagten ein Anspruch bzgl. des mit der Widerklage
geltend gemachten anwaltlichen Honorars zusteht.
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Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO soweit die Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, trägt die Klägerin und zugleich
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Widerbeklagte die Kosten des Rechtsstreits. Da die Widerklage begründet ist, ergibt
sich hieraus, dass die negative Feststellungsklage der Klägerin und zugleich
Widerbeklagten, die sich gegen die von der Beklagten und zugleich Widerklägerin im
Wege der Widerklage gerichteten Ansprüche richtete, von vornherein unbegründet war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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