Urteil des AG Essen vom 19.11.1996

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Amtsgericht Essen, 9 C 258/94
Datum:
19.11.1996
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 9
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 C 258/94
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 1 500,00 DM abzuwenden, wenn nicht
die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
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Zwischen den Parteiein besteht ein vieljähriges Mietverhältnis. Bis Ende 1993 unterlag
die von den Beklagten gemietete Wohnung der Mietpreisbindung. Im Dezember 1993
war der Mietzins erhöht worden. Es wird insoweit auf die Kopien der
Erhöhungsschreibens und der Wirtschaftlichkeitsberechnung Bl. 42 ff. der Akten
verwiesen. Am 14.06.94 richtete die Klägerin an die Beklagte ein
Mieterhöhungsschreiben, wegen dessen Inhalt auf Bl. 7 ff. der Akten verwiesen wird.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettomiete für die Wohnung T-
Straße in ##### Essen, 3. OG. links, von bisher monatlich DM 324,65 netto
auf nunmehr monatlich DM 470,65 netto mit Wirkung ab dem 01.09.94
zuzustimmen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten meinen, die Kappungsgrenze nach § 2 MHG sei nicht eingehalten. Sie
bestreiten die Einordnung der Wohnlage. Wegen des übrigen Vortrages wird auf die
Klageerwiderung Bl. 15 ff. der Akten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unzulässig.
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I.
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Die besondere Prozessvoraussetzung für Mieterhöhungsklagen nach § 2 I Nr. 1 MHG
liegt nicht vor. Die Klägerin hat bei ihrem Mieterhöhungsbegehren vom 14.06.94 die
einjährige Wartefrist nicht eingehalten. Hierauf hat das Gericht im letzten
Verhandlungstermin hingewiesen.
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Bis Ende 1993 unterlag die Wohnung der Beklagten der Preisbindung. Am 17.12.93 war
bereits einmal der Mietzins erhöht worden.
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Die Behandlung eines Mieterhöhungsbegehrens, welches vor Ablauf eines Jahres nach
einer Mieterhöhung noch unter Preisbindung an die Mieter gerichtet wird, ist streitig.
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Teilweise wird unter Hinweis auf eine teleologische Reduktion vertreten, dass die
Wartefrist in diesem Falle nicht eingehalten zu werden braucht. Die Sperrfristenregelung
könne sich nur auf allgemeine Mieterhöhungen im Rahmen des Anwendungsbereichs
des MHG beziehen (vgl.: Barthelmess, 5. Auflage, § 2 MHG Rdnr. 19a, m.w.N.).
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Demgegenüber vertritt die wohl h. M., dass eine solche Mieterhöhung entweder generell
unzulässig ist oder jedenfalls dann unzulässig sein soll, wenn die Mieterhöhung, die
noch unter Preisbindung stattfand aus anderen als den mit Mieterhöhung nach den §§ 3-
5 MHG vergleichbaren Gründen stattfand (vgl.: Sternel, 3. Aufl., S. 884; OLG Hamm,
Beschl. v. 15.03.95, - 30 RE Miet 3/94).
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Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Für eine teleologische Reduktion
finden sich keinerlei Anhaltspunkte im Gesetz. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die
Jahresfrist generell einzuhalten, es sei denn die vorhergehende Mieterhöhung fand
unter Anwendung der §§ 3-5 MHG statt. Eine solche Mieterhöhung kam hier allerdings
nicht in Betracht, weil das Gebäude noch der Preisbindung unterlag. Es ist aber dann
sachgerecht, eine Mieterhöhung vor Ablauf der Jahresfrist nur zuzulassen, wenn die
vorhergehende Mieterhöhung aus vergleichbaren Gründen stattfand. Es ist kein Grund
ersichtlich, den Mietern, bei deren Wohnraum die Preisbindung gerade ausgelaufen ist,
weniger Schutz zu gewähren, als Mietern, bei denen überhaupt keine Preisbindung
vorlag oder schon längere Zeit zurückliegt.
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Die Mietzinserhöhung vom Dezember 1993 fand nur zum Teil aus Gründen, die den §§
3-5 MHG vergleichbar sind, statt. Jedenfalls die Positionen der
"Wirtschaftlichkeitsberechnung", welche den Mieterhöhungsschreiben vom Dezember
1993 beigefügt war, "Verwaltungskosten", "Instandhaltungskosten" und
"Mietausfallwagnis" können nicht den §§ 3-5 MHG zugeordnet werden. Bei den
Instandhaltungskosten ist nicht ersichtlich, dass es sich um "Modernisierungen" i. S. von
§ 3 MHG handelt. Desgleichen sind die Abschreibungskosten den genannten
Vorschriften nicht zuzuordnen. Zwar ist die Mieterhöhung nur teilweise mit den
genannten Umständen begründet. Die hindert jedoch bereits eine Mieterhöhung vor
Ablauf der Jahresfrist. Nur wenn die gesamte Mieterhöhung aus den §§ 3-5 MHG
vergleichbaren Gründen erfolgt, wäre die Wartefrist nicht einzuhalten gewesen. Dies
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ergibt sich aus der oben geschilderten Auslegung.
Darauf, ob gegebenenfalls eine Ausnahme nach § 242 BGB zu machen ist, wenn nur
ein völlig geringer Teil der Mieterhöhung unter Preisbindung nicht den §§ 3-5 MHG
entspricht, braucht nicht eingegangen zu werden. Die hier in Frage stehenden
Positionen begründen die frühere Mietzinsanhebung nicht bloß erheblich.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO:
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