Urteil des AG Eschweiler vom 14.07.2005

AG Eschweiler: allgemeine geschäftsbedingungen, verbraucher, veranstaltung, widerrufsrecht, kündigung, mietvertrag, probezeit, unternehmer, anschrift, vollstreckung

Amtsgericht Eschweiler, 26 C 93/05
Datum:
14.07.2005
Gericht:
Amtsgericht Eschweiler
Spruchkörper:
Abt. 26
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 C 93/05
Schlagworte:
Unwirksamkeit eines Fitnessvertrages
Normen:
§§ 535, 312, 355, 307 Abs. 1 BGB
Leitsätze:
1. Gewinnt ein Kunde ein Probeabonnement im Rahmen einer
Veranstaltung vor einem Einkaufscenter und wird ihm dann ein Vertrag
zur Unterschrift bei Einlösung des Probetrainings zur Unterschrift
vorgelegt, so kann er diesen Vertrag auch nach Ablauf der Probezeit
widerrufen, wenn er über sein Widerrufsrecht nicht belehrt wurde.
2. Zur Unwirksamkeit einer Gesamtfälligkeitsklausel in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen eines Fitnessstudios.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die
beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin betreibt unter der im Rubrum angegebenen Anschrift ein
Großraumfitnesscenter.
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Die Klägerin veranstaltete mehrfach, in der Regel vor Einkaufszentren "Verlosungen",
bei denen Probeabos oder Getränkegutscheine gewonnen werden konnten. An einer
dieser Auslosungen nahm auch der Beklagte teil und gewann ein unverbindliches,
zweiwöchiges Probetraining. Um dieses Probeabo einzulösen, begab er sich am
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24.06.2004, kurze Zeit nach der Verlosung, in die Geschäftsräume der Klägerin. Er
unterzeichnete dort einen Vertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten. 14tägig sollte ein
Beitrag von 22,00 € von seinem Konto abgebucht werden. Daneben fielen eine
Bearbeitungsgebühr von 49,50 € und eine jährliche Trainingspauschale in derselben
Höhe an, sowie Kosten für eine VIP-Karte in Höhe von 4,50 €.
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In dem von ihm unterzeichneten Formular heißt es unter anderem:
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Vorteilsabo! Der Trainierende hat einen kostenlosen Trainingszeitraum von 2
Wochen. Es gibt innerhalb dieses Zeitraumes die Möglichkeit von der
Mitgliedschaft zurückzutreten. Dies kann durch einfache schriftliche Erklärung
bis zum 8/7.04 erklärt werden. Das Abo beginnt ansonsten nach diesem
Zeitpunkt. Da ein Rücktrittsrecht besteht, wird als Laufzeit das Selection Abo (24
Monate) gewählt. Der Trainierende kann innerhalb dieser Frist anstatt des
Rücktrittes auch eine andere Laufzeit wählen.
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Am 19.07.2004 sollte die erste Abbuchung erfolgen.
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Mit Schreiben vom 31.08.2004 "kündigte" der Beklagte den Vertrag. Mit Schreiben vom
04.10.2004 focht er ihn zusätzlich wegen arglistiger Täuschung an. Mit Schriftsatz vom
20.06.2004 hat der Beklagte im vorliegenden Verfahren den Vertrag außerdem
widerrufen und mit Schriftsatz vom 29.06.2005 unter Hinweis auf ein ärztliches Attest
gekündigt.
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Die Klägerin begehrt nun nach einem Zahlungsverzug von 8 Wochen die Bezahlung der
gesamten Restlaufzeit. Vorliegend setzt sich ihre Forderung wie folgt zusammen:
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52 Zahlungen á 22,00 € 1.144,00 €,
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Bearbeitungsgebühr in Höhe von 49,50 €
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und 2 Trainingspauschalen von 99,00 €,
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mithin insgesamt 1.292,50 €.
