Urteil des AG Erkelenz vom 22.08.1996

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Amtsgericht Erkelenz, 15 C 129/95
Datum:
22.08.1996
Gericht:
Amtsgericht Erkelenz
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 C 129/95
Schlagworte:
Mitverursachung des mit überhöhter Geschwindigkeit überholenden
Kraftfahrzeuges
Normen:
§§ 7, 17 StVG
Leitsätze:
Mitverursachung des mit überhöhter Geschwindigkeit überholenden
Kraftfahrzeuges
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
an den Kläger 935,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.10.1994 zu
zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist, vorläufig vollstreckbar
Die Klage ist nur teilweise begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung
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von 935,00 DM aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz.
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Der Pkw VW Polo des Klägers wurde beim Betrieb des landwirtschaftlichen Gespanns
des Beklagten zu 1 im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG beschädigt. Die Beklagte zu 2 haftet
für die beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs entstandenen Schäden als
Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1.
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Der Kläger kann nicht Ersatz von 2/3 des ihm entstandenen Schadens verlangen,
vielmehr hat er sich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG einen Mitverursachungsbeitrag von
50 % anrechnen zu lassen, da die Beschädigung zugleich beim Betrieb seines eigenen
Kraftfahrzeuges eintrat. Die Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensbeiträge des
Klägers und des Beklagten zu 1 sind als gleichwertig anzusehen.
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Der Kläger hat entgegen § 3 Abs. 3 StVO nicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit
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von 50 km/h eingehalten. Hiervon ist das Gericht nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme überzeugt. Der Sachverständige hat unter Zugrundelegung der
polizeilich festgehaltenen Bremsspur, der Fahrzeugschäden, der Endstellung der
Fahrzeuge sowie der Fahrzeugdaten und der Fahrbahnbeschaffenheit festgestellt, daß
der Kläger mit 75 bis 80km/h zu seinem Reaktionszeitpunkt gefahren ist. Die
Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend und nachvollziehbar,
hinsichtlich ihrer Richtigkeit bestehen keinerlei Zweifel.
Die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger
ist auch unfallursächlich geworden, weil er nach den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h den Unfall
vermieden hätte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen reagierte der Kläger
bereits 46 m vor dem Kollisionsort, bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h wäre er
bereits nach 28 m zum Stehen gekommen, der Unfall wäre dann nicht erfolgt. Der
Kläger hätte gemäß dem Gutachten den Unfall weiter vermieden, wenn er die Höhe des
Kollisionsortes etwa 1,2 Sekunden später erreicht hätte. In diesem Zeitpunkt hätte der
Anhänger des Beklagten zu 1 nicht mehr die rechte Fahrbahnhälfte der Straße blockiert.
Dies wäre dem Kläger dann möglich gewesen, wenn er, eine Ausgangstempo von 50
km/h eingehalten, sein Fahrzeug gering verzögert hätte und auf der rechten
Fahrbahnhälfte geblieben wäre. Es wäre dann nur ein geringes Abbremsen erforderlich
gewesen, um in Höhe der Unfallstelle den Anhänger des Beklagten zu 1 hinterfahren zu
können.
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Dem. Beklagten zu 1 ist ebenfalls ein hälftiger Mitverursachungsbeitrag hinsichtlich des
Urifallereignisses anzulasten, weil er trotz der bestehenden Möglichkeit, das klägerische
Fahrzeug als ein Überholendes zu erkennen, dennoch den Abbiegevorgang einleitete.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß sich das beginnende Lenkmanöver des
'Beklagten zu 1 ca. 1,5 Sekunden' vor dem Unfall ereignete. Zu diesem Zeitpunkt befand
sich das klägerische Fahrzeug bereits teilweise auf der linken Fahrbahnhälfte. Nach
Maßgabe des § 9 Abs. I Satz 4 StVO ist vor dem Einordnen und nochmals vor dem
Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Hätte sich der Beklagte zu 1 zu
dem Zeit- punkt, als er sein Abbiegemanöver einleitete, über die rückwärtige
Verkehrslage informiert, hätte er den VW Polo des Klägers als ein einen
Überholvorgang anstrebendes Fahrzeug erkennen können. Der Beklagte zu 1 kann sich
nicht darauf berufen, das klägerische Fahrzeug habe sich in diesem Moment
möglicherweise im toten Winkel befunden, da er seiner Rückschaupflicht nicht nur durch
Blick in den Außenspiegel, sondern auch durch einen Schulterblick Genüge zu tun hat.
