Urteil des AG Essen vom 01.04.2010

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Amtsgericht Essen, 20 C 554/09
Datum:
01.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Essen
Spruchkörper:
Abt. 20 C
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 C 554/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch darf der Kläger die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils beitreibbaren Betrags geleistet hat.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Eigentümer des Fahrzeugs ### mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX.
Das Fahrzeug, das erstmalig am 28.03.03 zum Straßenverkehr zugelassen wurde, ist
bei der Beklagten kaskoversichert. Es besteht eine Selbstbeteiligung von 150,00 €.
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Am 17.02.09 brachen unbekannte Täter gegen 18.00 Uhr in das auf der C Straße in
Höhe der Nummer # abgestellte Fahrzeug und entwendeten Navigationsgerät, Lenkrad
und Beleuchtungsteile. Der Kläger erstattete ausweislich der aus der Anlage zur Klage
ersichtlichen Bescheinigung über die Erstattung einer Anzeige am 18.02.09 auf der
Polizeiwache in H Strafanzeige. Der Täter konnte nicht ermittelt werden.
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Der Kläger führte sein Fahrzeug der ###-Vertragshändlerin Fa. B vor, die es am
10.03.09 nach Maßgabe der Rechnung vom 25.03.09 in der Anlage zur Klageschrift
(Blatt 5 – 8 der Gerichtsakten) reparierte. Zu den mit 6.357,46 € brutto in Rechnung
gestellten Kosten gehören die Kosten für ein neues Navigationssystem in Höhe von
2.146,76 € und das dazugehörige Gehäuse in Höhe von 661,64 €. Die Beklagte
regulierte die Reparaturkosten gemäß ihrem Abrechnungsschreiben vom 14.04.09 in
der Anlage B 1 zur Klageschrift (Blatt 21 der Gerichtsakten) bis auf die Kosten für das
Navigationssystem und das Gehäuse. Sie holte das der Anlage B 1 zur Klageschrift
(Blatt 22 – 24 der Gerichtsakten) zu entnehmende Gutachten der IG D vom 07.05.09 ein
und regulierte sodann einen Betrag von 730,85 €.
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Der Kläger gibt sich mit dieser Schadensregulierung nicht zufrieden. Ausgehend von
den Reparaturkosten in Höhe von 6.357,46 € begehrt er nach Abzug der
Selbstbeteiligung von 150,00 € und den von der Beklagten erbrachten
Gesamtleistungen in Höhe von 4.129,91 € eine weitere Entschädigung von 2.077,55 €.
Er behauptet, die in Rechnung gestellten Kosten seien für die ordnungsgemäße
Wiederherstellung des Navigationsgeräts erforderlich, und meint:
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Ihm könne nicht vorgehalten werden, dass er bei der Erteilung des Auftrages an die
Firma Fa. B wegen des Navigationsgeräts nicht im Internet recherchiert habe. Eine
solche Internetrecherche sei nicht durchzuführen, weil sie unzumutbar sei. Wollte man
von dem Versicherungsnehmer eine solche Recherche verlangen, so dürfe eine solche
Recherche nicht auf die Ersatzbeschaffung des Navigationsgeräts beschränkt sein,
vielmehr müsse bei allen zur Reparatur verwendeten Teilen eine solche Recherche
betrieben werden, was offensichtlich niemand beabsichtige.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.077,00 € nebst
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.09 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint:
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Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag gebe dem Kläger kein
Recht, eine Entschädigung für den Einbau eines nagelneuen Navigationssystems zu
verlangen. Aus dem von ihr eingeholten Gutachten ergebe sich, dass es sehr wohl
einen Markt für Gebrauchtgeräte gebe, über den der Kläger auch Ersatz für das
entwendete Navigationssystem hätte erhalten könne. Selbst heute noch böten Händler
zu günstigen Preisen gebrauchte Geräte an. Unter diesen Umständen könne der Kläger
eine Entschädigung nur in Höhe desjenigen Betrages verlangen, der dem
Wiederbeschaffungswert entspreche. Dieser Wiederbeschaffungswert sei von ihr
zutreffend mit 730,85 € ermittelt worden. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht das
Vorhandensein eines Marktes bestreite, sondern lediglich seine Pflicht zu
entsprechender Recherche verneine, gelangte man zu keinem anderen Ergebnis, wenn
es den Gebrauchtgerätemarkt nicht geben würde. Denn in diesem Falle müsste sich der
Kläger einen Abzug "neu für alt" gefallen lassen, der bei dem sechs Jahre alten
Fahrzeug unter Berücksichtigung einer degressiven Abschreibung von 25 % pro Jahr
dazu führe, dass das Gerät praktisch keinen Wert habe, jedenfalls keinen Wert, der den
regulierten Betrag von 730,85 € überschreite.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach dem unstreitigen Sachverhalt ein über den
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regulierten Betrag von 730,85 € hinausgehender Entschädigungsanspruch gemäß §§
12 Nummer 1 I b, 13 Nummer 1 a, Nummer 4 und Nummer 5 AKB (Anlage B 4 zur
Klageerwiderung, Blatt 29 der Gerichtsakten) nicht zu.
Der Versicherungsfall ist zwischen den Parteien unstreitig. Dass ein Fahrzeugteil im
Sinne von § 13 Nummer 1 a AKB entwendet worden ist, stellt die Beklagte nicht in
Abrede.