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Darüber hinaus begehrt sie Mahnkosten in Höhe von 10,00 € und die halben
außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 88,25 €, gemessen an einem Streitwert
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von 1.292,50 € incl. Auslagenpauschale von 20,00 €.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.292,50 € nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.01.2005 sowie 18,00 € und 88,25 € zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, arglistig getäuscht worden sein. Man habe ihn veranlasst, das Formular zu
unterschreiben mit der Behauptung, daß dies aus versicherungstechnischen Gründen
notwendig sei.
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Vor dem erkennenden Gericht und anderen Zivilabteilungen sind eine Vielzahl von
gleichgelagerten Verfahren anhängig gemacht worden.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht kein Anspruch aus dem Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 2 BGB gegen
den Beklagten zu.
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Es handelt sich um einen Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB. Inhaltlich betrifft die
Vereinbarung zwischen den Parteien eine Gebrauchsüberlassung für die Dauer von 24
Monaten. Die ebenfalls vereinbarten Dienstleistungselemente haben untergeordneten
Charakter, so dass der Vertrag insgesamt nach Mietrecht zu beurteilen ist (vgl. dazu LG
Mönchengladbach NJW-RR 2004, 416 m. w. N.).
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Der Vertrag wurde rechtzeitig widerrufen, so dass er unwirksam ist.
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Das Vertragsformular sieht grundsätzlich eine Rücktrittsmöglichkeit vor. Diese entspricht
allerdings nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Beklagte ist nicht an die in der
Klausel festgelegte Frist bis zum 08.07.2004 gebunden und hat deshalb den Widerruf
noch rechtzeitig erklärt. Es bestand ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 312 Abs.
1 Ziffer 3, 355 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Bei dem Vertrag handelt es sich um einen
sogenanntes Haustürgeschäft im Sinne der Vorschrift. Zweck dieser Norm ist es, den
Verbraucher vor Verträgen zu schützen, die auf Überrumpelung und übereilten
Entschlüssen beruhen (BGH NJW 1992, 1889). Zielrichtung ist die Vermeidung der
Bindung des Verbrauchers an rechtsgeschäftliche Erklärung in einer Situation in der für
ihn der Geschäftszweck hinter die vom Veranstalter herbeigeführte freizeitliche
Stimmung und Erwartungshaltung zurücktritt. Es soll verhindert werden, dass attraktive
Leistungen des Veranstalters die mit seinem eigentlichen Angebot nicht in
Zusammenhang stehen, den Kunden über den Kaufzweck der Veranstaltung
hinwegsehen lassen und für die Absichten des Unternehmers gewogen machen, wobei
die Auswahl von Zeit und Ort der Veranstaltung es den Kunden erschwert, sich den
Verkaufsbemühungen zu entziehen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 433). Insbesondere
sind hierunter auch Verträge zu fassen, für deren Leistungen beim Verbraucher keiner
echter Bedarf besteht.
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Unzweifelhaft handelt es sich hier um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer, der
Klägerin, und einem Verbraucher, dem Beklagten. Dieser Vertrag hatte auch eine
entgeltliche Leistung zum Gegenstand.
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Weiterhin wurde der Vertrag im Sinne von § 312 Abs. 1 Nr. 2 und 3 im Rahmen einer
Freizeitveranstaltung geschlossen, die der Unternehmer zumindest auch in seinem
Interesse durchführte. Dabei muß für den Verbraucher aufgrund der Art und
Durchführung der Veranstaltung das Freizeiterlebnis im Vordergrund stehen (Palandt-
Heinrichs BGB, § 312, Rnr. 16) und der Unterhaltungswert muß vom Werbe- und
Verkaufszweck der Veranstaltung ablenken. Als Beispiel hierfür werden auch Gewinn-,
Abholungs-Veranstaltungen genannt (OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 433). Die
Veranstaltung kann dabei auch in den Räumen des Unternehmers stattfinden (BGH
NJW-RR 1991, 1524). Notwendig ist jedenfalls ein enger zeitlicher, räumlicher und
sachlicher Bezug zwischen der Veranstaltung und der Abgabe der Willenserklärung des
Verbrauchers. Sofern dieser vorliegt, besteht für die Kausalität ein Anscheinsbeweis
(Palandt-Heinrichs, BGB, § 312, Rnr. 20).