Ferner hätte er schon beim Einordnen unter Berücksichtigung der doppelten
Rückschaupflicht erkennen können, daß sich der Polo des Klägers mit recht hohem
Tempo näherte und diesen weiterhin im Auge behalten müssen. Insbesondere im
Hinblick auf die Annäherungsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs war für den
Beklagten absehbar, daß dieser das landwirtschaftliche Gespann würde überholen
wollen.
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Nach dem Gutachten des Sachverständigen hätte der Beklagte zu 1 die Kollision
vermeiden können, wenn er nicht abgebogen wäre, sondern weiter geradeaus gefahren
wäre und den Linksabbiegevorgang zurückgestellt hätte.
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Ein mehr als 50 %iger Mitverursachungsanteil ist dem Beklagten zu 1 nicht anzulasten
unabhängig von der Frage, ob er den Fahrtrichtungsanzeiger nach links betätigt hat
oder nicht. Nach
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den Feststellungen des Sachverständigen .~ reagierte der
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Kläger zu einem Zeitpunkt, als sich das Beklagtenfahrzeug noch vollständig auf der
rechten Fahrbahnhälfte befand, vermutlich wurde die Reaktion durch die
aufleuchtenden Bremslichter des landwirtschaftlichen Gespanns hervorgerufen. Für den
weiteren Unfallverlauf spielt es keine Rolle, ob der Beklagte zu 1 im gleichen Moment
auch noch durch Betätigung seines linken Fahrtrichtungsanzeigers seine Absicht, nach
links abzubiegen, kund- getan hätte. In diesem Moment befand sich das klägerische
Fahr- zeug selbst noch vollständig auf der rechten Fahrbahn. Es ist nicht ersichtlich, daß
der Beklagte zu 1 frühzeitiger seine Abbiegeabsicht durch Betätigung des Blinkers hätte
zu erkennen geben müssen.
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Dem Beklagten zu 1 ist auch nicht etwa im Hinblick auf eine höhere Betriebsgefahr
seines Fahrzeugs ein überwiegender Mitverursachungsbeitrag anzulasten. Es läßt sich
nicht sagen, daß die Betriebsgefahr eines landwirtschaftlichen Gespanns generell höher
wäre, als die eines Pkw. Das Gespann ist zwar einerseits unbeweglicher als ein Pkw,
andererseits verwirklicht sich bei seinem Betrieb keine Gefahr, die auf einer hohen
Geschwindigkeit resultieren würde. Insbesondere hat sich im vorliegenden Fall keine
dem landwirtschaftlichen Gespann innewohnende Gefahr realisiert. Auch ein Pkw
verlangsamt bei einem Abbiegemanöver der erfolgten Art die Geschwindigkeit wie hier
geschehen.
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Aus der Abwägung des beiderseitigen Mitverschuldens ergibt sich, daß der Kläger 50 %
des ihm entstandenen materiellen Schadens ersetzt verlangen kann. Nachdem die
Beklagte zu 2 auf den unstreitigen Sachschaden in Höhe von 5.610,00 DM bereits
1.870,00 DM gezahlt hat, steht noch ein Restbetrag von 935,00 DM offen.
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gen Sachschaden in Höhe von 5 610
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Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 BGB. Durch das Schreiben vom
06.10.1994 unter Fristsetzung zum 18.10.1994 waren die Beklagten ab 19.10.1994 mit
der Begleichung der Klageforderung gemäß § 284 Abs. 1 BGB in Verzug.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Von der Darstellung eines Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
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Streitwert :1.870,00 DM.
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