Urteil des AG Essen-Borbeck vom 23.03.2009

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Amtsgericht Essen-Borbeck, 6 C 287/08
Datum:
23.03.2009
Gericht:
Amtsgericht Essen-Borbeck
Spruchkörper:
Amtsrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 C 287/08
Normen:
§§ 611, 675 BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Leitsätze:
Pflichtverletzung/Aufklärungspflichten bei Bestehen einer
Rechtschutzversicherung; Eintrittspflicht der Rechtschutzversicherung
Tenor:
hat das Amtsgericht Essen-Borbeck
auf die mündliche Verhandlung vom 23.03.2009
durch die Richterin am Amtsgericht N
für Recht er¬kannt:
Der Beklagte wird ver¬ur¬teilt,
an den Kläger 399,72 Euro (in Wor¬ten: dreihundertneunundneunzig
Euro und zweiundsiebzig Cent) nebst Zin¬sen in Höhe von 5
Pro¬zent¬punk¬ten über dem je¬wei-li¬gen Ba¬sis¬zins¬satz seit dem
06.09.2008 zu zah¬len.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der beklagten Partei auferlegt.
Das Ur¬teil ist vor¬läu¬fig vollstreck¬bar.
Ohne
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Vergütung seiner
vorgerichtlichen Tätigkeit zu. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 611, 675 BGB.
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Unstreitig beauftragte der Beklagte den Kläger, seine rechtlichen Interessen im
Zusammenhang mit einer Kündigung zunächst außergerichtlich wahrzunehmen.
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Aufgrund dieser Beauftragung ist eine 1,3 Geschäftsgebühr angefallen, die jedoch zu
0,65 auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird. Zutreffend hat der Kläger die
Geschäftsgebühr ausgehend von einem Gegenstandswert von EUR 9.900,00 ermittelt.
Der Anspruch des Klägers scheitert auch nicht an einer irgendwie gearteten
Pflichtverletzung. Denn eine Pflichtverletzung ist dem Kläger nicht vorzuwerfen.
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Die Pflicht zur Aufklärung über die zu erwartenden Kosten hat der Kläger nicht verletzt.
Ausweislich der Mandatsbedingungen (dort Ziffer 2) hat der Kläger den Beklagten
darüber aufgeklärt, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert
richten. In der "Belehrung zu Rechtsschutzversicherungen", die der Beklagte ebenfalls
gegen gezeichnet hat, ist weiter die Belehrung enthalten, dass für die außergerichtliche
Tätigkeit eine Geschäftsgebühr anfällt.
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Auch liegt keine Aufklärungspflichtverletzung im Hinblick auf die
Rechtschutzversicherung des Beklagten vor.
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Eine entsprechende Pflichtverletzung des Klägers liegt schon deshalb nicht vor, weil der
Kläger den Beklagten zum einen durch die "Belehrung zu Rechtsschutzversicherungen"
ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass einzelne Rechtsschutzversicherungen die
Auffassung vertreten, dass im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung sofort
Prozessauftrag erteilt werden müsse.
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Zum anderen aber dürfte dem Beklagten selbst wenn eine Belehrung unterblieben wäre
(und man darin eine Pflichtverletzung sehen würde) ein Schaden nicht entstanden sein,
da nach diesseitiger Auffassung die Rechtsschutzversicherung des Beklagten
eintrittspflichtig wäre.
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Auch unter Berücksichtigung des für den Rechtschutzversicherungsvertrag des
Beklagten geltenden § 17 Abs. 5 lit. c) cc) ARB 2000 ergibt sich nichts anderes. Danach
folgt allein, dass der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden hat, was eine unnötige
Erhöhung der Kosten [...] verursachen könnte. Dies gilt jedoch nur, soweit die Interessen
des Versicherungsnehmers nicht unbillig beeinträchtigt werden. Eine solche unbillige
Beeinträchtigung läge aber vor, wenn der Versicherungsnehmer in jedem Fall sofort
Klage erheben und sich mit seinem (bei unwirksamer Kündigung auch zukünftigen)
Arbeitgeber gerichtlich auseinandersetzen müsste. Die Möglichkeit, die Angelegenheit –
gerade im Interesse der weiteren Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber – ohne großen
Aufwand und ohne große Aufmerksamkeit aus der Welt zu schaffen, wäre dem
Versicherungsnehmer von Anfang an genommen. Dies ist unbillig und kann auch nicht
damit begründet werden, dass ein außergerichtliches Vorgehen regelmäßig keinen
Erfolg hat. Ein solcher Erfahrungssatz besteht nicht. Darüber hinaus wäre eine solche
Argumentation schon deshalb unzulässig, weil jeder Einzelfall anders gelagert ist.
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Im Übrigen entspricht der Versuch einer vorherigen außergerichtlichen Beilegung eines
Rechtsstreits in vollem Umfang der Intention des Gesetzgebers. Dieser stellt die gütliche
Beilegung eines Rechtsstreits zur Vermeidung von gerichtlichen Verfahren ganz
eindeutig in den Vordergrund. Hierzu setzt sich eine Rechtsschutzversicherung, die für
das zunächst außergerichtliche Vorgehen des Versicherungsnehmers nicht einstehen
will, in klaren Widerspruch.
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Es werden durch ein vorheriges außergerichtliches Vorgehen die Kosten letztlich auch
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nicht "unnötig erhöht". Denn die Kosten sind nicht höher, sondern sogar geringer, wenn
das außergerichtliche Vorgehen erfolgreich ist. Ob das Vorgehen letztendlich Erfolg hat
oder nicht, stellt sich naturgemäß erst hinterher heraus. Die Frage, ob durch ein
Vorgehen "unnötige" Kosten verursacht werden, kann aber in diesem Zusammenhang
allein aus einer ex-ante-Sicht und nicht aus einer ex-post-Sicht beurteilt werden. Gerade
im vorliegenden Fall, in dem die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung auf
der Hand lag, war die Erfolgsaussicht eines außergerichtlichen Vorgehens und der
damit einhergehenden Vermeidung eines Rechtsstreits unzweifelhaft gegeben.
Nach alledem steht dem Kläger der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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