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Vorliegend wurde der Beklagte durch ein Gewinnversprechen in die Räume der
Klägerin eingeladen. Er sollte ein Probeabo, das er gewonnen hatte, wahrnehmen.
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Der Beklagte wurde somit bewusst in die Geschäftsräume unter in Aussichtstellung
einer kostenlosen zweiwöchigen Probenutzung des Studios in die Räume der Klägerin
gelockt, ohne dass ein Hinweis auf einen Vertragsschluß erfolgte.
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Der spätere Vertragsschluß wurde daher von der Klägerin herbeigeführt anlässlich der
Gewinnabholung in einer von § 312 Abs. 1 BGB umfassten Form.
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Insoweit ist § 312 BGB in Anlehnung an die europarechtlichen Vorgaben der
entsprechenden Richtlinie großzügig auszulegen.
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Als weiteres Indiz für eine Überrumpelungssituation ist zu werten, dass der Beklagte
lediglich innerhalb des Probezeitraums die Einrichtungen des Fitnessstudios genutzt
hat und somit offenbar ein Vertrag geschlossen wurde, an dessen Leistungsinhalt der
Beklagte kein Interesse hat, da darüber hinaus keine Leistungen in Anspruch
genommen worden sind. Wenn man ein Probeabo gewinnt, geht man als Verbraucher
davon aus, dass man keinen Rechtsbindungswillen bekundet und gesondert noch den
Rücktritt erklären muß. Vielmehr soll es mit dem Ablauf der Probezeit sein Bewenden
haben, wenn man sich nicht zu einem Vertragschluß entschließt. Hier wurde allerdings
die Aussicht auf zwei kostenlose Trainingswochen bewußt ausgenutzt, um den
Verbraucher zum Vertragschluß zu bewegen, da ihm suggeriert wurde, das Probeabo
nur unter dieser Bedingung in Anspruch nehmen zu können. Die von der Klägerin
zitierte Entscheidung hat einen anders gelagerten Sachverhalt – nämlich die
Darstellung der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin im Rahmen eines Tages der
offenen Tür - zum Gegenstand. Darum geht es vorliegend ersichtlich nicht, so dass der
Fall nicht vergleichbar ist.
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Als Folge daraus steht dem Beklagten ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, da die
abschließenden Ausschlussgründe gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BGB nicht vorliegen.
Von diesem Widerrufsrecht hat der Beklagte unstreitig Gebrauch gemacht. Auf die
genaue Bezeichnung als Widerruf kommt es nicht an, so dass insoweit auch der Begriff
Kündigung oder Anfechtung ausreichend ist. Entscheidend ist, dass der Beklagte zum
Ausdruck bringt, dass er sich an dem Vertrag nicht festhalten lassen will. Die
Widerrufserklärung musste nicht binnen 2 Wochenfrist bzw. innerhalb der in der Klausel
vorgesehen Frist erfolgen, da die Klausel insoweit nicht den Belehrungserfordernissen
des § 355 BGB entspricht. Die Frist zum Widerruf beginnt nämlich gemäß § 355 Abs. 2
BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung
über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten
Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist,
die auch Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist,
und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelungen des Absatzes 1 Satz 2
enthält. Diesen Anforderungen wird die Klausel nicht gerecht. Es wird allein darauf
hingewiesen, dass ein Rücktrittsrecht besteht und dass dieses bis zum 08.07.2005
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ausgeübt werden kann. Der Beklagte als Verbraucher hat einen Rechtsanspruch auf
eine ordnungsgemäße Belehrung. In diesem Zusammenhang musste sie dem
Deutlichkeitsgebot entsprechen. Die Belehrung muß demnach inhaltlich und
drucktechnisch deutlich gestaltet sein. Sie muß sich durch Farbe, größere Lettern,
Sperrschrift oder Fettdruck in nicht übersehbarer Weise aus dem übrigen Text
herausheben (BGH NJW-RR 1990, 368 ff.). Dies ist bei der Vertragsklausel nicht der
Fall. Es fehlt an genauen Angaben und an der besonderen Hervorhebung der Klausel
gegenüber dem übrigen Text. Die Ausschlussfrist des § 355 Abs. 3 BGB ist auch nicht
erreicht. Mithin konnte der Beklagte am 30.08.2004 den Widerruf bzw. die Kündigung
des Vertrages erklären. Dass er diese mit Gründen versehen hat, die im
gesundheitlichen Bereich liegen, ist unschädlich. Der Widerruf bedarf nämlich
überhaupt keiner Begründung.
