Urteil des AG Emmendingen vom 14.06.2010

AG Emmendingen (verzicht, durchführung, aug, rechtsmittel, unterhalt, vereinbarung, zweifel, begründung, baden, vergütung)

AG Emmendingen Beschluß vom 14.6.2010, 4 F 230/08
Tenor
1. Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des
Amtsgerichts -Familiengericht- Emmendingen vom 11.02.2010 insoweit aufgehoben, als die geltend gemachte
Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG aus 1.000,00 EUR in Höhe von 85,00 EUR zzgl.Umsatzsteuer abgesetzt
wurde. Die Rechtspflegerin wird angewiesen, die Einigungsgebühr festzusetzen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Gegen diese Entscheidung wird die Beschwerde der Staatskasse zugelassen.
Gründe
1
Mit seinem als Erinnerung zur behandelnden Rechtsmittel wendet sich der Prozessbevollmächtigte der
Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 11.02.2010,
soweit darin die Einigungsgebühr für einen von den Parteien im Scheidungsverfahren erklärten Verzicht auf die
Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesetzt worden ist.
2
Für das zwischen den Parteien anhängige Scheidungsverfahren war der Antragstellerin mit Beschluss vom
14.08.2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., K., bewilligt worden.
3
In der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2009 im Ehescheidungsverfahren einigten sich die Parteien
dahingehend, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Darüber hinaus verzichteten sie wechselseitig
auf nachehelichen Unterhalt. In Ziffer 2 des Urteilstenors vom 18.08.2009 genehmigte das Familiengericht die
Vereinbarung hinsichtlich des Versorgungsausgleichsverzichts. Bei Durchführung des Versorgungsausgleichs
hätten zugunsten des Ehemannes 37,61 EUR monatlich an Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto
des Ehemannes übertragen werden müssen.
4
Mit Schriftsatz vom 30.12.2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, seine aus der
Staatskasse zu zahlende Vergütung festzusetzen, wobei er unter anderem die Festsetzung einer 1,0
Einigungsgebühr (85,00 EUR) aus 1.000,00 EUR für den Versorgungsausgleich beanspruchte. Mit Beschluss
vom 11.02.2010 hat die zuständige Rechtspflegerin die gemäß § 49 RVG aus der Staatskasse zu zahlende
Vergütung auf 1050,65 EUR festgesetzt, dabei jedoch die beantragte Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG aus
1.000,00 EUR in Höhe von 85,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer abgesetzt. Zur Begründung wird im Beschluss
ausgeführt, dass die Einigungsgebühr nur in Fällen anfalle, in denen der Ausgleichsberechtigte noch nicht fest
stehe. Im vorliegenden Fall sei jedoch klar gewesen, dass der Antragsgegner ausgleichsberechtigt ist.
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Mit Schriftsatz vom 22.02.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin gegen den
Festsetzungsbeschluss "Rechtsmittel" eingelegt. Zur Begründung führt er aus, der Verzicht auf die
Durchführung des Versorgungsausgleichs dürfe nicht isoliert von dem wechselseitigen Unterhaltsverzicht
gesehen werden. Das Ganze sei als "Paketlösung" anzusehen.
6
Nach vorheriger Anhörung der Staatskasse hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 24.03.2010 der
Erinnerung nicht abgeholfen und die Akte dem Abteilungsrichter zur Entscheidung über die Erinnerung
vorgelegt.
7
Gemäß § 56 Abs. 2 i.V. m. § 33 Abs. 3 RVG ist das Rechtsmittel als Erinnerung zu behandeln, da der
Beschwerdewert von über 200,00 EUR nicht erreicht ist.
8
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
9
Der Verzicht der Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs löst vorliegend die Einigungsgebühr
nach Nr. 1003 VV RVG aus, denn die Vereinbarung beschränkte sich nicht auf einen Verzicht. Wesentlicher
Bestandteil der Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien war neben dem Verzicht auf den
Versorgungsausgleich auch der Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt. Im Zweifel ist davon auszugehen,
dass bei einer Scheidungsfolgenvereinbarung die geregelten Punkte im Zusammenhang stehen und
entsprechend dem Gedanken des § 139 BGB eine Regelung nicht ohne die anderen getroffen worden wäre.
Wenn dies jedoch der Fall ist, dann kann nicht eine Regelung für sich betrachtet gebührenrechtlich eine
Sonderbehandlung dahingehend zu Teil werden, dass sie von der Einigungsgebühr ausgenommen wird
(vgl.hierzu OLG Dresden, FamRZ 2009, 1781).
10 Die vom Bezirksrevisor genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe betreffen sämtlich nicht
den vorliegenden Fall. Sie beurteilen lediglich einen isolierten Verzicht auf die Durchführung des
Versorgungsausgleichs.
11 Etwas anderes mag dann gelten, wenn wie - wie in dem vom Amtsgericht Freiburg beschlossenen Fall (44 F
156/08) der Versorgungsausgleich keinerlei wirtschaftliche Bedeutung hat. Im genannten Fall wären lediglich
0,56 EUR monatlich durch Rentensplitting zu übertragen gewesen. Im vorliegenden Fall wäre die Durchführung
des Versorgungsausgleichs unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Parteien jedoch nicht wirtschaftlich
bedeutungslos. Der Betrag von 37,61 EUR monatlich entspricht einem Kapitalwert von über 7.000,00 EUR, so
dass dieser Betrag nach den jetzt geltenden Kriterien des Versorgungsausgleichsgesetz entsprechend § 18
nicht als geringfügig anzusehen wäre.
12 Vorliegend ist daher im Zweifel davon auszugehen, dass beide Regelungen der Vereinbarung der Parteien vom
18.08.2009 sowohl über den Versorgungsausgleich, als auch über den Unterhalt voneinander nicht isoliert
betrachtet werden können und daher auch gebührenrechtlich Einigungsgebühr für beide Tatbestände anfällt.
13 Das Verfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG gerichtsgebührenfrei.
14 Die Zulassung der Beschwerde der Staatskasse wegen grundsätzlicher Bedeutung beruht auf §§ 56 Abs. 2, 33
Abs. 3 S. 3 RVG.