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Der Entschädigungsanspruch des Klägers beschränkt sich aber gemäß § 13 Nummer 1
a AKB auf den Wiederbeschaffungswert. Diesen Wiederbeschaffungswert hat die
Beklagte nach der Schätzung des Gerichts, die es gemäß § 287 Absatz 2 und 1 ZPO
vornimmt, zutreffend mit 730,85 € ermittelt.
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Der Wiederbeschaffungswert bestimmt sich nach der Höhe der Aufwendungen, die der
Versicherungsnehmer für den Erwerb gleichwertiger Teile aufwenden muss, woraus
sich ergibt, dass der Versicherungsnehmer gerade keinen Anspruch auf neuwertigen
Ersatz hat (vergleiche zuletzt LG Essen, Urteil vom 28.01.10 – Aktenzeichen: 10 S
379/09 -).
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Der Wiederbeschaffungswert eines Gerätes hat sich danach zu richten, ob es einen
Markt für die beschädigte Sache gibt und welche Wertschätzung die beschädigte Sache
auf diesem Markt erhält. Fehlt ein Gebrauchtgerätemarkt, so ist grundsätzlich ein Abzug
"neu für alt" vorzunehmen. Ob die Beklagte hier einen solchen Abzug "neu für alt"
vornehmen darf, kann dahinstehen. Denn nach dem unstreitigen Sachverhalt gibt es für
Geräte der vorliegenden Art einen Gebrauchtgerätemarkt. Die Beklagte hat ein von dem
Kläger nicht bestrittenes Gutachten der Firma D vom 07.05.09 vorgelegt, dem zu
entnehmen ist, dass solche Geräte bei eBay mit einem Betrag zwischen 450,00 € und
539,00 € und bei einem Gebrauchtgerätehändler (B 24) neuwertig für 799,00 € brutto
angeboten werden.
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Die Beklagte macht ferner darauf aufmerksam, dass Gebrauchtgeräte auch über den
Vertragshändler, insbesondere über ### und ###, bezogen werden können. Das Gericht
verkennt nicht, dass bei der Bestimmung eines Marktes nicht jedes Angebot
herangezogen werden kann, sondern nur ein solches, das als "seriös" zu bewerten ist.
Dem von der Beklagten unter Hinweis auf das Gutachten der Firma D vom 07.05.09
aufgewiesenen Markt ist jedoch diese Seriosität nicht abzusprechen. Dies gilt nicht nur
für Lieferanten, wenn es sich bei ihnen um die Vertragshändler handelt, sondern auch
um Händler, die ihr Geschäft online betreiben, zum Beispiel die Firma B 24. Das
Argument – der Kläger verweist nicht einmal darauf -, dass für gebrauchte Geräte keine
Gewährleistung übernommen wird, hätte nur eine beschränkte Richtigkeit. Wer wie der
Kläger sogenannter Verbraucher ist, behält im Hinblick auf § 475 Absatz 1 BGB seinen
gesetzlichen Gewährleistungsanspruch. Hier kommt aber hinzu, dass angesichts des
Alters des Fahrzeugs und des Navigationsgeräts jegliche Gewährleistungsfrist für das
alte Gerät ohnehin längst abgelaufen war.
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Soweit der Kläger geltend macht, er sei zur Internetrecherche nicht verpflichtet, ist dies
nur beschränkt richtig. Da der Wiederbeschaffungswert des entwendeten
Navigationsgeräts von vornherein nur nach den Maßstäben des dafür existierenden
Marktes zu bewerten ist, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diesen Markt für sich
entdeckt hat. Entscheidend ist die Bewertung des Marktes. Ob in diesem
Zusammenhang Zumutbarkeitsgrundsätze eine Rolle spielen, kann offen bleiben.
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Jedenfalls ist es dem Kläger nicht unzumutbar, sich bei seinem ###-Händler vor
Durchführung der Reparatur danach zu erkundigen, ob die Möglichkeit des Einbaus
eines gleichwertigen, also gebrauchten, Gerätes – so die vereinbarten AKB – gibt.
Wenn der Kläger beanstandet, dass für die reparierten Fahrzeugteile und das
ausgetauschte Navigationsgerät unterschiedliche Rechtsgrundsätze angewendet
würden, weil niemand auf den Gebrauchtteilemarkt verweise, soweit es um die
reparierten Teile geht, übersieht er, dass es bezüglich des Navigationsgeräts um den
Verlust eines Teiles geht, für das die Entschädigung nach Maßgabe des § 13 Nummer 1
a und 4 AKB zu berechnen ist. Teile, für deren Verlust der Versicherer aufzukommen
hat, werden nach dem Wiederbeschaffungswert berechnet. Dagegen gilt bei
beschädigten Fahrzeugteilen die Regel des § 13 Nummer 5 AKB, wonach die
Wiederherstellungskosten zu ersetzen sind und auf einen Abzug "neu für alt" verzichtet
wird.
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Das Gericht veranschlagt den Wiederbeschaffungswert des Navigationsgeräts für den
PKW ###, der im Zeitpunkt der Entwendung ca. sechs Jahre alt war, unter
Heranziehung des Gutachtens der Firma D vom 07.05.09 mit 730,85 €. Wenn bei der
Firma B 24 zum Vorfallzeitpunkt ein gleichwertiges Gerät im neuwertigen Zustand für
799,00 € brutto zu erhalten war, so ist der von der Beklagten berechnete Wert von
730,85 € angemessen bemessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Händlerin
sogar eine zwölfmonatige Gewährleistung auf das generalüberholte Gerät gewährt,
obwohl bei dem alten entwendeten Gerät jegliche Gewährleistungsfrist bereits verfallen
war.
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Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nummer
11, 711 ZPO.
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