Urteil des AG Eschwege vom 14.04.2008

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Gericht:
AG Eschwege
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 C 122/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 249 BGB
Ersatz von Rechtsanwaltskosten bei Kfz-Unfall:
Beauftragung des Anwalts durch ein im Rechts- und
Wirtschaftsverkehr tätiges Unternehmen
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der
geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 3 Nr. 1
PflVG a. F.
Zwar haften die Beklagten, wie unstrittig ist, für sämtlichen durch den
Verkehrsunfall vom 12.08.2006 verursachten Schaden. Dieser ist, wie dem
Grundsatz nach ebenfalls nicht im Streit steht, jedoch nach § 249 BGB nur insoweit
zu ersetzen, als er in den Grenzen der Erforderlichkeit entstanden ist. Dabei
verkennt die Klägerin auch nicht, dass sich die Erforderlichkeit der
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts danach richtet, ob diese aus der Sicht des
Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte geboten und zweckmäßig
erscheint.
Hieraus folgt zunächst, dass diese Frage einzelfallabhängig zu entscheiden ist.
Einen Grundsatz, nach welchem der Geschädigte eines Verkehrsunfalls stets einen
Rechtsanwalt beauftragen kann und der Schädiger die hierdurch entstehenden
Kosten zu tragen hat, gibt es nicht. Denn selbstverständlich kann auch ein
Verkehrsunfall – wie jedes andere mit denkbaren Ansprüchen einhergehende
Ereignis – von solch einfacher sachlicher und rechtlicher Schwierigkeit sein, dass
sich die sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts als nicht erforderlich erweist.
Vorliegend gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass die sofortige
Beauftragung eines Rechtsanwalts den vorgenannten Kriterien der Erforderlichkeit
nicht entspricht.
Der Verkehrsunfall weist in seinem tatsächlichen Ablauf und seiner rechtlichen
Bewertung keine ersichtlichen Schwierigkeiten auf. Der Beklagte zu 1) überfuhr
eine rote Ampel und beschädigte infolge dessen das Fahrzeug der Klägerin. Der
Sachverhalt ist eindeutig, die hieraus zu ziehende Rechtsfolge der Alleinhaftung
der Beklagten ebenso. Dass die Unfallstelle eine mit Lichtzeichen versehene
Kreuzung ist, eine Örtlichkeit, die "gegebenenfalls viel Spielraum für
Argumentation innerhalb der Schuldfrage zulässt", kann nur dann richtig sein,
wenn gerade der konkrete Unfallhergang aus der Sicht des Geschädigten
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wenn gerade der konkrete Unfallhergang aus der Sicht des Geschädigten
potentiell streitig sein könnte. Für ein etwaiges auch nur ansatzweise in Betracht
zu ziehendes Mitverschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs wird von der
Klägerin indes nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Die bloße
theoretische Möglichkeit, dass eine Haftpflichtversicherung "Spielraum für
Argumentation" betreffend die Schuldfrage hat und nutzen könnte, genügt ohne
aus der Sicht des Geschädigten denkbare greifbare Anhaltspunkte für ein solches
Verhalten nicht.
In subjektiver Hinsicht handelt es sich bei der Klägerin um ein im Rechts- und
Wirtschaftsverkehr tätiges, also über hinreichende geschäftliche Gewandtheit
verfügendes Unternehmen, dem Umgang mit anderen Unternehmen nicht
unvertraut sein dürfen. Ob die Klägerin "in der Regel mit der Abwicklung von
Verkehrsunfällen nichts zu tun hat", ist ohne Belang, da hier keine näheren
Rechtskenntnisse zu verlangen sind, sondern lediglich die Frage zu stellen ist, ob
die Anzeige des Schadens, verbunden mit dem Begehren auf Schadensersatz,
von der Klägerin selbst vorgenommen werden kann. Abgesehen davon folgt aus
der genannten von den Bevollmächtigten der Klägerin gewählten Formulierung,
dass die Klägerin durchaus schon einmal, wenn auch nicht "in der Regel" mit der
Abwicklung von Verkehrsunfällen befasst ist, so dass noch nicht einmal eine
gänzliche Unerfahrenheit der Klägerin auf diesem Gebiet sicher auszumachen ist.
Das Interesse der Klägerin, das beschädigte Fahrzeug möglichst schnell wieder
betriebsbereit zu bekommen, gebot die sofortige Beauftragung eines
Rechtsanwalts ebenfalls nicht. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin
ernsthaft hätte erwarten müssen, dass bei eigener Geltendmachung ihrer
Ansprüche eine längere Bearbeitungsfrist drohte. Auch hierfür liegen keine
Anhaltspunkte vor. Die einzige Verzögerung, die sich vorliegend gegebenenfalls
bejahen ließe, kann aus dem Zwischenschritt, zunächst einen Rechtsanwalt zu
beauftragen, hergeleitet werden.
Es verbleibt der Umstand, dass das beschädigte Fahrzeug ein Leasingwagen war.
Warum diese Tatsache die Klägerin "befürchten" können ließ, "dass sich die
Schadensregulierung länger hinziehen würde", ist nicht auszumachen und wird
nicht durch substanziellen Vortrag gestützt.
Der rechtlich anerkennenswerten Erwartung einer zügigen Schadensregulierung
hätte vorliegend durch entsprechende geringe der Beklagten zu 2)
zuzugestehende Bearbeitungsfristen begegnet werden können, nicht aber schon
dadurch, dass die Klägerin ohne vorgehende eigene Bemühungen die
Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche in die Hände ihrer Rechtsanwälte legt.
Die durch die Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen ändern an diesem
Ergebnis nichts. Sollte die genannte Entscheidung des Amtsgerichts Kelheim
derart zu verstehen sein, dass stets nach einem Verkehrsunfall "einer normalen
Firma" wie auch einer Privatperson nicht zugemutet werden könne, zunächst allein
Schadensersatz zu verlangen, verkennte eine solche Ansicht das Erfordernis der
Einzelfallbetrachtung. Im Gegenteil gilt: Auch bei einer geschädigten Privatperson
ist die Erforderlichkeit nach § 249 BGB in jedem Einzelfall positiv festzustellen.
Zwar mag man zu dem Ergebnis kommen, dass in aller Regel die Beauftragung
eines Rechtsanwalts als erforderlich angesehen werden kann. Der vorliegende
Verkehrsunfall ist indes aus den obigen Gründen kein "Regelfall".
Der zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Mainz vom 23.12.2004 – 89 C 280/04
– schließlich lässt sich nichts entnehmen, das die Ansicht der Klägerin stützte. Die
dortige Entscheidung betrifft die Klage einer nicht geschäftlich tätigen Person, und
die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten stand dort dem Grunde nach
außer Streit.
Erweist sich die Klage daher nach allem als nicht berechtigt, war sie mit der auf §
91 Abs. 1 ZPO gründenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat keine
grundsätzliche Bedeutung, da die zur Entscheidung stehende Frage dem
Grundsatz nach in der Rechtsprechung geklärt ist und lediglich über die
Umsetzung im konkreten Fall Streit bestand. Auch bedarf es keiner Entscheidung
des Berufungsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung.
15 Streitwert: 470,05 EUR.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.