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Darüber hinaus ist eine Anspruchsgrundlage für die gesamte Laufzeit des Vertrages
ohnehin nicht zu erkennen. Zum einen hat die Klägerin eine entsprechende
Vertragsklausel nicht vorgelegt. Gerichtsbekanntermaßen enthalten ihre Verträge aber
in der Regel unter Absatz C.2 "Ihre Sicherheiten" der allgemeinen
Geschäftsbedingungen eine entsprechende Klausel, dass der Jahresbetrag sofort fällig
wird, wenn der Kunde mit der Zahlung von 8 Wochen in Verzug kommt.
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Insoweit konnte dahinstehen, ob diese allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
sind. Dies dürfte allerdings im Ergebnis zu bejahen sein. Es handelt sich um allgemeine
Geschäftsbedingungen, weil die Vertragsbedingungen für die Vielzahl von Verträgen
vorformuliert sind. Hinsichtlich der Unwirksamkeit ist § 307 Abs. 1 BGB einschlägig. Es
handelt sich um eine unangemessene Benachteiligung. Unwirksam ist eine
Vertragsbedingung über die Gesamtflächigkeit des Entgelts danach dann, wenn die
Gesamtfälligkeit von dem Verzug mit einem Betrag abhängig gemacht wird (Palandt,
BGB, § 307 Rnr. 105). Die Gesamtfälligkeit des Entgelts kann lediglich beim Verzug mit
2 Monatsbeiträgen begründet werden. Die Vertragsbedingung ist allerdings insoweit
dann mehrdeutig, weil sie nicht ausdrücklich regelt, mit welchem Geldbetrag sich der
Vertragspartner in Verzug befinden muß, um die Gesamtfälligkeit auszulösen. Dabei ist
die Klausel gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin so auszulegen, dass die
Gesamtfälligkeit bereits mit einem Monatsbeitrag oder einem geringen Teil der
Gesamtfälligkeit begründet wird. Der Kunde hat das gesamte Vergütungsrisiko zu
tragen. Hierfür ist außer der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin kein sachlicher
Grund zu sehen, hingegen werden die Kunden unangemessen benachteiligt, da sie
selbst den Fall einer berechtigten Kündigung auf die mühsame Geltendmachung von
Rückzahlungsansprüchen verwiesen werden. Eine solche Benachteiligung der
Benutzer ist mit dem Leidbild von Mietverträgen nicht zu vereinbaren. Auch die
Überschrift "Ihre Sicherheiten" ist irreführend. Die Vorfälligkeitsklausel ist allein eine
Sicherheit für die Klägerin. Ein Vorteil für den Kunden ist nicht zu erkennen.
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Darüber hinaus dürfte hinsichtlich der Laufzeitvorgaben, die ebenfalls als allgemeine
Geschäftsbedingungen zu werten sind außerdem ein Verstoß nach § 309 Nr. 9 BGB
vorliegen, da die Laufzeit erst zeitlich nach dem Vertragsschluß, der für die Frist
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maßgebend ist, anfängt.
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Die prozessualen Nebenentscheidung beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711,
709, 108 ZPO.
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Streitwert:
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Richterin am Amtsgericht
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